Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.12.2011, Az. V B 37/11

5. Senat | REWIS RS 2011, 273

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Gegenstand

Fehlende Belehrung als Verfahrensmangel


Leitsatz

1. NV: Im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind .

2. NV: Deshalb führt auch eine Verletzung der Belehrungspflicht im Besteuerungsverfahren nach § 393 Abs. 1 Satz 4 AO grundsätzlich zu keinem Verwertungsverbot .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig.

2

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legt die behaupteten Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügend dar.

3

1. Der Kläger bringt zwar vor, das Finanzgericht ([X.]) habe nicht über seinen Antrag vom 3. November 2010 entschieden, ihm gemäß § 142 Abs. 1 und 2 [X.]O i.V.m. § 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und den jetzigen Prozessbevollmächtigten beizuordnen, so dass ihm rechtliches Gehör verweigert worden sei (vgl. dazu z.B. Kammerbeschluss des [X.] vom 18. Dezember 2001 1 BvR 391/01, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2002, 531; Entscheidungen des [X.] vom 4. November 1976 [X.] 1.75, BVerwGE 51, 277; vom 8. März 1999  6 [X.]/98, Neue Zeitschrift für [X.] 1999, 587; Beschluss des [X.] --BFH-- vom 21. November 2007 X [X.]/06, [X.], 245; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 142 Rz 101). Dies trifft aber nicht zu. Das [X.] hat den [X.] des [X.] durch Beschluss vom 6. Dezember 2010 abgelehnt.

4

2. Der Kläger rügt, das [X.] hätte nach der Zurückweisung des damaligen Prozessbevollmächtigten des [X.] das Verfahren bis zur Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten aussetzen müssen.

5

a) Die Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten ist kein Merkmal, das gemäß § 74 [X.]O zur Aussetzung des Verfahrens führt. Ein Verfahrensmangel in Gestalt eines Verstoßes gegen § 74 [X.]O kann schon aus diesem Grund nicht vorliegen.

6

b) Das [X.] hat die mündliche Verhandlung am 4. November 2010, zu der der Kläger nach Zurückweisung seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 21. September 2010 ordnungsgemäß am 21. September 2010 (beides zugestellt am 23. September 2010) geladen war, unter Berücksichtigung des Antrags des [X.] vom 3. November 2010 vertagt.

7

c) Die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt nur dann den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör, wenn erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung geltend gemacht worden sind (§ 155 [X.]O i.V.m. § 227 ZPO). Eine schlüssige Rüge dieses [X.] erfordert daher die Darlegung, dass zur Begründung des [X.] derart erhebliche Gründe substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind (vgl. [X.] vom 30. Mai 2008 [X.]/07, [X.], 1510; vom 4. August 2005 [X.]/04, [X.], 73, m.w.N.).

8

Das [X.] hat dem Kläger unter Hinweis auf den ihm zugestellten Beschluss über die Zurückweisung des bisherigen Prozessbevollmächtigten aufgegeben, bis zum 7. Oktober 2010 mitzuteilen, ob er einen neuen Bevollmächtigten bestellen werde. Noch vor der Ladung des [X.] zum Termin der mündlichen Verhandlung (dem Kläger am 5. Januar 2011 zugestellt) hat das [X.] mit Beschluss vom 6. Dezember 2010 den Antrag des [X.] auf PKH als unbegründet zurückgewiesen.

9

Welche erheblichen Gründe er für eine Verschiebung des Termins zur mündlichen Verhandlung durch das [X.] gegenüber dem [X.] geltend und glaubhaft gemacht hat, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt.

3. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 28. September 2011 unter Hinweis auf ein gegen den Kläger ergangenes Strafurteil geltend macht, die tatsächlichen Feststellungen des [X.] seien unzutreffend, kann dieser Vortrag schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil der behauptete Verfahrensfehler erst nach Ablauf der [X.] (16. Juni 2011) geltend gemacht worden ist.

4. An der schlüssigen Darlegung eines Verfahrensfehlers fehlt es auch, soweit der Kläger behauptet, er sei ungeachtet eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht belehrt worden und das [X.] hätte seine Angaben daher nicht berücksichtigen dürfen. Denn im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind, weshalb auch eine Verletzung der Belehrungspflicht des § 393 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung im Besteuerungsverfahren grundsätzlich zu keinem Verwertungsverbot führt (BFH-Urteile vom 28. Oktober 2009 [X.], [X.], 432; vom 23. Januar 2002 [X.], [X.], 7, [X.], 328).

5. Die Behauptung, die im Tatbestand auf Seite 3 der Vorentscheidung wiedergegebenen Erklärungen des [X.] aus einer Vernehmung am 26. Januar 2006 habe der Kläger nicht abgegeben, so dass das Urteil insoweit unrichtig sei, betrifft keinen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machenden Verfahrensfehler. Einwendungen gegen die Vollständigkeit und Richtigkeit des dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Tatbestandes sind diese ausschließlich im eigenständigen Verfahren zur Berichtigung des Tatbestandes gemäß § 108 [X.]O, das nur vom [X.] durchgeführt werden kann, zu prüfen und zu entscheiden (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2008 [X.], [X.], 1501).

Meta

V B 37/11

19.12.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 24. Februar 2011, Az: 5 K 17/08, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 1999, § 1 Abs 1 Nr 1 UStG 2005, § 3 Abs 9 UStG 1999, § 3 Abs 9 UStG 2005, § 3a UStG 1999, § 3a UStG 2005, § 74 FGO, § 108 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 142 FGO, § 155 FGO, § 393 Abs 1 AO, § 227 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.12.2011, Az. V B 37/11 (REWIS RS 2011, 273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 273

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