Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2015, Az. 5 AZR 975/13

5. Senat | REWIS RS 2015, 6442

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Gegenstand

Rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis - Annahmeverzug


Leitsatz

1. Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs (§ 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB) setzt ein erfüllbares, dh. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis genügt dem für die Vergangenheit nicht.

2. Der Arbeitgeber ist verantwortlich iSv. § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB, wenn er den Umstand, der zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung geführt hat, allein oder weit überwiegend zu vertreten hat (§§ 276, 278 BGB).

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. September 2013 - 5 [X.]/13 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. April 2013 - 8 Ca 102/13 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über rückständiges Arbeitsentgelt.

2

Die Klägerin war seit November 1970 bei der [X.] beschäftigt. Anlässlich der Ausgliederung eines Geschäftsbereichs aus der [X.] schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung über „Rahmenbedingungen für in das [X.]/S übertretende [X.]-Mitarbeiter“ (im Folgenden [X.] 1986), in der [X.]. geregelt ist:

        

„15.   

Die [X.] garantiert den am 01.01.87 in die neue Gesellschaft überwechselnden Mitarbeitern ein Rückkehrrecht auf einen adäq[X.]ten Arbeitsplatz in der [X.], sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der neuen Gesellschaft aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.“

3

Mit Wirkung vom 1. Jan[X.]r 1987 ging das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf diese neue Gesellschaft, die [X.], über. [X.] schied die Gesellschaft aus dem Konzernverbund aus und wurde zum Febr[X.]r 2004 auf die [X.] verschmolzen. Im Zusammenhang damit erhielten die Mitarbeiter ein Schreiben der [X.] vom 12. Dezember 2003, das [X.]. beinhaltet:

        

„Sofern Sie von dem genannten [X.] erfasst sind und für Sie die [X.] vom 04.12.1986 anwendbar ist, bleibt bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine nach Maßgabe von Ziffer 15 der [X.] etwa begründete Rechtsposition von dem [X.] unberührt.“

4

Im Zusammenhang mit der Ausgliederung von Tätigkeiten erhielten die Mitarbeiter ein weiteres Schreiben der [X.] ähnlichen Inhalts vom 10. Febr[X.]r 2005.

5

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] am 1. Oktober 2009 kündigte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis zum 31. Jan[X.]r 2010. Die Klägerin informierte die Beklagte über die Kündigung und forderte außergerichtlich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. Wiedereinstellung.

6

Die Beklagte lehnte unter Hinweis auf die Entscheidung des [X.] vom 19. Oktober 2005 (- 7 [X.] -) ab. Diesem Urteil vorangegangen war ein Rechtsstreit der [X.] nach Ausgliederung eines Geschäftsbereichs im Jahr 1991. Hierzu hatte die Beklagte mit dem Betriebsrat eine „Vereinbarung anlässlich der Ausgliederung der [X.] der [X.] in die [X.] GmbH“ (im Folgenden V 1990) geschlossen, die [X.]. Folgendes regelte:

        

„17.   

Den zum [X.] überwechselnden Mitarbeitern wird, sofern eine Weiterbeschäftigung innerhalb der [X.] GmbH aus betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist, eine Rückkehrmöglichkeit zugesagt, soweit freie und adäq[X.]te Arbeitsplätze in der [X.] vorhanden sind.“

7

Die ursprünglich konzernangehörige Gesellschaft schied 1997 aus dem [X.] aus. Nach betriebsbedingter Kündigung machte eine Mitarbeiterin das Rückkehrrecht gerichtlich geltend. Diese Klage scheiterte vor dem [X.] ([X.] 19. Oktober 2005 - 7 [X.] -). Die [X.] gelte nur bei Fortdauer der Konzernzugehörigkeit.

8

Im November 2009 klagte die Klägerin auf Beschäftigung, hilfsweise auf Verurteilung der [X.], das Angebot der Klägerin auf Wiedereinstellung ab dem 1. Oktober 2009 als kaufmännische Angestellte/Vertriebsassistentin bis 31. Mai 2010 zu den bei der [X.] üblichen Arbeitsbedingungen mit einer Jahresvergütung [X.]. [X.] Euro brutto unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit 1. November 1970 anzunehmen.

9

Nachdem das Arbeitsgericht dem Hilfsantrag stattgegeben hatte, fasste das [X.] mit Urteil vom 25. Jan[X.]r 2011 (- 1 [X.] 516/10 -) den [X.] unter Abweisung der Klage im Übrigen neu. Die Beklagte wurde verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab 1. Febr[X.]r bis 31. Mai 2010 auf einem adäq[X.]ten Arbeitsplatz in der [X.] zu den bei der [X.] üblichen Bedingungen anzunehmen. Die Beklagte nahm die zunächst hiergegen gerichtete Revision zurück, nachdem das [X.] in Parallelverfahren die Revisionen der [X.] zurückgewiesen hatte ([X.]. [X.] 14. März 2012 - 7 [X.] -). Das [X.] leitete einen Wiedereinstellungsanspruch aus Nr. 15 [X.] 1986 iVm. den Schreiben vom 12. Dezember 2003 sowie 10. Febr[X.]r 2005 unabhängig von der Konzernzugehörigkeit ab.

