Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2019, Az. AK 59/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 292

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2019:171219BAK59.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AK 59 u. 60/19

vom
17. Dezember
2019
in dem Strafverfahren
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.: Verbrechens gegen die Menschlichkeit u.a.
zu 2.: Beihilfe zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie der Angeschuldigten und ihrer Verteidiger am 17.
Dezem-ber
2019 gemäß §§
121, 122 [X.] beschlossen:

Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem [X.]punkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe:
I.
1.
Der Angeschuldigte R.

ist am 12.
Februar
2019 festgenommen
worden und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungs-haft, zunächst aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesge-richtshofs vom 7.
Februar 2019 (4
[X.]
21/19), seit dem 29.
November 2019 aufgrund des Haftbefehls des 1.
Strafsenats des [X.] vom 18.
November 2019 (1
StE
9/19).
Dieser Haftbefehl wirft dem Angeschuldigten R.

vor, er habe in
[X.] ([X.]) in der [X.] vom 29.
April 2011 bis zum 7.
September 2012 gemeinschaftlich handelnd durch eine Handlung im Rahmen eines ausgedehn-ten und systematischen Angriffs auf eine Zivilbevölkerung
1
2
-
3
-

58
Menschen aus niedrigen Beweggründen getötet,

mindestens 4.000
Menschen gefoltert, indem er ihnen erhebliche [X.] und seelische Schäden und Leiden zugefügt habe, die nicht lediglich Folge völkerrechtlich zulässiger Sanktionen gewesen seien, diese mindestens 4.000
Menschen unter Verstoß gegen eine allge-meine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender Weise der körper-lichen Freiheit beraubt, eine andere Person mit Gewalt genötigt, sexu-elle Handlungen an sich zu dulden, wobei der Täter eine Waffe bei sich geführt habe, und eine andere Person mit Gewalt genötigt, sexu-elle Handlungen an sich zu dulden, wobei der Täter dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vorgenommen habe, die dieses besonders erniedrigt hätten,
strafbar gemäß §§
1,
7 Abs.
1 Nr.
1, 5, 9 [X.], §
177 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
2 Nr.
1, Abs.
3 Nr.
1 StGB in der vom 1.
April 1998 bis zum 9.
November 2016 gültigen Fassung, §§
211, 25 Abs.
2, §
52 StGB.
Mit Beschluss vom 5.
September 2019 (AK
47/19) hat der [X.] -
noch auf der Grundlage des Haftbefehls des Ermittlungsrichters
-
die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.
2.
Der Angeschuldigte A.

ist ebenfalls am 12.
Februar 2019 fest-
genommen worden und hat sich zunächst bis zum 17.
Mai 2019 in Unter-suchungshaft befunden. Dem Vollzug hat der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 7.
Februar 2019 (4 [X.] 25/19) zugrunde gelegen, den dieser mit Beschluss vom 17.
Mai 2019 (4 [X.] 128/19) wieder aufgehoben hat.
3
4
-
4
-
Am 24.
Juni 2019 ist der Angeschuldigte A.

erneut festgenommen
worden und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. Da der [X.] auf die Beschwerde des [X.] mit Beschluss vom 6.
Juni 2019 (StB
14/19) den Beschluss des Ermittlungsrichters vom 17.
Mai 2019 aufgehoben hat, ist Grundlage des weiteren Untersuchungshaftvollzugs zunächst abermals der -
wieder existente und vom [X.] zugleich inhaltlich ge-änderte
-
Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom 7.
Februar 2019 gewesen. Seit dem 29.
November 2019 wird der bereits benannte Haftbefehl des 1.
Straf-senats des [X.] vom 18.
November 2019 (1
StE
9/19) auch gegen den Angeschuldigten A.

