Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.06.2020, Az. 4 C 4/19

4. Senat | REWIS RS 2020, 4042

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Gegenstand

Teilweise unzulässige Revision eines Beigeladenen; fehlende Beschwer


Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des [X.] für das [X.] vom 18. September 2018 - 8 A 1884/16 - wird hinsichtlich der Fortsetzungsfeststellungsklage verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beigeladene.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen Nebenbestimmungen in einer Genehmigung, die dem Schutz einer benachbarten Windenergieanlage vor Turbulenzen dienen.

2

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 [X.] 3.19. Diese erhielten unter dem 17. Juli 2013 einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid für eine Windenergieanlage, der sich auf die Turbulenzintensität erstreckt. Er ist dahin zu verstehen, dass im Hinblick auf die Turbulenzintensität die Genehmigung weder versagt noch zum Schutz anderer Anlagen mit Abschaltregelungen als Nebenbestimmung belegt werden kann. Mit Bescheid vom 21. Januar 2014 nahm der Beklagte den Vorbescheid hinsichtlich der Turbulenzintensität zurück. Die Teilrücknahme hob das [X.] mit Urteil vom 27. Juli 2016 - 11 K 544/14 - auf. Diese Entscheidung ist nach dem Senatsurteil vom heutigen Tage in der Sache 4 [X.] 3.19 rechtskräftig; für die Einzelheiten nimmt der Senat auf dieses Urteil Bezug.

3

Mit Bescheid vom 21. Januar 2014 genehmigte der Beklagte die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlage der Klägerin. Nach einer Bedingung ([X.] des Bescheides) darf mit der Errichtung der Anlage erst begonnen werden, wenn der Genehmigungsbehörde ein überarbeitetes Turbulenzgutachten vorgelegt wurde, das die Anlage der Beigeladenen berücksichtigt. Nach einem Auflagenvorbehalt ([X.] Satz 2 des Bescheides) legt die Genehmigungsbehörde nach Vorlage dieses Gutachtens die erforderlichen Betriebseinschränkungen fest, um die Standsicherheit aller Anlagen im Einwirkbereich der Turbulenzen zu gewährleisten. Das überarbeitete Turbulenzgutachten liegt inzwischen vor.

4

Die gegen die Nebenbestimmungen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Nach Auffassung des [X.] hat sich die Bedingung ([X.]) durch Vorlage des [X.] erledigt, die Klage sei aber als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin habe ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, weil sie die ernstliche Absicht verfolge, die Kosten des Gutachtens bei der Beklagten geltend zu machen. Die Klage sei auch begründet, weil die Bedingung nicht erforderlich gewesen sei, um die Erfüllung der [X.] sicherzustellen. Die Klage gegen den Auflagenvorbehalt ([X.]) sei als isolierte Anfechtungsklage begründet. Die Voraussetzungen des allein als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommenden § 12 Abs. 2a [X.] lägen nicht vor, weil der Anlage der Klägerin gegenüber der Anlage der Beigeladenen der Vorrang gebühre.

5

Die Beigeladene hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie wiederholt ihren Vortrag aus dem Verfahren 4 [X.] 3.19. Der Beklagte unterstützt diese Auffassung. Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision bleibt erfolglos. Sie ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

7

1. Die Revision der [X.]eigeladenen ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Ausspruch zur Fortsetzungsfeststellungsklage wendet. Dieser bezieht sich auch auf die Regelung in [X.] 1 Satz 1 der Genehmigung, der die [X.]estimmung [X.] mit einer veränderten Fristsetzung wiederholt. Für die Revision der [X.]eigeladenen fehlt insoweit die notwendige [X.]eschwer.

