Bundessozialgericht, Urteil vom 18.02.2010, Az. B 4 AS 49/09 R

4. Senat | REWIS RS 2010, 9210

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bedarfsgemeinschaft - dauernd getrennt lebende Ehegatten - Anwendung von familienrechtlichen Grundsätzen - Trennungswille


Leitsatz

Eine Bedarfsgemeinschaft von Eheleuten im Sinn des SGB 2 kann auch bei Ehen ohne gemeinsamen räumlichen Lebensmittelpunkt vorliegen. Für die Annahme "dauernden Getrenntlebens" muss gemäß familienrechtlichen Grundsätzen zur räumlichen Trennung ein nach außen erkennbarer Trennungswille eines Ehegatten zur Lösung des einvernehmlich gewählten Ehemodells hinzutreten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von [X.] II-Leistungen für die [X.] vom 5.1.2005 bis 30.6.2005.

2

Die 1954 geborene, [X.] II-Leistungen beziehende Klägerin heiratete am 5.1.2005 den 1936 geborenen [X.] . Beide lebten nach der Eheschließung - wie bisher - in ihren früheren Wohnungen, führten getrennte Haushalte und vereinbarten den Güterstand der Gütertrennung. Die Klägerin, die keine Absicht zur Herstellung der häuslichen [X.] hatte, verbrachte weiterhin drei- bis viermal wöchentlich [X.] mit ihrem Ehemann mit Gesprächen, Spaziergängen und Fernsehen. Gelegentlich wurden gemeinsame Mahlzeiten eingenommen.

3

Die Beklagte hatte der Klägerin bereits vor ihrer Eheschließung [X.] II-Leistungen vom 1.1.2005 bis 30.6.2005 in Höhe von 659,50 Euro monatlich bewilligt (Bescheid vom 10.11.2004). Diesen Bescheid hob sie mit Wirkung vom 5.1.2005 auf, weil die Klägerin nach ihrer Heirat nicht mehr hilfebedürftig sei. Unter Berücksichtigung der Pension ihres Ehemannes und der gesetzlich vorgesehenen Abzüge ergebe sich ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 1 521,62 Euro, das den Bedarf der Eheleute in Höhe von 936,50 Euro übersteige (Bescheid vom 27.1.2005; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

