Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.05.2007, Az. XII ZB 156/06

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4016

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.] 156/06 vom 2. Mai 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 78 Abs. 6, 91 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 3, § 103 Klagt ein Vermieter rückständigen Mietzins nicht gegen die aus Rechtsanwälten bestehende [X.] ein, die seine Vertragspartnerin ist, sondern gegen die drei Mitglieder dieser Sozietät persönlich als Gesamt-schuldner, so ist es diesen unbenommen, sich im Verfahren jeweils selbst zu vertreten. Aus dem Prozessrechtsverhältnis folgt jedoch die Pflicht jeder [X.], die Kos-ten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Obsiegens vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berech-tigten Belange vereinbaren lässt. Der Kostenerstattungsanspruch der [X.] kann daher insgesamt auf den Betrag beschränkt sein, der sich ergeben hätte, wenn sie einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt hätten. Dies kommt insbesondere in [X.], wenn hinsichtlich ihrer Rechtsverteidigung Interessenkonflikte zwischen ihnen weder bestanden noch zu erwarten waren. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2007 - [X.] 156/06 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 2. Mai 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], Dr. [X.] und die Richterin Dr. [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des [X.] zu 1 gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 16. [X.] 2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Wert: bis 900 • Gründe: [X.] Im Hauptsacheverfahren hat die Klägerin von dem [X.] zu 1 als Gesamtschuldner mit den [X.] zu 2 und 3 rückständige Miete in Höhe von 18.446,51 • begehrt. Die [X.] sind als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammengeschlossene Rechtsanwälte. Sie haben sich jeweils selbst vertreten und mit nahezu wortgleichen Schriftsätzen auf die Klage erwidert. 1 Am 12. April 2005 haben die [X.]en einen Vergleich geschlossen. [X.] haben die Kosten des Rechtsstreits zu 54 % die Klägerin und zu 46 % die [X.] zu tragen. 2 Auf die [X.] der [X.], die insoweit von drei Einzelmandaten ausgingen, hat die Rechtspflegerin beim [X.] mit Kos-3 - 3 - tenfestsetzungsbeschluss vom 30. Januar 2006 Anwaltsgebühren für die [X.] in Höhe von jeweils 2.604 •, zusammen also 7.812 • festgesetzt. 4 Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerdegericht diesen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] - Rechtspflegerin - zurückverwiesen. Der Beklagte zu 1 be-gehrt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, die Entscheidung des [X.] aufzuheben und die sofortige Beschwerde der Klägerin [X.]. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. 5 1. Das [X.] hat einen Anspruch des [X.] und seiner Sozien auf Abrechnung von drei Einzelmandaten verneint. Zwar könne bei einer gegen mehrere Rechtsanwälte einer Sozietät gerichteten Klage jeder dieser Anwälte sich selbst vertreten und im Falle des Obsiegens grundsätzlich auch volle Kostenerstattung verlangen. Dieser nach § 91 Abs. 2 ZPO zu beurteilende Erstattungsanspruch finde jedoch seine Grenze in dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs. Mit Rücksicht darauf könn-ten auch Rechtsanwälte, die als Streitgenossen verklagt werden, unter Kosten-gesichtspunkten verpflichtet sein, einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung zu beauftragen oder sich zumindest im Rahmen der [X.] so behandeln zu lassen, als sei dies geschehen. Dies sei hier der Fall, weil die Sozietät Vertragspartner des [X.] sei und bereits deshalb ein Gleichlauf der auf Abweisung der Klage auf rückständigen Mietzins [X.] - 4 - teten Interessen der Sozien von Anfang an nahe gelegen habe. Auch ange-sichts der Einheitlichkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts habe weder die Gefahr widerstreitender Interessen bestanden noch sei sie zu befürchten gewe-sen. Auch sonst habe für die [X.] kein sachlicher Grund vorgelegen, sich jeweils selbst zu vertreten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es der Kläge-rin freigestanden habe, die Sozietät als [X.] in [X.] zu nehmen, statt deren Gesellschafter als Gesamtschuldner zu verkla-gen. 2. Die überzeugend begründete Entscheidung des [X.]s entspricht einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Ansicht (vgl. Musielak/[X.] ZPO 5. Aufl. § 91 [X.]