Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. VII ZB 99/17

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6626

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:040718BVIIZB99.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 99/17
vom

4. Juli
2018

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

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-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
4. Juli
2018 durch den Richter
Dr.
[X.] und die Richterinnen [X.], [X.], [X.] und Dr.
Brenneisen
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde
des Schuldners wird
der
Beschluss der 34. Zivilkammer des [X.] vom 28. März
2017 aufgeho-ben.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts -
Vollstreckungsgericht
-
Bergisch [X.] vom 15.
September 2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Gläubigerin zu tragen.

Gründe:
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts M.

vom 6.
Februar 2012 (

), mit dem der Schuldner zur Zahlung von 21.250.000

nebst Zinsen an die Gläubigerin [X.] um [X.] gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000
Stück Aktien der C.
AG verurteilt worden ist. Am 12.
Februar 2013 veräußerte die Gläubigerin die 2.500.000
Aktien der C.
AG für 6.250.000

.

hat mit Urteil vom 22.
Februar 2016 (

)
festgestellt, dass der Schuldner durch 1
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den freihändigen Verkauf
der Aktien der C.
AG an die [X.] mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Februar 2013 hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M.

vom 6.
Februar 2012 [X.] um [X.] gebührenden Über-gabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der [X.] befriedigt ist. Die dagegen gerichtete Berufung des Schuldners hat das Ober-landesgericht M.

mit Urteil vom 12.
Januar
2017 zurückgewiesen. Der Schuldner hat gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Der Schuldner ist durch die Obergerichtsvollzieherin
R.
zur Abgabe
der
Vermögensauskunft und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den 9. Mai 2016 geladen worden. Das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht -
hat
auf die Vollstreckungserinnerung des
Schuldners
die Abgabe der Vermögensaus-kunft
und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 9. Mai 2016 für [X.] erklärt.
Das Beschwerdegericht hat auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hin diese Entscheidung aufgehoben und die Vollstreckungserinne-rung des Schuldners gegen die Anordnung der Obergerichtsvollzieherin [X.].
Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde er-strebt der Schuldner die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts -
Vollstreckungsgericht -.

II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthaf-te und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

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1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt,
es sei derzeit nicht
erkennbar, dass der Schuldner aufgrund seines körperlichen Zustands die eidesstattliche Versicherung auch nicht mit Unterstützung seiner Ehefrau und Generalbevollmächtigten und [X.] seines Steuerberaters abgeben könne. Das von ihm vorgelegte [X.] Attest entspreche weder dem von ihm zuvor beschriebenen Krankheitsbild noch den sonstigen an ein solches Attest zu stellenden Anforderungen.
Den Beweis, dass der Schuldner im Verzug der Annahme sei, habe die Gläubigerin durch das Urteil des Landgerichts M.

vom 22.
Februar 2016 ausreichend im Sinne des §
765 ZPO geführt. Das Urteil stelle eine öffentliche Urkunde dar, dessen Abschrift dem Schuldner am 11. März 2016 zugestellt worden sei. Die fehlende Rechtskraft dieses Urteils stehe dem nicht entgegen, weil der Nachweis auch durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt werden könne, die nicht der Rechtskraft fähig seien. Für den Nachweis habe das Vollstreckungsgericht anhand der vorgelegten Urkunden unter Heran-ziehung des zu vollstreckenden Titels selbständig zu prüfen, ob sich daraus schlüssig ergebe, dass der Schuldner die ihm gebührende Gegenleistung erhal-ten habe. Die Beweiskraft der Urkunden nach §§
756, 765 ZPO sowie die Zu-lässigkeit und die Anforderungen an den Gegenbeweis richteten sich nach den allgemeinen Vorschriften und insbesondere den §§
415
ff. ZPO. Aus dem Tenor des Urteils des Landgerichts M.

vom 22.
Februar 2016 ergebe sich schlüssig, dass die Gegenleistung erbracht worden sei.
Demgegenüber habe der Schuldner keinen ausreichenden Gegenbeweis geführt. Der Beweis des Gegenteils könne sich bei einem Urteil nur gegen die innere Beweiskraft richten und sei, wenn die Urkunde einen rechtsmittelfähigen Inhalt habe, nur durch Einlegung des Rechtsmittels zu
führen. Allein die [X.] und Begründung der Berufung könne dabei nicht ausreichen, um den [X.] zu führen. Anderenfalls würde ein zur Verzögerung der Zwangsvoll-5
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streckung eingelegtes Rechtsmittel privilegiert. Nach diesen Maßstäben habe der Schuldner den Gegenbeweis nicht geführt. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts M.

vom 22. Februar 2016 sei nicht zugunsten des Schuldners entschieden worden. Das Berufungsgericht habe die vorläufige [X.] der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts M.

vom 22.
Februar 2016 mit Beschluss vom 17.
Juni 2016 abgelehnt.
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Es kann hier dahinstehen, ob -
wofür allerdings viel spricht -
das Be-schwerdegericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass der Schuldner nicht hinreichend dargetan hat, die Vermögensauskunft und die eidesstattliche Versi-cherung aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeben zu können.
b) Jedenfalls ist die Auffassung des [X.], die besonderen Voraussetzungen für den Erlass des von der Gläubigerin beantragten Pfän-dungs-
und Überweisungsbeschlusses nach § 765 ZPO lägen vor, von [X.] beeinflusst.
Hängt die Vollstreckung von einer [X.] um [X.] zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht nach §
765 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte
Urkunde geführt wird und eine Ab-schrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist. Für die Beweisführung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde kommt es auf deren Beweiskraft an, die nach den §§ 415 ff. ZPO zu beurteilen ist.
Im Streitfall geht es um die Frage, ob der Beweis, dass der Schuldner hinsichtlich der [X.] um [X.] zu bewirkenden Leistung der Gläubigerin (Überga-be und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der [X.]) be-8
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friedigt ist (§ 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 1 ZPO),
durch das nicht rechtskräftige [X.] des Landgerichts M.

