Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2012, Az. 4 StR 108/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 3508

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
108/12

vom
30. August
2012
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung u. a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 30.
August 2012, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],
[X.],
Reiter

als beisitzende [X.],

[X.]

in der Verhandlung,
Staatsanwältin

bei der Verkündung

als Vertreterinnen
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

,
Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

als [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts Detmold vom 15.
November 2011 wird als unbegrün-det verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und sexu-eller Nötigung jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Sein Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen stellte sich der Angeklagte am 6.
April 2010 im Verlauf eines Streites vor seine auf einem Sofa sitzende Ehefrau, packte sie an den Schultern und drückte sie in Rückenlage, um mit ihr den [X.] zu vollziehen. Nachdem es dem Angeklagten zunächst nicht gelungen war, der sich wehrenden Geschädigten die Schlafanzughose auszuziehen, ver-setzte er ihr mehrere Faustschläge in das Gesicht, unter das Kinn und in die Rippen. Als die Geschädigte daraufhin jede Gegenwehr aufgab, zog ihr der An-geklagte die Schlafanzughose nach unten und
vollzog den Geschlechtsverkehr.
1
2
-
4
-
Bei einer weiteren Auseinandersetzung
am 17.
Mai 2010,
während der es der Zeugin gelang, einen Camcorder einzuschalten, s-,
stieß der Angeklagte seine Ehefrau auf eine Couch und [X.] ihr den Mund zu, bis sie Luftnot bekam. Als die Geschädigte aus der [X.] fliehen wollte, brachte sie der Angeklagte zu Boden, setzte sich auf sie

. Sodann entblößte er seinen erigierten Penis und führte eine Hand der schreienden Geschädigten an sein Geschlechtsteil heran. Die andere Hand hielt er fest umklammert. Nach-dem die Geschädigte masturbierende Bewegungen an dem Penis des Ange-klagten vorgenommen hatte, weil sie keinen anderen Ausweg sah, forderte der Angeklagte von ihr die Durchführung des [X.] und rutschte mit seinem Becken in Richtung ihres Kopfes. Der Geschädigten gelang es nun, den Ange-klagten durch einen Stoß mit dem Knie aus dem Gleichgewicht zu bringen und wegzulaufen. Der Angeklagte, der zwischenzeitlich einen Samenerguss gehabt hatte, setzte ihr nach und warf sie auf ein Sofa. Anschließend kam es zu einer Rangelei, bei der der Angeklagte der Geschädigten Boxhiebe und Ohrfeigen versetzte. Nachdem es ihm erneut gelungen war, sich
auf die Geschädigte zu setzen, wischte er seinen Penis an ihrem Gesicht ab und beschmierte sie mit seinem Sperma. Aufgrund der Tat erlitt die Geschädigte verschiedene Prellun-gen und Blutergüsse.
II.
Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
1.
Die Rüge
des Angeklagten, das [X.] habe gegen §
265 Abs.
4,
§
140 Abs.
1, §
145 Abs.
3 [X.] und Art.
6 Abs.
3 MRK verstoßen, weil es die Hauptverhandlung nicht von Amts wegen ausgesetzt oder zumindest unter-3
4
5
-
5
-
brochen hat, obwohl dies zur Vorbereitung der Verteidigung des Angeklagten geboten gewesen sei, ist nicht zulässig erhoben. Sie wäre auch unbegründet.
a)
Nach dem Vorbringen der Revision wurde der Angeklagte am ersten Hauptverhandlungstag, dem 28.
September 2011, von seinem Wahlverteidiger Rechtsanwalt P.

vertreten. Nachdem er keine Angaben zur Sache ge-
macht hatte, vernahm das Gericht die Nebenklägerin und fünf weitere Zeugen. Am zweiten Verhandlungstag (12.
Oktober 2011), zu dem der Angeklagte eben-falls mit Rechtsanwalt P.