Seit 1. Juni 2010 bezieht die Klägerin Rente.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, die Beklagte sei zur Zahlung rückständiger Vergütung für die [X.] 1. Febr[X.]r 2010 bis 31. Mai 2010 verpflichtet. Die Beklagte schulde Vergütung wegen Annahmeverzugs, nachdem das Arbeitsverhältnis durch Urteil rückwirkend begründet worden sei. Jedenfalls habe die Beklagte zu vertreten, dass die Arbeitsleistung unmöglich geworden sei, weil sie sich nicht an ihre [X.] gehalten habe.

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin aufgrund des Urteils des [X.]s Rheinland-Pfalz vom 25. Jan[X.]r 2011 - 1 [X.] 516/10 - rückständiges Arbeitsentgelt ab 1. Febr[X.]r 2010 bis 31. Mai 2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Bei einem rückwirkend begründeten Arbeitsverhältnis könne kein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs entstehen. Die Beklagte habe sich nicht schuldhaft verhalten. Sie habe sich wegen der Entscheidung des [X.] im Jahr 2005 in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum befunden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Die Beklagte verfolgt ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist begründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.] gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Eine Pflicht zur Zahlung rückständiger Vergütung besteht nicht.

I. Der Klageantrag ist zulässig, insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Bereits ein Feststellungsurteil führt zu endgültiger Streitbeilegung. Die [X.]en haben im Revisionsverfahren einen Zwischenvergleich über den bei Unterliegen von der [X.] zu zahlenden [X.] geschlossen. Eine erneute Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung des Vergütungsanspruchs ist damit nicht erforderlich (vgl. [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 256 Rn. 8).

II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf rückständige Vergütung. Sie kann Vergütung weder auf Annahmeverzug iSd. § 615 Satz 1 BGB noch auf einen Erfüllungsanspruch aus § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB stützen. Weitere Anspruchsgrundlagen bestehen nicht.

1. Der Vergütungsanspruch folgt nicht aus Annahmeverzug, § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB. Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs setzt ein erfüllbares Arbeitsverhältnis voraus. An einem solchen fehlte es im Streitzeitraum.

a) Ein Arbeitsverhältnis wurde mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des [X.]s vom 25. Januar 2011 begründet. Die Annahmeerklärung der [X.] wurde gemäß § 894 Satz 1 ZPO fingiert und gilt somit als abgegeben. Die Fiktion bewirkt sämtliche Rechtsfolgen, die eine im selben Zeitpunkt abgegebene wirksame Willenserklärung der [X.] mit entsprechendem Inhalt hätte (MüKoZPO/[X.] 4. Aufl. § 894 Rn. 14; Musielak/[X.] ZPO 12. Aufl. § 894 ZPO Rn. 10).

Der Zeitpunkt, zu dem die Abgabe der Willenserklärung wirkt, beurteilt sich nach materiellem Recht ([X.] 19. Oktober 2011 - 7 [X.] - Rn. 26). Seit Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB idF des [X.] vom 26. November 2001 ([X.]I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der rückwirkend ein Arbeitsverhältnis begründet werden soll ([X.] 19. Oktober 2011 - 7 [X.] - aaO; 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 15, [X.]E 132, 119), auch wenn dieses in der Vergangenheit tatsächlich nicht durchgeführt werden kann ([X.] 9. Februar 2011 - 7 [X.] - Rn. 26 mwN).

Die fingierte Annahmeerklärung der [X.] wirkt auf den Zeitpunkt 1. Februar 2010 zurück. Damit bestand im streitgegenständlichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis zwischen den [X.]en.

b) § 615 Satz 1 BGB gewährt keinen eigenständigen Anspruch, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aufrecht ([X.] 24. September 2014 - 5 [X.] - Rn. 23). Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die „Leistung der versprochenen Dienste“ an, also an jede im [X.] vom Arbeitgeber verlangte Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt ([X.] 19. September 2012 - 5 [X.] - Rn. 28, [X.]E 143, 107). In Annahmeverzug kann ein Arbeitgeber nur geraten, wenn im streitgegenständlichen Zeitraum ein erfüllbares Arbeitsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist ([X.] 12. September 1985 - 2 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe). Deshalb setzt der Anspruch aus § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB ein erfüllbares, dh. tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis voraus. Dem genügt ein rückwirkend begründetes Arbeitsverhältnis nicht.

