Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 01.08.2018, Az. 7 ABR 41/17

7. Senat | REWIS RS 2018, 5234

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Gegenstand

Betriebsrat - Rechtsanwaltskosten - Rechtsverfolgungskosten als Schadensersatz - Kostenfreistellungsanspruch


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 26. April 2017 - 12 [X.] - teilweise aufgehoben, soweit die Arbeitgeberin verpflichtet wurde, weitere 523,60 Euro an die Antragstellerin zu zahlen.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] vom 26. Oktober 2016 - 6 BV 39/15 - wird insoweit zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerde noch darüber, ob ein Arbeitgeber dem Rechtsanwalt des Betriebsrats anwaltliche Gebühren und Kosten, die zur Durchsetzung eines an den Rechtsanwalt abgetretenen Anspruchs des Betriebsrats auf Freistellung von Kosten einer erforderlichen Rechtsverfolgung entstanden sind, als Verzugsschaden zu erstatten hat.

2

Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertrat den im Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrat vorgerichtlich sowie in einem anschließenden Beschlussverfahren, das auf Vorschlag des Arbeitsgerichts durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO endete. Das Arbeitsgericht setzte den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit auf 7.678,40 [X.] fest.

3

Mit Beschluss vom 4. Juli 2014 trat der Betriebsrat seinen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Freistellung von den durch die Vertretung in dieser Sache entstandenen Rechtsanwaltskosten an die Antragstellerin ab. Die Antragstellerin stellte der Arbeitgeberin für die Vertretung des Betriebsrats unter dem 9. Dezember 2014 2.299,55 [X.] in Rechnung. Nachdem keine Zahlung erfolgte, setzte die Antragstellerin der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 9. März 2015 eine Zahlungsfrist bis zum 29. März 2015. Außerdem verlangte sie bis zu diesem Zeitpunkt die Erstattung weiterer Rechtsverfolgungskosten für die Durchsetzung dieser Forderung, die sie zunächst mit 761,10 [X.] bezifferte und später nur noch [X.]. 523,60 [X.]. Die Arbeitgeberin lehnte die Zahlung der geltend gemachten weiteren Rechtsverfolgungskosten ab.

4

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihr die weiteren Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden zu ersetzen.

5

Die Antragstellerin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - sinngemäß beantragt,

        

die Arbeitgeberin zu verpflichten, an sie weitere Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 523,60 [X.] zu zahlen.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

7

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das [X.] hat ihm stattgegeben. Die Arbeitgeberin begehrt mit der Rechtsbeschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

8

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das [X.] die Arbeitgeberin verpflichtet hat, an die Antragstellerin weitere 523,60 [X.] zu zahlen. Im Umfang der Aufhebung ist die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen. Das [X.] hat dem Antrag zu Unrecht entsprochen. Der Antrag ist unbegründet. Die Antragstellerin hat gegenüber der Arbeitgeberin keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Rechtsverfolgungskosten, die ihr zur Durchsetzung des an sie abgetretenen Anspruchs des Betriebsrats auf Freistellung von den Kosten der Vertretung des Betriebsrats entstanden sind. Bei den weiteren Rechtsverfolgungskosten handelt es sich entgegen der Auffassung des [X.]s nicht um einen nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 Abs. 1 [X.] von der Arbeitgeberin zu ersetzenden Verzugsschaden.

9

I. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann ein Beteiligter eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens die Erstattung seiner [X.] vom Arbeitgeber grundsätzlich nur verlangen, wenn dies in den einschlägigen betriebsverfassungsrechtlichen oder personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen vorgesehen ist. Davon nicht erfasste Kosten sind regelmäßig kein nach § 280 Abs. 1 [X.] erstattungsfähiger Schaden ([X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 12, [X.]E 124, 175). Das folgt aus dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang und dem Fehlen prozessualer Vorschriften über die Kostentragung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ([X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 14, aaO).

1. § 2 Abs. 2 GKG bestimmt ausdrücklich, dass Beschlussverfahren gerichtskostenfrei sind. Von einer Regelung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten hat der Gesetzgeber abgesehen. Dies beruht erkennbar nicht auf einem Versehen. Vielmehr liegt dem die gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass jeder Beteiligte eines Beschlussverfahrens seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat. Das Fehlen prozessualer Regelungen über eine Kostenerstattung ist Folge der Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, das abweichend vom [X.] nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist. Anders als bei den zwischen Parteien ergehenden Urteilen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten geht es in Beschlussverfahren typischerweise nicht um eine Entscheidung für oder gegen eine von zwei sich wechselseitig ausschließenden Vermögenspositionen, sondern um die ggf. im gemeinsamen Interesse liegende Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten, die häufig nicht nur die unmittelbar am Verfahren Beteiligten, sondern auch Dritte, insbesondere die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer betrifft (vgl. ausführlich [X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 16, [X.]E 124, 175).

