Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.04.2016, Az. 27 W (pat) 29/15

27. Senat | REWIS RS 2016, 12139

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Limbic touch/LIMBIC (Unionsmarke)" – Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit – vom Berichterstatter geäußerte Beurteilung des angegriffenen Beschlusses als "überzeugend" - vorläufige rechtliche Würdigung – Notwendigkeit zu weiterem Sach- und Rechtsvortrag - angemessene Förderung der Beschwerde und der Verfahrensbeschleunigung – Übersendung der dienstlichen Stellungnahme durch den Berichterstatter selbst - vorgebrachten Gründe rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit des Berichterstatters nicht


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 035 412

(hier: Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit)

Der Antrag des Beschwerdeführers, [X.] am [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 29. April 2015 hat das [X.], Markenstelle für Klasse 41, den Widerspruch aus der [X.] 729 819 – [X.] gegen die [X.] Wortmarke 30 2012 035 412 – [X.] zurückgewiesen, da zwischen den sich gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 125b, 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bestehe.

2

Hiergegen richtet sich die am 8. Juni 2015 erhobene Beschwerde des Widersprechenden. Mit Schreiben vom 13. Januar 2016 teilte der zuständige Berichterstatter dem Widersprechenden mit, dass er Gelegenheit erhalte, die Beschwerde „gegen den überzeugenden Beschluss der Markenstelle“ innerhalb einer Frist von vier Wochen zu begründen. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2016 hat der Beschwerdeführer ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den Berichterstatter, [X.] am [X.], eingereicht.

3

Der abgelehnte [X.] hat zu dem Befangenheitsantrag am 15. Februar 2016 eine dienstliche Stellungnahme abgegeben, wegen deren Inhalts auf Blatt 30 GA verwiesen wird. Diese hat er durch Verfügung vom selben Tag selbst den Beteiligten mit der Bitte um Stellungnahme zukommen lassen und die Akte sodann der Vorsitzenden zur weiteren Veranlassung zugeschrieben.

4

Zur Begründung des Antrags trägt der Beschwerdeführer vor, der Hinweis des Berichterstatters vom 13. Januar 2016 rechtfertige die Annahme seiner Befangenheit, da dieser inhaltlich geeignet sei, Misstrauen an der Unvoreingenommenheit des [X.]s zu rechtfertigen. Es liege eine endgültige Festlegung seitens des Berichterstatters vor. Er habe durch diesen Hinweis den Eindruck erweckt, neuen Argumenten nicht mehr zugänglich zu sein. Dadurch lasse er die erforderliche Distanz zu dem Streit und die notwendige Unparteilichkeit gegenüber den [X.]en derart vermissen, dass es zur Bevorzugung oder Benachteiligung einer der [X.]en komme. Diese Besorgnis werde durch die Verfügung des Berichterstatters vom 15. Februar 2016, mit der er dann selbst den Beteiligten eine dienstliche Äußerung mit der Bitte um Stellungnahme habe zukommen lassen, weiter vertieft. Damit versuche er, sich der Verpflichtung zur verfahrensrechtlichen Enthaltsamkeit zu entziehen.

5

Der Beschwerdeführer beantragt,

6

den Berichterstatter, [X.] am [X.], wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

7

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

8

das Ablehnungsgesuch zurückzuweisen.

9

Sie trägt vor, die Mitteilung einer vorläufigen Ansicht bzw. Beurteilung zu den Erfolgsaussichten durch den [X.] begründe nicht den Ablehnungsgrund der Befangenheit.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

[X.] ist nach § 72 Abs. 1 [X.] i. V. m. §§ 42, 44, 47 ZPO zurückzuweisen, weil ein Ablehnungsgrund nicht vorliegt.

