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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
AnwZ (Brfg)
39/12
Verkündet am:
25. November 2013
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Akteneinsicht
-
2
-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen,
hat auf die mündliche Ver-handlung vom 25.
November 2013
durch
den
Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Kayser, die Richterinnen
Roggenbuck und Lohmann
sowie die Rechtsanwälte Prof.
Dr.
Stüer
und Dr. Martini
für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2012 ergangene Urteil des I.
Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000
festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Schreiben
vom 31.
August 2011
forderte ihn
die Beklagte auf, es zu unterlas-sen, die Kanzleibezeichnung "Prof. Dr. H.
W.
. Rechtsanwälte für Hoch-schulrecht. H.
. He.
"
zu verwenden und bis zum 2. September 2011 eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Der Kläger gab die Unterlassungserklärung nicht ab. Die Beklagte erwirkte daraufhin am 9.
September 2011 eine einstweilige Verfügung beim Landgericht H.
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(
O
). Außerdem leitete sie ein berufsrechtliches Beschwerdeverfah-ren gegen den Kläger ein. Der Kläger beantragte daraufhin Akteneinsicht in sämtliche ihn betreffenden Personal-
und Beschwerdeakten einschließlich der Akte zu der Abmahnung und dem Verfahren vor dem Landgericht H.
. Die Beklagte verweigerte dem Kläger zunächst die Einsichtnahme in die von ihr geführte Akte über das Verfahren vor dem Landgericht H.
. Sie teilte der Prozessbevollmächtigten des
Klägers
dann
den Inhalt der von ihr geführten zi-vilrechtlichen Akte zusammenfassend mit ("Diese enthält außer den
ihren Auf-traggebern
bekannten Schriftstücken
des Verfahrens selbst, Ausdrucken
von Internetseiten 'www.professor-w.
.de'
und der Korrespondenz mit dem von der Rechtsanwaltskammer
beauftragten Prozessbevollmächtigten
lediglich die ") und über-reichte die
Ablichtung der
Notiz vom 31. August 2011. Eine Einsichtnahme in die
Korrespondenz mit ihrem Prozessbevollmächtigten lehnte die Beklagte
wei-terhin ab, diese
unterliege nicht dem Akteneinsichtsrecht.
Das Landgericht hat die angegriffene Kanzleibezeichnung als irreführend eingestuft und die einstweilige Verfügung vom 9. September 2011 mit Urteil vom 29. März 2012 bestätigt. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit Urteil vom 20.
Juni 2013 -
U
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zurückgewiesen.
Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage auf umfassende Akteneinsicht ab-gewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers.
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4
-
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Einsichtnahme
des Klägers in ihre
Korrespondenz mit ihrem Prozessbe-vollmächtigten
in den
sich dem wettbewerbsrechtlichen Abmahnverfahren an-schließenden Folgeprozessen zu Recht abgelehnt.
1.
Nach §
58
Abs.
1
BRAO hat der Rechtsanwalt
das Recht, die über ihn geführten Personalakten einzusehen. Der Begriff der Personalakte in §
58 BRAO ist
nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur materiell zu verstehen. Für die Frage, ob ein Vorgang zu den Personalakten gehört, kommt es nicht darauf an, wo und wie er geführt oder aufbewahrt wird (formel-les Prinzip), sondern allein darauf, ob er den Rechtsanwalt
in einem inneren Zusammenhang mit seinem Status als Rechtsanwalt betrifft (Böhnlein in Feue-rich/Weyland, BRAO, 8. Aufl.,
§ 58 Rn. 6 f. m.w.N.; Hartung in Henss-ler/Prütting, BRAO, 3. Aufl.,
§ 58 Rn. 2; zum Begriff der Personalakten bei Ar-beitnehmern und Beamten vgl. auch BAG, Urteile vom 16. November 2010
-
9 AZR 573/09, BAGE 136, 156
Rn.
13
und vom 15. November 1985 -
7 AZR 92/83, juris Rn.
17; BVerwGE 67, 300, 302;
36, 134, 137 f.; Battis, BBG, 4.
Aufl.,
§ 106 Rn. 6).
2.
Nach Auffassung des Senats gehören auch die Akten bezüglich eines wettbewerbsrechtlichen Zivilverfahrens, das die Rechtsanwaltskammer gegen ein Kammermitglied betreibt, prinzipiell zu den Personalakten im materiellen Sinn
des betroffenen Kammermitglieds.
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6
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5
-
a)
Die Rechtsanwaltskammer wird im Wettbewerbsverfahren gegen
ein Kammermitglied in Wahrnehmung ihrer Aufsichtsfunktion nach § 73 Abs. 2 Nr.
4 BRAO tätig.
Das Recht, ein Verfahren nach dem Gesetz über den unlau-teren Wettbewerb gegen eins ihrer Mitglieder einzuleiten, konkretisiert die Be-fugnis der Rechtsanwaltskammer zur Überwachung der Berufspflichten ihrer Mitglieder. Voraussetzung eines Anspruchs der Rechtsanwaltskammer auf Un-terlassung im Rahmen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb ist daher auch eine Verletzung der berufsrechtlichen Regeln, hier also
des §
43b BRAO (vgl. BVerfGE 111, 366, 374 ff.; BGH, Urteil vom 6. April 2006 -
I ZR 272/03, NJW 2006, 2481). Das Vorgehen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist effizienter, weil die Untersagungsverfügung verschuldensunab-hängig und in einem vollstreckbaren Titel ausgesprochen wird. Deshalb ist ein solches Vorgehen aber wegen des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nur zulässig, wenn es angemessen erscheint und nicht unverhältnismäßig ist.
