Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2016, Az. V ZB 141/15

5. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 11411

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Gegenstand

Zwangsversteigerungsverfahren: Verfahrensfehlerhafte Verlegung des Termins zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung


Leitsatz

Ein Termin zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung darf nur aus zwingenden Gründen verlegt oder vertagt werden; erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO genügen nicht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 21. September 2015 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt für die Gerichtsgebühren 240.000 €, für die anwaltliche Vertretung des Schuldners 304.000 € und 150.000 € für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 2.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, dem Schuldner gehörenden Grundstücks aus einer im Grundbuch eingetragenen Grundschuld.

2

Das Vollstreckungsgericht ordnete am 16. September 2014 die Zwangsversteigerung an. In dem Versteigerungstermin vom 29. Mai 2015 blieb die Beteiligte zu 3 mit einem Bargebot von 240.000 € Meistbietende. Der Termin zur Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag wurde im Hinblick auf die Ankündigung des Schuldners, bei dem [X.] eine Vollstreckungsabwehrklage zu erheben und einen Antrag gemäß § 769 Abs. 1 ZPO zu stellen, auf den 25. Juni 2015 bestimmt. Am Tag des [X.] beantragte der Schuldner mit dem Hinweis, dass er am 18. Juni 2015 bei dem [X.] die angekündigte Vollstreckungsabwehrklage erhoben und einen Einstellungsantrag gestellt habe, die Verlegung des [X.]. Daraufhin bestimmte das Vollstreckungsgericht einen neuen [X.] auf den 30. Juni 2015.

3

Am 29. Juni 2015 beantragte der Schuldner bei dem Vollstreckungsgericht, gemäß § 769 Abs. 2 ZPO die Zwangsvollstreckung bis zum rechtskräftigen Abschluss des bei dem [X.] anhängigen Verfahrens einzustellen. Unter Zurückweisung des [X.] verlegte das Vollstreckungsgericht den [X.] auf den 10. Juli 2015. In diesem Termin erteilte es der Beteiligten zu 3 den Zuschlag.

4

Die gegen den Zuschlagsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners, die von diesem trotz mehrfacher Aufforderung nicht begründet worden ist, hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beteiligte zu 2 beantragt, will der Schuldner die Aufhebung des [X.] erreichen.

II.

5

Nach Ansicht des [X.] hat das Vollstreckungsgericht zu Recht den auf den 10. Juli 2015 bestimmten Termin zur Verkündung einer Entscheidung nicht nochmals verlegt. Zwar könne eine Pflicht des Vollstreckungsgerichts bestehen, vor der Entscheidung über den Zuschlag die Entscheidung des [X.] über einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO abzuwarten und den [X.] bis dahin zu verschieben. Dies könne jedoch nicht auf unabsehbare Zeit geschehen, sondern nur für einen Zeitraum, innerhalb dessen üblicherweise mit einer Entscheidung des [X.] zu rechnen sei. Der hier eingehaltene Zeitraum von sechs Wochen genüge üblicherweise, um eine Einstellungsentscheidung des [X.] herbeizuführen. Hinzu komme, dass in absehbarer Zeit nicht mit einer Entscheidung des [X.] über den Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO zu rechnen gewesen sei, da sich der Rechtsstreit noch im Stadium des [X.] befinde und völlig offen sei, ob es zu einer Abänderung der die Prozesskostenhilfe versagenden Entscheidung kommen werde.

III.

6

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Ein nach § 100 Abs. 1, 3 [X.] zu berücksichtigender Zuschlagsversagungsgrund liegt nicht vor.

7

1. Die Rechtsbeschwerde stützt sich ohne Erfolg auf den Zuschlagsversagungsgrund des § 83 Nr. 6 [X.]. Ihre Ansicht, dass das Vollstreckungsgericht in dem [X.] vom 10. Juli 2015 eine Entscheidung über den Zuschlag nicht habe treffen dürfen, sondern stattdessen den [X.] bis zum Vorliegen einer Entscheidung des [X.] hätte hinausschieben müssen, ist unzutreffend.

