Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2003, Az. X ZR 248/02

X. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 1000

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:28. Oktober 2003WermesJustizhauptsekretärals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB §§ 249, 276 [X.] nach den Vergabeunterlagen eine Bindefrist nicht zu beachten, darf ein innerhalbder Angebotsfrist abgegebenes Angebot regelmäßig nicht deshalb unberücksichtigtbleiben, weil der Bieter von sich aus eine Annahmefrist bestimmt hat.[X.], Urt. v. 28. Oktober 2003 - [X.] - [X.] LG [X.]- 2 -Der X. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 28. Oktober 2003 durch [X.] Melullis,[X.] und Scharen, die Richterin [X.] und [X.] Dr. Meier-Beckfür Recht erkannt:Auf die Revision der Klägerin wird das am 10. Oktober 2002 [X.] Urteil des 27. Zivilsenats des [X.]s aufgeho-ben.Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgerichtzurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Zur Vergabe von "[X.] gemäß §§ 64, 73,77-79, 81-90 sowie Leistungen der Leistungsphase 5-9 von § 15 [X.] 3 -nung für Gebäude, § 15 Freianlagen, Honorarverordnung für Architekten [X.]" für den Neubau eines [X.] in [X.] führte die [X.] ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachungdurch, die im Juni 1995 im [X.] und im Amtsblatt[X.] veröffentlicht wurde. Unter dem 11. August 1995 wurden den nach [X.] verbliebenen Bewerbern die Angebotsunterlagen mit [X.] ausgehändigt, ihr Angebot bis zum 25. August 1995 vorzulegen.Die Klägerin und die weiteren sechs Bewerber reichten fristgemäß ihre [X.] bei der [X.] ein. Das Angebot der Klägerin war [X.] das preisgünstigste. Dieser Angebotspreis beruhte auf einerAufwandskalkulation, während sich die übrigen Bieter an den von der [X.] in den Angebotsunterlagen - unverbindlich - vorgeschlagenen Parameternzur Fortschreibung der [X.] orientiert hatten.Unter dem 30. November 1995 erarbeitete die Beklagte einen [X.]. Darin wurde festgehalten, daß gemäß Art. 36 der [X.]/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der [X.] zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge als [X.], Zweckmäßigkeit der Leistung und Preis zugrunde gelegt werden [X.]. Zum Angebot der Klägerin hieß es (auszugsweise):"Die Leistungsfähigkeit (Qualität und Zweckmäßigkeit der Leistung)... fällt im Vergleich gegenüber der der Mitbewerber ... ab. Es bie-tet, bezogen auf das Projekt, gute Qualität aber keine herausgeho-bene Leistung. Diese muß bei diesem Projekt aufgrund der hohenAnforderungen an die Integration der Bereiche Architektur, [X.] 4 -werkplanung und Technik gefordert werden. Außerdem erscheintdas kalkulierte Honorar, besonders im Leistungsbereich Objektpla-nung, bezogen auf die Länge der voraussichtlichen Bauzeit ([X.]) als zu knapp bemessen, so daß Zweifel bestehen, ob die fürdie Bauabwicklung erforderlichen Leistungen bis zu deren Endeuneingeschränkt in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung ge-stellt werden können. ... Das Angebot wird daher wegen Unaus-kömmlichkeit von der Wertung ausgeschieden. Im übrigen hattesich (die Klägerin) an das Angebot nur bis zum 31. Oktober 1995gebunden."Mit Schreiben vom 25. Januar 1996 teilte die Beklagte der Klägerin unterBezug auf die Wertungskriterien des Art. 36 der Richtlinie mit, ihr Angebot [X.] nicht berücksichtigt werden können, da es nicht das wirtschaftlich günstigsteAngebot gewesen sei. Der Auftrag wurde sodann an einen Mitbewerber derKlägerin erteilt. Die Klägerin rief die Vergabeprüfstelle an. Diese stellte unterdem 15. Dezember 1997 fest, daß das Vergabeverfahren rechtswidrig gewesensei.Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz in [X.] von 10.615.632,32 DM wegen entgangenen Gewinns und der ihr im Verga-beüberwachungsverfahren entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung. [X.] hat diese Klage abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin ein-gelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Die Klägerin verfolgt nunmehr im We-ge der - zugelassenen - Revision ihr Schadensersatzbegehren nebst Zinsenweiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel [X.] 5 -Entscheidungsgründe:Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg.1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Kläge-rin verneint, weil diese bis zum letzten Tag der von der [X.] vorgegebe-nen Einreichungsfrist nur ein Angebot abgegeben habe, das bis zum31. Oktober 1995 wirksam habe sein sollen. Eine nachträgliche Berücksichti-gung dieses Angebots hätte deshalb eine inhaltliche Veränderung der Verga-bebedingungen bedeutet und die Chancen der anderen Bieter beeinträchtigt.Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht [X.]) Der Bewertung des Berufungsgerichts mag näher getreten [X.], wenn der öffentliche Auftraggeber in die Vergabebedingungen eineBindefrist aufgenommen, also eine Zeitspanne festgelegt hat, für welche [X.] an das von ihm abgegebene Angebot gebunden ist, und lediglich eineinzelner oder einzelne Bieter ein Angebot mit einer kürzeren [X.] haben. Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhaltliegt hier ein solcher Fall jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht hat [X.] zu einer Frist nicht getroffen, die bei der Ausschreibung der [X.]von [X.] an dem Auftrag interessierten Bewerbern zu beachten gewesen wäre.Zugunsten der Klägerin ist deshalb davon auszugehen, daß es im [X.] anders als es bei Geltung von § 19 Nr. 3 VOB/A durch diese Bestimmung für- 6 -die öffentliche Ausschreibung von Bauleistungen vorgeschrieben ist - nichtvorgesehen war, daß derjenige, der sich als Bieter an der Ausschreibung [X.] mit einem Angebot beteiligt, bis zum Ablauf einer bestimmten Fristan sein Angebot gebunden sei.b) Die Klägerin hatte damit bei ihrem Angebot eine solche Frist nicht zubeachten; sie war grundsätzlich frei, hierfür eine ihr genehme Annahmefristgemäß § 148 BGB zu bestimmen. Aufgrund des infolge der Beteiligung [X.] zustande gekommenen vorvertraglichen Verhältnisses magdie Klägerin insoweit zwar den sich aus § 242 BGB ergebenden Geboten [X.] gewesen sein. Umstände, daß hiernach die von der Klägerin ge-wählte Frist zu kurz bemessen gewesen sei, hat das Berufungsgericht [X.] nicht festgestellt. Das Angebot der Klägerin muß daher - nach dem inder Revisionsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt - als ein nicht von [X.] abweichendes, zulässiges Gebot angesehen werden, aufwelches der Auftrag zulässigerweise erteilt werden konnte. Dementsprechendmußten auch die anderen Bewerber, die sich mit einem Angebot an der [X.] der [X.] beteiligten, damit rechnen, daß die Klägerin den [X.] erhalten könnte.c) Hieran hat sich durch den Ablauf der von der Klägerin bestimmtenAnnahmefrist nichts geändert. Als Antrag im Sinne des § 145 BGB war das [X.] zwar gemäß § 146 BGB ab dem 1. November 1995 erlo-schen. Wie § 150 Abs. 1 BGB entnommen werden muß, war das Angebot derKlägerin damit aber nicht schlechthin hinfällig. Die