4

Das [X.] hat das klageabweisende Urteil des [X.] geändert sowie den Bescheid vom 27.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] aufgehoben (Urteil des [X.] vom [X.]; Urteil des L[X.] vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, der Bescheid vom 27.1.2005 sei rechtswidrig, weil in den tatsächlichen Verhältnissen keine wesentliche Änderung iS des § 48 [X.] X eingetreten sei. Die Klägerin bilde trotz Eheschließung keine Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann, weil sie von ihm dauernd getrennt lebe und als alleinstehend iS des [X.] II zu betrachten sei. Der Begriff des Getrenntlebens sei nicht ausschließlich im Sinn der Kriterien des § 1567 Abs 1 Satz 1 BGB zu verstehen, weil das Familienrecht mit dieser Definition in erster Linie Unterhaltsansprüche auf der Basis einer zuvor existierenden häuslichen und ehelichen [X.] begründe. Das Zusammenleben in einer Bedarfsgemeinschaft werde in § 7 Abs 3 [X.] II nur als Zusammenkunft von Personen mit bestimmten persönlichen Zuordnungsmerkmalen zum Hauptleistungsberechtigten definiert. Neben dem personalen Bezug würden weitere Anforderungen inhaltlicher Art nicht gestellt. Eine Partnerschaft zwischen [X.] und Frau, die vor der Eheschließung keine Bedarfsgemeinschaft darstelle, werde nicht allein durch die Heirat automatisch zu einer solchen, wenn sich in tatsächlicher Hinsicht nichts geändert habe. Das "dauernd getrennt lebend" iS des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II bestimme sich eigenständig nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift und ihres normativen Zusammenhangs mit § 2 Abs 2 Satz 1 [X.] II. Es sei Absicht des Gesetzgebers, sich mit dem fürsorgerechtlichen Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft insgesamt von familienrechtlichen Einstandspflichten mit dem Ziel zu lösen, das [X.] II als letztes soziales Auffangnetz zu etablieren. Mit dem Merkmal des Nichtgetrenntlebens von Ehegatten im Rahmen der Bildung von Bedarfsgemeinschaften knüpfe der Gesetzgeber wegen des Nachrangs von Grundsicherungsleistungen an die durch Ehe und Familie typischerweise gegebene wirtschaftliche und sonstige Lebenssituation an. Für die eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 [X.] II prägende Einstandspflicht sei von Bedeutung, ob eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehe, wobei dem räumlichen Zusammenhang ein gewichtiges Indiz zukomme. Wenn die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Ehepartner nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht nur vorübergehend aufgehoben sei, liege keine Bedarfsgemeinschaft vor. Es könne nicht festgestellt werden, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer räumlichen, persönlichen und geistigen [X.] wie bei Eheleuten bestehe. Auch Anhaltspunkte für eine Wirtschaftsgemeinschaft seien nicht erkennbar. Zwar möge die Absicht eines Zusammenlebens im Rahmen einer häuslichen [X.] üblicherweise dem Bild einer Ehe entsprechen. Dies schließe aber nicht aus, dass in Einzelfällen Lebensgestaltungen und Interessenlagen gegeben seien, die für eine Heirat ohne häusliche [X.] sprächen.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II. Das L[X.] berücksichtige nicht die hier vorliegende besondere Gestaltungsform der Ehe, in der unstreitig eine häusliche [X.] zwischen den Eheleuten von vornherein nicht bestanden habe bzw bestehe und bei der es sich für (wenigstens) einen Ehepartner um eine sog Versorgungs- oder Zweckehe gehandelt habe und bis zum Tod handeln solle. Bei fehlender häuslicher [X.] sei entscheidend für das Getrenntleben der nach außen erkennbare Trennungswille, dh der Wille, die Lebensgemeinschaft und damit auch die diese kennzeichnende Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft dauerhaft nicht fortsetzen zu wollen. Würden Ehen zu einem bestimmten Zweck, hier dem der Versorgung, eingegangen, könne es schon aus Gründen der Gleichbehandlung im Ergebnis nicht gerechtfertigt sein, dass die Eheleute - jedenfalls solange ihre Ehe in der vereinbarten Form "funktioniere" - nur die mit der Eheschließung verbundenen Vorteile, nicht jedoch auch die hieraus entstehenden Pflichten oder Nachteile, wie zB die Behandlung als Bedarfsgemeinschaft, in Kauf nehmen wollten. Anders als im "Normalfall" des Getrenntlebens bestehe in diesen Fällen die Lebensgemeinschaft in der vereinbarten Form fort und auch die Ehe solle dauerhaft bis zum Tod bestehen, weil sonst die gerade für die [X.] nach dem Tod des Ehepartners erwartete Versorgung nicht in der erhofften Form eintreten könne.

6

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.] vom 24. März 2009 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. September 2006 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) . Aufgrund fehlender Sachverhaltsfeststellungen des [X.] zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Ehemanns der Klägerin und dem Bedarf der Ehegatten insgesamt kann der [X.] nicht beurteilen, ob und in welchem Umfang die Beklagte die Bewilligung der [X.] II-Leistungen mit Wirkung vom 5.1.2005 wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse aufheben durfte. Anders als vom [X.] angenommen, bildete die Klägerin aber mit ihrem Ehemann ab der Heirat eine Bedarfsgemeinschaft iS des [X.] II. Das Berufungsurteil beruht insofern auf einer unzutreffenden Rechtsansicht zum Begriff des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" iS des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II, weil dieser ausgehend von der Typik dieser Regelung nach familienrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen ist.

