Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. 5 AZR 409/12

5. Senat | REWIS RS 2012, 2246

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Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Januar 2012 - 14 [X.] 2091/11 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte Zinsen auf die ausgeurteilten monatlichen Beträge erst ab dem 2. des jeweiligen Folgemonats zu zahlen hat und festgestellt wird, dass der monatliche Bruttolohn des Klägers neben Spesen, vermögenswirksamen Leistungen, Nacht- und Überstundenzuschlägen sowie [X.] und Treueprämien 2.045,17 Euro beträgt.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über laufende Vergütung.

2

Der Kläger ist beim beklagten Speditionsunternehmen als Kraftfahrer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„1.     

Vertragsgrundlagen

        

sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer- Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge.

        

…       

        

7.    

Arbeitsentgeld

        

a)    

für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden, exklusive gesetzlicher Pause

        

b)    

der monatliche Brutto-Lohn beträgt DM: siehe Seite 3 des Vertrages

        

c)    

Einsatzstunden (ab 261) werden mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet.

        

d)    

[X.] (z. B. Sonn- oder Feiertage von 0 bis 22 Uhr) werden gesondert bezahlt mit den gesetzlichen und/oder tariflichen Aufschlägen.

        

...     

        
        

9.    

Abrechnungszeitraum

                 

Lohn monatlich DM 3.250,- (Dreitausendzweihundertfünfzig) Ladedienst

                 

DM [X.] ([X.]) Fahrdienst“

3

Die Beklagte zahlte dem Kläger bis Juli 2010 ein monatliches Bruttoentgelt von 2.045,17 Euro, bot ihm aber einen neuen Arbeitsvertrag an, der ein geringeres Festentgelt vorsah. Der Kläger nahm das Angebot nicht an. Ab August 2010 zahlte die Beklagte lediglich das verminderte Entgelt.

4

Der Kläger hat für August 2010 bis April 2011 die [X.] sowie die Feststellung der Höhe des geschuldeten Bruttomonatsentgelts begehrt.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.455,30 Euro brutto nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz in gestaffelter Höhe seit dem 1. September 2010 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab Mai 2011 eine monatliche Bruttogrundvergütung von 2.045,17 Euro zuzüglich anderen Lohnbestandteilen wie Spesen, vermögenswirksamen Leistungen, Nacht- und Überstundenzuschläge sowie in dem Monat [X.] und Treueprämie zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die arbeitsvertragliche Regelung enthalte eine Bestimmung des Umfangs der vom Kläger geschuldeten Arbeitszeit. Damit verstoße sie - unbeschadet der fehlenden Tarifbindung des Klägers - gegen die zugleich in Bezug genommenen tariflichen Bestimmungen und das Arbeitszeitrecht. Die deshalb nichtige Regelung sei durch Rückgriff auf die tarifgerechte Arbeitszeit zu ersetzen und das Entgelt entsprechend anzupassen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen, lediglich die Zinsentscheidung des Arbeitsgerichts ist zu korrigieren. Der Kläger hat für August 2010 und die Folgezeit Anspruch auf Zahlung eines monatlichen [X.] iHv. 2.045,17 Euro.

9

I. Der Feststellungsantrag ist in der gebotenen Auslegung (Feststellung der Höhe des geschuldeten [X.]) nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Höhe des [X.] im Arbeitsverhältnis der Parteien stellt als Teil der gegenseitigen Pflichtenbindung ein bestehendes Rechtsverhältnis iSv. § 256 ZPO dar. Sie ist für die Entscheidung über die Zahlungsklage vorgreiflich und kann auch darüber hinaus Bedeutung gewinnen. Das genügt für die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage.

II. Die Klage auf Zahlung des [X.] ist begründet. Der monatliche Entgeltanspruch ist in der vertraglich vereinbarten Höhe entstanden und lediglich teilweise erfüllt worden, § 362 Abs. 1 BGB.

1. Die Beklagte war nicht berechtigt, ab August 2010 einseitig in die vereinbarte Entgeltstruktur einzugreifen. Soweit sich die Beklagte auf das Urteil des Senats vom 28. Januar 2004 (- 5 [X.] - [X.] 109, 254) beruft, geht dies fehl. Ein Recht auf einseitige „Anpassung“ eines vereinbarten Entgelts folgt hieraus nicht.