vollzogen.
Diesem Angeschuldigten legt der Haftbefehl zur Last, er habe in [X.] und [X.] ([X.]) vom 1.
September oder bis zum 31.
Oktober 2011 durch eine Handlung im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen An-griffs auf eine Zivilbevölkerung einem anderen geholfen, mindestens 30
Men-schen zu foltern, indem diesen erhebliche körperliche und seelische Schäden und Leiden zugefügt worden seien, und diese mindestens 30
Menschen unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender
Weise der körperlichen Freiheit beraubt, strafbar nach §§
1,
7 Abs.
1 Nr.
5,
9 [X.], §
27 StGB.
Mit Beschluss vom 9.
Oktober 2019 ([X.]) hat der [X.] -
noch auf der Grundlage des Haftbefehls des Ermittlungsrichters in Verbindung mit sei-nem auf die
Beschwerde des [X.] ergangenen Beschluss
-
die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet.
3.
Am 22.
Oktober 2019 hat der [X.] Anklage gegen die Angeschuldigten zum [X.] erhoben. Nach Verkün-5
6
7
8
-
5
-
dung des Haftbefehls vom 18.
Oktober 2019 hat dieses dem [X.] die Akten zur Haftprüfung vorgelegt.
II.
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft auch über neun Monate hinaus liegen für beide Angeschuldigte vor. Hinsichtlich des Angeschuldigten A.

ist der [X.] nicht gehindert, schon vor Ende der Frist nach §
121
Abs.
1, §
122 Abs.
4 Satz
2 [X.] die [X.] anzuordnen (s. Meyer-
Goßner/[X.], [X.], 62.
Aufl., §
122 Rn.
14 mwN).
1.
Der vom [X.] gegen beide Angeschuldigte erlassene Haftbefehl vom 18.
November 2019 enthält im [X.] die Tatvorwürfe, die auch Gegenstand der [X.] des [X.]s vom 5.
September und 9.
Oktober 2019 gewesen sind. Das betrifft sowohl den gegen den [X.]n R.

erhobenen Vorwurf von unter seiner Führung und Verant-
wortung durchgeführten Folterungen an inhaftierten Zivilisten, namentlich den drei Zeugen [X.]

,

G.

und T.

, als auch den gegen den
Angeschuldigten A.

erhobenen Vorwurf der Hilfeleistung zu Folterungen
von mindestens 30
gefangengenommenen Demonstranten, jeweils als Mitarbei-ter des syrischen Allgemeinen Geheimdienstes im Rahmen des vom Assad-
Regime angeordneten ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die syrische Zivilbevölkerung anlässlich des sog. [X.].
Diese Vorwürfe tragen weiterhin die Fortdauer der Untersuchungshaft. Nach wie vor bezieht sich der dringende Verdacht in rechtlicher Hinsicht auf ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach §
7 Abs.
1 Nr.
5 [X.] ([X.]

) bzw. der Beihilfe hierzu (Angeschuldigter A.

). Für
9
10
11
-
6
-
die [X.] ist es nicht entscheidend, dass der Haftbefehl die (Haupt-)Taten, die Gegenstand der bisherigen [X.] waren, in Bezug auf beide [X.] als Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch im Sinne des §
7 Abs.
1 Nr.
9 [X.] beurteilt, während den Angeschuldigten nicht mehr die
-
idealkonkurrierende
-
Beteiligung an einfachen oder gefährlichen Körperver-letzungen (§
223 Abs.
1, §
224 Abs.
1 Nr.
2,
4 StGB) zur Last gelegt wird, weil der [X.] diese gemäß §
154a Abs.
1 Nr.
1 [X.] von der Strafverfolgung ausgeschieden hat. Denn das Verbrechen nach §
7 Abs.
1 Nr.
5 [X.] wiegt, gemessen am Strafrahmen, ohnehin schwerer als dasjenige nach §
7 Abs.
1 Nr.
9 [X.] und die genannten Körperverletzungsdelikte.
Unbeschadet dessen, dass der im vorgelegten Haftbefehl gegen den Angeschuldigten R.

