Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2011, Az. 3 StR 295/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2789

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionseinlegungsfrist: Fristbeginn zur Ergänzung der abgekürzten Urteilsgründe


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. April 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte S.     wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in vier Fällen, wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und wegen Betruges in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]hat es wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Die Revisionen der Angeklagten sind zulässig. Der Senat ist an den Beschluss des [X.]s vom 1. Juni 2011, ihnen nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, trotz der fehlenden Zuständigkeit des [X.]s für diese Entscheidung (§ 46 Abs. 1 StPO) und trotz der unzureichenden Begründung der zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses schweigenden Anträge ohne Rücksicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung gebunden ([X.], Beschluss vom 24. August 1978 - 4 StR 400/78; RG, Beschluss vom 24. September 1907 - 1678/07, [X.], 271 ff.).

3

2. Das Urteil des [X.]s, das nur in abgekürzter Form gemäß § 267 Abs. 4 StPO vorliegt, hat keinen Bestand.

4

a) Der [X.] hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

"Das Urteil ist auf die Sachrüge mit den Feststellungen aufzuheben, weil die vorliegenden nach § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO abgekürzten Urteilsgründe keine genügende revisionsgerichtliche Überprüfung ermöglichen. In der Beweiswürdigung ist unter Ziffer III. der Urteilsgründe lediglich ausgeführt: 'Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den geständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Einlassungen der Angeklagten sowie den Angaben der ausweislich des [X.] vernommenen Zeugen. Eine weitere Beweiswürdigung erübrigt sich im Hinblick auf die Rechtskraft des Urteils' ([X.]). Das genügt nicht, um zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei ist."

5

Dem schließt sich der Senat an.

6

b) Eine Rückgabe der Akten an das [X.] zur Ergänzung der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht. Die Frist zur Ergänzung nach § 267 Abs. 4 Satz 4, § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ist abgelaufen. Sie beginnt regelmäßig unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses der die Wiedereinsetzung gewährenden Entscheidung im Falle einer Beschlussfassung durch das zuständige Revisionsgericht mit dem Eingang der Akten bei dem für die Ergänzung zuständigen Gericht, weil nur so gewährleistet ist, dass dem [X.] die zur sorgfältigen Absetzung des nicht rechtskräftigen, revisionsgerichtlicher Überprüfung unterliegenden Urteils erforderliche Zeit tatsächlich zur Verfügung steht ([X.], Beschluss vom 10. September 2008 - 2 [X.], [X.]St 52, 349, 352). Gewährt indessen das für die Ergänzung zuständige Gericht unter Verstoß gegen § 46 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision, beginnt die Frist nach § 267 Abs. 4 Satz 4, § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO (ausnahmsweise) bereits mit Erlass des [X.], da das Gericht zugleich Kenntnis über die Voraussetzungen einer Ergänzung erlangt. Die folglich am 1. Juni 2011 angelaufene Frist ist verstrichen.

7

3. Der Senat sieht Anlass für folgende Hinweise:

8

a) Den vom [X.] trotz Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ergänzten Urteilsgründen lassen sich nicht alle Tatsachen entnehmen, die die gesetzlichen Merkmale der abgeurteilten Straftaten belegen (§ 267 Abs.  1 Satz 1 StPO). Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des [X.]s Bezug.

9

b) Der neue Tatrichter wird sich unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) mit der Frage einer Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu befassen haben. Aufgrund der Feststellungen des [X.]s, die beiden Angeklagten hätten die abgeurteilten Taten begangen, um ihren Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren, drängte sich die Prüfung des § 64 StGB auf.

[X.]                               von [X.]

                    Schäfer                               [X.]

Meta

3 StR 295/11

29.09.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 28. April 2011, Az: 20 KLs 4/11 - 110 Js 8953/10, Urteil

§ 46 Abs 1 StPO, § 267 Abs 4 S 4 StPO, § 275 Abs 1 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.09.2011, Az. 3 StR 295/11 (REWIS RS 2011, 2789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2789

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 477/15

3 StR 295/11

4 StR 227/22

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