Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2014, Az. IX ZB 68/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2813

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX [X.]/13

vom

18.
September 2014

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 850e Nr. 2, 2a
Bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens sind auf Antrag ausländische ge-setzliche Renten mit inländischen gesetzlichen Renten zusammenzurechnen.

[X.], Beschluss vom 18. September 2014 -
IX [X.]/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.]
Dr.
Kayser, die Richterin [X.], [X.]
Pape, [X.] und die Richterin Möhring

am 18.
September 2014
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu
1
wird der Beschluss der 4.
Zivilkammer des [X.] vom 18.
September 2013 aufgehoben.

Die
sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des [X.] vom 15.
Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren hat die weitere Beteiligte zu
2 zu tragen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
20.428,80

festgesetzt.

Gründe:

A.

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der 1934 geborenen Schuldnerin wurde am 18.
Oktober 2010 eröffnet und der weitere Beteiligte zu
1 1
-

3

-
als Treuhänder bestellt. Die Schuldnerin bezog von der [X.] (künftig: [X.]) eine Altersrente in [X.] von monatlich netto 620,83

o-natlich netto 310,27

bezog sie von der Pensionsversicherungsanstalt Landesstelle [X.] eine monatliche Pension in Höhe von 756,14

Der Treuhänder hat beantragt, die beiden Renten und die Pension zu-sammenzurechnen und den pfändbaren Betrag der [X.] Rente zu [X.]. Der Rechtspfleger des [X.] hat dem Antrag ohne Anhö-rung der Drittschuldner entsprochen. Hiergegen hat die [X.] Rente[X.]ersi-cherung Erinnerung eingelegt, die [X.] des [X.] zurückge-wiesen hat. Auf die sofortige Beschwerde der [X.]n Rente[X.]ersicherung hat das [X.] den angefochtenen Beschluss aufgehoben und den Antrag des Treuhänders auf Zusammenrechnung abgelehnt. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Treuhänder die [X.] der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.

B.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im voll-streckungsrechtlichen Rechtszug nach §
567 Abs.
1, §
793 ZPO, §
36 Abs.
4 Satz
1 [X.] die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§
575 ZPO). In der Sache hat sie Erfolg
und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§
577 Abs.
5 ZPO) und zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.

2
3
-

4

-
I.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Die sofortige Beschwerde der [X.]n Rente[X.]ersicherung sei zulässig, insbesondere sei diese beschwer-debefugt. Das Rechtsmittel sei auch begründet. Das Insolvenzgericht habe die Zusammenrechnung der [X.] Renten und der Pension
aus Österreich nicht anordnen dürfen, weil es an einer gesetzlichen Grundlage für eine solche Zusammenrechnung fehle. Nach §
850e Nr.
2a ZPO könnten auf Antrag Ar-beitseinkommen und Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozial-gesetzbuch
zusammengerechnet werden, soweit diese
der Pfändung unterwor-fen seien. Die [X.] Pensionszahlungen stellten jedoch weder Ar-beitseinkommen noch Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch
dar.
Auch [X.] eine analoge Anwendung von §
850 Nr.
2, 2a ZPO nicht in Betracht.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1.
Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die [X.] [X.] ist. Etwas anderes ergibt sich entgegen den Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht aus der Entscheidung des Senats vom 21.
November 2013 (IX
ZB 22/12, Z[X.]
2013, 2573). Die Sachverhalte unterscheiden sich grundlegend. Im dortigen Fall hat die [X.] sofortige Beschwerde eingelegt, obwohl der pfändbare Betrag der ausländischen Rente entnommen werden sollte. [X.] soll demgegenüber der pfändbare Betrag der [X.] Rente ent-nommen werden. Gegen den Zusammenrechnungsbeschluss ist der Dritt-schuldner, der aufgrund dieses Beschlusses den pfändbaren Betrag an den 4
5
6
-

