Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2019, Az. III ZR 198/18

III. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 431

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:121219UIIIZR198.18.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
III ZR 198/18

Verkündet am:

12. Dezember 2019

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]vernehmung, Subsidiarität

ZPO § 448

a)
Eine [X.]vernehmung von Amts wegen kommt nur in Betracht, wenn zuvor alle angebotenen Beweismittel ausgeschöpft worden sind und kei-nen vollständigen Beweis erbracht haben. Weiterhin muss die [X.] alle ihr zumutbaren Zeugenbeweise angetreten haben.

b)
Dagegen ist es zur Wahrung der Subsidiarität der [X.]vernehmung nach §
448 ZPO nicht erforderlich, dass die [X.] eine im La-ger des Prozessgegners stehende Person als Zeugen benennt. Erst recht muss sie nicht die [X.]vernehmung des Gegners beantragen (Fortfüh-rung von [X.], Urteil vom 26. März 1997 -
IV ZR 91/96, NJW 1997, 1988).

[X.], Urteil vom 12. Dezember 2019 -
III ZR 198/18 -
OLG Braunschweig

LG
Göttingen

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2019 durch [X.] [X.], den
Richter [X.],
die
Richterinnen [X.] und Dr.
Böttcher
sowie den Richter Dr. Kessen

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 23. August 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Kläger nehmen als Erben den [X.]n wegen Barabhebungen und Überweisungen von Konten des Erblassers in Anspruch.

Die Kläger sind Nichte und Neffe der im Mai 2015 vorverstorbenen I.

W.

, die mit dem am 8. Oktober 2015 verstorbenen Erblasser W.

W.

kinderlos verheiratet war. Die Eheleute hatten sich durch gemeinschaftliches notarielles Testament gegenseitig als Alleinerben und die Kläger als Schlusser-1
2
-

3

-

ben zu gleichen Teilen eingesetzt. Der [X.] war Nachfolger des Erblassers als Chef der Wertpapierabteilung einer örtlichen Bankfiliale und mit den [X.] seit Jahren befreundet.

In der [X.] vom 2. Januar bis zum 23. Oktober 2015 hob der [X.] sukzessive unter Benutzung der zugehörigen EC-Karten und [X.] Bargeld
von Konten des Erblassers und seiner Ehefrau an Geldautomaten ab. Hierzu hat
er vorinstanzlich unter anderem vorgetragen, auf Wunsch des [X.] dem Kläger zu 2 am 18.
Juni und am 21. Oktober 2und am 28.

[X.] übergeben zu haben. Die Kläger
haben zuletzt behauptet, dass sich in dem Briefumschlag und den [X.] jeweils nur Unterlagen befun-den hätten.

Außerdem
veranlasste der [X.] Überweisungen an Dritte von einem Konto des Erblassers.

Das [X.]
hat die auf Rückzahlung sämtlicher abgehobenen und überwiesenen Beträge
gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klä-ger hat das [X.] den [X.]n, der in der Berufungsinstanz hilfsweise mit einer

, zur [X.] von

und im Übrigen die Klage abgewiesen, soweit sie die Überweisungen an Dritte und einen bar abgehobenen Teilbetrag
betrifft. Gegen seine
teilweise Verurteilung
wendet sich der [X.] mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, mit der er
die Wiederherstellung des erstinstanz-lichen Urteils
erstrebt.

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4
5
-

4

-

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Auf-hebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung -
soweit noch im Revisi-onsrechtszug von Bedeutung -
wie folgt begründet:

Den Klägern stehe als Mitgläubigern in Erbengemeinschaft gegen den [X.]n ein Zahlungsanspruch in Höhe von [X.]. 2 BGB zu. Der [X.] habe diesen Geldbetrag "in sonstiger [X.]"
im Sinne dieser Vorschrift erlangt. Dabei könne dahinstehen, ob der Erblas-ser die einzelnen Barabhebungen jeweils angewiesen habe. Eine Eingriffskon-diktion sei auch bei einem rechtmäßigen Eingriff, dessen Erlaubnis -
wie hier -
mit keiner sachlichen Zuweisung an den [X.] verbunden sei, gege-ben. Das abgehobene Bargeld sei unstreitig nicht dem [X.]n zugewiesen gewesen, sondern habe Geld
des
Erblassers bleiben und allenfalls auf dessen Wunsch dem Kläger zu 2 zugewendet
werden
sollen. Der [X.]
habe den Geldbetrag auch ohne Rechtsgrund erlangt. Ein von ihm darzulegender "[X.]"
sei nicht erkennbar.

