Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2018, Az. 30 W (pat) 524/17

30. Senat | REWIS RS 2018, 2947

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Sniffer" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 100 847.1

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 11. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 19. März 2015 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register unter der Nummer 30 2015 100 847.1 für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; [X.], DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Hardware für die Datenverarbeitung, Computer; Computersoftware; Feuerlöschgeräte; elektronische Sensoren; elektrische und elektronische Geräte zum Aufspüren von Gas, insbesondere zum Feststellen von Gasleckstellen, soweit in [X.] enthalten; Einzelteile vorgenannter Waren, soweit in [X.] enthalten;

5

Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Bürsten und Pinsel (ausgenommen für [X.]); [X.]; Putzzeug; Stahlwolle; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von [X.]); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind;

6

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhard- und -software.“

7

Mit Schreiben vom 6. November 2015 hat die Anmelderin ein eingeschränktes Waren und Dienstleistungsverzeichnis eingereicht, in dem auf die Waren der Klasse 21: „Geräte und Behälter für Haushalt und Küche; Kämme und Schwämme; Bürsten und Pinsel (ausgenommen für [X.]); [X.]; Putzzeug; Stahlwolle“ verzichtet hat.

8

Mit Beschluss vom 5. Januar 2017 hat die Markenstelle für Klasse 09 die Anmeldung teilweise (vorstehend in fett gedruckte Waren und Dienstleistungen) zurückgewiesen.

9

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dem Anmeldezeichen fehle die erforderliche Unterscheidungskraft, da das Zeichen „[X.]“ die lexikalisch nachweisbare Bedeutung von „Spürgerät“ sowie „[X.]“ oder „Schnüffelsonde“ habe. Zudem bezeichne [X.] auch eine Software, die den Datenverkehr in einem Netzwerk erfassen, aufzeichnen und ggf. auswerten könne. Daher erschließe sich die Bedeutung des [X.] den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar als beschreibende Sachangabe, nämlich dass es sich hier um elektronische Geräte, Teile hierfür sowie Software, Hardware und Speichermedien handeln könne, die Lecks aufspüren können.

Bezüglich der voreingetragenen, indes bereits gelöschten [X.] Marke Nr. 2906069 „[X.]“ führt die Markenstelle aus, dass die Entscheidung über die Schutzfähigkeit keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstelle, sodass ihre Rechtmäßigkeit allein auf Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidung des [X.] zu beurteilen sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie macht geltend, dass das [X.] Wort „sniff“ auf [X.] „schnüffeln“, „schnuppern“, „schniefen“ oder „schnupfen“ bedeute, wobei alle diese Bedeutungen auf Lebewesen und nicht auf Geräte im Sinne von „detektieren“ gerichtet seien. Die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beträfen aber gerade technische Apparate und damit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen. Somit müsse ein Verbraucher, um einen beschreibenden Bedeutungsgehalt zu erkennen, zwei gedankliche Schritte vornehmen, nämlich einmal die Übersetzung in die [X.] und zudem die Übertragung des [X.] von einem Lebewesen auf technische Apparate und damit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen. Folglich könne der Bedeutungsgehalt des angemeldeten [X.] zumindest nicht unmittelbar beschreibend sein. Das Anmeldezeichen sei deshalb eintragungsfähig.

Darüber hinaus macht die Anmelderin geltend, dass die Eintragungsfähigkeit sich aus der bereits gelöschten [X.] Marke Nr. 2906069 „[X.]“ ergäbe, welche für vergleichbare Waren in der [X.] eingetragen worden sei. Darüber hinaus ist die Anmelderin der Auffassung, dass es nicht belegbar sei, dass sich das Zeichen „[X.]“ innerhalb der letzten 20 Jahre zu einer beschreibenden Sachangabe entwickelt habe, da sich der Bedeutungsgehalt des [X.]n Begriffs „sniff“ nicht geändert hätte. Vielmehr sei es denkbar, dass sich der Begriff „[X.]“ zwischenzeitlich zu einer Bezeichnung für einen „[X.]“ entwickelt habe. Dies sei jedoch eine Bezeichnung für einen Menschen und gerade nicht unmittelbar beschreibend für technische Apparate und damit in Zusammenhang stehende Dienstleistungen.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 5. Januar 2017 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie aber nicht begründet; die angemeldete Marke ist im beschwerdegegenständlichen Umfang wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen. Die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht teilweise zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 und 5 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.], 610 Rn. 42 – [X.]; [X.], 808 Rn. 66 f. – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 731 Rn. 11 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 233 Rn. 45 – Standbeutel; [X.], 229 Rn. 27 – BioID; [X.] [X.], 710 Rn. 12 – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.], 1143 Rn. 7 -[X.]; [X.], 1044 Rn. 9 – Neuschwanstein).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Conord/[X.]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – [X.]).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270, 271 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] [X.], 850, 854 Rn. 19 – [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2010, 1100 Rn. 23 – [X.]!; [X.], 850 Rn. 28 f. – [X.]).

