Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2006, Az. IX ZB 262/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 3166

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[X.][X.] vom 13. Juni 2006 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 37; [X.] § 34 Abs. 2 Der nach Gesellschaftsrecht berufene gesetzliche Vertreter der Schuldnerin kann für diese auch dann Beschwerde gegen die Eröffnung des [X.], wenn der nach § 37 [X.] bestellte Abwickler den Insolvenzantrag gestellt hat. [X.], [X.]uss vom 13. Juni 2006 - [X.] - [X.]AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und Dr. [X.] am 13. Juni 2006 beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der [X.]uss der Zivilkammer 26 des [X.]s [X.] vom 4. Oktober 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die namens der Schuldnerin eingelegte sofortige Beschwerde der weiteren Betei-ligten zu 1 an das [X.] 3 - zurückverwiesen. Das [X.] hat auch über die Kosten des [X.] zu entscheiden. Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde werden nicht erhoben. Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 5.274.000 • festgesetzt. - 3 - Gründe: [X.] Mit Verfügung vom 15. Juni 2005 untersagte die [X.] (fortan: [X.]) der in der Rechtsform einer [X.] geführten Schuldnerin gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.], [X.] gewerbsmäßig zu betreiben und hierfür zu [X.]. Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 [X.] wurde Rechtsanwalt [X.]zum Abwickler der von der Schuldnerin ohne die erforderliche Erlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 [X.] betriebenen Bankgeschäfte bestellt. Ihm wurden die in dem Bescheid näher bezeichneten Befugnisse eingeräumt. Die Verfügung ist nicht bestandskräftig. 1 Mit am 2. August 2005 eingegangenem Schriftsatz vom Vortag [X.] Rechtsanwalt [X.]