. 69; [X.]/[X.] ZPO 26. Aufl. § 91 [X.]. 13 "Sozietät"; [X.]/[X.]/[X.] ZPO § 91 [X.]. 43; [X.], Beschluss vom 6. November 2006 - [X.]/06 - ([X.]); [X.], Beschluss vom 11. August 2005 - 12 W 74/05 - ([X.]); OLG Schleswig [X.] 1988, 1030 f.; [X.] [X.] 1985, 1876 f.; [X.] 1985, 851; [X.] VersR 1985, 746; [X.] 1980, 501; [X.], Beschluss vom 5. Oktober 1998 - 11 W 2385/98 - [X.] 2000, 103; [X.] OLGR 2003, 39 f.; [X.] Justiz 1988, 312 und [X.] vom 31. August 1994 - 11 W 86/94 - ([X.]); [X.] RPfleger 1979, 465; [X.] 1989, 165 f.; [X.] LAGReport 2002, 78 f.; [X.], Beschluss vom 4. September 1984 - 7 K 1.84 - ([X.]); ein-schränkend: [X.] [X.] 1981, 763 f.). 7 Sie hält der rechtlichen Überprüfung und den Angriffen der [X.] stand. 8 a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt das Recht ei-nes Rechtsanwalts, sich selbst vor Gericht zu vertreten, nicht automatisch zu 9 - 5 - einem Kostenerstattungsanspruch. Während § 78 Abs. 6 ZPO die anwaltlichen Befugnisse zur Selbstvertretung regelt (zu Einzelheiten [X.] ZPO 22. Aufl. § 78 [X.]. 22), bestimmt sich der Umfang der im Kostenfestsetzungs-verfahren zu erstattenden Kosten nach §§ 91, 103 ZPO. Dabei sieht § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO vor, dass dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines be-vollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass aus dem Recht der anwaltlichen Selbstvertretung zwingend ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch folgt (vgl. auch [X.]/[X.] 2. Aufl. § 91 [X.]. 64 zu Rechtsanwälten als GmbH-Geschäftsführern und Vereinsvorständen). 10 Insbesondere ist § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO entgegen dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht lex specialis zu § 91 Abs. 1 ZPO. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber eine Kostenerstattung von vornherein nur insoweit vorgesehen, als es sich um notwendige Kosten handelt. Anders ist auch die Regelung für prozessfremde Kosten nicht zu verstehen (dazu [X.]/[X.] aaO § 91 [X.]. 7). Für diese Kosten gilt in gleichem Maße, dass sie nicht zu erstatten sind, soweit ihre Verursachung nicht notwendig war. 11 b) Jede Prozesspartei ist verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren läßt (vgl. [X.], Beschluss vom 15. März 2007 - [X.] - zur Veröffentli-chung vorgesehen; [X.]/[X.] aaO § 91 [X.]. 12). Diese Verpflichtung folgt aus dem Prozessrechtsverhältnis (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Juni 2003 - [X.] - FamRZ 2003, 1461; vgl. auch [X.] NJW 1990, 3072, 3073). 12 - 6 - Sie beherrscht als Ausfluss von Treu und Glauben das gesamte [X.]. So wäre es etwa rechtsmißbräuchlich, eine Forderung ohne sachlichen Grund in mehrere Teilbeträge aufzuspalten und in gesonderten Prozessen gel-tend zu machen. Das muss auch (und erst recht) gelten, wenn ein Rechtsan-walt mit einer eigenen Forderung so verfährt und sich dabei jeweils selbst [X.]. Auch an diesem Beispiel wird deutlich, dass § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO keine [X.] darstellt, mit der der Grundsatz des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugunsten sich selbst vertretender Anwälte durchbrochen werden könnte. 13 Dieses Beispiel zeigt zugleich, dass derartige Erwägungen - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - den Rahmen des [X.] nicht sprengen. Denn wenn der Rechtspfleger die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung einer Forderung in mehreren Prozessen prüfen muss, ihm also abverlangt wird, bei der Kostenfestsetzung nicht nur die in dem ihm jeweils vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten in den Blick zu nehmen, dann wird man ihm eine solche Prüfung erst recht zumuten können, wenn es - wie hier - um die Kosten eines einheitlichen Verfahrens geht. 14 c) Die Argumentation der Rechtsbeschwerde, die Klägerin habe die Er-stattungssituation selbst dadurch herbeigeführt, dass sie die [X.] und nicht die Anwaltssozietät verklagt habe, überzeugt nicht. 15 Auch seit der [X.] zuerkannt wird ([X.] 146, 341), besteht keine Pflicht, diese und nicht die einzelnen Gesellschafter zu verklagen. 