2. Eine § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entsprechende Vorschrift, nach der die obsiegende Partei in [X.] des ersten Rechtszugs keinen Anspruch auf Entschädigung wegen [X.] und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands hat, ist zwar für das Beschlussverfahren nicht vorgesehen. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber gehe im Beschlussverfahren von einer entsprechenden Kostenerstattungspflicht aus. Vielmehr ist das Fehlen einer § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entsprechenden Vorschrift Ausdruck des Umstands, dass in dieser Verfahrensart grundsätzlich eine Kostenerstattung überhaupt nicht vorgesehen ist (vgl. ausführlich [X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 17, [X.]E 124, 175).

3. Der Grundentscheidung des Gesetzgebers, wonach in einem Beschlussverfahren grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, steht nicht entgegen, dass das [X.] unter bestimmten Voraussetzungen einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung von [X.] vorsieht. Nach § 40 Abs. 1 [X.] können zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Betriebsratstätigkeit auch Rechtsanwaltskosten gehören, die durch die gerichtliche Verfolgung oder Verteidigung von Rechten des Betriebsrats entstehen (vgl. etwa [X.] 14. Dezember 2016 - 7 [X.] - Rn. 11; 18. März 2015 - 7 [X.] - Rn. 10; 20. August 2014 - 7 [X.] - Rn. 22; 29. Juli 2009 - 7 [X.] - Rn. 16 ff.; 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 21, [X.]E 124, 175; 19. März 2003 - 7 [X.] - zu II 1 der Gründe mwN, [X.]E 105, 311). § 40 Abs. 1 [X.] knüpft jedoch - anders als §§ 91 ff. ZPO - nicht an ein Obsiegen oder Unterliegen an und - anders als § 280 [X.] - nicht an ein Verschulden, sondern an die Erforderlichkeit der Kosten. Aus der in § 40 Abs. 1 [X.] normierten materiell-rechtlichen Kostentragungspflicht kann daher nicht der Schluss gezogen werden, die für das Beschlussverfahren grundsätzlich nicht vorgesehene prozessuale Kostenerstattung könne als Schadensersatz über § 280 ZPO stattfinden (vgl. [X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 21, aaO). Dadurch würde die gesetzliche Konzeption, wonach in einem Beschlussverfahren grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, unterlaufen (vgl. [X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 21, aaO). Für Fallgestaltungen der vorliegenden Art entstünde zudem ein Wertungswiderspruch zu der materiell-rechtlichen Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 [X.]. Ohne Abtretung des Kostenfreistellungsanspruchs durch den Betriebsrat an seinen Verfahrensbevollmächtigten könnte der Betriebsrat, der einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seines [X.] beauftragt, vom Arbeitgeber die Freistellung von den dadurch entstehenden weiteren Rechtsanwaltskosten nicht ohne Weiteres verlangen, sondern nur dann, wenn er die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten darf. Diese Voraussetzung für die materiell-rechtliche Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 [X.] entfiele, wenn der Rechtsanwalt nach der Abtretung des [X.] durch den Betriebsrat seine Rechtsverfolgungskosten nach § 280 Abs. 1 [X.] als Verzugsschaden beanspruchen könnte. Das wäre mit den gesetzlichen Wertungen nicht vereinbar.

4. Entgegen der Auffassung des [X.]s steht dem die Entscheidung des Senats vom 27. Juli 1994 (- 7 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.]E 77, 273) nicht entgegen. Zwar hat der Senat dort die Auffassung vertreten, ein unternehmensfremder [X.] könne seine Honorardurchsetzungskosten in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren als Verzugsschaden verlangen. Dieser Beschluss enthält jedoch nicht die generelle Aussage, außergerichtliche Kosten eines Beschlussverfahrens könnten in allen Fällen aufgrund der materiell-rechtlichen Regelungen des [X.] als Schadensersatz in einem gesonderten Beschlussverfahren geltend gemacht werden. Aus der Entscheidung folgt nur, dass der Arbeitgeber mit der Erfüllung der Honoraransprüche eines [X.]s nach § 76a [X.] gemäß § 286 [X.] in Verzug geraten und der [X.] in einem solchen Fall die ihm durch die gerichtliche Geltendmachung seines Honorars entstehenden Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden verlangen kann ([X.] 2. Oktober 2007 - 1 [X.] - Rn. 23, [X.]E 124, 175). Die Entscheidung betrifft einen anderen Sachverhalt.

II. Danach hat das [X.] der Antragstellerin zu Unrecht die ihr entstandenen weiteren [X.] [X.]. 523,60 [X.] zuerkannt. Hierbei handelt es sich nicht um einen erstattungsfähigen Verzugsschaden.

        

    Gräfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    [X.]    

        

        

        

    M. Zwisler    

        

    [X.]    

                 

Meta

7 ABR 41/17

01.08.2018

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Wesel, 26. Oktober 2016, Az: 6 BV 39/15, Beschluss

§ 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 2 BGB, § 286 Abs 1 BGB, § 2 Abs 2 GKG 2004, § 12a Abs 1 S 1 ArbGG, § 40 Abs 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 01.08.2018, Az. 7 ABR 41/17 (REWIS RS 2018, 5234)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5234

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