in seiner Eigenschaft als Abwickler die Eröff-nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zah-lungsunfähigkeit und Überschuldung. Die weitere Beteiligte zu 1 ist die Kom-plementärin der Schuldnerin. 2 Das Amtsgericht eröffnete am 12. September 2005 das Insolvenzverfah-ren über das Vermögen der Schuldnerin, ohne die weitere Beteiligte zu 1 zuvor zu hören. Diese hat gegen die Entscheidung für die als Antragsgegnerin [X.] Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, die das [X.] als Rechtsmittel der ehemaligen Geschäftsführerin der Schuldnerin behandelt und auf Kosten der Geschäftsführerin als unzulässig verworfen hat. Hiergegen [X.] sich die weitere Beteiligte zu 1 mit ihrer Rechtsbeschwerde. 3 - 4 - I[X.] Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 ist zulässig und [X.]. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur [X.] an das [X.]. 4 1. Das Rechtsmittel ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. 5 a) Die Befugnis zur Rechtsbeschwerde setzt grundsätzlich voraus, dass bereits die sofortige Beschwerde statthaft war ([X.] 144, 78, 82; [X.], [X.]. v. 18. September 2003 - [X.] ZB 75/03, [X.], 2344; v. 16. Oktober 2003 - [X.] ZB 599/02, [X.], 2390, 2391; v. 7. Oktober 2004 - [X.] ZB 128/03, [X.], 2341; v. 7. April 2005 - [X.] ZB 63/03, [X.], 1246). Dies ist hier der Fall. Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, steht dagegen nach § 34 Abs. 2 [X.] dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Eine solche hat die weitere Beteiligte zu 1 ausdrücklich als gesetzliche Vertreterin der Schuldnerin für diese eingelegt. Damit ist der Rechtsmittelzug zum [X.] eröffnet. 6 b) Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). 7 2. In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat das [X.] gemeint, die Be-schwerdebefugnis der Komplementärin der Schuldnerin verneinen zu müssen, weil die Schuldnerin allein von dem Abwickler vertreten werde. Diesem seien zur Durchführung der unverzüglichen Abwicklung der unerlaubt betriebenen [X.] die Befugnisse eines Geschäftsführers der [X.] mit der alleinigen Berechtigung zur Vornahme der erforderlichen 8 - 5 - Maßnahmen übertragen worden. Die bisherige Geschäftsführung werde hier-durch aus dem Abwicklungs- wie auch aus dem Insolvenzverfahren verdrängt, solange die Anordnung der [X.] zur unverzüglichen Rückzahlung der Einlagen, von deren Rechtmäßigkeit das Insolvenzgericht auszugehen habe, nicht aufgehoben sei. Rechtliches Gehör müsse die Beschwerdeführerin im Verwaltungsrechtsweg suchen. 3. Diese Begründung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie verstößt überdies gegen die durch § 15 Abs. 1 und 2, § 34 Abs. 2 [X.] näher ausgestaltete Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes bei Insolvenzen von Gesellschaften. 9 a) Nach der Rechtsprechung des [X.], auf die sich das [X.] zur Begründung seines Standpunktes ausdrücklich bezieht ([X.], Urt. v. 24. Juli 2003 - [X.] ZB 4/03, [X.], 1641, 1642 f), erfordert es der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur, dem Abwickler, der mit der Aufgabe betraut ist, die Schuldnerin bei der Abwicklung der ihr verbotenen Geschäfte zu überwachen und die Rückzahlung der Gelder aus diesen Geschäften an die Anleger sicherzustellen, ein eigenes Antrags-recht einzuräumen. Ohne ein eigenes Insolvenzantragsrecht des Abwicklers wäre die mit der Vorschrift des § 37 [X.] bezweckte wirkungsvolle Unterbin-dung unerlaubter Bankgeschäfte wesentlich erschwert. Der Abwickler könnte lediglich durch Benachrichtigung der Kunden versuchen, einen Gläubigerantrag herbeizuführen. Aus diesen Gründen hat der Senat dem Abwickler im Anwen-dungsbereich des § 37 [X.] a.F., der die [X.] nicht [X.] ansprach, ein eigenes Insolvenzantragsrecht gewährt. Er konnte sich dabei auch auf die Gesetzesmaterialien zur Einführung der Möglichkeit, einen Abwickler zu bestellen, beziehen (Gesetz zur Umsetzung von [X.] 10 - 6 - zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997, [X.] [X.], 2548). Mit der Neuregelung wollte der [X.] bewirken, dass der Geschäftsbetrieb darauf überprüft werden kann, ob er gemäß den Anordnungen des [X.] (nunmehr: der [X.]) abgewickelt wird, und widrigenfalls ein Abwickler "mit den Kompetenzen eines Geschäftsführers" die notwendigen Abwicklungshandlungen durchführen kann (vgl. [X.]. 