Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2011, Az. StB 28/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8974

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Gegenstand

Streitigkeiten über Maßnahmen der länderpolizeilichen Gefahrenabwehr in Brandenburg: Statthaftigkeit eines Rechtsmittels zum Bundesgerichtshof nach Gesetzesänderung


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des [X.] vom 24. Juni 2010 - 11 Wx 19/10 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des [X.] trägt der Antragsgegner.

Der Gegenstandswert beträgt 3.000 €.

Gründe

1

Auf Antrag des [X.] hat das [X.]     am 15. September 2009 zum Zwecke der Sicherstellung von Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen die Durchsuchung der Wohnung, der [X.]fahrzeuge und der Person des Antragsgegners angeordnet (§ 23 Abs. 1 Nr. 2, § 25 Nr. 1 [X.]). Die Anordnung wurde am 17. September 2009 vollzogen. Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das [X.] durch Beschluss vom 24. Juni 2010 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die - vom [X.] gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FamFG zugelassene - Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.

2

Das Rechtsmittel ist von Gesetzes wegen nicht statthaft und deshalb unzulässig.

3

1. § 70 FamFG findet im gerichtlichen Verfahren über eine Durchsuchung zum Zwecke der polizeilichen Gefahrenabwehr nach §§ 23, 24 [X.] keine Anwendung. Stattdessen gelten hierfür gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 [X.] die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ([X.]) entsprechend. Danach ist den Beteiligten gegen eine Beschwerdeentscheidung des [X.]s kein Rechtsmittel mehr eröffnet. Der [X.] ist nach § 28 Abs. 2 und 3 [X.] nur dann zur Entscheidung berufen, wenn ihm das [X.] die dort anhängige (weitere) Beschwerde vorlegt, weil es von der Rechtsauffassung des [X.]s oder eines anderen [X.]s abweichen will (sog. Divergenzvorlage). Zwar hat der Antragsgegner dadurch, dass das [X.] hier die Zuständigkeit des [X.] (§ 19 Abs. 2 [X.]) umgangen und sogleich über die Erstbeschwerde entschieden hat, eine Instanz verloren. Dieser Verfahrensfehler kann indes ein weiteres Rechtsmittel zum [X.] abweichend vom gesetzlich bestimmten Rechtszug nicht statthaft machen. Nichts anderes gilt für die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 21. April 2004 - [X.] 279/03, [X.]Z 159, 14; Beschluss vom 27. Februar 2003 - [X.], [X.]Z 154, 102).

4

2. Hieran ändert nichts, dass das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Normenbestand des [X.]rechts mit Ablauf des 31. August 2009 außer [X.] getreten ist (Art. 112 Abs. 1 [X.]-RG vom 17. Dezember 2008, [X.] [X.]). Dies hindert nicht seine Weitergeltung  - in der zuletzt geltenden Fassung - in der Weise, dass Landesrecht in einer der Regelung durch den Landesgesetzgeber offen stehenden Materie hierauf Bezug nimmt. Bei Streitigkeiten über Maßnahmen der länderpolizeilichen Gefahrenabwehr handelt es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts, für die grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. [X.] der bundesrechtlichen Öffnungsklausel des § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO steht es dem Landesgesetzgeber indes frei, solche Streitigkeiten einem anderen Gericht - d.h. einem anderen Rechtsweg - zuzuweisen, was die Festlegung des Instanzenzugs und des weiter zu beachtenden Verfahrensrechts mit einschließt. Ein so geregeltes Verfahren ist deshalb auch dann insgesamt dem Landesrecht zuzurechnen, wenn der Landesgesetzgeber in diesem Zusammenhang die Anwendung anderweitiger Verfahrensordnungen des [X.]rechts bestimmt. Allein das Außerkrafttreten der in Bezug genommenen Vorschriften als [X.]recht berührt nach der Kompetenzordnung des [X.] solches in zulässiger Weise gesetztes Landesrecht grundsätzlich nicht in seinem Bestand. So hat Art. 3 des [X.] zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum [X.] und anderer Gesetze vom 8. Dezember 2010 (GVBl. S. 553) - auch im Hinblick auf die [X.] in § 19 Abs. 4, § 25 Abs. 1 [X.] - zur Vermeidung von "Rechtsunsicherheiten … klargestellt", dass sich die (Weiter-)Verweisungen des Nds[X.] auf die am Tage des Außerkrafttretens geltende Fassung des [X.] des [X.] beziehen (NdsLT-Drs. 16/3126 S. 11 f.).

5

3. Die in § 24 Abs. 1 Satz 3 [X.] angeordnete entsprechende Geltung der Vorschriften des [X.] kann auch nicht als dynamische Verweisung auf den jeweils gültigen bundesrechtlichen Normenbestand für das Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verstanden werden (zu § 22 Abs. 8 Satz 2 [X.] ebenso [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2010  - StB 21/10).

6

Sieht man von der Sonderregelung für Freiheitsentziehungen aufgrund [X.]rechts in § 23a Abs. 2 Nr. 6 [X.], § 415 Abs. 1 FamFG ab, so sind Streitigkeiten über Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr gerade keine Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Wie dargestellt handelt es sich vielmehr um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, für die grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Dass die Polizeigesetze der Länder solche Streitigkeiten den ordentlichen Gerichten zuweisen können, beruht allein auf der bundesrechtlichen Öffnungsklausel des § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Macht das Land hiervon Gebrauch, so ist aus Gründen der [X.] eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung zu fordern, welche Gerichte den in der VwGO bestimmten Rechtszug ersetzen und nach welchen Verfahrensvorschriften sie entscheiden sollen. Mit der in § 24 Abs. 1 Satz 3 [X.] angeordneten entsprechenden Geltung der Vorschriften des [X.] hat das [X.] diesen Anforderungen genügt. Dagegen wird ein Willensakt des Landesgesetzgebers dahin, dass an die Stelle der nach Maßgabe des [X.] zuständigen Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit (nunmehr) auch andere treten können, weder aus dem [X.] noch sonst hinreichend erkennbar.

7

Weist das Landesrecht öffentlich-rechtliche Streitigkeiten der vorliegenden Art den ordentlichen Gerichten zu, so ist die Einrichtung eines an die Regelungen des FamFG angeglichenen Rechtszugs auch nicht zwingend. Vielmehr kann der Landesgesetzgeber im Rahmen seines weiten Ermessens auch Gründe für eine abweichende Regelung finden. So hat sich das [X.] wie oben geschildert ausdrücklich dafür entschieden, den im [X.] bestimmten Rechtszug weiter beizubehalten. Der [X.] verweist in Art. 18 Abs. 3 Satz 3, Art. 24 Abs. 1 Satz 3 [X.] nunmehr zwar auf die Vorschriften des FamFG, schließt aber die Rechtsbeschwerde zum [X.] aus.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, der Gegenstandswert ergibt sich aus § 40 Abs. 2, § 42 Abs. 2 und 3 FamGKG.

Becker                                Pfister                                   Hubert

                    Schäfer                                [X.]

Meta

StB 28/10

01.03.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 24. Juni 2010, Az: 11 Wx 19/10, Beschluss

§ 23 PolAufgG BB, § 24 Abs 1 S 3 PolAufgG BB, § 28 FGG, § 40 Abs 1 S 2 VwGO, Art 112 Abs 1 FGG-RG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2011, Az. StB 28/10 (REWIS RS 2011, 8974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8974

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