Der Anspruch sei nicht durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erlo-schen. Zwar habe die Vorinstanz keine Feststellungen zu der streitigen Frage getroffen, ob der [X.] auf Wunsch des Erblassers

an den Kläger zu 2 übergeben habe. Zum Inhalt des dem Kläger zu 2 ausge-6
7
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9
-

5

-

händigten [X.] und der beiden ihm übergebenen [X.] hät-ten aber die erstinstanzlich vernommenen Zeugen D.

und E.

v.

S.

aus eigener Wahrnehmung keine Angaben machen können. Im Hinblick auf diese -
erstmals in der Berufungsinstanz gewürdigte -
Unergiebig-keit der Aussagen der Zeugen
sei deren
erneute Vernehmung nicht geboten. Zu den behaupteten [X.] sei auch nicht der [X.] als [X.] an-zuhören oder zu vernehmen. Eine [X.]vernehmung nach § 448 ZPO scheide aus,
da sich der
hierfür
nötige "[X.]"
weder aus der durchgeführten Be-weisaufnahme noch aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des [X.]n
erge-be. Eine [X.]anhörung sei nach dem Grundsatz der Waffengleichheit nicht angezeigt, da es um kein Vier-Augen-Gespräch mit einem im Lager der [X.] stehenden
Zeugen
gehe und die bloße Beweisnot des nur über uner-giebige Zeugen verfügenden [X.]n sie
nicht rechtfertige. Die zulässige Hilfsaufrechnung
greife nicht, da eine aufrechenbare Gegenforderung
nicht be-stehe.

II.

Dies
hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der [X.] für seine Behauptung, er habe auf Wunsch des Erblassers insgesamt lso mehr als den zugesprochenen Betrag, an den Kläger zu 2 übergeben, beweispflichtig ist
-
was unabhängig davon gilt, ob dieses Vorbrin-gen als Erfüllungs-
oder als Entreicherungseinwand im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB zu behandeln ist. Jedoch ist seine
Annahme, der [X.] habe diesen Beweis nicht zu führen vermocht, von Verfahrensfehlern
beeinflusst.
Denn es 10
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6

-

hat sie unzutreffend
allein auf die -
von
ihm nur unvollständig gewürdigten
-
erstinstanzlichen
Aussagen der Zeugen gestützt.

1.
Nach §
286 Abs.
1
ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des ge-samten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweis-aufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Be-hauptung wahr oder unwahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß §
559 Abs.
2 ZPO gebunden ist.
Dieses kann lediglich überprüfen, ob die Vorinstanz die Voraussetzungen und die Grenzen des §
286 ZPO gewahrt hat. Damit un-terliegt der Nachprüfung
nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinan-dergesetzt hat, seine
Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht
gegen
Denkgesetze
und Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteile vom 19.
Juni 2008 -
III ZR 46/06, [X.], 1552 Rn.
22 und vom 5.
November 2009 -
III ZR 6/09, [X.], 478 Rn.
8, jeweils mwN). Die
auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erforderliche
umfassende und vollständige Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Beweisergebnis hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Denn es hat übersehen, dass beide Zeugen Indizien bekundet haben, die darauf hindeuten, dass sich in dem [X.] und den
[X.], die der [X.] unstreitig an den Kläger zu 2 übergeben hat,
tatsächlich jeweils größere Bargeldbeträge
und nicht bloß Un-terlagen befunden haben.

a) Der Zeuge E.

v.