Beklagte konnte bei derKlägerin nachfragen, ob ein Vertragsschluß nach Maßgabe des sachlichen [X.] 7 -halts des klägerischen Angebots noch möglich sei und der Klägerin den [X.] mit diesem Inhalt anbieten; die Klägerin konnte diesesAngebot annehmen, so daß auf diese Weise die Vergabe des Auftrags an dieKlägerin ohne weiteres zu bewerkstelligen war.d) Der Nutzung dieser Möglichkeit standen auch keine vergaberechtlichzu beachtenden Umstände entgegen. Es gibt weder eine Bestimmung über [X.], die derartiges verböte, noch ist etwas dazu festgestellt oderersichtlich, daß im Streitfall die Vergabeunterlagen vorsahen, verfristete [X.] bei einer späteren Zuschlagsentscheidung nicht mehr zu berücksichtigen.Ein von der [X.] ausgehendes Angebot an die Klägerin, auf der [X.] deren Angebots dessen sachlichen Inhalt zu vereinbaren, stellt sicher, daßder Auftrag nur aufgrund eines in der Sache unveränderten, nicht von den [X.] abweichenden Angebots zustande kommen konnte. In der in§ 150 Abs. 1 BGB vorgesehenen Nutzung des Angebots der Klägerin war [X.] mithin nicht beschränkt, zumal die von ihr gewählte Verfahrensart oh-nehin nicht den engen Grenzen eines offenen Verfahrens unterliegt. Auf seitender Mitbewerber der Klägerin bedeutete dies, daß sie mit Ablauf des31. Oktober 1995 nicht berechtigterweise darauf vertrauen durften, [X.] die Klägerin mit ihrem Angebot nicht mehr berücksichtigt werden.Da die öffentliche Hand zur sparsamen und effizienten Verwendung dervon den Bürgern aufgebrachten Mittel verpflichtet ist (vgl. § 7 [X.]; [X.], [X.]. 25.11.1992 - [X.], NJW 1993, 520, 521), hatte die in § 150 Abs. 1BGB vorgesehene Möglichkeit zugleich eine Verpflichtung der [X.] zurFolge, entsprechend zu verfahren, wenn das Angebot mit dem sachlichen [X.] 8 -halt des Angebots der Klägerin das annehmbarste darstellte. Mit den haus-haltsrechtlichen Bindungen, denen [X.] wie die Beklagte unterlie-gen, ist es in der Regel unvereinbar, ein preislich günstiges Angebot von [X.] zur Auftragsvergabe nur deshalb auszunehmen, weil auf es der [X.] nicht mehr durch einfache Annahmeerklärung erteilt werden kann, son-dern ein eigener entsprechender Antrag und die Annahme durch den [X.] sind. Auch diese Erkenntnis konnte von den Mitbewerbern der Klägerinerwartet werde. Deren Rechte oder das, worauf sie berechtigterweise vertrauendurften, wären unter diesen Umständen erst dann berührt gewesen, wenn dasursprüngliche Angebot der Klägerin eine sachliche Änderung im Inhalt hätteerfahren sollen. Dann hätte der vom Berufungsgericht herangezogene Ge-sichtspunkt gegriffen, daß um der Gleichbehandlung aller Bieter willen [X.]sbedingungen nicht nach Ablauf der Frist zu Einreichung der [X.] geändert werden dürfen.2. Die vom Berufungsgericht gegebene Begründung trägt die Klageab-weisung mithin nicht. Da mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungs-gerichts hierzu - worauf die Revision zu Recht hinweist - davon auszugehen ist,daß die Klägerin im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens von ihrer selbstgesetzten Befristung Abstand nahm, also durchaus zu einem Vertragsschlußnach Maßgabe ihres ursprünglichen Angebots auch noch nach [X.] Oktober 1995 bereit war, kann ihr vielmehr ein Schadensersatzanspruchaufgrund vorvertraglichen Fehlverhaltens der [X.] (c.i.c.) zustehen. [X.] ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt wurde, kommt auch ein [X.] auf Ersatz des positiven Interesses (entgangener Gewinn) in Betracht([X.]Z 139, 259).