8

a) Nach § 87 [X.] ist der Beschluss, durch welchen der Zuschlag erteilt oder versagt wird, in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin, der nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll, zu verkünden. Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es die Zuschlagsentscheidung sogleich im Versteigerungstermin verkündet oder einen [X.] anberaumt (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - [X.], [X.], 1434 Rn. 6). Grundsätzlich soll es die Zuschlagsentscheidung schon im Versteigerungstermin verkünden, weil alle Beteiligten an einer raschen Klärung der Rechtslage interessiert sind und weil der Meistbietende bis zur Verkündung nicht weiß, ob er den Zuschlag erhält, er aber trotzdem an sein Gebot gebunden bleibt; der besondere [X.] sollte die Ausnahme sein ([X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 87 Rn. 2, 13; [X.]/[X.], [X.], § 87 Rn. 11; [X.], [X.], § 87 Rn. 26). So ist es beispielsweise ermessensfehlerhaft, wenn das Vollstreckungsgericht von einer Entscheidung über den Zuschlag im Versteigerungstermin nur deshalb absieht, weil der betreibende Gläubiger Gelegenheit erhalten möchte, mit dem Meistbietenden über eine Zuzahlung außerhalb des Verfahrens zu verhandeln (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2012 - [X.], aaO, Rn. 7). Ausnahmsweise kann bei Vorliegen besonderer Umstände eine verfassungskonforme Anwendung des § 87 Abs. 1 [X.] allerdings dazu führen, dass das Vollstreckungsgericht verpflichtet ist, einen besonderen [X.] anzuberaumen ([X.], Beschluss vom 30. Januar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 1074, 1075), etwa um dem Schuldner die Gelegenheit zu geben, mit einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO eine eventuell drohende Verschleuderung des Grundbesitzes zu verhindern (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 398 Rn. 14; [X.], Beschluss vom 5. November 2004 - [X.], [X.], 353; [X.] 46, 325, 333 ff.).

9

b) [X.] das Vollstreckungsgericht in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens einen [X.] an, kann dieser ausnahmsweise verlegt oder vertagt werden. Das darf jedoch nur aus zwingenden Gründen erfolgen, erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO genügen nicht. Dies folgt daraus, dass die - im Verhältnis zu § 227 i.V.m. § 869 ZPO als lex specialis anzusehende - Vorschrift des § 87 Abs. 1 [X.] die Forderung nach unverzüglicher Verkündung der Zuschlagsentscheidung enthält, da jede Vertagung des [X.] das Recht des Meistbietenden gefährdet. Dieser hat nach § 81 Abs. 1 [X.] ein Recht auf die Erteilung des Zuschlags unter den gesetzlichen Voraussetzungen. Auf das Bestehen dieses Rechtes muss das Vollstreckungsgericht Rücksicht nehmen (vgl. [X.] 1911, 599; [X.], Rpfleger 1994, 429; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 87 Rn. 13; [X.], [X.], § 87 Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 87 Rn. 12).

c) Danach lagen keine Gründe vor, die eine Verlegung des auf den 10. Juli 2015 anberaumten [X.] gerechtfertigt hätten.

aa) Es war bereits ermessensfehlerhaft, die Entscheidung über den Zuschlag nicht sogleich im Versteigerungstermin vom 29. Mai 2015 zu verkünden und stattdessen einen um vier Wochen hinausgeschobenen [X.] zu bestimmen.

(1) Zwar kann der Zuschlagsverkündungstermin hinauszuschieben sein, wenn der Schuldner nach dem Schluss der Versteigerung (§ 73 Abs. 2 [X.]) bei dem Vollstreckungsgericht einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens nach § 769 Abs. 2 ZPO gestellt hat, weil eine Entscheidung des [X.] nach § 769 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Liegen die Voraussetzungen des § 769 Abs. 2 ZPO vor, ist der Zuschlag nicht gemäß § 33 [X.] zu versagen, was nach § 72 Abs. 2 [X.] ein Erlöschen der Gebote und die Bestimmung eines neuen Versteigerungstermins zur Folge hätte; vielmehr muss das Vollstreckungsgericht den Zuschlagsverkündungstermin hinausschieben ([X.]/Heiß, [X.], § 33 Rn. 9; [X.], [X.], 21. Aufl., § 33 [X.]. 2.3; [X.]/[X.], [X.], § 33 Rn. 3; [X.], [X.], 6. Aufl., § 33 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 33 Rn. 3). Der Termin darf aber nicht zu weit oder auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben werden; denn der Meistbietende bleibt an sein Angebot gebunden, ist aber im Unklaren, ob er den Zuschlag erhalten wird ([X.], [X.], 21. Aufl., § 87 [X.]. 3.2). Im Hinblick auf den gebotenen Schuldnerschutz ist die Zeitspanne so zu bemessen, dass der Schuldner nach dem regelmäßigen Geschäftsgang des [X.] bis zu dem Zuschlagsverkündungstermin eine einstweilige Entscheidung nach § 769 Abs. 1 ZPO erlangen kann. Die von dem Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, für welche Zeitdauer eine Verschiebung höchstens in Betracht kommt, kann nur für den jeweiligen Einzelfall und nicht allgemein beantwortet werden.