S.

hat bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung die Übergaben eines [X.] bei der im Seniorenstift ab-gehaltenen Trauerfeier für I.

W.

am 18. Juni 2015 und zweier [X.] am 21. Oktober 2015 in einem Restaurant
in G.

sowie
nach der Beiset-12
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7

-

zung des
Erblassers
am 28.
Oktober 2015 in einem anderen Restaurant
in G.

an den Kläger zu 2 bestätigt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 7. November 2017 S.
16
f, [X.]). Weiter hat er angegeben, dass der Kläger zu 2 am 18. Juni 2015 dem [X.]n mehrere [X.] mit Volksbank-Logo -
also solche, wie die nach dem [X.]nvorbringen
später benutzten
-
ausgehändigt
und die am 21. Oktober 2015 erhaltene Geldtasche an seine Ehefrau weitergereicht habe mit der Bemerkung, sie solle "das wegstecken"
(aaO S. 16 f, [X.] 149
f). Die Zeugin D.

v.

S.

hat erstinstanzlich ausgesagt, sie habe aus Gesprächen des [X.]n mit dem Erblasser mitbekommen, dass vom [X.] mittels der EC-Karten abgehobenes Geld in dem in der Wohnung des Erblassers im Seniorenstift befindlichen Tresor angesammelt und dann an den Kläger zu 2 weitergegeben werden sollte (aaO S.
18 f, [X.] 151 f). Sie hat ebenfalls die Übergaben eines [X.] und zweier [X.] bestä-tigt und angegeben, dass der Kläger zu 2 nach der Übergabe der Geldtasche am 28. Oktober 2015 zu seiner Ehefrau gesagt habe, sie solle das "mal schnell wegstecken"
(aaO S.
19, [X.] 152). Beide Zeugen haben im Übrigen ausge-sagt, dass an diesem Tag zusammen mit der
Geldtasche auch offen Unterlagen übergeben worden seien (aaO S. 17 und 19,
[X.] 150 und 152). Die Zeugin hat zudem angegeben, dass bei der Übergabe der
Geldtasche am 21. Oktober 2015 ebenfalls "Unterlagen mit dabei waren"
(aaO S. 20, [X.] 153).

b) Mit diesen Angaben hat sich das Berufungsgericht nicht im gebotenen Umfang auseinandergesetzt. Es hat lediglich festgestellt, dass die Zeugen zwar die Übergaben des [X.] und der [X.], nicht aber deren In-halt
wahrgenommen hätten,
der auch nicht Gegenstand der Unterhaltung ge-wesen sei. Ob und gegebenenfalls wieviel
Bargeld
jeweils übergeben worden sei, hätten sie daher nicht angeben können, weshalb ihre
Aussagen insoweit 14
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8

-

"unergiebig"
seien. Diese Würdigung stellt nur auf den in der Tat nicht gelunge-nen unmittelbaren Beweis der behaupteten [X.] ab. Nicht erwogen hat die Vorinstanz, ob die von den [X.] -
die
Glaubhaftigkeit der Aussagen unterstellt -
jedenfalls in ihrer Gesamtheit (mittel-bar)
darauf schließen lassen, dass der Briefumschlag und die [X.] je-weils nicht unerhebliche Geldbeträge
enthalten haben, und sich hieraus, wenn schon kein tragfähiger Indizienbeweis, so doch zumindest ein eine [X.]ver-nehmung rechtfertigender "[X.]"
für die Richtigkeit der Behauptung des [X.]n ergibt.
Diese Hilfstatsachen sind namentlich die von der Zeugin be-kundeten Gespräche zwischen dem Erblasser und dem [X.]n, das von beiden Zeugen beschriebene Verhalten des [X.] zu 2 sowie die von ihnen geschilderte offene
Aushändigung
von Unterlagen
zusammen mit den Geldta-schen.

c) Zu
dieser lückenhaften
Würdigung der Zeugenaussagen war das [X.] auch nicht deshalb berechtigt, weil
die Frage, ob das Vorbringen des [X.]n zu den [X.] an den Kläger zu 2 zutrifft, nicht Gegen-stand des landgerichtlichen
Beweisbeschlusses gewesen ist, sondern die [X.] v.

