Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2014, Az. V ZB 140/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6780

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Gegenstand

Voraussetzungen einer unbeschränkten Anordnung der Zwangsverwaltung: Anforderungen an die Vollstreckungsklausel für eine Grundschuldbestellungsurkunde mit Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung mit Wirkung gegen den Nießbrauchsberechtigten


Leitsatz

Hat sich der Grundstückseigentümer in einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll, kann gegen den Berechtigten eines im Rang nach der Grundschuld in das Grundbuch eingetragenen Nießbrauchs eine die eingeschränkte Rechtsnachfolge ausweisende Vollstreckungsklausel erteilt werden (titelerweiternde Klausel). Die mit ihr versehene Urkunde ist ein für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichender Vollstreckungstitel.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des [X.] vom 4. September 2013 aufgehoben.

Die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten gegen die Beschlüsse des [X.] vom 15. April 2011 und vom 28. November 2011 werden zurückgewiesen.

Die Schuldnerin und die Nießbrauchsberechtigte tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert der Beschwerdeverfahren und des [X.] beträgt jeweils 50.000 € für die Gerichtskosten und für die anwaltliche Vertretung der Nießbrauchsberechtigten sowie 925.118,74 € für die anwaltliche Vertretung der Gläubigerin und der Schuldnerin.

Gründe

I.

1

Die Schuldnerin ist Eigentümerin der in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücke. Diese sind mit einer am 26. Oktober 1990 in die Grundbücher jeweils in Abteilung [X.] eingetragenen Gesamtgrundschuld über 100.000 DM und mit einer im Jahr 1995 jeweils in Abteilung [X.] eingetragenen Gesamtgrundschuld über 1.000.000 DM belastet. In den Eintragungsvermerken heißt es:

„Vollstreckbar nach § 800 ZPO.“

2

Inhaberin der Grundschulden ist nunmehr die Gläubigerin. [X.] wurde zugunsten der Nießbrauchsberechtigten ein Nießbrauch in die Grundbücher eingetragen. Die Gläubigerin erwirkte die Erteilung vollstreckbarer Ausfertigungen der [X.] mit [X.] auch gegen die Nießbrauchsberechtigte.

3

Mit Beschluss vom 5. August 2010 hat das Amtsgericht den Beitritt der Gläubigerin aus dem jeweils in Abteilung [X.] der Grundbücher eingetragenen [X.] zu einem damals aus dem jeweils in Abteilung [X.] eingetragenen [X.] betriebenen, später aufgehobenen Zwangsverwaltungsverfahren zugelassen. Den Antrag der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten, diesen Beschluss aufzuheben, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. November 2011 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolgreich gewesen. Das [X.] hat die Beschlüsse vom 5. August 2010 und vom 28. November 2011 aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Zulassung des Beitritts zurückgewiesen.

4

Am 15. April 2011 hat das Amtsgericht den Beitritt der Gläubigerin aus dem jeweils in Abteilung [X.] der Grundbücher eingetragenen [X.] zu dem aus dem jeweils in Abteilung [X.] eingetragenen Recht betriebenen Zwangsverwaltungsverfahren zugelassen. Auch die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten ist erfolgreich gewesen. Das [X.] hat den Beitrittsbeschluss aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Zulassung des Beitritts zurückgewiesen.

5

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Gläubigerin die Aufhebung des Beschlusses des [X.]s und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde erreichen. Die Nießbrauchsberechtigte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

6

Nach Ansicht des [X.] erfordert die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung bzw. die unbeschränkte Zulassung des Beitritts zu einem Zwangsverwaltungsverfahren einen auf die Duldung der Zwangsvollstreckung auch gegen die Nießbrauchsberechtigte gerichteten Vollstreckungstitel. Dieser könne nicht dadurch erwirkt werden, dass die Vollstreckungsunterwerfungen in den [X.] gemäß § 727 ZPO auf die Nießbrauchsberechtigte umgeschrieben würden.

7

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

III.

8

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.

9

1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des [X.].

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 14. März 2003 - [X.], [X.], 2164 f.) hat der die Zwangsvollstreckung betreibende Grundschuldgläubiger für die - wie hier - unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung bei einem - ebenfalls wie hier - nachrangig eingetragenen Nießbrauch einen auf den Nießbrauchsberechtigten lautenden Duldungstitel vorzulegen. Dies ist deshalb erforderlich, weil sich der von dem Vollstreckungsgericht bestellte Zwangsverwalter den Besitz an dem der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstück verschaffen muss, damit er den betreibenden Gläubiger aus den Erträgnissen des Grundstücks befriedigen kann (§ 146, § 150 Abs. 2, § 152 Abs. 1 [X.]), dem Nießbrauchsberechtigten jedoch ebenfalls das Besitz- und Nutzungsziehungsrecht an dem Grundstück zusteht (§ 1030 Abs. 1, § 1036 Abs. 1 BGB). Da die Zwangsvollstreckung nur gegen denjenigen betrieben werden darf, der in dem Vollstreckungstitel oder in der Vollstreckungsklausel (§ 727 ZPO) als Vollstreckungsschuldner namentlich benannt ist, und da bei der Zwangsverwaltung allein diesem die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen werden (§ 148 Abs. 2 [X.]), betrifft die in den [X.] enthaltene Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 800 Abs. 1 ZPO) lediglich den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks, nicht jedoch einen Nießbrauchsberechtigten. Diesen kann der Zwangsverwalter nur dann aus seinem Besitz setzen und an dessen Stelle die Nutzungen ziehen, wenn die Zwangsverwaltung aufgrund eines auf die Duldung der Zwangsvollstreckung auch gegen den Nießbrauchsberechtigten gerichteten Titels angeordnet worden ist.

b) Das alles sieht das Beschwerdegericht nicht anders. Es hat jedoch nicht erkannt, dass es auf der Grundlage seiner Rechtsansicht die [X.] der Gläubigerin nicht hätte vollständig zurückweisen dürfen, sondern ihnen insoweit hätte stattgeben müssen, als die Rechte der Nießbrauchsberechtigten durch die Zwangsverwaltung nicht beeinträchtigt werden dürfen (vgl. [X.], Beschluss vom 14. März 2003 - [X.], [X.], 2164, 2165).