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 27.1.2005, gegen den sich die Klägerin zu Recht (nur) mit der reinen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) wendet; mit der Aufhebung dieses Bescheides bleibt die im Bewilligungsbescheid vom 10.11.2004 enthaltene Verfügung über die Bewilligung von [X.] II-Leistungen für die [X.] vom 1.1.2005 bis 30.6.2005 wirksam. Bei der Prüfung, ob die Aufhebung zu Recht erfolgte, ist bei der hier vorliegenden reinen Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage zu dem [X.]punkt maßgebend, in dem der angefochtene Verwaltungsakt erlassen worden ist (BSG, Urteil vom 20.4.1993 - 2 RU 52/92 - [X.] 3-1500 § 54 [X.] mwN) . Gegenstand der Überprüfung des [X.]-Urteils im Revisionsverfahren sind daher die tatsächlichen Verhältnisse im [X.]punkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides im Januar 2005, nicht die Frage, ob zu einem späteren [X.]punkt von einem Getrenntleben zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann ausgegangen werden kann.

2. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung ist § 40 Abs 1 [X.] II iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.] X. Hiernach ist, soweit in den Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] II iVm § 330 Abs 3 [X.] III ist dabei mit Wirkung vom [X.]punkt der Änderung der Verhältnisse der Verwaltungsakt aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.] X). Dabei genügt es, dass nicht der Hilfebedürftige selbst, sondern - wie hier - eine andere Person, deren wirtschaftliche Verhältnisse für den Leistungsanspruch rechtserheblich sind, Einkommen oder Vermögen erzielt hat (BSG, Urteil vom 11.1.1989 - 10 [X.] 12/87 - [X.] 1300 § 48 [X.]). Neben der Frage, ob wegen des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft dem Grunde nach eine Einkommensanrechnung erfolgen kann, setzt § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.] X auch eine Prüfung voraus, in der der Einfluss der Erzielung von Einkommen auf die Leistungshöhe vorzunehmen ist. Die letzte Prüfung hat das [X.] unterlassen, weil es davon ausging, dass die Klägerin und [X.] auch nach ihrer Heirat keine Bedarfsgemeinschaft bildeten.

3.a) Die Klägerin bildete jedoch mit ihrem Ehemann mit Wirkung ab 5.1.2005 eine Bedarfsgemeinschaft, weil sie nicht zeitgleich mit der Eheschließung von ihm iS des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II dauernd getrennt lebte. Nach § 7 Abs 1 Nr 3 [X.] II iVm § 9 Abs 1 [X.] II in der Normfassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 ([X.]) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit ([X.]) oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen ([X.]) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 [X.] II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und das Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ua der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte (§ 7 Abs 3 [X.] a [X.] II) .

