Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2007, Az. VII ZR 122/06

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4326

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 12. April 2007 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja BGB §§ 312 Abs. 2, 355 Abs. 2 Eine Widerrufsbelehrung, die lediglich über die Pflichten des Verbrauchers im Falle des Widerrufs, nicht jedoch über dessen wesentliche Rechte informiert, entspricht nicht den Anforderungen des Gesetzes. [X.], Urteil vom 12. April 2007 - [X.]/06 - OLG Karlsruhe

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2007 durch [X.], [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 9. Mai 2006 wird [X.]. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Klägerin verlangt eine pauschalierte Vergütung für nicht erbrachte Werkleistungen. Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe den Werkvertrag rechtzeitig widerrufen. 1 Ein Handelsvertreter der Klägerin suchte die Beklagte am 29. März 2005 in deren Wohnung auf und bot ihr Fassadenanstrich- und Fassadenputzarbei-ten zu einem Festpreis an. Die Beklagte unterzeichnete am selben Tag ein Be-stellformular der Klägerin. Auf der Rückseite des der [X.] ausgehändigten Bestellformulars befindet sich eine abgesetzte und schwarz umrandete Erklä-rung mit folgendem Wortlaut: 2 - 3 - "Widerrufsbelehrung: Sie können Ihre Bestellung innerhalb von zwei Wochen ab Aushändigung dieser Belehrung ohne Begrün-dung in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der bestellten Gegenstände gegenüber der Fa. D. - es folgt die [X.] - widerrufen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Im Falle des Widerrufs müssen Sie die erhaltene Sache zurück- und gezogene Nutzungen herausgeben. Ferner haben Sie Werter-satz zu leisten, soweit die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des [X.] ausgeschlossen ist, Sie den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder um-gestaltet haben oder die erhaltene Sache sich verschlechtert hat oder untergegangen ist. Die durch bestimmungsgemäße Inge-brauchnahme entstandene Verschlechterung bleibt außer [X.] Unter dieser Erklärung befindet sich in der für den Kunden vorgesehenen Zeile der Namenszug der [X.]. 3 Mit Schreiben vom 8. April 2005, das der [X.] am 9. April 2005 zu-gegangen ist, bestätigte die Klägerin die Bestellung der [X.]. Mit [X.] vom 13. April 2005 widerrief die Beklagte ihre Bestellung. 4 Die Klägerin verlangt von der [X.] auf der Grundlage ihrer [X.]sbedingungen 36 % der vereinbarten Vergütung, das sind 6.362,07 •. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos 5 - 4 - geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe: 6 Die Revision ist unbegründet. [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe das ihr nach §§ 312, 355 BGB zustehende Widerrufsrecht wirksam ausgeübt. Die [X.] habe nicht mit ihrem Angebot, sondern erst mit dem Vertragsschluss be-gonnen. Nach § 312 BGB stehe dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, wenn er zum Abschluss eines Vertrages, der ein Haustürgeschäft zum Inhalt habe, bestimmt worden sei. Damit räume ihm das Gesetz das Recht ein, einen bereits zustande gekommenen Vertrag zu widerrufen. Folglich müsse dem Verbrau-cher die volle Widerrufsfrist nach Abschluss des [X.]. Würde die Frist vorher laufen, könnte das dazu führen, dass die [X.] abgelaufen sei, bevor der Unternehmer die Annahme erkläre und der [X.] damit zustande komme. Das Gesetz gehe auch davon aus, dass der [X.] zur Rückabwicklung eines bereits abgeschlossenen Vertrages führe. Dem entsprächen Artikel 5 und 7 der Richtlinie 85/577/[X.] betreffend den [X.] im Falle von außerhalb von [X.] vom 20. Dezember 1985. Artikel 4 der Richtlinie stehe dem nicht entgegen. Auch der Zweck des Widerrufsrechts erfordere, dass die [X.] - 5 - frist erst mit Vertragsschluss laufe. Die dem Verbraucher eingeräumte Bedenk-frist könne erst dann ihren Sinn erfüllen, wenn der Verbraucher wisse, ob der Unternehmer dem Vertragsschluss zustimme. I[X.] 8 Das hält der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand. 1. Der [X.] steht nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts ein Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 355 BGB zu. Die Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 1 BGB zwei Wochen und beginnt in dem Zeitpunkt, in dem dem Verbraucher eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende Widerrufsbelehrung mitgeteilt worden ist. 9 2. Im Streit steht, ob die Frist nicht beginnen kann, bevor ein [X.] gekommen ist, der Unternehmer also ein in der Haustürsituation abge-gebenes Angebot des Verbrauchers angenommen hat. Die Revision hält die entsprechende Auffassung des Berufungsgerichts für unzutreffend. Sie verweist auf die Richtlinie 85/577/[X.] des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den [X.] im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen ge-schlossenen Verträgen ([X.]