5

-
Gläubiger abführen muss, beschwert und damit [X.] (zur Be-schwerdebefugnis des Drittschuldners gegen den Pfändungsbeschluss: [X.],
Urteil vom 22.
Juni
1977 -
VIII
ZR 5/76, [X.]Z
69, 144, 148; Beschluss vom 12.
Dezember 2003 -
IXa
ZB 193/03, WM
2004, 444; OLG
Düsseldorf, VersR
1967, 750; OLG
Köln, OLGR
1994, 205; zur Beschwerdebefugnis des Drittschuldners gegen den Zusammenrechnungsbeschluss: [X.] in [X.]/[X.], Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2.
Aufl., §
850e Rn.
31; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
850e Rn.
51; BeckOK-ZPO/[X.], 2014, §
850e Rn.
34).

2.
Nach §
35 Abs.
1 [X.] (vgl. im Verhältnis zu Österreich Art.
3 Abs.
1 EuInsVO, Art.
4 Abs.
1 und 2 lit.
b EuInsVO) erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das der Schuldnerin zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das sie während des Verfahrens erlangt. Dazu gehört auch [X.]; das folgt aus dem Universalitätsprinzip (vgl. [X.], Urteil vom 13.
Juli 1983 -
VIII
ZR 246/82, [X.]Z
88, 147, 150
zu §
1 KO; Beschluss vom 18.
September 2003 -
IX
ZB 74/03, [X.], Rn. 6). Deswegen fällt -
neben der deut-schen Alters-
und Witwenrente (§
54 SGB
I)
-
auch die [X.] gesetzli-che Altersrente (Pension) als Neuerwerb in die Insolvenzmasse, soweit diese Renten nicht nach §
36 Abs.
1 Satz
1 [X.] etwa in Verbindung mit §
850c ZPO unpfändbar sind. §
850e ZPO findet Anwendung.

3.
Richtig hat das Beschwerdegericht auch gesehen, dass die ausländi-schen Rentenansprüche nicht unter den Wortlaut des §
850e Nr.
2 und Nr.
2a ZPO fallen (vgl. LG
Aachen, MDR
1992, 521; AG
Nienburg, JurBüro
2004, 559; [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
850e Rn.
35; [X.], aaO
§
850e Rn.
59; [X.]/Stöber, ZPO, 30.
Aufl., §
850e Rn.
15; Musielak/[X.], ZPO,
11.
Aufl., §
850e
Rn.
13; Hk-ZPO/[X.], 5.
Aufl., §
850e Rn.
14;
Baum-7
8
-

6

-
bach/[X.], ZPO, 72.
Aufl., §
850e Rn.
8). Danach sind auf Antrag bei der Pfändung mehrere Arbeitseinkommen oder Arbeitseinkommen und Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zusammenzurechnen, soweit diese der Pfändung unterworfen sind. Die Pensionszahlungen
der öster-reichischen
Pensionsversicherungsanstalt an die Schuldnerin (nach §§
221 bis 314 des [X.] Bundesgesetzes vom 9.
September 1955 über die [X.] (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz -
[X.]), veröffentlicht im Rechtsinformationssystem des [X.]) sind jedoch weder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (§§
18 bis 29 SGB
I; vgl. Prütting/[X.]/[X.], ZPO, 6.
Aufl., §
850e Rn.
30), was auf der Hand liegt, noch Arbeitseinkommen.

a)
Arbeitseinkommen im Sinne von §
850e Nr.
2 und 2a
ZPO sind [X.], die unter
§
850 ZPO fallen ([X.], aaO
§
850e Rn.
21; Zöl-ler/Stöber, aaO
§
850e Rn.
3). Hierzu gehören in Geld zahlbare Bezüge oder Vergütungen, deren Rechtsgrundlage gegenwärtige oder frühere [X.] oder Zusagen von Arbeitsleistungen sind (vgl. [X.], aaO
§
850 Rn.
19). §
850 Abs.
2 ZPO nennt neben den Dienst-
und Versorgungsbe-zügen
der Beamten
und den
Arbeits-
und Dienstlöhnen
die Ruhegelder und ähnliche nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst-
oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte, ferner Hinterbliebenen-bezüge, §
850 Abs.
3 ZPO die
Renten, die auf Grund von [X.] gewährt werden, wenn diese Verträge zur Versorgung des Versicherungs-nehmers oder seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen eingegangen sind (§
850 Abs.
3 ZPO).