erschienen
war, wurden vier weitere Zeugen
vernommen, Abschriften von Mitteilungen auf einem Anrufbeantworter verlesen und die Tonbandaufnahme eines Camcorders angehört. Im [X.] an die Verlesung der Abschriften machte die Nebenklägerin weitere Angaben zur
Sache. Rechtsanwalt P.

stellte mehrere Beweisanträge und verlas nach
Anhörung der Tonbandaufnahme eine als Anlage zu Protokoll genommene
Erklärung. Danach wurde die Hauptverhandlung unterbrochen und Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung auf den 31.
Oktober 2011 um 13.00
Uhr bestimmt.
Am 31.
Oktober 2011 zeigte Rechtsanwalt P.

dem Gericht um
11.15
Uhr an, dass er das Mandat niedergelegt habe. Der Angeklagte erschien um 12.45
Uhr ohne Verteidiger bei Gericht und erklärte, dass er nicht in der
Lage gewesen sei, das von seinem Wahlverteidiger geforderte Honorar aufzu-bringen. Gegen 13.20
Uhr stellte sich dem Angeklagten der vom Gericht ver-ständigte Rechtsanwalt S.

vor und nahm Einsicht in die Akte. In diesem
Zusammenhang erklärte Rechtsanwalt S.

dem Angeklagten, dass er
überlegen müsse, ob er die Verteidigung in der Kürze der [X.] vorbereiten kön-ne; eine weitere Verzögerung, die durch eine Wiederholung des Verfahrens entstehen würde, könne aber kaum im
Interesse des Angeklagten liegen. Da-6
7
-
6
-
nach wurde die Hauptverhandlung um 13.45
Uhr fortgesetzt und Rechtsanwalt S.

für den Angeklagten als Pflichtverteidiger bestellt. Ein Antrag auf
Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde nicht gestellt. In der Folge vernahm das Gericht bis 15.00
Uhr vier Zeugen. Danach wurde die Hauptverhandlung unterbrochen und Termin zur Fortsetzung auf den 15.
No-vember 2011 bestimmt. Im [X.] vom 15.
November 2011 vernahm das Gericht drei weitere Zeugen. Anschließend verlas Rechtsanwalt S.

einen Beweisantrag und eine gegen die Nebenklägerin erstattete
Strafanzeige. Nachdem das Gericht die Mitschrift der Tonaufzeichnung des Camcorders verlesen hatte, wurde die Nebenklägerin nochmals vernommen und die Beweisaufnahme geschlossen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft, der [X.] und der Verteidiger hielten ihre Schlussvorträge. Nach einer abschließenden Erklärung des Angeklagten wurde die Sitzung um 12.00
Uhr unterbrochen und um 12.30
Uhr mit der Urteilsverkündung fortge-setzt.
Nach Ansicht der Revision hat das [X.] seine Fürsorgepflicht ver-letzt, weil es die Hauptverhandlung nach dem [X.] nicht von Amts wegen ausgesetzt oder zumindest unterbrochen hat. Zwar sei Rechtsan-walt S.

-

.

, S.
27), doch sei eine
Wiederholung der wesentlichen Teile der Hauptverhandlung nicht erfolgt. Das [X.] habe die Nebenklägerin nach dem [X.] lediglich er-gänzend vernommen.
b)
Dieses Vorbringen entspricht nicht den Anforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.].
8
9
-
7
-
Danach muss der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des [X.] geltend machen will, die den Mangel enthaltenden Tatsachen ange-ben. Dies hat so vollständig und genau zu geschehen, dass das Revisions-gericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann,
ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden ([X.],
Urteil vom 15.
November 2001