(2) Die Verkündung über den Zuschlag in einem bereits seit Monaten laufenden Zwangsversteigerungsverfahren darf jedoch nicht allein deshalb aufgeschoben werden, weil der Schuldner, ohne sich auf neue Tatsachen oder veränderte Umstände zu stützen, kurz vor oder im Versteigerungstermin ankündigt, dass er bei dem Prozessgericht eine Klage mit einem Antrag auf vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 769 Abs. 1 ZPO stellen werde (vgl. [X.] in Kindl/[X.], Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3. Aufl., § 769 Rn. 42; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 769 Rn. 14; [X.]/Walker/Raebel, ZPO, 6. Aufl., § 769 Rn. 12). Allein der Umstand, dass der Schuldner, gleichsam in letzter Minute das Prozessgericht mit einem Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO bemüht oder bemühen will, rechtfertigt nicht die Aufschiebung einer ansonsten möglichen Entscheidung über den Zuschlag. Danach war es ermessensfehlerhaft, dem acht Monate nach Anordnung der Zwangsversteigerung gestellten Antrag des Schuldners auf Aufschiebung der Entscheidung um vier Wochen allein deshalb zu entsprechen, weil er angekündigt hatte, bei dem Prozessgericht eine Vollstreckungsabwehrklage mit einem Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO einzureichen.

bb) Aus diesem Grunde war auch die von dem Vollstreckungsgericht anschließend vorgenommene mehrfache Verlegung des [X.] fehlerhaft. Sie war nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Schuldner in dem schon seit Monaten laufenden [X.] drei Wochen nach dem Versteigerungstermin bei dem Prozessgericht einen Antrag nach § 769 Abs. 1 ZPO gestellt hatte. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Vollstreckungsgericht zumindest den zuletzt anberaumten [X.] vom 10. Juli 2015 im Hinblick auf das Verfahren vor dem Prozessgericht nicht nochmals verlegt, sondern in diesem Termin die Entscheidung über den Zuschlag verkündet hat.

2. Frei von Rechtsfehlern nimmt das Beschwerdegericht an, dass die öffentliche Bekanntmachung der Terminsbestimmung ordnungsgemäß und der Zuschlag daher nicht gemäß § 83 Nr. 7 [X.] zu versagen war.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde genügte die Bekanntmachung der Terminsbestimmung den zwingenden Vorgaben des § 37 [X.]. Der Veröffentlichungsvermerk in der [X.], auf den die Rechtsbeschwerde verweist, enthält zugleich das Belegstück (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 3. April 2014 - [X.], NJW-RR 2014, 955 Rn. 10). Diesem ist zu entnehmen, dass mit Hilfe eines Links („amtliche [X.]“) auch die amtliche Bekanntmachung, also der gerichtliche Beschluss über die Bestimmung des Versteigerungstermins, im [X.] aufgerufen werden konnte. Dieser enthielt alle erforderlichen Informationen.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass der Schuldner die Gerichtskosten des von ihm erfolglos betriebenen [X.] zu tragen hat, folgt aus dem Gesetz; ein Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - [X.], [X.]Z 170, 378, 381 Rn. 7).

Der Gegenstandswert des [X.] ist für die Gerichtsgebühren nach dem Wert des [X.] zu bestimmen, dessen Aufhebung der Schuldner erreichen will (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Er entspricht dem [X.] (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung des Schuldners richtet sich nach dem Wert des versteigerten Objekts und beträgt daher 304.000 € (§ 26 Nr. 2 RVG). Die Festsetzung des [X.] für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 2 beruht auf § 26 Nr. 1 RVG.

Stresemann                    Brückner                            Weinland

                     Kazele                       [X.]

Meta

V ZB 141/15

12.05.2016

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Gießen, 21. September 2015, Az: 7 T 318/15

§ 87 Abs 1 ZVG, § 227 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.05.2016, Az. V ZB 141/15 (REWIS RS 2016, 11411)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 2814 WM 2016, 1452 REWIS RS 2016, 11411

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