963/96 [X.]). Zu den Kompetenzen eines Geschäftsfüh-rers gehört im Allgemeinen auch die Stellung eines Insolvenzantrags ([X.], Urt. v. 24. Juli 2003 - [X.] ZB 4/03, aaO S. 1642). Der Senat ist in der genannten Ent-scheidung davon ausgegangen, dass die Schuldnerin, vertreten durch das nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen zu bestimmende Vertretungsorgan, an dem durch den Antrag des Abwicklers in Gang gesetzten Verfahren förmlich beteiligt ist. b) Nach der im Streitfall anzuwendenden Neufassung des § 37 Abs. 2 [X.] durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ([X.] I 2002, 2010, 2056) ist dem Abwickler diese Befugnis nunmehr ausdrücklich zuerkannt [X.], ohne dass hierbei in die Antragsrechte und -pflichten des nach gesell-schaftsrechtlichen Grundsätzen antragsberechtigten Personenkreises eingegrif-fen worden ist. 11 aa) Der Gesetzgeber hat die Ergänzung des Katalogs der [X.] als Klarstellung, nicht als grundlegende Umgestaltung der Rechtslage verstanden, durch die der nach dem Kreditwesengesetz bestellte Abwickler den in § 15 [X.] genannten [X.] in Bezug auf die Möglichkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, gleichgestellt werden sollte (vgl. [X.]. 936/01 S. 357). Für eine hiermit korrespondierende Beschränkung der Antragsberechtigung des in § 15 [X.] aufgeführten Personenkreises ergeben 12 - 7 - weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte oder der Sinn und Zweck der Neuregelung einen Anhalt. Insoweit besteht auch kein Unterschied, ob die Schuldnerin neben den verbotenen Bankgeschäften noch andere, nicht verbotene Geschäfte betreibt. Untersagungsverfügung, Werbeverbot und Abwicklungsanordnung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 [X.] haben nur zur Folge, dass der Geschäftsbetrieb einzustel-len und die unverzügliche Abwicklung der ungesetzlichen Geschäfte vorzuneh-men ist, gegebenenfalls nach Weisung der [X.] (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Der Abwickler hat hierbei die Einhaltung der getroffenen Anord-nungen "vor Ort" zu überwachen und durchführen zu lassen, widrigenfalls mit den Kompetenzen eines Geschäftsführers die notwendigen Abwicklungsmaß-nahmen selbst durchzuführen (vgl. [X.]. 963/96, [X.]; [X.] in: [X.]/ [X.]/Schulte-Mattler, [X.]. § 37 Rn. 11; [X.] in: [X.]/[X.], [X.] § 37 Rn. 28). Eine Verdrängung der zur Vertretung der Gesellschaft beru-fenen Organe findet schon nach dem Kreditwesengesetz im Übrigen nicht statt. 13 bb) Der Ausschluss eines Rechtsmittels ohne hinreichende gesetzliche Grundlage, der letztlich nur von allgemeinen Zweckmäßigkeitserwägungen ge-tragen wird, verstößt im Übrigen gegen die aus Art. 19 Abs. 4 GG und dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitende Garantie effektiven Rechtsschutzes. Danach ist es den Gerichten verwehrt, einem materiell Verfahrensbeteiligten ohne hin-reichende gesetzliche Grundlage die aus seiner Rechtsstellung als Verfahrens-subjekt fließenden Verfahrensrechte abzuschneiden. Da der Abwickler [X.] die Vorgaben aus dem Kreditwesengesetz zu beachten hat, ist nicht ge-währleistet, dass er bei der Wahrnehmung seines eigenen Antragsrechts die Interessen der Schuldnerin hinreichend berücksichtigt. Nur deren förmliche Be-teiligung am Verfahren, vertreten durch die zuständigen Organe, verschafft der 14 - 8 - Gesellschaft die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge hinreichend geltend zu ma-chen. Sogar im Anwendungsbereich des § 46b Abs. 1 [X.], in dem der [X.] über das Vermögen eines Instituts (vgl. § 1 Abs. 1 [X.]) nur von der [X.] gestellt werden kann (vgl. § 46b Abs. 1 Satz 4 [X.]), wird dem Schuldner unter Geltung der Insolvenzordnung wegen des verfassungs-rechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutzes das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss eingeräumt (vgl. [X.] in: [X.]/ [X.]/Schulte-Mattler, aaO § 46b Rn. 2, 15 f; [X.] in: [X.]/[X.], aaO § 46b Rn. 28 f). Für Schuldner, denen lediglich ein Abwickler für näher bezeich-nete Geschäfte beigeordnet worden ist, kann nichts anderes gelten. II[X.] Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung gibt dem [X.] Gelegenheit, über die sofortige Beschwerde der Schuldnerin, vertreten durch die weitere Beteiligte zu 1, neu zu entscheiden. Bei der Zurückverweisung hat der Senat von der Möglichkeit nach § 577 Abs. 4 Satz 3 ZPO Gebrauch gemacht. 15 - 9 - Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde wegen unrichtiger Sachbehandlung beruht auf § 21 GKG. 16 Dr. [X.] [X.] [X.] [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 12.09.2005 - 67c IN 312/05 - LG [X.], Entscheidung vom 04.10.2005 - 326 [X.]/05 -

Meta

IX ZB 262/05

13.06.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2006, Az. IX ZB 262/05 (REWIS RS 2006, 3166)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3166

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