2. Zu Unrecht meint das Beschwerdegericht jedoch, dass die auch mit [X.] gegen die Nießbrauchsberechtigte versehenen [X.] keine für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung ausreichenden Duldungstitel seien.

a) Auf die Duldung der Zwangsvollstreckung gerichtete Titel sind nicht nur solche, welche in einem Klageverfahren ergangen sind, sondern auch notarielle Urkunden, in denen sich der Grundstückseigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise unterworfen hat, dass die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein soll (§ 794 Abs. 1 Nr. 5, § 800 ZPO). Zur Vollstreckung aus diesen Urkunden ist es notwendig, dass sie mit einer Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) versehen sind und beides vor oder spätestens bei dem Beginn der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zugestellt wird (§ 750 Abs. 1 und 2, § 795 Satz 1 ZPO).

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die notariellen [X.] enthalten Vollstreckungsunterwerfungen gemäß § 800 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Unterwerfung ist in den Grundbüchern eingetragen. Von den Urkunden wurden vollstreckbare Ausfertigungen erteilt (§ 724 Abs. 1, § 795 Satz 1, § 797 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Gläubigerin als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Grundschuldgläubigerin erhielt [X.] (§ 727, § 795 Satz 1 ZPO). Auch gegen die Nießbrauchsberechtigte wurden [X.] erteilt, allerdings mit der - zutreffenden - Einschränkung, dass die Zwangsvollstreckung auf die Duldung der Zwangsverwaltung der mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücke gerichtet ist. Schließlich fehlt es auch nicht an der Zustellung der Urkunden nebst [X.] an die Schuldnerin und an die Nießbrauchsberechtigte.

c) Die Erteilung der gegen die Nießbrauchsberechtigte gerichteten - eingeschränkten - [X.] beruht auf § 727 ZPO in Verbindung mit § 325 ZPO, § 795 Satz 1 ZPO. Danach kann unter bestimmten, hier gegebenen Voraussetzungen eine vollsteckbare Ausfertigung gegen denjenigen erteilt werden, der nach der Errichtung der Grundschuldbestellungsurkunde Rechtsnachfolger des in der Urkunde bezeichneten Schuldners geworden ist ([X.], Urteil vom 9. Dezember 1992 - [X.], NJW 1993, 1396, 1397 mwN). Rechtsnachfolger in diesem Sinn ist nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht nur derjenige, der in die volle Rechtsstellung seines Vorgängers eingetreten ist, sondern auch derjenige, der eine mindere Rechtsstellung erworben hat, wie z.B. ein Nießbrauchsberechtigter ([X.], 35, 38; [X.], Rpfleger 2006, 92, 93; [X.][X.], 5. Aufl., § 325 Rn. 9; [X.]/[X.], § 325 Rn. 28; Musielak in Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 325 Rn. 7; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 325 Rn. 21; [X.]/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl. Rn. 20). Hat dieser - wie hier - den Nießbrauch im Rang nach der Grundschuld erlangt, kann gegen ihn eine - die eingeschränkte Rechtsnachfolge ausweisende - Vollstreckungsklausel erteilt werden (titelerweiternde Klausel). Die mit ihr versehene Grundschuldbestellungsurkunde ist der für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung notwendige Duldungstitel ([X.], Rpfleger 2006, 92, 93; [X.]/[X.], BGB [2009], § 1124 Rn. 22; [X.] in [X.]/[X.]/Hintzen/[X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 145 Rn. 8; [X.], [X.], 20. Aufl., § 145 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 1 Rn. 66; [X.]/Wutzke/[X.]/Hintzen, Zwangsverwaltung, 5. Aufl., § 146 [X.] Rn. 12).

3. Somit liegen die für die unbeschränkte Anordnung der Zwangsverwaltung bzw. für die unbeschränkte Zulassung des Beitritts notwendigen Duldungstitel gegen die Nießbrauchsberechtigte vor. Der angefochtene Beschluss des [X.] ist deshalb aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da auch die übrigen Voraussetzungen für die Zulassung des Beitritts gegeben sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). Das führt zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und der Nießbrauchsberechtigten gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 15. April 2011 und vom 28. November 2011.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung der [X.] folgt aus § 55 GKG, § 22 Abs. 1, § 23 Abs. 3 Satz 2, § 27 RVG.

Stresemann                        [X.]Czub

                    Weinland                      Kazele

Meta

V ZB 140/13

26.03.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Kiel, 4. September 2013, Az: 13 T 124/11, Beschluss

§ 1030 BGB, § 1147 BGB, § 325 ZPO, § 727 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 5 ZPO, § 800 ZPO, § 146 ZVG, § 150 Abs 2 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2014, Az. V ZB 140/13 (REWIS RS 2014, 6780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6780

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