4
StR
215/01, [X.], 216; Urteil vom 6.
Februar 1980

2
StR
729/79, [X.]St 29, 203).
Die Darstellung des prozessualen Geschehens ist unvollständig, weil nicht im Einzelnen mitgeteilt wird, von wem,
wann und in welchem Umfang der neue Verteidiger über den Inhalt der bisherigen Aussagen unterrichtet worden ist. Dies war hier erforderlich, weil die Frage, ob eine Aussetzung oder [X.] geboten war, nur beurteilt werden kann, wenn feststeht, welche Informationen über den bisherigen Verfahrensgang dem [X.] zur Verfügung standen. Dazu bedurfte es nicht nur näherer [X.] zum [X.]punkt und zum Inhalt
der erfolgten Unterrichtung, sondern auch zur Person des Unterrichtenden, weil daraus Schlüsse auf die Vollständigkeit und Zuverlässigkeit der übermittelten Informationen gezogen werden können.
Der in der Revisionshauptverhandlung von dem Wahlverteidiger [X.] Einwand, ihm sei ein weiter
gehendes Vorbringen nicht möglich gewesen, weil er erst in der Revisionsinstanz beauftragt worden sei und sein Mandant über keine näheren Informationen verfügt habe, führt zu keinem anderen Er-gebnis. Unter diesen Umständen hätte der Wahlverteidiger bei dem nach wie vor beigeordneten Pflichtverteidiger Erkundigungen einholen können und müs-sen, um den geltend gemachten Verfahrensmangel ausreichend mit Tatsachen zu belegen (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
September 2005

2
BvR
93/05; 10
11
12
-
8
-
[X.], Beschluss vom 23.
November 2004

1
StR
379/04, [X.], 283, 284).
c)
Die Rüge wäre aber auch nicht begründet.
aa)
Nach §
265 Abs.
4 [X.] hat das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen [X.]. [X.] können eine veränderte Sachlage im Sinne des §
265 Abs.
4 [X.] herbeiführen, wenn sie geeignet sind, die Fähigkeit des
Angeklagten zu einer sachgerechten Verteidigung zu beschränken. Der [X.] des Verteidigers während der laufenden Hauptverhandlung ist ein solcher Verfahrensvorgang. Er schafft selbst dann eine veränderte Sachlage, wenn der neue Verteidiger

wie hier

sogleich an die Stelle des früheren tritt ([X.],
[X.] vom 2.
Februar 2000

1
StR
537/99, [X.], 1350; Urteil vom 25.
Oktober 1963

4
StR
404/63, [X.] 26,
46, 47; vgl. Beschluss vom 24.
Juni 2009

5
StR
181/09,
[X.], 650; Urteil vom 25.
Juni 1965

4
StR
309/65, NJW 1965, 2164, 2165; Urteil vom 19.
Juni 1958

4
StR
725/57, NJW 1958, 1736, 1737). Kommt es zu einem [X.], weil nach §
145 Abs.
1 Satz
1 [X.] ein neuer Pflichtverteidiger bestellt werden muss, wird §
265 Abs.
4 [X.] nicht von §
145 Abs.
3 [X.] verdrängt, weil diese Bestimmung nur eine ergänzende, aber keine abschließende Regelung für diese Fallgestaltung enthält ([X.],
Urteil vom 25.
Juni 1965

4
StR
309/65, NJW 1965, 2164, 2165; Urteil vom 17.
Juli 1973

1
StR
61/73, [X.] 1974, 247).
Ob auf eine veränderte Sachlage nach §
265 Abs.
4 [X.] in Ausübung der prozessualen Fürsorgepflicht mit einer Aussetzung der Hauptverhandlung zu reagieren ist, steht im pflichtgemäß auszuübenden Ermessen des Gerichts 13
14
15
-
9
-
und hängt vom Einzelfall ab ([X.],
Beschluss vom 25.
Juni
2002

5
StR
60/02, [X.], 270; Beschluss vom 2.
Februar 2000

1
StR
537/99, [X.], 1350; Urteil vom 19.
Juni 1958

4
StR
725/57, NJW 1958, 1736, 1738). Anstelle einer Aussetzung kann es bei einem [X.] auch [X.] sein, wichtige [X.] zu wiederholen, um dem neuen [X.] Gelegenheit zu geben, sich ein umfassendes eigenes Urteil von dem Beweisergebnis zu machen ([X.],
Urteil vom 25.
Oktober 1963