b)
Unter [X.] und ähnlichen Einkünften werden Bezüge verstan-den, die vom Arbeitgeber während des laufenden Arbeitsverhältnisses und im 9
10
-

7

-
Hinblick auf erbrachte Arbeit für die [X.] nach dem Ausscheiden zugesagt
wur-den, so etwa Betriebsrenten, betriebliche Teilrenten, Bezüge aus durch den Drittschuldner eingerichteten Pensionskassen, I[X.]alidenrenten
oder sonstige betriebliche Altersversorgung, Direktversicherungen, Versorgungsbezüge von Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern, soweit sie laufenden Charakter haben
([X.], aaO §
850 Rn.
50; Prütting/[X.]/[X.],
aaO
§
850 Rn.
25). Hierunter fallen jedoch nicht die gesetzlichen Renten ([X.], aaO; Prütting/[X.]/[X.], aaO; [X.]/Walker/[X.], Vollstre-ckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5.
Aufl., §
850 Rn.
12). §
850 Abs.
3 lit.
b ZPO betrifft demgegenüber Versorgungsrenten früherer Arbeitnehmer, die auf Versicherungsverträgen beruhen und bestimmungsgemäß Ruhegeld oder [X.] ersetzen oder ergänzen sollen. Gesetzliche Rentenansprü-che fallen nach
ganz allgemeiner Ansicht ebenfalls nicht hierunter
([X.]/[X.]/[X.], aaO
§
850 Rn.
30; [X.], aaO Rn.
16).

c)
Die Pensionszahlungen
der Pensionsversicherungsanstalt [X.] sind
-
wie die Zahlungen der Rente nach dem SGB
VI
-
Leistungen der gesetzlichen Rente[X.]ersicherung
(vgl. §§
221
ff [X.]). Mithin sind sie weder Ruhegelder im Sinne von §
850 Abs.
2 ZPO noch Zahlungen aus privaten Versicherungsren-ten.

4.
Entgegen der Ansicht des [X.]
(ebenso [X.], MDR
1992, 521)
sind jedoch [X.] und ausländische gesetzliche Renten in analoger Anwendung des §
850e Nr.
2, 2a ZPO zusammenzurechnen.

a) Die gesetzlichen Regelungen über die Zusammenrechnung sind lü-ckenhaft. Nach §
850e Nr.
2 ZPO werden nur Arbeitseinkommen [X.], nach Nummer 2a Arbeitseinkommen mit laufenden Leistungen nach 11
12
13
-

8

-
dem Sozialgesetzbuch. Es ist jedoch unbestritten, dass unterschiedliche lau-fende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch entsprechend §
850e Nr.
2 und Nr.
2a ZPO zusammengerechnet werden. Entschieden ist der Fall, dass der Schuldner zwei Renten von unterschiedlichen [X.] Rententrägern bezieht
([X.], Beschluss vom 3.
Dezember 2009 -
IX
ZB 247/08, [X.]Z
183, 258 Rn.
2, 11
-
unter Anwendung des §
850e Nr.
2 ZPO). Die grundsätzliche Mög-lichkeit der Zusammenrechnung von Sozialleistungen (etwa Wohngeld, Leis-tungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, Kindergeld, Bundeserziehungs-geld, Landeserziehungsgeld) ist ebenfalls anerkannt ([X.], Beschluss vom 5.
April 2005 -
VII
ZB 20/05, WM
2005, 1369, 1370
-
unter Anwendung des §
850e Nr.
2a ZPO; vgl. [X.], aaO
§
850e Rn.
10; [X.]/[X.]/[X.], aaO, §
850e Rn.
30).