b) Bei der Auslegung des Begriffs des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" iS des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II folgt der [X.] den Grundsätzen, die zum familienrechtlichen Begriff des "Getrenntlebens" entwickelt worden sind. Neben einer räumlichen Trennung setzt dies einen Trennungswillen voraus. Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II nicht unmittelbar entnehmen, wann ein Getrenntleben iS des [X.] II vorliegt. Gegen ein enges Verständnis dieses Begriffs in dem Sinne, dass Ehegatten nur dann nicht dauernd getrennt leben, wenn sie räumlich zusammen leben, jede räumliche Trennung also bereits ein Getrenntleben beinhaltet, spricht, dass sich das Getrenntleben auf die Ehe iS des § 1353 [X.] beziehen muss. Da § 1353 Abs 1 [X.] mit der Bestimmung einer Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft nur die Grundstrukturen der Ehe, nicht jedoch die Art und Weise vorgibt, in der sich das Zusammenleben der Ehegatten vollzieht, ist die häusliche [X.] zwar ein Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft ; jedoch kann bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine Ehe ohne räumlichen Lebensmittelpunkt (Ehewohnung) eine solche iS des § 1353 [X.] sein ([X.]/Brudermüller, [X.], 69. Aufl 2010, § 1353 [X.] RdNr 6 ff; Münchkomm[X.]/Ey, § 1565 Rd[X.]3, 5. Aufl 2010; [X.], Urteil vom 7.11.2001 - [X.]/00 - NJW 2002, 671). Haben die Ehegatten - wie hier - bei oder nach der Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt, das eine häusliche [X.] nicht vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare [X.] nicht herzustellen, ein Getrenntleben nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen ([X.]/[X.], [X.], 2004, § 1567 Rd[X.]1). Vielmehr muss regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten hinzutreten, die häusliche [X.] nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche [X.] ablehnt (§ 1567 Abs 1 [X.]). In der hier vorliegenden Ausgangskonstellation kommt es nach familienrechtlichen Maßstäben für eine Trennung entsprechend darauf an, ob einer der Partner die bisherige Form der Lebensgemeinschaft ohne gemeinsamen Lebensmittelpunkt nicht mehr aufrecht erhalten will, das [X.] also lösen will ([X.]/Brudermüller, [X.], 69. Aufl 2010, § 1567 Rd[X.]; [X.], Beschluss vom 12.8.1981 - 3 WF 3833/81 - NJW 1982, 112; [X.], Beschluss vom 25.3.1981 - 7 WF 32/81 - FamRZ 1981, 677). Für die Annahme eines Getrenntlebens reicht es also entgegen der Rechtsansicht des [X.] nicht aus, dass nach den tatsächlichen Verhältnissen eine Lebensgemeinschaft iS einer räumlichen, persönlichen und geistigen [X.] sowie eine Wirtschaftsgemeinschaft von vornherein nicht bestanden hat. Erforderlich ist vielmehr ein Wille zur Änderung des einvernehmlich gewählten [X.]. Ein solcher Trennungswille lag jedoch nach den Feststellungen des [X.] im Januar 2005 weder bei der Klägerin noch bei ihrem Ehemann vor.

c) Aus dem systematischen Kontext des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II mit den Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft folgt nicht, dass dem [X.] II ein anderer Begriff des Getrenntlebens zugrunde liegt. Auch das [X.] II geht davon aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft bei Eheleuten (noch) bestehen kann, wenn diese, zB wegen des pflegebedürftigen Aufenthalts eines Ehegatten in einem Heim, räumlich voneinander getrennt leben (für die Konstellation der vorübergehenden räumlichen Trennung nach bisherigem Zusammenleben so auch: Spellbrink in Eicher/ Spellbrink, [X.] II, 2 Aufl 2007, § 7 RdNr 41; bei räumlicher Trennung nicht gemeinsam wirtschaftender Ehegatten: [X.], Grundsicherung und Sozialhilfe, II.7 Rd[X.]6, Stand August 2006; für die Konstellation einer räumlichen Trennung ohne Trennungswillen: S. Knickrehm in [X.]/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 1. Aufl 2009, § 7 [X.] II, Rd[X.]7). Der Grundgedanke der Bedarfsgemeinschaft beruht auf der Annahme, dass in dieser [X.] alle Mitglieder füreinander Verantwortung auch im finanziellen Sinne übernehmen. Erst nachrangig, wenn die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ihren Bedarf nicht gemeinsam decken können, sind Grundsicherungsleistungen zu gewähren (vgl § 9 Abs 1 Satz 1 [X.] I; § 9 Abs 2 Satz 3 [X.] II). Die Vermutung einer gegenseitigen Bedarfsdeckung hat der Gesetzgeber des [X.] II dabei nicht vorrangig mit dem Vorhandensein von Unterhaltsansprüchen verbunden, sondern an die in § 7 Abs 3 [X.] II im Einzelnen aufgeführten tatsächlichen Umstände geknüpft (vgl BSG, Urteil vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.] RdNr 39) . Bei Eheleuten verlangt er - im Unterschied etwa zur Konstellation der eheähnlichen Lebensgemeinschaft (§ 7 Abs 3 [X.] c [X.] II) - gerade nicht das gemeinsame Leben in einem Haushalt.