Die Klägerin hat die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses beginnend ab 1. Februar 2010 angeboten. Zu diesem Angebot (= Antrag iSv. § 145 BGB) wurde durch Urteil die Annahmeerklärung der [X.] fingiert. Es handelt sich um ein mit rückwirkendem Beginn begründetes Arbeitsverhältnis. Doch konnte die Klägerin ihre Arbeitsleistungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume nicht mehr nachholen. Zum Zeitpunkt ihres Angebots der Arbeitsleistung bestand noch keine Beschäftigungspflicht der [X.]. Der Zeitablauf führte die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung herbei, weil sich in einem Vollzeitarbeitsverhältnis ohne Möglichkeit zur vertragsgerechten Nachholung der Arbeitsleistung der Fixschuldcharakter der Arbeitspflicht umfassend auswirkt (anders möglicherweise im Fall der Teilzeit, vgl. [X.] 24. September 2003 - 5 [X.] - zu II 1 a bb der Gründe).

2. Der Vergütungsanspruch folgt auch nicht aus § 611 Abs. 1, § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB iVm. § 275 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nicht zu verantworten.

a) Nach § 275 Abs. 1 BGB führt die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zum Ausschluss des Leistungsanspruchs. Der Anspruch auf die Gegenleistung entfällt zugleich nach § 326 Abs. 1 BGB, bleibt aber gemäß § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB erhalten, wenn der Gläubiger für den Umstand allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, aufgrund dessen der Schuldner nicht zu leisten braucht.

Der Anwendungsbereich von § 326 Abs. 2 BGB umfasst sämtliche gegenseitigen Verträge und findet damit auch auf Arbeitsverträge Anwendung ([X.] 24. November 1960 - 5 [X.] - zu 4 der Gründe, [X.]E 10, 202 zur Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF). Der Arbeitnehmer behält den Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung zu verantworten hat ([X.] 13. Juni 2007 - 5 [X.] - Rn. 40, [X.]E 123, 98).

b) Die Beklagte ist für die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nicht verantwortlich. Sie befand sich in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum. Ihr Irrtum beruhte nicht auf Fahrlässigkeit, wie sich aus dem vom Berufungsgericht abschließend festgestellten Sachverhalt ergibt.

aa) Die Beklagte war verpflichtet, das von der Klägerin unterbreitete Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags ab 1. Februar 2010 anzunehmen. Die Beklagte ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, weshalb ihre Willenserklärung mit der Rechtskraft des Urteils fingiert wurde. Die Verweigerung der Annahme des Angebots zum Abschluss eines Arbeitsvertrags ist der Umstand iSd. § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB, auf den sich die Verantwortung der [X.] beziehen muss.

bb) Verantwortlich nach § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB meint [X.] iSd. §§ 276, 278 BGB, dh. mindestens fahrlässiges Handeln. Anders als die Vorgängerregelung des § 324 Abs. 1 BGB aF findet sich in § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht, dass der Gläubiger den Umstand „zu vertreten“ habe. Doch kann für die Bestimmung des Begriffs „verantwortlich“ auf die amtlichen Überschriften der §§ 276, 278 BGB zurückgegriffen werden, die „Verantwortlichkeit des Schuldners“ bzw. „Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte“ lauten. Damit ist vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln gemeint. Die Gesetzesbegründung zu § 326 Abs. 2 BGB zeigt schließlich, dass der Gesetzgeber an die Vorgängerregelung anknüpfen wollte, weil die Norm den „bisherigen § 324 mit leichten [X.] übernimmt“ ([X.]. 14/6040 [X.]). Das Verschuldensprinzip ist auch bei der Nachfolgeregelung zugrunde zu legen ([X.] 22. September 2004 - [X.]/03 - zu II 3 b cc der Gründe; [X.] 13. Juni 2007 - 5 [X.] - Rn. 41, [X.]E 123, 98).

cc) Die Beklagte hat weder durch ihre Organe noch ihre Erfüllungsgehilfen fahrlässig gehandelt, indem sie den Abschluss eines Arbeitsvertrags verweigerte. Es war für sie objektiv nicht vorhersehbar, dass der Rechtsstreit zugunsten der Klägerin entschieden werden würde. Sie konnte auf das Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2005 (- 7 [X.]) vertrauen und befand sich deshalb in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum.