8

Nach § 143 Satz 1 VwGO prüft das [X.], ob die Revision statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist. Über diese Gründe hinaus ist die Prüfung auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels in vollem Umfang zu erstrecken (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 22. März 2018 - 7 [X.] 1.17 - juris Rn. 13). Das Rechtsmittel eines [X.]eigeladenen ist nur zulässig, wenn dieser durch das angefochtene Urteil in eigenen Rechten betroffen, also materiell beschwert ist ([X.], Urteil vom 17. Mai 1995 - 6 [X.] 8.94 - [X.]E 98, 210 <213> und [X.]eschluss vom 16. Dezember 2009 - 3 [X.] 24.09 - [X.] 310 § 65 VwGO Nr. 152 Rn. 5). Er muss geltend machen können, auf Grund der [X.]indungswirkung des angegriffenen Urteils nach § 121 VwGO präjudiziell und unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt zu werden ([X.], Urteil vom 18. April 1997 - 3 [X.] 3.95 - [X.]E 104, 289 <292 f.>). Es genügt nicht, dass er nach § 121 Nr. 1, § 63 Nr. 3 VwGO an ein rechtskräftiges Urteil gebunden ist, vielmehr muss das Urteil für ihn auch von sachlicher [X.]edeutung sein, also die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte bestehen (vgl. [X.], Urteile vom 31. Januar 1969 - 4 [X.] 83.66 - [X.]E 31, 233 <234> und vom 28. Oktober 1999 - 7 [X.] 32.98 - [X.] 406.252 § 7 [X.] Nr. 1 S. 2 sowie [X.]eschlüsse vom 18. Februar 2016 - 3 [X.] 10.15 - juris Rn. 5 und vom 24. August 2016 - 9 [X.] 54.15 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 108 Rn. 6) oder die Verteidigung eigener Rechte in nachfolgenden Verfahren beschränkt werden (vgl. [X.], Urteil vom 27. Februar 2020 - 7 [X.] 3.19 - juris Rn. 20).

9

Daran fehlt es. Die [X.]edingung unter [X.] der Nebenbestimmungen - Vorlage eines Turbulenzgutachtens - ist erfüllt. Die [X.]edingung ist entsprechend § 43 Abs. 2 VwVfG [X.] erledigt und steht der Errichtung der Anlage nicht mehr entgegen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage dient nur noch der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses, der sich indes allenfalls gegen den [X.]eklagten, aber nicht gegen die [X.]eigeladene richten könnte. Auch sonst ist nicht erkennbar, welcher Nachteil der [X.]eigeladenen aus dem Urteil insoweit erwachsen kann.

Die Verwerfung der Revision erfolgt ungeachtet des § 144 Abs. 1 VwGO durch Urteil. [X.]ei einer objektiven Häufung von Streitgegenständen kann einheitlich durch Urteil entschieden werden, wenn jedenfalls über einen der Streitgegenstände durch Revisionsurteil zu entscheiden ist ([X.], Urteil vom 10. September 1992 - 5 [X.] 80.88 - [X.] 436.61 § 18 [X.] Nr. 6 S. 21).

2. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Ausspruch zum Auflagenvorbehalt in [X.] 1 Satz 2 der Genehmigung wendet. Das Oberverwaltungsgericht hat die [X.]erufungen im Einklang mit revisiblem Recht zurückgewiesen.

a) Das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtungsklage hat es zutreffend bejaht, weil die Genehmigung bisher nicht erloschen ist. Die nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.]ImSchG im [X.]escheid gesetzte Frist hat bis zum Abschluss dieses Verfahrens noch nicht zu laufen begonnen.

Die Entscheidung des [X.] hält auch in materieller Hinsicht der revisionsgerichtlichen Prüfung stand. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2a Satz 1 [X.]ImSchG für einen Auflagenvorbehalt lagen nicht vor. Denn die Norm lässt einen Vorbehalt nachträglicher Auflagen nur zu, die zur näheren Präzisierung von Anforderungen im Sinne des § 6 [X.]ImSchG erforderlich sind ([X.], [X.]ImSchG, 12. Aufl. 2017, § 12 Rn. 47). Die Anlage der Klägerin erfüllt indes die Anforderungen des § 6 Abs. 1 [X.]ImSchG im Hinblick auf die Turbulenzintensität auch ohne [X.]etriebsbeschränkungen, weil ihr insoweit der Vorrang gegenüber der [X.]eigeladenen zukommt.

Zu den Einzelheiten verweist der Senat auf sein Urteil vom heutigen Tag in der Sache 4 [X.] 3.19 (Rn. 14 ff., Rn. 18 ff.).

b) Unabhängig davon ist der Auflagevorbehalt rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil er der [X.] des [X.] vom 17. Juli 2013 widerspricht. Dieser ist nach der rechtskräftigen Aufhebung des [X.] vom 21. Januar 2014 weiterhin wirksam und steht der Anordnung eines Auflagenvorbehalts entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

4 C 4/19

25.06.2020

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 18. September 2018, Az: 8 A 1884/16, Urteil

§ 143 S 1 VwGO, § 42 Abs 2 VwGO, § 18 Abs 1 Nr 1 BImSchG, § 12 Abs 2a S 1 BImSchG, § 6 Abs 1 BImSchG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.06.2020, Az. 4 C 4/19 (REWIS RS 2020, 4042)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4042

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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