d) Mit dem Anknüpfen an den Status der Ehe in § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II unterstellt der Gesetzgeber im Sinne einer verwaltungspraktischen Anwendung der [X.] II-Vorschriften vielmehr regelmäßig das Vorhandensein einer durch Ehe und Familie typischerweise gegebenen wirtschaftlichen und sonstigen Lebenssituation (vgl in anderem Zusammenhang [X.], Urteil vom 26.1.1995 - 5 C 8/93 - [X.]E 97, 344). Dabei liegt es im Wesen einer typisierenden gesetzlichen Verallgemeinerung, dass mit dem Bezug auf bestimmte tatsächliche Verhältnisse bzw sozialtypische Befunde eine weite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einbeziehende Betrachtung stattfindet. Hierbei darf sich der Gesetzgeber grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen auszunehmen ([X.], Beschluss vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02 - [X.]E 112, 164, 280 f; [X.], Beschluss vom 13.2.2008 - 2 BvL 1/06 - [X.]E 120, 125 ff, 155). Es soll gerade nicht bei jeder Gestaltungsform der Ehe im Einzelfall geprüft werden, ob mit ihr auch eine bestimmte Form des Zusammenlebens und Wirtschaftens verbunden ist. Auch bei der hier vorliegenden Ehe ohne gemeinsamen räumlichen Lebensmittelpunkt wird daher die hiermit typischerweise verbundene wirtschaftliche und sonstige Lebenssituation unterstellt. Wie sich weiter aus den §§ 1360, 1361 und 1567 [X.] ergibt, geht das [X.] von der grundsätzlich auch im [X.] II zu beachtenden Vermutung des Nichtgetrenntlebens von Ehegatten aus ([X.] in [X.]skommentar [X.] II, § 7 Rd[X.]1, Stand 8/2008). Eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II liegt entsprechend nur dann nicht (mehr) vor, wenn ein Getrenntleben festgestellt worden ist, was hier - wie bereits ausgeführt - nicht der Fall ist.

e) Auch aus dem das [X.] II prägenden Grundsatz der Subsidiarität, § 3 Abs 3 [X.] II (vgl hierzu BSG, Urteil vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 9 [X.] RdNr 39; BSG, [X.] [X.] [X.]/08 R - [X.], 76 ff = [X.] 4-4200 § 9 [X.]) lässt sich nicht ableiten, dass der Begriff des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" iS von § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II abweichend von familienrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen ist. Nach der Neuordnung der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums durch das [X.] II ([X.] am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 <[X.]>) und das [X.] XII (Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.] vom 27. Dezember 2003 <[X.]l I 3022>) wird - bezogen auf Unterhaltsansprüche von Ehegatten - dem [X.] des [X.] II entweder über die Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft oder nach Maßgabe des § 33 [X.] II Geltung verschafft. Der [X.] nach § 33 Abs 1 Satz 1 [X.] II setzt einen zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch voraus. Ginge der [X.] II-Träger in Abweichung von familienrechtlichen Grundsätzen in der vorliegenden Fallkonstellation von einem Getrenntleben der Eheleute aus, könnte der [X.] weder über die Regelungen zur Bedarfsgemeinschaft noch effektiv über § 33 [X.] II umgesetzt werden, weil nach familienrechtlichen Maßstäben kein Anspruch auf Trennungsunterhalt, sondern nur ein solcher auf Familienunterhalt nach den §§ 1360, 1360a [X.] gegeben ist. Dieser steht jedoch grundsätzlich im Ermessen der Ehegatten und ist - mit Ausnahme eines Taschen- und Wirtschaftsgeldes - regelmäßig nicht auf eine Geldrente gerichtet, über die der Empfänger frei verfügen kann ([X.]/[X.], Unterhaltsrecht, 7. Aufl 2008, § 3 Rd[X.]; [X.], Urteil vom [X.] [X.]/00 - FamRZ 2003, 363; vgl zum fraglichen Übergang von Ansprüchen auf Naturalunterhalt: Link in Eicher/Spellbrink, [X.] II, 2. Aufl 2008, § 33 Rd[X.]1). Insofern ist die vom [X.] zur Auslegung des § 7 Abs 3 [X.] a [X.] II herangezogene Rechtsprechung des [X.] auf das [X.] II nicht übertragbar, weil sie wesentlich mit der Durchsetzbarkeit des sozialhilferechtlichen Aufwendungsersatzanspruchs der nicht getrennt lebenden Ehegatten (§ 29 [X.] bzw § 19 Abs 5 [X.] XII) zur Verwirklichung des [X.]es begründet worden ist (vgl [X.], Urteil vom 26.1.1995 - 5 C 8/93 - [X.]E 97, 344 ff, 347).