b)
Eine Analogie ist zulässig und geboten, wenn das Gesetz eine plan-widrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtli-cher Hinsicht soweit mit dem gesetzlich geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessen-abwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen [X.] gekommen ([X.], Beschluss vom 14.
Juni 2007
-
V
ZB 102/06, NJW
2007, 3124 Rn.
11 mwN).
Das ist bei der Zusammenrech-nung inländischer und ausländischer
gesetzlicher
Renten der Fall.

aa)
§
850e Nr.
2 und Nr.
2a ZPO enthalten im Hinblick auf die ausländi-schen gesetzlichen Renten eine planwidrige Regelungslücke. Der
Gesetzgeber hat das Zusammentreffen von inländischen und ausländischen Rentenansprü-chen des Schuldners
ersichtlich im Rahmen des §
850e ZPO nicht bedacht. Diese Vorschrift (einschließlich Nr.
2 ohne Nr.
2a) wurde eingeführt durch Art.
1 14
15
-

9

-
Nr.
12 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der Zwangsvollstre-ckung vom 20.
August 1953 ([X.]
I S.
952).
Die Möglichkeit, Arbeitsein[X.]n zusammenzurechnen, um aus dem zusammengerechneten Arbeitsein-kommen den [X.] zu errechnen, gab es jedoch jedenfalls seit den zwanziger Jahren des 20.
Jahrhunderts.
Geregelt wurde dies allerdings in Nebengesetzen (zuletzt in §
7 der [X.] vom 30.
Oktober 1940, RGBl.
I S.
1451).
§
850e
Nr.
2a ZPO wurde mit Einführung des Sozialge-setzbuches durch Art.
II §
15 des Gesetzes vom 11.
Dezember 1975 ([X.]
I S.
3015) mit Wirkung vom 1.
Januar 1976
eingeführt, geändert durch Artikel
5 des [X.] zur Änderung des Sozialgesetzbuches
vom 20.
Juli 1988 ([X.]
I S.
1046) mit Wirkung vom 1.
Januar 1989, geändert durch Artikel
19 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des [X.] vom 13.
Juni 1994 ([X.]
I S.
1229) mit Wirkung vom 18.
Juni 1994, geändert durch Artikel
4 des [X.] 1996 vom 18.
Dezember 1995 ([X.]
I S.
1959) mit Wirkung vom 1.
Januar 1996.

Mit dem erwähnten Gesetz vom 11.
Dezember 1975 hat der [X.] in §
54
SGB
I die Möglichkeit, Sozialleistungen zu pfänden, erweitert. Er wollte für die Pfändung von Geldleistungen eine differenzierte Regelung schaf-fen, die einerseits den notwendigen [X.] Schutz des Leistungsberechtigten beachtete, andererseits den Rechtsverkehr nicht über Gebühr beschränkte
(BT-Drucks. 6/3764 S.
27 zu §
52
und §
53; BT-Drucks. 7/868
S.
32). Die Gläubiger-
und Schuldnerinteressen sollten in sozial-
und rechtpolitisch vertretbarer Weise gegeneinander abgewogen werden. Jedenfalls sollten
die für das Arbeitsein-kommen geltenden [X.] eingehalten werden. Soweit die laufen-den Geldleistungen diesen Betrag überstiegen, sollte das Vollstreckungsgericht zusätzlich prüfen, ob und in welcher Höhe die Pfändungen der Billigkeit ent-sprachen
(BT-Drucks.
6/3764
S.
27 zu §
53; BT-Drucks. 7/868
S.
32 zu §
54). 16
-

10

-
Als Folge der erweiterten Pfändbarkeit der Sozialleistungen regelte der [X.] in §
850e Nr.
2a ZPO die Zusammenrechenbarkeit von Arbeitsein[X.]n mit laufenden Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, soweit dies entsprechend den
Regelungen in §
54
Abs.
2 SGB
I der Billigkeit entsprach
(vgl. BT-Drucks. 6/3764 S.
31 zu §
14; BT-Drucks. 7/868
S.
37 zu §
15).