vom 22. Februar 2016 geführt wird. Das ist nicht der Fall.
aa) Nach § 417 ZPO begründen die von einer Behörde ausgestellten, ei-ne amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentli-chen Urkunden vollen Beweis ihres Inhalts. Dies bedeutet, dass die Urkunde über den Erlass eines Urteils nach § 417 ZPO den Beweis dafür erbringt, dass die darin beurkundete Entscheidung ergangen ist, nicht jedoch den Beweis für ihre inhaltliche Richtigkeit (vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2012 -
IX ZR 239/09 Rn. 21, NJW-RR 2012, 823; [X.], [X.], 266, juris Rn. 31; [X.], [X.] 2009, 240, juris Rn. 19; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 417 Rn. 3, 6; [X.], ZPO, 23. Aufl., §
417 Rn. 2; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 417 Rn. 2; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 15. Aufl., § 417 Rn. 2).
Hat der Gläubiger, der aus einem [X.]-um-[X.]-Titel vollstrecken will, im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom Gläubiger [X.] um [X.] zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, hängt die materielle Beweiskraft ei-nes daraufhin ergangenen [X.] von seiner Rechtskraft ab (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 756 Rn. 45; [X.], ZPO, 23.
Aufl., § 417 Rn. 3; [X.], [X.], 266, juris Rn. 26; [X.], [X.] 1994, 307, juris Rn. 17). Der gerichtliche Feststellungsaus-spruch erlangt für die Parteien Bindungswirkung erst mit der Rechtskraft des [X.]. Nach Eintritt der Rechtskraft richtet sich das Rechtsver-hältnis der Parteien nach dem Inhalt der getroffenen Feststellung, ohne dass eine der Parteien geltend machen könnte, die Feststellung sei inhaltlich unrich-tig getroffen worden (vgl. [X.], ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn. 34).

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bb) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ergibt sich [X.], dass nicht der Rechtskraft fähige öffentliche Urkunden zum Nachweis [X.], dass der Schuldner hinsichtlich einer [X.] um [X.] zu bewirkenden Gegen-leistung befriedigt ist, herangezogen werden können, nicht, dass im [X.] mit der nach §§ 765, 756 ZPO geforderten Beweisführung durch öf-fentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde
in keinem Fall auf den Eintritt der Rechtskraft eines Urteils abgestellt werden darf. Welche Beweiswirkung sich aus einer öffentlichen Urkunde ergibt, bestimmt sich jeweils unter Heranziehung der §§ 415 ff. ZPO. Die formelle Beweiskraft eines nicht rechtskräftigen Fest-stellungsurteils, mit dem festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der Gegenleistung befriedigt ist, ermöglicht daher gerade nicht die Beweisführung dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist. Die dem [X.] zugrunde liegende rechtliche Bewertung des Gerichts wird zwischen den Parteien des Verfahrens erst verbindlich, wenn das Urteil rechtskräftig ist.
cc) Eine andere Betrachtung ist nicht geboten, weil in der [X.] die Möglichkeit anerkannt ist, im Erkenntnisverfahren einen [X.] um [X.] gegen Erbringung einer Gegenleistung gestellten [X.] mit dem [X.] zu verbinden, festzustellen, der Beklagte befinde sich in Bezug auf die Ge-genleistung im Verzug der Annahme (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 1987
-
VIII [X.], juris Rn. 21 m.w.N., [X.], 1496). In diesem Fall rechtfer-tigt das aus prozessökonomischen Gründen anzuerkennende rechtliche Inte-resse des Gläubigers gemäß §
256 Abs. 1 ZPO, seinen [X.] um [X.] gestellten [X.] mit einem Feststellungsantrag zum Vorliegen des [X.] zu verbinden. Die durch diese Feststellung bezweckte Beweisführung im Sinne des
§ 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 ZPO ist schon dann anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Vollstreckung des [X.], mit dem der Feststellungsausspruch lediglich als Annex verbunden ist, gegeben sind. Die von der Gläubigerin nachträglich erhobene Feststellungsklage betrifft indes 15
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die Feststellung, dass der Schuldner durch den Verkauf der 2.500.000 Stück Aktien der [X.] hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts
M.

vom 6. Februar 2012 [X.] um [X.] gebührenden Übergabe und Übertragung dieser Aktien befriedigt ist (§
765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 1 ZPO).
dd) An einer solchen rechtskräftigen Feststellung,
dass der Schuldner hinsichtlich der [X.] um [X.] zu erbringenden Gegenleistung, der Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Aktien der [X.], befriedigt ist, fehlt es hier.
Das Urteil des Landgerichts M.

vom 22.
Februar 2016, in dem festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M.

vom 6.
Februar 2012 gebührenden [X.]-um-[X.]-Leistung befriedigt ist, ist nicht rechtskräftig.
3. Die Entscheidung des [X.] kann danach keinen [X.] haben und ist
aufzuheben. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ge-gen den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts -
Vollstreckungsgericht -
ist zurückzuweisen.
Der [X.] hat gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der [X.] selbst zu entscheiden, da die Aufhebung der Entscheidung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte [X.] erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]

Brenneisen

Vorinstanzen:
AG Bergisch [X.], Entscheidung vom 15.09.2016 -
38 613/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 28.03.2017 -
34 [X.]/16 -

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Meta

VII ZB 99/17

04.07.2018

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.07.2018, Az. VII ZB 99/17 (REWIS RS 2018, 6626)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6626

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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