4. Allerdings lässt sich aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob und ggf in welchem Umfang die Beklagte wegen des Wegfalls der Hilfebedürftigkeit der Klägerin die Bewilligung von [X.] II-Leistungen gänzlich aufheben durfte. Für die Frage, in welchem Umfang die Hilfebedürftigkeit der Klägerin mit Wirkung vom [X.]punkt der Heirat am 5.1.2005 entfallen ist, sind Feststellungen zur Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens ihres Ehemannes und seines Bedarfs, insbesondere auch seiner Kosten für Unterkunft und Heizung und möglicher Mehrbedarfe, erforderlich. Dabei wird zu prüfen sein, ob die tatsächlichen (Gesamt-) Aufwendungen der Klägerin und ihres Ehemannes iS von § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] II angemessen sind. Es sind die tatsächlichen Mietaufwendungen beider Eheleute mit den Wohnungsmieten für Zwei-Personen-Haushalte im maßgeblichen Vergleichsraum abzugleichen. Auch soweit die Unterkunftskosten den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, kann nach § 22 Abs 1 Satz 3 [X.] II eine weitere (befristete) Kostenübernahme durch die Beklagte erfolgen. Insofern ist zu prüfen, ob und ggf nach welchem [X.]ablauf den Eheleuten eine Senkung der Unterkunfts- und Heizkosten möglich und subjektiv zumutbar war (vgl BSG, Urteil vom 19.2.2009 - [X.] AS 30/08 R - [X.], 263 Rd[X.]9 f) , wobei auch zu berücksichtigen ist, dass Hilfebedürftige nur dann eine Kostensenkungsobliegenheit trifft, wenn sie Kenntnis hiervon hatten (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des [X.]s vom 17.12.2009 - [X.] AS 19/09 R - Rd[X.]5 - zur Veröffentlichung in [X.] und [X.] vorgesehen). Ergibt eine Gegenüberstellung des [X.] mit dem Einkommen der Bedarfsgemeinschaft eine Differenz zugunsten des [X.], besteht in diesem Umfang ein weiterhin der (vollständigen) Aufhebung der Bewilligung entgegenstehender Leistungsanspruch der Klägerin.

5. Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 170 Abs 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückzuverweisen.

Meta

B 4 AS 49/09 R

18.02.2010

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Osnabrück, 20. September 2006, Az: S 24 AS 90/05, Urteil

§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB 2, § 3 Abs 3 SGB 2, § 33 Abs 1 S 1 SGB 2, § 1353 Abs 1 S 2 BGB, § 1360 BGB, § 1361 BGB, § 1567 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.02.2010, Az. B 4 AS 49/09 R (REWIS RS 2010, 9210)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9210

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 167/02

2 BvL 1/06

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