Durch das Erste
Änderungsgesetz zum Sozialgesetzbuch vom 20.
Juli 1988 verlangte der Gesetzgeber sowohl im Rahmen von §
54 SGB
I wie auch im Rahmen des §
850e Nr.
2a ZPO die Anhörung von Schuldner und Gläubiger vor Pfändung und Zusammenrechnung zu der Billigkeitsentscheidung. Anlass für den Gesetzgeber war, dass es dem Gläubiger häufig Schwierigkeiten
berei-tete darzulegen, dass die beantragte Pfändung der Billigkeit entsprach und sie nicht zur
Sozialhilfebedürftigkeit des Schuldners führte ([X.]. 315/87, S.
15). Weiter bestimmte er, dass der unpfändbare Grundbetrag, soweit
die Pfändung nicht wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche erfolge, in erster Linie den laufenden Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu entnehmen sei
(vgl. zu den Gründen [X.].
315/87 S.
40). In der weiteren Debatte ging es vor allem darum sicherzustellen, dass der Schuldner nicht durch die Pfän-dung sozialbedürftig wird (vgl. nur [X.]. 315/1/87 S.
4).

Mit der Gesetzesänderung vom 13.
Juni 1994 verzichtete der [X.] auf die Billigkeitsprüfung. Er
meinte, die Sondervorschriften bei der Pfän-dung laufender Sozialleistungen hätten zu Verwerfungen mit dem Vollstre-ckungsrecht geführt. Um für die Zukunft bei der Pfändung von Sozialleistungen einerseits den Zweck der einzelnen Leistungen zu berücksichtigen, anderer-seits aber das Pfändungsverfahren von schwierigen Einzelfallprüfungen zu ent-lasten, sollten
laufende Sozialleistungen entweder von vornherein unpfändbar 17
18
-

11

-
gestellt werden oder wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können. §
850e
Nr.
2a ZPO wurde diesen Vorgaben angepasst (BT-Drucks. 12/5187 S.
29).

Die letzte Gesetzesänderung
betraf
§
850e Nr.
2a Satz
3
ZPO. Sie wur-de erforderlich
-
so die Gesetzesbegründung
-, um die Regelung an die Weiter-entwicklung des Familienlastenausgleichs zu einem Familienleistungsausgleich durch das Jahressteuergesetz 1996 redaktionell anzupassen (BT-Drucks.
13/3084 S.
22).

Diese Gesetzesvorhaben
waren sämtlich
vom Willen des Gesetzgebers getragen, die Pfändung von Sozialleistungen im Interesse der Gläubiger zu er-möglichen, den Schuldner aber nicht schutzlos zu stellen. Die Möglichkeit eines Bezugs ausländischer Renten wurde hierbei
vom Gesetzgeber in keinem Fall angesprochen und nicht bedacht.
Dagegen spricht nicht,
dass der Gesetzgeber in anderem
Zusammenhang das ausländische Einkommen berücksichtigt hat (§
17a, §
18a Abs.
1 Satz
3 SGB IV, §
31 Fremdrentengesetz).