(1) An einen unvermeidbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines [X.] selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann ([X.] 16. September 2008 - 9 [X.] 781/07 - Rn. 47, [X.]E 127, 353). Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Es müssen gewichtige Anhaltspunkte für die Richtigkeit der vertretenen Rechtsmeinung sprechen. Dabei genügt die Berufung auf eine günstige Ansicht im Schrifttum nicht, wohl aber die Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ([X.] 13. Mai 1998 - 7 [X.] 297/97 - zu V 1 der Gründe), insbesondere wenn ihr ein zumindest ähnlicher Sachverhalt zugrunde liegt ([X.] 3. Dezember 2002 - 9 [X.] 481/01 - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 104, 45).

Ist eine Rechtsfrage bei zumindest ähnlicher Sachlage für eine bestimmte [X.] bereits vom [X.] entschieden, liegt nicht einmal eine objektiv zweifelhafte Rechtslage vor. Vielmehr darf eine sorgfältig handelnde Arbeitsvertragspartei - ausgehend vom Gebot der Rechtssicherheit - von einer gleichbleibenden Rechtsprechung ausgehen. In dieser Situation begründet die Möglichkeit einer abweichenden Gerichtsentscheidung keinen Grad an Vorhersehbarkeit, der den Vorwurf fahrlässigen Verhaltens rechtfertigen würde. Überhaupt gehen die [X.] nicht so weit, dass eine dem Schuldner ungünstige Entscheidung der Rechtsfrage undenkbar gewesen sein müsste ([X.] 12. November 1992 - 8 [X.] 503/91 - zu I 1 der Gründe, [X.]E 71, 350; undeutlich [X.] 29. August 2013 - 2 [X.] 273/12 - Rn. 34).

(2) Die Beklagte durfte sich in ihrer Rechtsmeinung auf das Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2005 stützen. Diesem lag ein sehr ähnlicher Sachverhalt zugrunde. Auch dort wurde ein Betriebsteil der [X.] in eine neu zu gründende Gesellschaft ausgegliedert mit der Folge eines Betriebsübergangs. Ebenso wurde eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die neben einer vergleichbaren [X.] einen in weiten Teilen ähnlich lautenden Inhalt aufwies. Die damalige Klage auf [X.] hatte vor dem [X.] keinen Erfolg, nachdem die damalige Klägerin nach [X.] ihren Arbeitsplatz erst außerhalb des [X.] verloren hatte. Das [X.] verneinte die Geltung der Zusage für einen nicht mehr konzernzugehörigen Arbeitsplatz nach Auslegung der Betriebsvereinbarung. Die [X.] stehe unter dem ungeschriebenen Vorbehalt der weiteren [X.] ([X.] 19. Oktober 2005 - 7 [X.] Rn. 21).

Angesichts der Ähnlichkeit der beiden Betriebsvereinbarungen handelte die Beklagte nicht fahrlässig, als sie eine Wiedereinstellung der Klägerin nach Ausscheiden aus dem Konzernverbund ablehnte und dadurch deren Arbeitsleistung unmöglich machte. Weder die [X.] selbst noch die weiteren Regelungen der Betriebsvereinbarung, insbesondere ihre zeitlich begrenzten Ansprüche, zeigen derart gravierende Unterschiede zu der vom [X.] im Jahr 2005 beurteilten Betriebsvereinbarung, dass der [X.] bei der von ihr vertretenen Rechtsauffassung Verantwortlichkeit iSd. §§ 276, 278 BGB vorwerfbar wäre.

Die Schreiben der [X.] vom 12. Dezember 2003 und 10. Februar 2005 stehen dem nicht entgegen. Danach sollte eine „etwa begründete Rechtsposition unberührt“ bleiben. Die Schreiben perpetuierten lediglich ein etwaig bestehendes Recht. Da die Beklagte mit der Rechtsprechung des [X.] davon ausgehen durfte, ein Rückkehrrecht habe nicht mehr bestanden, konnte sie sich auch entschuldbar darauf berufen, ein perpetuiertes Recht bestehe nicht.

3. Auf §§ 280, 286 BGB kann im Streitfall als Anspruchsgrundlage neben § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht zurückgegriffen werden. Der Umstand, der zur Unmöglichkeit der Arbeitsleistung geführt hat, ist identisch mit den Tatsachen, die einen möglichen Verzug der [X.] mit der Annahme des Vertragsangebots begründen. Zudem gilt hinsichtlich des für einen Schadensersatzanspruch notwendigen Verschuldens der [X.] das Gleiche wie zu § 326 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Busch    

        

    Mandrossa    

                 

Meta

5 AZR 975/13

19.08.2015

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Ludwigshafen, 25. April 2013, Az: 8 Ca 102/13, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 615 S 1 BGB, § 326 Abs 2 S 1 Alt 1 BGB, § 276 BGB, § 278 BGB, § 275 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2015, Az. 5 AZR 975/13 (REWIS RS 2015, 6442)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3678 REWIS RS 2015, 6442

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