Weil die
Durchführung eines wettbewerbsrechtlichen Zivilverfahrens ge-gen ein Kammermitglied eine Maßnahme im Rahmen der Überwachung der Berufspflichten ist, gilt hinsichtlich des Rechts der Akteneinsicht hinsichtlich der von der Rechtsanwaltskammer geführten Akte grundsätzlich § 58 BRAO. Der betroffene Rechtsanwalt hat ein Akteneinsichtsrecht auch in Vorgänge eines
solchen Zivilverfahrens, soweit diese materiell in seine Personalakten aufzu-nehmen sind. Ein Akteneinsichtsrecht nach §
58 BRAO besteht auch,
wenn
die Rechtsanwaltskammer den wettbewerbsrechtlichen Verstoß durch eine Rüge ahndet. Vorgänge über ein Rügeverfahren gehören schon vor dessen Ab-schluss zur Personalakte (Hartung in Henssler/Prütting, BRAO, 3.
Aufl.,
§
74 Rn.
18; Weyland in Feuerich/Weyland, BRAO, 8.
Aufl.,
§
74 Rn. 25). Da es sich bei dem Unterlassungsverfahren nach dem Gesetz gegen den unlauteren 7
8
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6
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Wettbewerb wie beim Rügeverfahren
um eine Maßnahme im Rahmen der Auf-sichtsausübung handelt, kann für das Recht auf Akteneinsicht hinsichtlich der Akten beider
Verfahren keine abweichende Regelung
gelten.
b)
Das Recht auf Einsichtnahme in die Personalakten wird durch das beim Zivilgericht anhängige Wettbewerbsverfahren nicht ausgeschlossen. §
58 BRAO und § 74 BRAO sehen eine Einschränkung
des Rechts auf Akteneinsicht
in
einem laufenden Verfahren
nicht vor. Der Umstand, dass sich die Rechtsan-waltskammer zur Durchsetzung ihrer Aufsichtspflicht des ohnehin für das be-troffene Kammermitglied schärferen und belastenderen Unterlassungsan-spruchs nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bedient, kann nicht zur zusätzlichen Beschneidung von dessen Rechten führen. Das Recht auf Akteneinsicht entfällt in diesem Fall auch nicht gemäß
§ 44a VwGO oder §
29
HmbVwVfG. § 44a Satz 1 VwGO ist tatbestandlich nicht einschlägig, wenn eine Verfahrenshandlung unabhängig von einem laufenden Verwaltungsverfah-ren begehrt wird. Das
Recht auf Akteneinsicht in die Personalakte ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung verfahrensunabhängig ausgestaltet. Demgemäß ist auch § 29
HmbVwVfG hier nicht einschlägig, der -
in Übereinstimmung mit §
29
VwVfG des Bundes -
das Recht auf Akteneinsicht während eines Verwal-tungsverfahrens regelt. § 29 VwVfG gilt nicht für Verfahren, in denen gerade und ausschließlich darüber zu entscheiden ist, ob die beantragte Akteneinsicht zu gewähren ist (vgl. BVerwGE 67, 300, 303 f.).
3.
Allerdings ist nicht jeder
Vorgang, der im Zusammenhang mit einer Person entsteht, notwendig Bestandteil von deren Personalakte. Vorgänge, die von dem Dienst-
oder sonstigen Rechtsverhältnis sachlich zu trennenden Zwe-cken dienen, gehören materiell nicht hinein, auch wenn das Dienst-
oder Rechtsverhältnis dadurch berührt wird
(vgl. § 106 Abs. 1 Satz 6 BBG). Arbeits-9
10
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unterlagen oder innerbehördlicher Schriftverkehr, die als solche keine Auswir-kungen auf die Rechtsstellung des Betroffenen haben, gehören ebenfalls nicht in die Personalakten
(vgl. BAG, Urteil vom 15. November 1985 -
7 AZR 92/83, juris Rn. 21). Nur Unterlagen, die rechtlich relevant sind und sich auf die Rechtsstellung des Betroffenen auswirken können, sind zu den Personalakten zu nehmen.
Dementsprechend gehört die Korrespondenz der Beklagten mit ihrem ei-genen Prozessbevollmächtigten nicht zu den Personalakten des Klägers, weil sie ihn nicht in seiner Stellung als Rechtsanwalt betrifft. Es fehlt bereits ein un-mittelbarer innerer Zusammenhang mit der Stellung des Klägers als Rechtsan-walt. Rechtlich relevant werden können, wenn überhaupt, erst die Schriftsätze, die nach außen, etwa an das Gericht, gehen, nur diese können den Rechtsan-walt überhaupt in seinem Rechtsverhältnis betreffen. Nur solche
Vorgänge ge-11
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8
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hören in die Personalakte und unterliegen dem Einsichtsrecht. Im Ergebnis hat der Anwaltsgerichtshof daher das Vorliegen eines Anspruchs des Klägers zu Recht verneint.
Kayser Roggenbuck
Lohmann
Stüer Martini
Vorinstanz:
AGH Hamburg, Entscheidung vom 23.04.2012 -
I ZU 11/11 -
Meta
25.11.2013
Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen
Sachgebiet: False
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.11.2013, Az. AnwZ (Brfg) 39/12 (REWIS RS 2013, 850)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 850
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
AnwZ (Brfg) 39/12 (Bundesgerichtshof)
Einsichtsrecht des Rechtsanwalts in seine Personalakten: Begriff der Personalakte
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