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PDF anzeigen[X.]:[X.]:[X.]:2017:250117B1ST[X.]570.16.0
BUN[X.]SGE[X.]ICHTSHOF
BESCHLUSS
1 [X.]/16
vom
25. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen
sexueller Nötigung u.a.
-
2
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Der 1. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des Beschwerde-führers
und des [X.] -
zu 1b und 3 auf dessen Antrag -
am 25. Januar 2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die [X.]evision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Juni 2016 aufgehoben
a) im Strafausspruch in Bezug auf die [X.] und II der Ur-teilsgründe sowie im [X.],
b) im [X.] mit den dazugehörigen Feststellun-gen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.]echtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehende [X.]evision des Angeklagten wird als unbe-gründet verworfen.
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs un-ter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs-
oder Betreuungsverhältnisses,
wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellen Missbrauchs unter [X.] eines Beratungs-, Behandlungs-
oder Betreuungsverhältnisses und vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Verstoßes gegen das Berufsverbot zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. 1
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Weiter hat das [X.] dem Angeklagten im [X.]ahmen des [X.] die Ausübung eines Heilberufs und der damit verbundenen Hilfstätig-keiten für immer verboten.
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen [X.]echts gestützte [X.]evision des Angeklagten. Sein [X.]echtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§
349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 2. Dezember 2016 unbegründet im Sinne von
§
349 Abs. 2 StPO.
I.
Die Strafzumessungserwägungen
des [X.]s in Bezug auf die dem Angeklagten zur Last liegenden [X.] und II der Urteilsgründe (Schuldsprüche
wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines
[X.], Behandlungs-
oder Betreuungsverhältnisses)
halten revisionsgerichtli-cher Prüfung nicht stand.
Die [X.] hat bei diesen beiden Taten strafschärfend [X.].
Damit
hat es
gegen §
46 Abs. 3 StGB verstoßen. Zwar dient §
174c StGB in erster Linie dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung in Situationen, in denen dieses [X.]echtsgut aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der durch Krankheit oder Behinderung belasteten [X.]echtsgutsträger und der Eigenart von [X.], Behandlungs-
und Betreuungsverhältnissen typischer Weise besonders gefährdet ist ([X.], Beschluss vom 29. Juni 2016 -
1 [X.], [X.], 2
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Heilberufe und das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Gesund--Drucks. 13/2203, [X.]), so dass dieses dem gesetzlichen Tat-bestand zu Grunde liegende Merkmal bei der Strafzumessung nicht nochmals zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden durfte.
Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei einer Nichtberücksichtigung dieses Umstands auf eine niedrigere Einzelstrafe bei den [X.] und II der Urteilsgründe erkannt hätte. Die Strafe für
die Tat III (Verstoß
gegen das Berufsverbot -
§
145c StGB) ist davon
aber nicht betroffen und kann deshalb bestehen bleiben.
Der aufgezeigte [X.]echtsfehler nötigt daher zur Aufhebung der [X.] beiden [X.] und des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Die insoweit getroffenen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben (§
353 Abs. 2 StPO), da sie von dem
aufgezeigten [X.] bei der Strafzumessung nicht betroffen sind.
II.
Auch die Anordnung eines lebenslangen Berufsverbots als Maßregel der Besserung und Sicherung gemäß
§
70 StGB hält revisionsrechtlicher [X.] nicht stand, da sie im [X.]ahmen der Gefahrenprognose tragend auf eine Verwertung im Bundeszentralregister bereits getilgter Vorahndungen gestützt wird.
1. Das
Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allge-meinheit oder auch nur ein bestimmter Personenkreis vor weiterer Gefährdung 5
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geschützt werden sollen ([X.], Urteil vom 12. Mai 1975 -
AnwSt ([X.]) 8/74, NJW 1975, 1712). Es darf daher nur verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten wer-den soll, zur [X.] erheblicher Straftaten missbrauchen wird ([X.], Urteil vom 25. April 2013 -
4 St[X.] 296/12, [X.], 699 mwN). Voraussetzung hierfür ist, dass eine -
auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte -
Gesamt-würdigung des [X.] und seiner Taten den [X.] zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr, das heißt die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erhebli-cher [X.]echtsverletzungen durch den Täter besteht ([X.], Urteil vom 25. April 2013 -
4 St[X.] 296/12, [X.], 699; Beschluss vom 2. August 1978 -
StB 171/78, [X.]St 28, 84, 85 f.; Urteil vom 22. Oktober 1981 -
4 St[X.] 429/81, wistra
1982, 66, 67).
