Bundessozialgericht, Urteil vom 21.03.2013, Az. B 3 KR 3/12 R

3. Senat | REWIS RS 2013, 7097

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Hilfsmittel - kein Anspruch auf Versorgung mit einer Unterschenkelprothese zur Teilnahme an sportlichen Aktivitäten


Leitsatz

Ein Versicherter kann von der Krankenkasse nicht die Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese beanspruchen, um seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit noch besser nachgehen zu können.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des [X.] gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt [X.], wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom [X.] und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 [X.] die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit [X.] in [X.] zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst [X.] verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des [X.] ([X.]) ab, weil die Sportprothese für den [X.] nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die [X.] mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom [X.]): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren [X.], bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des [X.] gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren [X.] keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die [X.] hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der [X.] ermöglicht werden.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 [X.]B V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 [X.]B IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und [X.] dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "[X.]" nicht anwendbar seien. [X.] werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]G). Das L[X.] hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des L[X.] Rheinland-Pfalz vom [X.] und des [X.] Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit [X.] in [X.] zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 [X.] hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der [X.] bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen [X.] geht, wie es [X.] bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 [X.] - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den [X.] ([X.]-2500 § 33 [X.] - [X.] als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining 44 Abs 1 [X.] und 4 [X.]) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des [X.] gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung ([X.]-2500 § 33 [X.]5 - [X.] zur Teilnahme am [X.] in einem Behindertensportverein).

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung von Art 1 [X.]7 [X.]-Wettbewerbsstärkungsgesetz ([X.]-WSG) vom [X.] ([X.]), weil bei [X.], auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 54 Rd[X.]4 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 [X.] haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, [X.]n, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 [X.] ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 [X.] umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum [X.] nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 [X.] als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 [X.] [X.]) eines von der [X.] zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren [X.] gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des [X.], und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte [X.] sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist ([X.], 183 = [X.]-2500 § 33 [X.], Rd[X.] 4 - [X.]). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren [X.] dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 [X.] und § 31 Abs 3 [X.]).

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer [X.]). In diesem Rahmen ist die [X.] allerdings nur für den [X.] der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig ([X.]-2500 § 33 [X.]5 Rd[X.]4). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der [X.] ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 [X.] sowie § 6 Abs 1 [X.] iVm § 5 [X.] und 3 [X.]), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des [X.], um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder [X.] Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren [X.] ist von der [X.] daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums ([X.], 176, 180 = [X.]-2500 § 33 [X.], Rd[X.]2; [X.], 60, 63 Rd[X.] 9 = [X.]-2500 § 33 [X.] Rd[X.]0; [X.]-3300 § 14 [X.]4; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens ([X.]-2500 § 33 [X.] und 46; [X.]-2500 § 33 [X.]1 Rd[X.]8). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines [X.]s der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind ([X.] Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses [X.]. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl [X.], 176, 180 = [X.]-2500 § 33 [X.], Rd[X.]2 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; [X.]-2500 § 33 [X.] - [X.] für Jugendliche; [X.]-2500 § 33 [X.] 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b [X.]3 - Faltrollstuhl).

c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren [X.] ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl [X.]-2500 § 33 [X.] 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 [X.] (ebenso § 31 Abs 3 [X.]) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken ([X.]-2500 § 33 [X.] 44; [X.], 183 = [X.]-2500 § 33 [X.], Rd[X.]5).

d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind [X.] gemäß § 33 Abs 1 S 1 [X.]. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen [X.] zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden ([X.], 183 = [X.]-2500 § 33 [X.] - [X.]).

3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom [X.] ([X.]-2500 § 33 [X.] 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer [X.] beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) [X.] bejaht, für eine salzwasserbeständige [X.] dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des [X.] in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen [X.].

a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer [X.] kompensiert. Die [X.] gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer [X.] wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste [X.] lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in [X.] und am Meer. Einen Ausgleich dieses [X.] der ihm zur Verfügung gestellten [X.] kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste [X.] dem Versicherten nicht - wie bei der normalen [X.] - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht ([X.]-2500 § 33 [X.] 23 und 24).

c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren [X.] dienenden - Hilfsmittels (hier: [X.]) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des [X.] Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt ([X.]-2500 § 33 [X.] 23 und 24).

Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der [X.] ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem [X.] oder im [X.]. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im [X.] zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen [X.] nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste [X.] benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 [X.] und § 31 Abs 3 [X.]).

4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und [X.] geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren [X.] mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten [X.] bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist [X.] gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese ([X.]) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf [X.] in mehreren Entscheidungen stattgegeben ([X.]-2500 § 33 [X.] 44; [X.], 183 = [X.]-2500 § 33 [X.]): Beim unmittelbaren [X.] gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des [X.], und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte [X.] sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist ([X.], 183 = [X.]-2500 § 33 [X.] Rd[X.] 4 - [X.]). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine [X.] im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt ([X.] weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl [X.], 183 = [X.]-2500 § 33 [X.], Rd[X.] 5, 14, 15), ist der Anspruch auf [X.] jeweils zuerkannt worden.

5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer [X.] ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der [X.] in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim [X.] der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 [X.] zu Recht abgelehnt.

6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der [X.] über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" ([X.]) berufen. Diese Konvention ist am [X.] in [X.] getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom [X.] ([X.] 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in [X.]-2500 § 33 [X.] 25 Rd[X.] 28). Allerdings können aus der [X.] keine über § 33 [X.] hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 [X.]. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 [X.] nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der [X.] zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, [X.]). Zudem kann aus den Regelungen der [X.] kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die [X.] trägt dem von der [X.] angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 [X.]), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des [X.] und insbesondere durch dessen [X.] (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - [X.]) Rechnung. Weitergehende [X.] werden - zumindest für den Bereich der [X.] - durch die [X.] nicht begründet (vgl [X.]-2500 § 33 [X.]5 Rd[X.]9).

7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 [X.] scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

8. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 3 KR 3/12 R

21.03.2013

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mainz, 8. Juni 2011, Az: S 16 KR 470/09, Urteil

§ 33 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 33 Abs 1 S 4 SGB 5, § 33 Abs 1 S 5 SGB 5, § 34 Abs 4 SGB 5, § 31 Abs 1 Nr 3 SGB 9, Art 20 UNBehRÜbk

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.03.2013, Az. B 3 KR 3/12 R (REWIS RS 2013, 7097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7097

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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