2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das angemeldete Zeichen für die noch maßgeblichen Waren und Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Mit den hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen werden Fachverkehrskreise und (technisch versierte) Endverbraucher angesprochen, wobei es sich um Produkte handelt, die mit Bedacht und auch nach fachkundiger Beratung erworben oder nachgefragt werden.

b) Das zur Anmeldung gebrachte Wortzeichen "[X.]" ist ein einzelnes Wort der [X.]n Sprache bestehend aus dem Wortstamm des Verbs „to sniff“ und der gebräuchlichen Substantivierungsendung „-er“, wie sie aus unzähligen anderen Wörtern der [X.]n Sprache bekannt ist, wie z. B. Manager, [X.], [X.], Explorer.

Das Anmeldezeichen hat – wie die Markenstelle zutreffend dargelegt hat – als Substantiv „[X.]“ die mehrfach lexikalisch nachweisbare und dem Verkehr bekannte Bedeutung von „Suchgerät; Spürgerät“ und zwar, wie die Markenstelle ebenfalls zutreffend dargelegt hat, bereits zum Anmeldezeitpunkt. Daneben bezeichnet es im EDV-Bereich eine bestimmte Software, die den Datenverkehr in einem Netzwerk erfassen, aufzeichnen und auswerten kann, wie sich aus den der Anmelderin vorab übersandten [X.] ergibt (vgl. [X.] 21 – 45 d. A).

Der Einwand der Anmelderin, das Anmeldezeichen weise auf das [X.] Verb „to sniff“ hin, welches u.a. „schnüffeln oder schniefen“ bedeute und somit unmittelbar auf eine natürliche Person hinweise, greift nicht durch. Zum einen liegt ein derartiges Verständnis im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen fern, weil das Anmeldezeichen in Bezug auf Geräte und technische Dienstleistungen eine eigenständige Bedeutung hat. Zum anderen besteht ein Eintragungshindernis bereits dann, wenn nur eine von mehreren Deutungsmöglichkeiten des angemeldeten Markenwortes einen beschreibenden Inhalt hat (vgl. [X.] GRUR 2004, 146 Rn. 32 – [X.]; GRUR 2004, 680 Rn. 38 – [X.]; [X.] 2014, 569 Rn. 20 – HOT).

c) Ein Hinweis auf die individuelle betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann dem Anmeldezeichen nicht entnommen werden. Im Einzelnen:

aa) Im Hinblick auf die in der [X.] 9 beanspruchten Waren

bb) In dem Wortzeichen „[X.]“ ist für die beanspruchten Waren

cc) Auch im Hinblick auf die weiteren in der [X.] 9 beanspruchten Waren „

Im Hinblick auf die in der [X.] 9 beanspruchten „

dd) Das angemeldete Wortzeichen „[X.]“ weist auch zu den in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen einen engen beschreibenden Bezug auf.

Bei den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 42 kann es sich durchweg um solche handeln, welche die Entwicklung von Software für Suchgeräte oder Suchgeräten an sich zum Gegenstand und Ziel haben können. Gleiches gilt für Dienstleistungen „

3. Die von der Anmelderin erwähnte Voreintragung verhilft ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen sind im Rahmen der Prüfung zwar zu berücksichtigen; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. [X.] GRUR 2009, 667 Rn. 17 und 19 – Bild digital und [X.]; [X.] 2014, 376 Rn. 19 – [X.]). Für die Eintragung der angemeldeten Marke kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines gesetzlich geregelten Schutzhindernisses gegeben sind. Ob identische, ähnliche oder vergleichbare Zeichen eingetragen worden sind, bleibt dagegen unmaßgeblich. Deshalb ist ein näheres Eingehen auf Voreintragungen in keinem Fall angezeigt (vgl. [X.], in: [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rn. 72 m. w. Nachw.).

4. Da es der angemeldeten Bezeichnung nach alledem hinsichtlich der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kommt es auf die Frage, ob "[X.]" im Interesse von Mitbewerbern zusätzlich einem Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterliegt, nicht mehr an.

Meta

30 W (pat) 524/17

11.10.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.10.2018, Az. 30 W (pat) 524/17 (REWIS RS 2018, 2947)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2947

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

30 W (pat) 523/18

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