Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.02.2021, Az. 2 BvR 496/18

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2021, 8421

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Parallelentscheidung


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 [X.]), da sie unzulässig ist. Ihre Begründung wird den gesetzlichen Anforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.]) nicht gerecht.

2

1. Eine Verfassungsbeschwerde ist innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht nur einzulegen, sondern auch zu begründen (vgl. [X.] 21, 359 <361>; stRspr). Die allgemeine Begründungslast des § 23 Abs. 1 Satz 2 [X.] verlangt grundsätzlich auch, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde vorträgt, soweit deren Vorliegen nicht aus sich heraus erkennbar ist. Hierzu gehört im Zweifelsfall auch die schlüssige Darlegung, dass die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] eingehalten ist, sofern sich dies nicht ohne Weiteres aus den Unterlagen ergibt (vgl. [X.], 468 <469>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. Mai 2013 - 2 BvR 885/13 -, juris, Rn. 2; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 -, Rn. 3; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. Juli 2018 - 2 BvR 1548/14 -, Rn. 15).

3

2. Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 [X.] beginnt die Monatsfrist mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. Im Falle mehrfacher Bekanntmachung einer strafgerichtlichen Entscheidung beginnt der Lauf der verfassungsprozessualen Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] bereits mit der zuerst bewirkten Zustellung oder formlosen Mitteilung der den Rechtsweg beendenden Entscheidung (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 6. April 1999 - 2 BvR 299/94 -, Rn. 4; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 -, Rn. 5).

4

a) Im Strafprozess erfolgt die Bekanntmachung von Entscheidungen von Amts wegen wahlweise durch Zustellung oder formlose Mitteilung, wenn die Entscheidungen - wie hier - nicht in Anwesenheit der betroffenen Person ergehen und keine strafprozessuale Frist in Gang setzen (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

5

Die fristauslösende Zustellung oder formlose Mitteilung im Strafverfahren kann dabei nicht nur an die von der Entscheidung betroffene Person, sondern auch an einen durch Rechtsgeschäft bestellten oder kraft Gesetzes ermächtigten Zustellungsbevollmächtigten erfolgen (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl. 2020, § 37 Rn. 3). Gemäß § 145a Abs. 1 [X.], der gemäß § 428 Abs. 1 Satz 2 [X.] für die Vertretung des Einziehungsberechtigten entsprechend anzuwenden ist, gelten der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, sowie der bestellte Verteidiger kraft Gesetzes als ermächtigt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 386/06 -, Rn. 7).

6

Entscheidet sich das Strafgericht gemäß § 145a Abs. 1 [X.] für eine Zustellung an den Wahl- oder Pflichtverteidiger, so wird der Beschuldigte hiervon unterrichtet und erhält gemäß § 145a Abs. 3 Satz 1 [X.] zugleich formlos eine Abschrift der Entscheidung (vgl. hierzu [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 20. März 2001 - 2 BvR 2058/00 -, Rn. 5). Hierin liegt eine formlose Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 2 [X.] (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 -, Rn. 10).

7

Da § 145a Abs. 1 [X.] nicht zur Zustellung oder sonstigen Mitteilung an den Wahl- oder Pflichtverteidiger verpflichtet und § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO keine Anwendung findet, kann umgekehrt ebenso eine Zustellung nur an den Beschuldigten erfolgen; in diesem Fall ist aber dem Verteidiger nach § 145a Abs. 3 Satz 2 [X.] eine Abschrift zu übermitteln (siehe auch Nr. 108 [X.]; vgl. [X.], in: [X.] Kommentar zur [X.], 1. Aufl. 2014, § 37 Rn. 13; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl. 2020, § 145a Rn. 6). Auch dies stellt eine form-lose Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 2 [X.] dar und ist daher geeignet, die Frist des § 93 Abs. 1 [X.] auszulösen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 14. November 1990 - 2 BvR 1378/90 -, juris, Rn. 1; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2003 - 2 BvR 1351/03 -, Rn. 2; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. Juli 2006 - 2 BvR 386/06 -, Rn. 7; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 -, Rn. 9).

8

b) Angesichts dessen ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren die Angabe aller Zugangszeitpunkte - also sowohl des Zugangs bei dem oder den Verteidiger(n) als auch beim Beschuldigten - oder die Klarstellung, dass nur eine einzige (gegebenenfalls formlose) Bekanntgabe erfolgt ist, jedenfalls dann erforderlich, wenn sich die Einhaltung der Monatsfrist nicht ohne Weiteres aus den Unterlagen ergibt. Ein differenzierter Vortrag zu den jeweiligen Zugangszeitpunkten wird insbesondere dann notwendig, wenn die Verfassungsbeschwerde über einen Monat nach dem Entscheidungsdatum der angegriffenen letztinstanzlichen Entscheidung beim [X.] eingeht und der Verteidiger einen Zugangszeitpunkt bei sich selbst angibt, wonach die Verfassungsbeschwerde nur einen Tag vor Ablauf der Monatsfrist gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] erhoben wurde. Andernfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte die Entscheidung bereits zu einem früheren Zeitpunkt erhalten hat (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 -, Rn. 12 f.).

9

c) Eine eigenverantwortliche Feststellung des Fristbeginns ist dem Bevollmächtigen im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch zumutbar, da er diesen in aller Regel durch Austausch mit dem Beschwerdeführer oder durch Einsicht in die Gerichtsakte unproblematisch ermitteln kann (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 12. Juni 2014 - 2 BvR 1004/13 -, Rn. 15; vgl. auch [X.], Beschluss vom 30. November 2017 - [X.]. 122-IV-17 u.a. -, juris, Rn. 19).

3. Ausgehend hiervon kann im vorliegenden Verfahren auf Grundlage des [X.] nicht zuverlässig beurteilt werden, ob die Verfassungsbeschwerde die Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 [X.] gewahrt hat.

Die am 19. März 2018 beim [X.] eingegangene Verfassungsbeschwerde benennt allein den Zeitpunkt, zu dem der Beschluss des [X.] vom 8. Februar 2018, mit dem die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Durchsuchungsbeschluss des [X.] vom 24. Juli 2017 verworfen wurde, dem von der Beschwerdeführerin bevollmächtigten Rechtsanwalt zugestellt worden sein soll. Dazu hat der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin, die als [X.] am Strafverfahren beteiligt war, eine Ablichtung des Übersendungsschreibens des [X.] mit Eingangsstempel der Kanzlei vom 19. Februar 2018 vorgelegt. Davon ausgehend wäre die Verfassungsbeschwerde erst am Tag des Ablaufs der Frist aus § 93 Abs. 1 [X.] erhoben worden.

Dieser Umstand hätte den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin dazu veranlassen müssen, auch den Zeitpunkt der Zustellung oder formlosen Mitteilung der verfahrensabschließenden Entscheidung an die Beschwerdeführerin mitzuteilen. Dies hat der Bevollmächtigte versäumt. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der angegriffene Beschluss des [X.] der Beschwerdeführerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugegangen ist, ist die Einhaltung der Frist zur Erhebung und Begründung der Verfassungsbeschwerde gemäß § 93 Abs. 1 [X.] weder aus sich heraus noch aus dem Beschwerdevorbringen nachvollziehbar.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 496/18

24.02.2021

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG München I, 8. Februar 2018, Az: 4 Qs 17/17, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 24.02.2021, Az. 2 BvR 496/18 (REWIS RS 2021, 8421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8421

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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