S.

bei ihrer Vernehmung hierzu aus eigenem Antrieb An-gaben gemacht haben. Entscheidend
ist, dass der [X.] in seiner [X.] zu den [X.] substantiiert vorgetragen hat, dieses
erheb-liche Vorbringen von den Klägern bestritten worden ist
und
die Zeugen hierzu tatsächlich etwas bekundet haben. Zudem hat sich der [X.] die ihm günsti-gen Zeugenangaben ausdrücklich (vgl. [X.] vom 29. Juni 2018 S. 2, [X.]I 231), jedenfalls aber stillschweigend zu eigen gemacht (vgl. [X.], Urteile vom 8.
Januar 1991 -
VI [X.], NJW 1991,
1541, 1542 und vom
3.
April
2001
-
VI [X.], NJW 2001, 2177, 2178).

15
-

9

-

2.
Vor diesem Hintergrund
beanstandet die Revision
zu Recht, dass das Berufungsgericht die Zeugen nicht erneut vernommen hat, obwohl dies geboten gewesen wäre.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszugs gebunden. Bestehen Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil -
die sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben können -,
ist in aller Regel eine erneute Beweisaufnahme geboten. Insbesondere muss das Berufungsgericht die [X.] in erster Instanz vernommenen Zeugen nach § 398 Abs. 1 ZPO nochmals vernehmen, wenn es deren protokollierte Aussagen anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will. Unterlässt es dies und wendet damit § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO fehlerhaft an, ist die dadurch benachteiligte [X.] in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Die erneute Vernehmung kann
ausnahmsweise dann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfrei-heit seiner Aussage betreffen,
und es die Zeugenaussage deshalb ohne Ver-stoß gegen das Verbot vorweggenommener Beweiswürdigung bewerten kann, weil es keines persönlichen Eindrucks von dem Zeugen bedarf
(vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 14. Juli 2009 -
VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291
Rn. 5; vom 5. Mai 2015 -
XI [X.], [X.], 40, 41 f Rn. 11 f und vom 11. Juni 2015 -
I ZR 217/14,
NJW-RR 2016, 175, 176 Rn. 9). Nach diesen Maßstäben hätten die Eheleute v.

S.

erneut vernommen werden müssen.

b) Hiervon hat das Berufungsgericht mit der nicht tragfähigen [X.] abgesehen, dass es deren
Aussagen erstmals und daher
nicht "abwei-16
17
18
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10

-

chend"
von der Vorinstanz
würdige und die wiederholte Vernehmung eines un-ergiebigen Zeugen entbehrlich
sei. Ob der letztgenannten Auffassung (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 33. Aufl., § 398 Rn. 4) zuzustimmen ist, kann dahinstehen. Denn die protokollierten Zeugenaussagen
zu den
behaupteten [X.] sind, wie ausgeführt, tatsächlich nicht gänzlich unergiebig, sondern insoweit ergiebig, als sie
eine Reihe von Indizien
enthalten, die -
unter der Vorausset-zung, dass den Zeugen
zu folgen ist -
für die
Richtigkeit des diesbezüglichen [X.]nvorbringens sprechen. Um allerdings die Glaubhaftigkeit dieser An-gaben
und die Glaubwürdigkeit der Zeugen beurteilen zu können, hätte das Berufungsgericht die Zeugen erneut vernehmen und sich einen persönlichen Eindruck von ihnen verschaffen müssen. Mit seinem Einwand, es nehme mit seiner erstmaligen Würdigung ihrer
Aussagen keine "abweichende"
Würdigung vor, verkennt es, dass nach den oben dargestellten Grundsätzen
eine erneute Vernehmung nicht nur dann geboten ist, wenn eine Zeugenaussage anders
gewürdigt werden soll, sondern in der Regel auch dann, wenn die
Feststellun-gen und damit die
Beweiswürdigung der Vorinstanz unvollständig sind. Dass dies in Bezug auf die behaupteten [X.] zutrifft, zu denen die Zeugen Angaben gemacht haben, mit denen sich das [X.] überhaupt nicht aus-einandergesetzt hat, hat das Berufungsgericht selbst dargelegt.