Gem. § 72 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 42 ZPO kann ein [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des [X.]s zu rechtfertigen. Hierfür reicht es aus, wenn eine verständige [X.] von ihrem Standpunkt aus die Befürchtung haben kann, dass der [X.] der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenübersteht. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur vor, wenn aus Sicht der ablehnenden [X.] nachvollziehbar ein vernünftiger und daher einigermaßen objektiver Grund besteht, der sie dann auch von ihrem Standpunkt aus vernünftiger Weise befürchten lassen kann, der [X.] werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessordnung, 74. Auflage 2016, § 42 Rdnr. 10). Die [X.]ablehnung muss dabei im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz gesehen werden, dass niemand seinem gesetzlichen [X.] entzogen werden darf (Art. 101 Abs. 1 GG). Als Ausnahme von diesem Grundsatz sind die Ablehnungsvorschriften eng auszulegen.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit des Berichterstatters nicht.

Seine im Schreiben vom 13. Januar 2016 geäußerte Beurteilung des angegriffenen Beschlusses als „überzeugend“ stellte lediglich eine vorläufige - inhaltlich ohne weiteres vertretbare - rechtliche Wertung dar, die nicht geeignet ist, ein Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dass es sich dabei nicht um eine abschließende Meinungsbildung des Berichterstatters oder des Senats handelte, ergibt sich bereits von selbst daraus, dass dem Beschwerdeführer im gleichen Schreiben über sechs Monate nach Einreichung der bis dahin nicht begründeten Beschwerde eine - angemessene und ausreichende - weitere Frist von vier Wochen zur Begründung eingeräumt wurde. Der Wertung konnte der Beschwerdeführer zudem die Notwendigkeit zu weiterem Sach- und [X.] entnehmen, sie diente also letztlich der angemessenen Förderung der Beschwerde gemäß § 139 ZPO und zudem der Verfahrensbeschleunigung, die regelmäßig im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten liegt. Ein ausdrücklicher Hinweis der Vorläufigkeit der geäußerten Rechtsauffassung war angesichts dieser Sachlage nicht erforderlich ([X.] /[X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessordnung 74. Aufl. 2016, § 42 Rdnr. 45 m. w. N.).

Auch die Übersendung der dienstlichen Stellungnahme durch den Berichterstatter selbst führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar hätte die Übersendung der dienstlichen Äußerung der [X.]en durch die Vorsitzende erfolgen müssen, was der Berichterstatter irrtümlich verkannt hat. Nach § 47 ZPO hat der abgelehnte [X.] vor Erledigung des [X.] nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Er hat jede Handlung zu unterlassen, durch die die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch beeinflusst werden könnte (Vollkommer in [X.], Zivilprozessordnung, 31. Auflage, § 47 Rdnr 2). Durch die Zusendung der dienstlichen Stellungnahme hat der Berichterstatter aber weder über die Sache noch über die Befangenheit entschieden oder die Entscheidung des Senats beeinflusst, was allein durch diese Verfügung auch nicht möglich war. Sein Vorgehen diente allein dem im Interesse aller Beteiligter liegenden Ziel der Verfahrensbeschleunigung und kann ein Misstrauen in seine Unparteilichkeit nicht rechtfertigen. Verfahrensfehler rechtfertigen den Schluss auf eine Voreingenommenheit des [X.]s nur in besonderen Fällen, etwa dann, wenn sie völlig unverständlich sind und deshalb den Verdacht nahelegen, dass sie bewusst und aufgrund sachfremder Erwägungen unter Inkaufnahme der Benachteiligung einer der [X.]en erfolgt sind (Vollkommer in [X.] a. a. O. § 42 Rdnr. 24; OLG [X.] MDR 2008, 1235). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Aus diesen Gründen war der Antrag zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 82 Abs. 2, 72 Abs. 1 [X.]). Die Vorschrift des § 46 ZPO, welche gegen den Beschluss, durch den ein Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird, die sofortige Beschwerde vorsieht, ist von der Verweisung des § 72 Abs. 1 [X.] ausdrücklich ausgenommen ([X.], 26 – [X.]; [X.]/[X.] zum Gewerblichen Rechtsschutz, 1. Auflage 2015, Vor §§ 567 ff. ZPO, Rdnr. 5 und 10).

Meta

27 W (pat) 29/15

28.04.2016

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 42 ZPO § 44 ZPO § 47 ZPO § 139 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.04.2016, Az. 27 W (pat) 29/15 (REWIS RS 2016, 12139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12139

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