4
StR
404/63, [X.] 26, 46, 47
f.; vgl. Beschluss vom 2.
Februar 2000

1
StR
537/99, [X.], 1350).
bb)
Hiervon ausgehend bestand keine Notwendigkeit,
die Hauptverhand-lung von Amts wegen auszusetzen oder zu unterbrechen, nachdem dies weder von dem Verteidiger, noch dem Angeklagten beantragt oder
angeregt worden war.
Ein nach §
145 Abs.
1 Satz
1 [X.] neu bestellter Verteidiger hat als
unabhängiges Organ der Rechtspflege grundsätzlich selbst zu beurteilen, ob er für die Erfüllung seiner Aufgabe hinreichend vorbereitet ist ([X.], Beschlüsse
vom 24.
Juni 2009

5
StR
181/09, [X.], 650; vom 24.
Juni 1998

5
StR
120/98, [X.]R [X.] §
265 Abs.
4 Verteidigung, angemessene
5; Urteil vom 24.
November 1999

3
StR
390/99, [X.], 146, 147). Hält er die ihm verbleibende Vorbereitungszeit für nicht ausreichend, kann er durch einen [X.] nach §
145 Abs.
3 [X.] eine Unterbrechung oder Aussetzung der [X.] erzwingen. Dies ist nicht geschehen. Zwar hat das Gericht über die Frage, ob die Fürsorgepflicht eine Aussetzung der Hauptverhandlung nach §
265 Abs.
4 [X.] gebietet, unabhängig von Anträgen und Erklärungen der Beteiligten zu entscheiden, doch kommt bei dieser Entscheidung der [X.] und seinem Prozessverhalten eine maß-16
17
-
10
-
gebliche Bedeutung zu. Stellt der neue Verteidiger seine Fähigkeit zu sachge-rechter Verteidigung nicht in Frage,
will er vielmehr die Hauptverhandlung ohne zeitliche Verzögerung fortsetzen
und gibt auch der Angeklagte nicht zu erken-nen, dass er mehr [X.] zur Vorbereitung der Verteidigung
benötigt, so
ist das Gericht in der Regel nicht dazu berufen, seine Auffassung von einer angemes-senen Vorbereitungszeit gegen den Verteidiger durchzusetzen und von diesem
nicht angestrebte prozessuale Maßnahmen zu treffen (vgl. [X.],
Beschluss vom 24.
Juni
2009

5
StR
181/09, [X.], 650, 651; Urteil vom 2.
November
1976

1
StR
590/76, MDR
1977, 767, 768; Urteil vom 25.
Juni 1965

4
StR
309/65, NJW 1965, 2164, 2165).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Wie sich aus dem [X.] ergibt, war die Entscheidung des neuen Verteidigers,
nicht nach §
145 Abs.
3 [X.] vorzugehen und keinen Aussetzungsantrag zu stellen, von der Erwägung geleitet, dass es unter den gegebenen Umständen den Interessen des Ange-klagten eher entspricht, die bereits begonnene
Hauptverhandlung in einem Durchgang zu Ende zu bringen.
Der Angeklagte hat dieser ihm mitgeteilten Ab-wägung nicht widersprochen und auch seinerseits keinen Aussetzungs-
oder Unterbrechungsantrag gestellt. Bei dieser Sachlage war das [X.] nur dann gehalten, von Amts wegen eine Aussetzung oder Unterbrechung der Hauptverhandlung anzuordnen, wenn sich die dem Prozessverhalten des An-geklagten und seines Verteidigers zu
entnehmende Einschätzung der Sach-
und Rechtslage als evident interessenwidrig dargestellt hätte und ohne diese Maßnahmen eine effektive Verteidigung (Art.
6 Abs.
3
c MRK) unter keinem Gesichtspunkt mehr gewährleistet gewesen wäre (vgl. [X.],
Urteil vom 25.
Oktober 1963