c) Dieser Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht, hätte es
nach erneuter Verneh-mung die Zeugen als glaubwürdig beurteilt und deren Angaben umfassend ge-würdigt und für glaubhaft befunden, in Bezug auf die behaupteten [X.] zumindest einen
"[X.]"
für eine [X.]vernehmung nach § 448 ZPO als geführt angesehen und eine solche, gegebenenfalls nach Anhörung der [X.]en (siehe unten 3.), vorgenommen hätte.

19
-

11

-

aa) Die nach pflichtgemäßem Ermessen vom Gericht anzuordnende Par-teivernehmung von Amts wegen setzt grundsätzlich das Bestehen einer gewis-sen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelaste-ten [X.] aufgrund des bisherigen [X.] bei einer non-
liquet-Situation im Übrigen voraus. Dieser "[X.]"
kann sich aus einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder aus dem sonstigen Verhandlungs-inhalt, insbesondere aus einer Anhörung nach §
141 ZPO oder aus Ausführun-gen der [X.] nach § 137 Abs. 4 ZPO ergeben (st. Rspr., vgl. z.B.
Senat, Urteil vom 8.
Juli 2010 -
III ZR 249/09, [X.]Z 186, 152, 155 Rn.
15; [X.], Urteile vom 19.
Dezember 2002 -
VII
ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002, 1003; vom 19. April 2002 -
V [X.], [X.]Z 150, 334, 342 und vom 16. Juli 1998 -
I ZR 32/96,
NJW 1999, 363, 364 mwN; [X.]/[X.], ZPO, aaO
§ 448 Rn. 4).

bb) Da
die
Regelungen
der
§§ 445 ff ZPO subsidiär gegenüber anderen
Beweismitteln
sind und
grundsätzlich
voraussetzen, dass eine
[X.] sich in Beweisnot befindet, ihr also keine Beweismittel zur Verfügung stehen oder [X.] nicht ausreichen (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 1997
-
IV ZR 91/96, NJW 1997, 1988), hängt die Zulässigkeit einer
[X.]vernehmung von Amts wegen gemäß §
448 ZPO weiterhin davon ab, dass zuvor alle angebotenen Beweismit-tel, also auch die nach § 445 ZPO oder § 447 ZPO beantragte und nur mit
Ein-verständnis des
jeweiligen
Gegners mögliche [X.]vernehmung, ausgeschöpft worden sind
und keinen vollständigen
Beweis erbracht haben (vgl. [X.]/[X.], aaO § 445 Rn. 3
und § 448 Rn. 3; Musielak/[X.]/[X.], ZPO, 16. Aufl., §
448 Rn. 2; [X.]/[X.], ZPO, 5. Aufl., §
448 Rn. 2).
Weiterhin ob-liegt es der [X.], zunächst einen ihr zumutbaren Zeugenbeweis anzutreten. Ist ihr ein solcher möglich, befindet sie sich nicht in Beweisnot, sondern ist beweis-fällig (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 1997, aaO; [X.]/[X.], aaO).

20
21
-

12

-

Die Subsidiaritätsbedingung
ist vorliegend erfüllt, da die Vernehmung der vom [X.]n angeführten Zeugen v.

S.

keinen vollen Beweis für die Richtigkeit seines Vorbringens erbracht hat und aktenkundig kein (weiterer) neutraler Zeuge
existiert, den der [X.] aus nicht näher dargelegten Grün-den nicht benannt hat.