erhobene weitergehende Tatvorwurf, ihm seien als
Mittäter tateinheitliche Tötungen von 58
Menschen und Folterungen an weiteren 3.997
Menschen -
mittels körperlicher Misshandlungen sowie sexueller Gewalt
-

zuzurechnen, ein deutlich höheres Gewicht hat, kommt es hierauf für die vorlie-gende Entscheidung über die [X.] nicht maßgebend an.
Der [X.] lässt all dies im Hinblick auf die gebotene zügige Durchfüh-rung des [X.] dahinstehen, zumal das [X.] mitgeteilt hat, es
werde erst nach Rückgang der Akten über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden.
2.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Tatvorwürfe, auf die sich die [X.] des [X.]s bezogen haben, des dringenden Tatver-dachts, des [X.] der Fluchtgefahr und der Versagung einer [X.] wird Bezug genommen
12
13
14
-
7
-

für den Angeschuldigten R.

auf die [X.]entscheidung
des [X.]s vom 5.
September 2019, ferner den Haftbefehl des Ermitt-lungsrichters des [X.] vom 7.
Februar 2019 und den ihm zugrundeliegenden Antrag des [X.]
vom 17.
Januar 2019,

für den Angeschuldigten A.

auf die Beschwerdeentscheidung
des [X.]s vom 6.
Juni 2019 und daneben den Haftbefehlsantrag des [X.] vom 23.
Januar 2019.
Die Gründe der beiden genannten [X.]sentscheidungen gelten unver-mindert fort. Zur Beweislage, insbesondere im Hinblick auf -
auch den [X.] hier gegenständlichen dringenden Tatverdacht erhärtende
-
weitere syste-matische Folterungen, wird auf das in der Anklageschrift des Generalbundes-anwalts vom 18.
Oktober 2019 dargelegte wesentliche Ergebnis der Ermittlun-gen verwiesen.
3.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§
121 Abs.
1, §
122 Abs.
4 Satz
2 [X.]) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist auch nach den [X.]sbeschlüssen über die [X.] vom 5.
September und 9.
Oktober 2019 hinreichend
gefördert worden:
Der [X.] hat nach Abschluss der Auswertung der
Asservate und Durchführung der letzten Zeugenvernehmungen am 18.
Oktober 2019 die Anklageschrift fertiggestellt. Sie ist am 22.
Oktober 2019 beim Ober-15
16
17
-
8
-
landesgericht Koblenz
eingegangen. Dieses hat angekündigt, nach Rückgang der Akten zeitnah über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu entscheiden.
Der vom [X.] für den Fall der Eröffnung beabsichtigte Be-ginn der Hauptverhandlung im Mai 2020 könnte unter dem Gesichtspunkt des Beschleunigungsgrundsatzes nicht frei von Bedenken sein. Zwar hat es [X.] mitgeteilt, bei der Terminierung seien "etwaige Urlaubspläne des [X.]s und der Verfahrensbeteiligten" zu berücksichtigen. Ohne dass derartige -
grund-sätzlich anerkennenswerte
-
Belange konkretisiert werden, scheint die ver-gleichsweise lange [X.]spanne zwischen Anklageerhebung und Hauptverhand-lungsbeginn von mehr als sechs Monaten nicht ohne weiteres nachvollziehbar.
4.
Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der jeweiligen Sache und der im Fall einer Ver-urteilung zu erwartenden Strafen (§
120 Abs.
1 Satz
1 [X.]).
Schäfer
Gericke
Berg
18
19

Meta

AK 59/19

17.12.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2019, Az. AK 59/19 (REWIS RS 2019, 292)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 292

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AK 60/19 (Bundesgerichtshof)


AK 6/20 (Bundesgerichtshof)


AK 7/20 (Bundesgerichtshof)


AK 1/21, AK 2/21, AK 1 und 2/21 (Bundesgerichtshof)

Fortdauer der Untersuchungshaft: Dringender Tatverdacht hinsichtlich der Begehung von Kriegsverbrechen gegen eine Person in Syrien …


AK 17/22 (Bundesgerichtshof)

Dringender Tatverdacht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Mitwirkung der deutschen Ehefrau eines IS-Kämpfers an der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.