. Nr. L 372 [X.]). Darin ist geregelt, dass dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots auszuhändigen ist, Artikel 4, und der Verbraucher innerhalb von sieben Tagen nach diesem Zeitpunkt von der eingegangenen Verpflichtung zurücktreten darf, Artikel 5. Der Senat hat nicht zu entscheiden, inwieweit die vom Berufungsge-richt vorgenommene Auslegung der §§ 312, 355 BGB mit der Richtlinie zu ver-einbaren ist und eine von der Richtlinie abweichende Regelung gemäß Artikel 8 zulässig wäre. Auch muss er nicht eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] - 6 - ischen Gemeinschaften zur Klärung der Frage in Erwägung ziehen, ob das Ver-ständnis des Berufungsgerichts zu Artikel 5 der Richtlinie zutreffend ist. Denn auf die Frage, wann die Frist von zwei Wochen beginnt, kommt es nicht an. 11 3. Der Widerruf der [X.] war schon deshalb rechtzeitig, weil die Widerrufsbelehrung nicht den Anforderungen des Gesetzes entspricht. Die Klä-gerin hat lediglich auf die Pflichten, nicht jedoch auf wesentliche Rechte des Verbrauchers hingewiesen. Eine derartige Widerrufsbelehrung genügt nicht den Anforderungen des § 312 Abs. 2 BGB, wonach die Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB hinweisen muss. Die Widerrufsbe-lehrung ist deshalb unwirksam, so dass eine Widerrufsfrist nicht laufen konnte. a) Die Klägerin hat kein Formular verwendet, das dem Muster gemäß § 14 Abs. 1 Anlage 2 [X.] entspricht. Sie kann schon deshalb keine ihr günstigen Rechtswirkungen aus der [X.] herleiten. 12 b) Der Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Be-lehrung ([X.], Urteil vom 4. Juli 2002 - [X.], [X.], 1730, 1731). Eine diesen Anforderungen genügende Information über die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB kann sich nicht darauf beschränken, allein die Pflichten des Verbrauchers wiederzugeben, denn zu den in § 357 Abs. 1 BGB geregelten Rechtsfolgen gehören ebenso Rechte des Verbrauchers. Auch § 355 Abs. 1 BGB fordert, dass der Verbraucher über seine Rechte informiert wird. 13 c) Eine Beschränkung der Anforderungen an den Inhalt einer Widerrufs-belehrung derart, dass abweichend vom Wortlaut des Gesetzes lediglich über die Pflichten des Verbrauchers zu belehren ist, ergibt sich nicht aus der Geset-zesbegründung zu § 312 Abs. 2 BGB. 14 - 7 - Nach der Gesetzesbegründung wurde zwar unter Hinweis auf § 312 d Abs. 3 BGB besonderer Wert auf die allein die Pflicht des Verbrauchers betref-fende Information gelegt, dass eine bereits vor dem Widerruf empfangene Dienstleistung mit der vereinbarten Vergütung als Wertersatz zu bezahlen ist. Denn der Verbraucher solle wissen, was auf ihn zukomme (BT-Drucksache 14/7052 S. 190). Aus dieser besonderen Hervorhebung lässt sich jedoch nicht herleiten, dass lediglich über die dem Verbraucher nachteiligen Rechtsfolgen aufzuklären ist. Eine solche Einschränkung findet sich im Gesetzestext nicht. Auch in der Gesetzesbegründung wird abschließend ausgeführt, dass der Un-ternehmer den Verbraucher über diese Rechtsfolgen "sowie über die sonstigen Rechtsfolgen des Widerrufs" zu belehren hat und zudem darauf hingewiesen, dass ein Gleichlauf zwischen den [X.] über die Rechtsfolgen des Widerrufs bei Fernabsatzverträgen und Haustürgeschäften erreicht werden soll (BT-Drucksache 14/7052 S. 190). Nach § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB muss der Unternehmer u.a. die Informationen zur Verfügung stellen, für die dies in der Rechtsverordnung nach Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum [X.] bestimmt ist. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 [X.] muss der Verbraucher über die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe, ein-schließlich der Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Falle des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen Ge-setzbuches für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat, informiert werden. 15 d) Der Senat muss nicht entscheiden, in welchem Umfang der Verbrau-cher im Einzelnen über seine sich aus § 357 Abs. 1 und Abs. 3 BGB ergeben-den Rechte zu informieren ist. Der Schutzzweck der Regelung erfordert [X.] eine Belehrung über die wesentlichen Rechte, die sich aus den [X.] über den gesetzlichen Rücktritt ergeben. Dazu gehört, dass auch der Un-ternehmer die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen herauszugeben hat. Dementsprechend sieht auch das 16 - 8 - Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 [X.] den Text vor: "Im Falle eines wirk-samen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzuge-währen und ggfls. gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben." Die [X.]sbelehrung der Klägerin informiert demgegenüber lediglich darüber, dass der Verbraucher die Pflicht zur Rückgewähr und zur Herausgabe gezogener Nutzungen hat. Das ist eine einseitige Darstellung, die geeignet ist, Unsicher-heit beim Verbraucher darüber hervorzurufen, inwieweit der Unternehmer in gleicher Weise verpflichtet ist. Sie wird dem Ziel, den Verbraucher möglichst unmissverständlich zu belehren, nicht gerecht. Diesem drängt sich die unbe-antwortete Frage auf, wieso nur seine Verpflichtung zur Rückgabe und nicht die des Unternehmers zur Rückzahlung erwähnt wird. Insbesondere wird ihm die Information vorenthalten, dass auch der Unternehmer die gezogenen Nutzun-gen, z.B. Zinsen, herauszugeben hat. - 9 - Da mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung eine Widerrufsfrist nicht lief, ist der Widerruf der [X.] wirksam. 17 IV. 18 [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO Dressler [X.] Kuffer

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.12.2005 - 5 [X.], Entscheidung vom [X.] - 8 U 12/06 -

Meta

VII ZR 122/06

12.04.2007

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2007, Az. VII ZR 122/06 (REWIS RS 2007, 4326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4326

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 U 225/08

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