4
StR
404/63, [X.] 26, 46, 47). Dies war jedoch nicht der Fall. Den Anklagevorwürfen lagen übersichtliche Lebenssachverhalte zugrunde. Zentrales Beweismittel waren die Angaben der Nebenklägerin, die nach dem 18
-
11
-
[X.] nochmals vernommen wurde. Zu diesem [X.]punkt hatte der neue Verteidiger 14
Tage [X.], sich in den Fall einzuarbeiten und die ihm erteil-ten Informationen zu ihren
bisherigen Angaben sowie dem übrigen [X.] auszuwerten und gegebenenfalls zu ergänzen. Die Revision trägt nicht vor, dass bei der erneuten Vernehmung der Nebenklägerin Fragen oder Vorhal-te des Verteidigers zurückgewiesen worden sind. Der Umstand, dass sich der Verteidiger in der Lage sah, gegen die Nebenklägerin eine Strafanzeige zu er-statten und diese Anzeige vor deren nochmaliger Vernehmung in der [X.] zu verlesen, lässt erkennen, dass er den bisherigen Angaben der
Nebenklägerin entgegenzutreten vermochte. Schließlich wurde auch die als belastendes Beweismittel herangezogene Audioaufzeichnung durch die Verle-sung ihrer Verschriftlichung [X.] zum Gegenstand der [X.] gemacht.
2.
Die Rüge, das [X.] habe mit der Bestellung von Rechtsanwalt S.

zum Pflichtverteidiger gegen §
142 Abs.
1 [X.] verstoßen, ist nicht
begründet.
Die Auswahl eines Pflichtverteidigers ist nur dann nach §
142 Abs.
1 [X.] ermessens-
und damit rechtsfehlerhaft, wenn der ausgewählte Verteidiger aus nachvollziehbaren Gründen nicht das Vertrauen des Angeklagten genießt oder objektiv keine Gewähr für eine sachgerechte Verteidigung bietet ([X.], Urteil vom 3.
Dezember 1991

1
StR
456/91, [X.], 850; vgl. Beschluss vom 3.
September 1986

3
StR
355/86, [X.], 217 bei [X.]/[X.]). Ein Vertrauensmangel wird von dem Angeklagten nicht behauptet. Der [X.], dass der vormalige Wahlverteidiger Rechtsanwalt P.

mit dem
[X.] besser vertraut war, belegt nicht, dass der nach seiner Mandats-19
20
-
12
-
niederlegung zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt S.

für eine
Führung der von ihm übernommenen Verteidigung objektiv ungeeignet war.
3.
Der Revisionsgrund des §
338 Nr.
5 [X.] liegt schon deshalb nicht vor, weil der Angeklagte zu keinem [X.]punkt ohne Verteidiger war. Auf eine mangelnde Vorbereitung des anwesenden Verteidigers kann die Rüge nicht gestützt werden ([X.],
Urteil vom 24.
November 1999

3
StR 390/99, [X.], 212, 213).
4.
Die Rüge, das [X.] habe entgegen §
244 Abs.
3 und 6 [X.] einen am 12.
Oktober 2011 gestellten Beweisantrag auf Einvernahme der Zeu-gin

D.

weder erledigt noch verbeschieden, deckt keinen
Rechtsfehler auf.
Der Antrag auf Einvernahme der Zeugin war kein Beweisantrag im Sinne des §
244 Abs.
3 Satz
1 [X.], weil die Zeugin nur durch die Angabe ihres
Namens und ihres Wohnortes ([X.]) bezeichnet worden ist. Eine eindeutige Ermittlung ihrer genauen Anschrift aus den weiteren im Antrag enthaltenen [X.] war nicht möglich ([X.], Urteil vom 8.
Dezember 1993