bb) Der zu beurteilende Sachverhalt -
Zusammenrechnung einer inländi-schen mit einer ausländischen Rente
-
ist in rechtlicher Hinsicht mit den
in §
850e Nr.
2 und 2a ZPO geregelten Sachverhalten vergleichbar. §
850e ZPO ist Grundlage für die konkrete Berechnung des pfändbaren Betrages nach §
850c und §
850d ZPO.
Aus dieser Vorschrift ergibt sich beispielhaft, wie der Gesetzgeber die Schuldner-
und Gläubigerinteressen abwägen will (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO
§
850e Rn.
1). Nach §
850e Nr.
2 und 2a ZPO sind demnach mehrere dem Pfändungsschutz des §
850c ZPO unterliegende Leis-tungen zur Bemessung eines gemeinsamen pfandfreien Betrages nach den [X.] auf Antrag zusammenzurechnen. Entsprechend diesem Grundgedanken hat der Gesetzgeber auch in §
851c Abs.
3 ZPO die Zusam-19
20
21
-

12

-
menrechnung von Rentenzahlungen aus privater Altersvorsorge, soweit sie un-ter den Voraussetzungen des §
851c Abs.
1 ZPO nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden dürfen,
mit anderen Zahlungen auf eine private und gesetzli-che Rente oder anderen geschützten Leistungen angeordnet.

cc)
Diesen Grundsätzen widerspräche
es, die ausländischen
Renten nicht mit den inländischen geschützten Einkünften zur Bemessung eines ge-meinsamen pfandfreien Betrages nach §
850c ZPO zusammenzurechnen. Die Gläubiger würden ohne Rechtfertigung unter Eingriff in ihre grundrechtlich ge-schützten Positionen benachteiligt, weil ihre Vollstreckungsaussichten ge-schmälert würden. Zu den Eigentumsrechten im Sinne von Art.
14 Abs.
1 GG gehören auch schuldrechtliche Forderungen. Der verfassungsrechtlich gewähr-leistete Schutz erstreckt sich insbesondere auf das Befriedigungsrecht des Gläubigers. Der Staat, der selbst das Zwangsvollstreckungsmonopol ausübt, darf den davon betroffenen Gläubigern das Einkommen bestimmter Schuldner-kreise nicht generell als Haftungsgrundlage entziehen. Pfändungsverbote sind nur aus Gründen
des Sozialstaatsprinzips (Art.
20 Abs.
1, Art.
28 Abs.
1 GG) gerechtfertigt, um die eigene Lebensgrundlage des Schuldners
durch Pfän-dungsfreibeträge (§§
850 ff ZPO) zu sichern. Auch im Inhalt eines Rechtes an-gelegte Pfändungshindernisse sind
in Abwägung mit dem durch Art.
14 Abs.
1 GG geschützten Befriedigungsrecht der Gläubiger allenfalls
wirksam, soweit sonstige, überwiegende Gründe das zwingend erfordern ([X.], Beschluss vom 25.
August 2004 -
IXa
ZB 271/03, [X.]Z
160,
197, 200).

Zwar könnte der Treuhänder auf die Renten-
und Pensionszahlungen nach ihrer Auszahlung nach §§
808
ff, §
811 ZPO bei einer Barauszahlung und nach §§

835 Abs.
3 Satz
2, §§
850k, 850l ZPO bei einer Geldüberwei-sung auf ein Girokonto zugreifen, weil nur die Forderungen, nicht aber die ein-22
23
-

13

-
genommenen Zahlungen geschützt sind (vgl. [X.],
aaO
§
850
Rn.
5). Dieser Schutz kann im Einzelfall aber nicht ausreichend sein.

c) Die Zusammenrechnung hat jedenfalls dann zu erfolgen, wenn
die ausländische Rente im Grundsatz pfändbar ist. Denn sowohl §
850e Nr.
2a ZPO als auch §
54 Abs.
4 SGB
I schließen es aus, Ansprüche auf Arbeitsein-kommen mit Sozialleistungen oder Ansprüche auf verschiedene Sozialleistun-gen untereinander zusammenzurechnen, soweit diese der Pfändung nicht [X.] sind ([X.], Beschluss vom 5.
April 2005 -
VII
ZB 20/05, WM
2005, 1369, 1370).
Dies ist für die [X.] Pension -
entgegen den Ausfüh-rungen in der Rechtsbeschwerdeerwiderung
-
aber nicht der Fall.