Dem steht nicht entgegen, dass sich der [X.] zum Beweis des [X.] der übergebenen Behältnisse vorinstanzlich weder auf das Zeugnis der Ehefrau des [X.] zu 2 berufen noch dessen [X.]vernehmung beantragt hat. Zur
Wahrung der Subsidiarität ist es nicht erforderlich, eine
im Lager des Prozessgegners stehende Person, wie hier die Ehefrau des [X.] zu 2,
als Zeugen zu benennen
(OLG Frankfurt
am Main, [X.], 56
f; [X.], NJW 2002, 476, 482; [X.], [X.], 313, 315; [X.], Kommentar zur ZPO, 23.
Aufl., § 448 Rn. 15; [X.]/[X.],
aaO
§ 448 Rn. 3; vgl. auch [X.], Urteil vom 14. Mai 2013 -
VI [X.], [X.], 2601, 2602 Rn. 10, 13), da
die vorrangige Ausschöpfung anderweitiger Beweismittel dazu dient,
die subsidiäre [X.]vernehmung gemäß § 448 ZPO entbehrlich zu machen. Dies mit der Vernehmung eines im gegnerischen Lager stehenden Zeugen zu errei-chen, ist jedoch typischerweise
unwahrscheinlich (vgl. [X.], [X.] aaO) und kann daher der beweisbelasteten [X.] nicht abverlangt werden. Gleiches gilt
erst recht für die Vernehmung des Gegners als [X.] gemäß § 445 Abs. 1 ZPO.

Lediglich
wenn die [X.]
-
wie hier nicht -, gleichsam überobligatorisch, die Vernehmung eines dem gegnerischen Lager zuzuord-nenden Zeugen oder des Gegners selbst beantragt hat, sind diese Beweisan-gebote vorrangig vor einer [X.]vernehmung zu erledigen.

22
23
24
-

13

-

d) Sollte dem [X.]n der "[X.]"
durch die Vernehmung der [X.] v.

S.

nicht gelingen, wird das Berufungsgericht die Vorausset-zungen einer Vernehmung des [X.]n gemäß § 448 ZPO oder einer Anhö-rung nach § 141 ZPO nach Maßgabe der Rechtsprechung zu den "Vier-"
bezie-hungsweise "Sechs-Augen-Gesprächen"
(vgl. z.B.
Senat, Urteil
vom 20. Juli 2017 -
III ZR 296/15, [X.], 1702 Rn. 21 m. umfang. [X.]; [X.], Urteil vom 14. Mai 2013,
aaO Rn. 10) zu prüfen haben.

3.
Die Revision
weist auch
zu Recht
darauf hin, dass die Ausführungen des Berufungsgerichts, das einerseits eine [X.]anhörung des [X.]n zur Auf-klärung seines Sachvortrags für entbehrlich gehalten und andererseits ange-merkt hat, dass nach dessen Sachvortrag "unklar"
geblieben sei, weshalb er sich "darauf eingelassen"
habe, "dem Erblasser zu helfen, an einem [X.] Testament vorbei dem Kläger zu 2 erhebliche Teile des Nachlas-ses zukommen zu lassen", widersprüchlich sind. Die Beweggründe des Beklag-ten für die behaupteten [X.] an den Kläger zu 2
hätte das [X.] im Rahmen einer persönlichen Anhörung klären können.

4.
Da die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts bereits aus den vorge-nannten Gründen zu beanstanden ist, sieht der Senat davon ab, auf die weite-ren Revisionsangriffe einzugehen.

5.
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

25
26
27
28
-

14

-

Dieses wird Gelegenheit
haben, nach erneuter Vernehmung die Anga-ben der Eheleute v.

S.

unter Beachtung möglicher
eigener
Interessen
der Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits vollständig zu würdigen und
eine Anhörung sowie gegebenenfalls eine [X.]vernehmung des [X.]n und des [X.] zu 2
zu erwägen.

[X.]

Remmert

Arend

Böttcher

Kessen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.12.2017 -
6 O 36/17 -

OLG Braunschweig, Entscheidung vom 23.08.2018 -
9 [X.] -

29

Meta

III ZR 198/18

12.12.2019

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.12.2019, Az. III ZR 198/18 (REWIS RS 2019, 431)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 431

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

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I ZR 217/14

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