16 Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde insoweit geltend, die Klägerin habe anstelle der [X.] deren Gesellschafter nur deshalb verklagt, um diese als sachkundige Zeugen auszuschalten, so dass es 17 - 7 - befremdlich sei, nunmehr wegen der sich daraus ergebenden Kostenfolge nicht der Klägerin, sondern den [X.] Rechtsmissbrauch vorzuwerfen. 18 Erstens ist es der Klägerin nämlich nicht zu verwehren, die drei Beklag-ten persönlich (allein oder neben der GbR) in Anspruch zu nehmen, denn aus einem allein gegen die GbR erstrittenen Titel hätte sie nicht in das Privatvermö-gen der Gesellschafter vollstrecken können (vgl. [X.]/[X.] ZPO 27. Aufl. § 736 [X.]. 4 m.N.). Zweitens kann ihr nicht vorgehalten werden, auf diese [X.] eine sonst mögliche Vernehmung der Gesellschafter als Zeugen vereitelt zu haben, denn auch bei einer allein gegen die GbR gerichteten Klage hätten de-ren Gesellschafter (als Gesamtvertreter, § 714 BGB) nicht als Zeugen, sondern allenfalls als [X.] vernommen werden können (vgl. [X.] NJW 2002, 324, 326; [X.] aaO vor § 373 [X.]. 5; [X.]/[X.]/ [X.]/[X.] ZPO 65. Aufl. Übersicht § 373 [X.]. 15). d) Auch der Hinweis der Rechtsbeschwerde, der einheitliche Sachverhalt sei zum Zeitpunkt der Klageerwiderung nicht erkennbar gewesen, vermag nicht zu überzeugen. Soweit sie sich insoweit auf mögliche Ausgleichsansprüche der Gesellschafter untereinander gemäß § 426 BGB beruft, sind diese nicht Ge-genstand des zu führenden Rechtsstreits, sondern allenfalls dessen Folge. 19 Sonstige Umstände, die es vorliegend rechtfertigen könnten, einen [X.] anzunehmen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 27. Januar 2005 - 12 W 120/04 - Rpfleger 2005, 482 f.; [X.], [X.] vom 5. August 1980 - 11 W 1650/80 - [X.] 1981, 138 f. und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Juni 1997 - 10 W 78/97 - [X.] 1997, 981) sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil belegen die wortgleiche Rechtsverteidigung aller drei [X.] in den Vorinstanzen sowie der [X.], dass sie sich vor dem [X.] - wenn auch in drei [X.] - 8 - ten Rechtsbeschwerdeverfahren - von einem gemeinsamen Prozessbevoll-mächtigten vertreten lassen, dass Interessenkonflikte nicht vorliegen. 21 e) Schließlich bleibt auch der Einwand der Rechtsbeschwerde ohne [X.], die Pflicht zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten hätte für alle drei [X.] die Frage aufgeworfen, wer von ihnen sich dann selbst vertreten dürfe und welche beiden anderen ihn kostenpflichtig zu manda-tieren gezwungen wären. Hier hätte sich vielmehr angeboten, wie üblich die Sozietät zu mandatieren und nicht eines ihrer Mitglieder. Dann wäre keiner der drei [X.] bevorteilt oder benachteiligt gewesen, weil sich die Frage, wer jeweils die Schriftsätze fertigt oder vor Gericht auftritt, ebenso wie die Gebüh-renrechnung nach den auch sonst in dieser Sozietät geltenden Gepflogenheiten gerichtet hätte. 3. Das Beschwerdegericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es nicht selbst in der Sache entscheiden konnte und somit eine Zurückverwei-sung erfolgen musste. Neben dem Mehrvertretungszuschlag gemäß § 6 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]. [X.] 1999, 256, OLG Schleswig [X.] 2003, 1202 und OLG Düsseldorf [X.] 2000, 851 f.) sind nämlich auch noch die von den [X.] nachträglich geltend gemachten Kostenpositionen in die vom Rechtspfleger des [X.]s nachzuholende Prüfung einzubeziehen. 22 II[X.] Der Senat konnte vorliegend seinerseits abschließend über die Kosten des [X.] gemäß § 97 Abs. 1 ZPO entscheiden. Zwar ist der endgültige Ausgang des Kostenfestsetzungsverfahrens wegen der [X.] - 9 - rückverweisung an das [X.] noch offen. Das Rechtsbeschwerdeverfah-ren selbst ist jedoch abgeschlossen und daher kostenrechtlich erledigt. [X.] [X.] [X.] [X.] Bundesrichterin Frau Dr. [X.]
ist urlaubsbedingt verhindert zu
unterschreiben.
[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.01.2006 - 4 O 244/04 - [X.], Entscheidung vom 16.08.2006 - 11 W 31/06 -

Meta

XII ZB 156/06

02.05.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.05.2007, Az. XII ZB 156/06 (REWIS RS 2007, 4016)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4016

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