Nach [X.]m Recht regelt das Gesetz vom 27.
Mai 1896 über das Exekutions-
und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung
-
EO), inwieweit Pensionsansprüche pfändbar sind (§
98a [X.]). Nach Art.
290a Abs.
1 Nr.
4 EO sind Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung nach -
dem vorlie-gend allein relevanten
-
Art.
291a EO pfändbar. Danach schützt die [X.] das Existenzminimum durch einen unpfändbaren Freibetrag, der für die Schuldnerin (nach Zusammenrechnung der Renten) derzeit 1.206,66

betrüge. Die Zusammenrechnung der [X.] mit den [X.] Ren-ten erlaubt Art.
292 EO (LG
Steyr, [X.] beim Exekutionsgericht [X.], [X.] in Zivilprozess-
und
Exekutionssachen, 1996, Nr.
84 zur Zusammenrechnung einer [X.] mit einer [X.] Rente; Angst/[X.], Exeku-tionsordnung, 15.
Aufl., Art.
292 [X.].
E
14), sofern die aus
[X.]r
Sicht ausländische Rente pfändbar ist (Angst/[X.], aaO [X.].
E
15).
24
25
-

14

-

5.
Beanstandungsfrei hat das Amtsgericht ebenfalls angeordnet, dass der pfändbare Betrag den [X.] Renten zu entnehmen ist. Allerdings ist nach §
850e Nr.
2a Satz
2 ZPO der unpfändbare Grundbetrag, soweit die Pfän-dung nicht wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche erfolgt, in erster Linie den laufenden Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu entnehmen. Damit wollte der Gesetzgeber zum Schutz des Schuldners sicherstellen, dass der un-pfändbare Grundbetrag grundsätzlich dem jeweilig sichersten Einkommen ent-nommen wird ([X.]. 315/87 S.
40). Das sah er in den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Vorliegend sind die Leistungen der inländischen
wie der [X.] Versicherung gleich sicher. In einer solchen Lage darf der Treuhänder wählen, welcher Rente er den pfändbaren Betrag entnehmen will.

III.

Der Zusammenrechnungsbeschluss des [X.] hat Bestand, obwohl in ihm
die Höhe des Gesamteinkommens nicht angegeben worden ist (so in einem obiter dictum [X.], Urteil vom 10.
Juli
2008 -
IX
ZR 118/07, NZI
2008, 607 Rn.
14). Diese Angabe ist hier nicht erforderlich, zumal sich die Einkünfte
ständig verändern können (vgl. BeckOK-ZPO/[X.], 2014, §
850e Rn.
32).
So liegen
dem Beschluss des [X.] die [X.] der [X.]n Rente[X.]ersicherung zum 1.
Juli 2010 und die Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt aus dem Monat November 2008 zugrunde mit einem Gesamteinkommen in Höhe von monatlich netto 1.687,24

26
27
-

15

-

Schuldnerin nach dem Bericht des Treuhänders vom 15.
Mai 2013 zwischen-zeitlich Gesamteinnahmen in Höhe von monatlich netto 1.778,14

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.02.2012 -
55 [X.] 369/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.09.2013 -
4 [X.] -

Meta

IX ZB 68/13

18.09.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.09.2014, Az. IX ZB 68/13 (REWIS RS 2014, 2813)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2813

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZB 68/13 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Altersrente beziehenden Schuldners: Berechnung des pfändbaren Einkommens bei Bezug einer …


IX ZB 66/15 (Bundesgerichtshof)


VII ZB 5/19 (Bundesgerichtshof)

Zwangsvollstreckung: Berücksichtigung von Arbeitslosengeld II-Leistungen bei einer erweiterten Pfändung


IX ZB 66/15 (Bundesgerichtshof)

Verbraucherinsolvenzverfahren: Pfändbarkeit der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung


VII ZB 5/19 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZB 68/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.