2. Diesen Maßstab hat das [X.] im Ansatz zutreffend angewen-det, jedoch bei der Gesamtwürdigung im [X.]ahmen der Gefahrprognose rechts-fehlerhaft bereits getilgte Vorstrafen des Angeklagten aus den Jahren 1999 und 2001 wegen sexueller Übergriffe ([X.]) berücksichtigt.
a) Gemäß §
51 Abs. 1 BZ[X.]G darf dem Angeklagten eine Tat und die entsprechende Verurteilung im [X.]echtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über die [X.] im [X.]egister bereits getilgt worden oder zu tilgen ist. Durch diese [X.]egelung wird ein Verurteilter von dem mit seiner Verurteilung verbundenen Strafmakel befreit und durch die umfassende Wirkung der Tilgung die mit der Verurteilung einhergehende Stigmatisierung endgültig beseitigt. Das
Vorhalte-
und Verwer-tungsverbot der Eintragung im [X.]egister bedeutet einen Schutz des Angeklag-ten auch in den Fällen, in denen seine frühere Verurteilung auf andere Weise als durch eine [X.]egisterauskunft bekannt wird, etwa durch Mitteilungen von [X.] Seite -
wie hier durch die Zeugenaussage der Kriminalbeamtin (UA S.
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oder den Angeklagten selbst (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Oktober 2015
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3 St[X.] 382/15, [X.], 468; Urteil vom 8.
Dezember 2011 -
4 St[X.] 428/11, NStZ-[X.][X.] 2012, 143, 144 mwN).
Dieses Vorhalte-
und Verwertungsverbot des §
51 Abs. 1 BZ[X.]G gilt nach der [X.]echtsprechung des Bundesgerichtshofes
für die Strafzumessung; danach darf eine getilgte oder [X.] Vorstrafe nicht zum Nachteil des Angeklag-ten, insbesondere nicht strafschärfend berücksichtigt werden (st. [X.]spr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 29. Oktober 2015 -
3 St[X.] 382/15, [X.], 468 mwN).
Das Vorhalte-
und Verwertungsverbot [X.]r Bestrafungen und der zugrunde-liegenden Taten gilt aber grundsätzlich auch für die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung, sofern nicht eine der in §
52 BZ[X.]G aufgeführten Ausnahmen gegeben ist ([X.], Beschlüsse vom 29.
Oktober 2015 -
3 St[X.] 382/15, [X.], 468; vom 28.
August 2012
-
3 St[X.] 309/12, [X.]St 57, 300, 302 ff.
und
vom 21. August 2012 -
4 St[X.] 247/12 -
NStZ-[X.][X.] 2013, 84), und damit auch für das hier maßgebliche [X.] gemäß §
70 StGB.
b) Eine
Ausnahme vom Verwertungsverbot ist
hier
nicht gegeben, da weder ein Fall des §
52 Abs. 1 Nr. 2
noch des §
52 Abs. 1 Nr. 4 BZ[X.]G vorliegt.
Nach der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des §
52 Abs. 1 Nr. 2 BZ[X.]G ist die Verwertung getilgter Vorstrafen zu Lasten des Angeklagten bei Begutachtungen über den Geisteszustand des Betroffenen gestattet. Da ein Gutachten zum Bestehen eines Hanges im Sinne von §
66 StGB und einer da-rauf beruhenden Gefährlichkeit eines Angeklagten kein Gutachten über den Geisteszustand im Sinne des §
52 Abs. 1 Nr. 2 BZ[X.]G ist ([X.], Beschlüsse
vom 22. Dezember 2015 -
2 St[X.] 207/15, NStZ-[X.][X.] 2016, 120
und vom
28.
August 2012 -
3 St[X.] 309/12, [X.]St 57, 300, 302 ff.), kann für ein Berufs-11
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verbot gemäß §
70 StGB nichts anderes gelten. Auch hier steht eine wertende Feststellung der persönlichen Eigenschaften des Angeklagten im Mittelpunkt.
§
52 Abs. 1 Nr. 4 BZ[X.]G greift als ebenfalls eng auszulegende [X.] nur dann ein, wenn der Betroffene den Zugang zu einer bestimm-ten Betätigung oder die Aufhebung einer die Ausübung eines Berufs oder [X.] untersagenden Entscheidung beantragt; die [X.]egelung gilt damit aber gerade nicht für Maßnahmen, welche die betreffenden Betätigungen beenden (BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2014 -
2 [X.]/13) und damit auch nicht -
wie hier -
im Fall einer Anordnung eines Berufsverbots nach §
70 StGB.
3. Da das [X.] sich zur Gefahrprognose im [X.]ahmen des §
70 StGB mehrfach auf die strafrechtliche Delinquenz des Angeklagten über einen Zeitraum von zwanzig Jahren stützt, kann der [X.] nicht ausschließen, dass die [X.] auf dem aufgezeigten [X.]echtsfehler beruht. Die Anord-nung der Maßregel der Besserung und Sicherung kann daher keinen Bestand 14
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haben. Die dazugehörigen Feststellungen werden mit aufgehoben, um dem neuen Tatrichter eine in sich widerspruchsfreie Entscheidung über das [X.] zu ermöglichen.
[X.]aum Jäger Bellay
Fischer Bär
Meta
25.01.2017
Bundesgerichtshof 1. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2017, Az. 1 StR 570/16 (REWIS RS 2017, 16702)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 16702
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 570/16 (Bundesgerichtshof)
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3 StR 309/12 (Bundesgerichtshof)
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3 StR 309/12 (Bundesgerichtshof)
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Maßregelanordnung der Sicherungsverwahrung: Verwertung getilgter Verurteilungen bei Erstellung eines Gutachtens über den Geisteszustand des Betroffenen
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