2. Die Beklagte war auch nicht aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung berechtigt, ab August 2010 ein vermindertes Entgelt zu zahlen.

a) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (vgl. [X.] 17. April 2012 - 3 [X.] 803/09 - Rn. 24 mwN; 19. Mai 2010 - 4 [X.] 796/08 - Rn. 23 mwN, [X.] 134, 283).

b) Das [X.] hat eine Regelungslücke im Arbeitsvertrag der Parteien zutreffend verneint. Die vertragliche Entgeltregelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Sie ist weder intransparent noch aus anderen Gründen rechtswidrig. Dementsprechend besteht kein Raum für eine ergänzende Auslegung.

aa) Der Arbeitsvertrag enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen ( § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB ). Diese sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Dabei unterliegt die Auslegung der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht ([X.] 14. Dezember 2011 - 5 [X.] 457/10 - Rn. 14 mwN, [X.] § 4 Nr. 22).

bb) Bereits aus der (orthographisch fehlerhaften) Überschrift der Ziffer 7 des Arbeitsvertrags („Arbeitsentgeld“) folgt, dass entgegen der Auffassung der Beklagten mit dieser Klausel nicht der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit, sondern ausschließlich das Arbeitsentgelt geregelt wird. Die Arbeitspflicht des [X.] ist unter der Überschrift „Tätigkeit“ in Ziffer 6 des Arbeitsvertrags bestimmt.

Auch den einzelnen in Ziffer 7 geregelten Unterpunkten kann nicht entnommen werden, die Parteien hätten damit die vom Kläger zu leistende Arbeitszeit konkretisiert. [X.]. a des Arbeitsvertrags bezieht sich durch die Verwendung des Wortes „für“ erkennbar auf die in [X.]. b bis d getroffenen Regelungen und verdeutlicht damit, dass für eine monatliche Arbeitszeit von bis zu 260 Stunden keine Zuschlagspflicht besteht, sondern ausschließlich das unter [X.]. b bezifferte [X.] gezahlt werden soll. Erst bei Überschreiten von 260 Stunden/mtl. soll eine Zuschlagspflicht begründet werden. Gleichermaßen regelt [X.]. d eine Erweiterung der Vergütungspflicht: Bei Arbeit an Sonn- und Feiertagen sind Aufschläge zu leisten.

Die vertragliche Entgeltregelung kann nicht dahin verstanden werden, dass das monatliche Bruttoentgelt nur dann in voller Höhe zu zahlen sei, wenn der Kläger eine Arbeitsleistung von 260 Stunden im Monat erbringe. Der Hinweis auf die monatliche Arbeitszeit von „bis zu 260 Stunden“ besagt vielmehr, dass das Entgelt gerade unabhängig von der Erbringung einer monatlich festgelegten (Mindest-)Arbeitszeit geschuldet sein soll. Damit betrifft die Klausel allein die Vergütung, ohne zugleich den Umfang der Arbeitszeit zu regeln (vgl. [X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] 331/11 - Rn. 26, [X.] 2012, 908).

cc) Ziffer 7 des Arbeitsvertrags ist nicht wegen Intransparenz unwirksam, § 307 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer weiß bei einer solchen Bestimmung, welche Leistung dem monatlichen Bruttoentgelt entspricht (vgl. [X.] 1. September 2010 - 5 [X.] 517/09 - Rn. 15, [X.] 135, 250; 20. April 2011 - 5 [X.] 200/10 - Rn. 16, [X.] 137, 366 , jeweils mwN). Die im Streitfall getroffene Regelung ist wegen der vereinbarten Obergrenze nicht mit der Vertragsabrede vergleichbar, die dem von der Beklagten angezogenen Urteil des [X.] vom 21. Juni 2011 (- 9 [X.] 238/10 - AP BGB § 307 Nr. 54 = EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5) zugrunde lag.

dd) Einer weitergehenden Inhaltskontrolle unterliegt die streitgegenständliche Klausel nicht, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Entgeltbestimmung stellt eine Hauptleistungsabrede dar, die allein die Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung betrifft (vgl. [X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] 331/11 - Rn. 26, [X.] 2012, 908). Im Übrigen kann für die Entscheidung des Rechtsstreits offenbleiben, ob und welche vertragliche Abrede zum Umfang der Arbeitspflicht die Parteien getroffen haben.

3. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 288 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Die Verzinsungspflicht beginnt entsprechend § 187 Abs. 1 BGB jedoch erst mit Beginn des Tages, der dem Tag folgte, an dem das maßgebliche Ereignis (= Fälligkeit nach dem Kalender) eintrat (vgl. [X.] 8. Oktober 2008 - 5 [X.] 715/07 - EzA BGB 2002 § 615 Nr. 27; 19. April 2005 - 9 [X.] 160/04 - [X.] § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 12 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 178). Nach dem Arbeitsvertrag wurde das monatlich zu zahlende Entgelt am [X.] fällig, § 614 BGB.

III. Der Feststellungsantrag ist begründet. Dem Kläger steht das vereinbarte monatliche Bruttoentgelt in unveränderter Höhe zu.

IV. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Die Zuvielforderung des [X.] hinsichtlich der Zinsen war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten verursacht (§ 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    R. Rehwald    

        

    Bürger    

        

        

Meta

5 AZR 409/12

17.10.2012

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Eberswalde, 9. August 2011, Az: 2 Ca 850/10, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2012, Az. 5 AZR 409/12 (REWIS RS 2012, 2246)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2246

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