- 9 -a) Dieser Schadensersatzanspruch hat zur Voraussetzung, daß die Klä-gerin anstelle des tatsächlich zum Zuge gekommenen Bieters den Auftrag hätteerhalten müssen. Ob dies der Fall ist, bedarf weiterer tatrichterlicher Klärung.Es kommt einmal darauf an, ob nach den der Ausschreibung der [X.]insoweit zugrunde gelegten Bedingungen nur der Preis über den Zuschlag [X.] sollte und das Angebot der Klägerin nicht gleichwohl deshalb [X.] bleiben durfte, weil dessen Summe unangemessen niedrig war.[X.] sich das nicht feststellen, ist der Schadensersatzanspruch davon abhän-gig, daß die Vergabe des Auftrags auch unter Berücksichtigung anderer [X.]skriterien, etwa der in dem von einem Mitarbeiter der Klägerin unter-zeichneten [X.] vom September 1995 neben dem Preis ge-nannten Gesichtspunkte der Qualität und der Zweckmäßigkeit der Leistung,zugunsten der Klägerin hätte ausf[X.] müssen. Da das Berufungsgericht auchhierzu - von seiner Rechtsauffassung her insoweit allerdings folgerichtig -Feststellungen nicht getroffen hat, muß die Sache nach allem an das [X.] zurückverwiesen werden.b) Bei der erneuten Befassung mit der Sache wird das Berufungsgerichtvon eigenen Feststellungen zur Beantwortung der Frage, ob im Streitfall [X.] nur den Preis als Kriterium für das annehmbarste Angebot heranzie-hen durfte, nicht deshalb absehen dürfen, weil die von der Klägerin angerufeneVergabeprüfstelle beim [X.], Bauwesen undStädtebau ihrer Entscheidung vom 15. Dezember 1997 zugrunde gelegt hat,daß die Beklagte nur das Kriterium des niedrigsten Preises hätte anwendendürfen, und daß die Vergabestelle deshalb das Vergabeverfahren für rechts-- 10 -widrig erklärt hat. Entgegen der Meinung der Revision entfaltet diese Entschei-dung keine Bindungswirkung für den vorliegenden Schadensersatzprozeß, [X.] Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil bereits zu Recht angenom-men hat.Nach dem hier geltenden, durch das Gesetz über die Grundsätze [X.] des [X.] und der Länder ([X.]) bestimmten Recht, in demeine § 124 Abs. 1 GWB entsprechende Vorschrift fehlt, üben die Vergabeprüf-stellen der Sache nach Rechtsaufsicht über die Vergabeverfahren durchfüh-renden Stellen aus. Ihre Entscheidungen wenden sich daher ausschließlich anden betroffenen öffentlichen Auftraggeber. Dies kommt durch die Regelung in§ 57 b Abs. 4 Satz 2 [X.] zum Ausdruck, daß die Vergabeprüfstelle die [X.] durchführende Stelle verpflichten kann, rechtswidrige [X.] oder Entscheidungen aufzuheben oder rechtmäßige Maßnahmen oderEntscheidungen zu treffen. Auch eine bloß feststellende Entscheidung einerVergabeprüfstelle nach § 57 b Abs. 4 Satz 8 [X.], wie sie hier getroffen [X.] ist, entfaltet daher in anderem Zusammenhang auch dann keine Bindung,wenn das Nachprüfungsverfahren wegen einer Beanstandung des [X.] worden ist, der den Schadensersatzanspruch geltend macht. [X.] es der seit dem 1. Januar 1999 geltende § 124 Abs. 1 GWB für bestands-kräftige Entscheidungen der Vergabekammern und der im Instanzenzug nach-folgenden Gerichte vorschreibt, ordnet dementsprechend § 57 b Abs. 6 [X.]auch an, daß die Regelungen über die vor den ordentlichen Gerichten geltendzu machenden Schadensersatzansprüche bei Verstößen gegen [X.] unberührt [X.] 11 -MelullisJestaedtScharen[X.]Meier-Beck

Meta

X ZR 248/02

28.10.2003

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2003, Az. X ZR 248/02 (REWIS RS 2003, 1000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1000

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