3
StR
446/93, [X.]St 40, 3, 6
f.). Dementsprechend hatte der Vorsitzende den Verteidiger darauf hingewiesen, dass die Zeugin geladen werden soll, wenn ihre Anschrift bekannt ist. In dem von der Revision herangezogenen Rechtsanwaltsschreiben vom 24.
August 2004 wurde eine Frau zwar mit vollständiger Anschrift, aber unter einem anderen Namen bezeichnet. Der Antrag vom 12.
Oktober 2011 enthielt weder einen Hinweis auf dieses Schreiben, noch die Information, dass die benannte Person früher einen anderen Namen führte
und es sich bei ihr um die nunmehr benannte Zeugin handelte. Unter diesen Umständen drängte sich die Ladung der Zeugin dem Gericht auch nicht auf.
21
22
23
-
13
-
5.
Die Rüge, das [X.] habe mit der Verlesung des Protokolls der von der Nebenklägerin heimlich gefertigten Audioaufzeichnung gegen ein aus Art.
1 Abs.
1 Satz
1, Art.
2 Abs.
1 GG, §
201 StGB abzuleitendes Beweisverbot verstoßen,
ist nicht zulässig erhoben (§
344 Abs.
2 Satz
2 [X.]).
Das [X.] des Angeklagten lässt unerwähnt, dass die dem verlesenen Protokoll zugrunde liegende Audioaufzeichnung bereits am zweiten Hauptverhandlungstag angehört wurde und der damalige [X.] dazu eine Erklärung verlesen hat. Die Entscheidung der Frage, ob im [X.] zu Beweiszwecken Gebrauch gemacht werden darf, die von einer Privatperson ohne Einverständnis des Angeklagten gefertigt worden ist, hängt von einer Abwägung des öffentlichen Interesses an einer vollständigen Wahrheitsermittlung einerseits und dem schutzwürdigen Interesse des Angeklagten an einer Nichtverwertung der unter Verletzung [X.] andererseits ab ([X.], Urteil vom 12.
April 1989

3
StR
453/88, [X.]St 36, 167, 173; Urteil vom 9.
Juli 1987

4
StR
223/87, [X.]St 34, 397, 401). Für diese Abwägung ist es von wesentlicher Bedeutung, ob die Audioaufzeichnung bereits in anderer Form zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden ist und wie sich der Angeklagte dazu gestellt hat. Beides wäre deshalb mitzuteilen gewesen.
III.
Auch die Sachrüge
hat keinen Erfolg.
Die Beweiswürdigung des [X.]s lässt keinen Rechtsfehler
erken-nen. Das [X.] hat seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten auf die Angaben der mehrfach vernommenen Nebenklägerin und mehrere an-24
25
26
27
-
14
-
dere Beweismittel gestützt. Eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation lag daher nicht vor (vgl. [X.], Urteil vom 7.
März 2002

3
StR
6/02, [X.], 556
f.; Urteil
vom 28.
Mai
2003

2
StR
486/02, [X.], 268, 269;
[X.],
[X.], 246 mwN). Die Entwicklungsgeschichte der Aussage wurde im Zusammenhang mit den Feststellungen und den Angaben der Zeugin Se.

erörtert. Einer darüber hinausgehenden Darstellung der Angaben der Neben-klägerin bedurfte es entgegen der Auffassung der Revision nicht, weil sich der maßgebliche Aussageinhalt aus den hierauf gestützten umfangreichen [X.] ergibt.
Die von der Revision gegen die Strafzumessung vorgebrachten Einwen-dungen zeigen aus den in der Zuschrift des [X.] vom 4.
April 2012 angeführten Gründen keinen Rechtsfehler auf.
Mutzbauer
Roggenbuck
Schmitt

Quentin
Reiter
28

Meta

4 StR 108/12

30.08.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2012, Az. 4 StR 108/12 (REWIS RS 2012, 3508)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3508

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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