Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2000, Az. 3 StR 26/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1965

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/00vom14. Juni 2000in der Strafsachegegenwegen schwerer räuberischer [X.] des [X.] hat in der Sitzung vom 14. Juni2000, an der teilgenommen haben:[X.] am [X.],Richterin am [X.]. [X.],[X.] am [X.],[X.],von [X.] als [X.],[X.] als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwalt als Verteidiger,[X.]als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. Auf die Revision des Angeklagten wird das [X.]eil [X.] vom 24. September 1999 auf-gehoben, soweit gegen den Angeklagten die Siche-rungsverwahrung angeordnet worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuerVerhandlung und Entscheidung, auch über [X.] des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des [X.] Die weitergehende Revision des Angeklagten wirdverworfen.Von Rechts wegen Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer [X.] zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Siche-rungsverwahrung angeordnet. Die auf zwei Verfahrensrügen und die [X.] Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat nur in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg.1. Die Befangenheitsrüge versagt. Wie der [X.] in [X.] Zuschrift zu Recht ausgeführt hat, braucht nicht entschieden zu werden, [X.] in der konkreten [X.] verpflichtet gewesen [X.] 4 -dem Antrag des Verteidigers auf Unterbrechung der Hauptverhandlung [X.] einen Tag zur Vorbereitung des Schlußvortrags und [X.] stattzugeben. Gegen eine solche Verpflichtung spricht [X.], daß an diesem Tag die Hauptverhandlung nach der sich aus dem [X.] ergebenden Vorausplanung beendet werden sollte, lediglich [X.] noch ergänzend gehört wurde und auch die Staatsanwalt-schaft in der Lage war, das Ergebnis der sechstägigen Hauptverhandlung un-mittelbar nach Schließung der Beweisaufnahme am Vormittag zusammenzu-fassen. Die Entscheidung der [X.] ist nicht willkürlich. Aus ihr läßt sichnicht die Besorgnis der Befangenheit herleiten.2. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der vorschriftswidrigen Abwesenheitdes Angeklagten in der Hauptverhandlung (§ 338 Nr. 5 StPO) durch [X.] § 231 Abs. 2 StPO. Ihr liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: [X.] war der Angeklagte nicht erschienen. Die [X.] war davon überzeugt, daß der Angeklagte eigenmächtig ausgeblieben war,setzte die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten mit einer ergän-zenden Anhörung eines Sachverständigen sowie mit dem Plädoyer der [X.] fort und führte sie am 7. Hauptverhandlungstag mit dem [X.] Verteidigers und der [X.]eilsverkündung in Abwesenheit des [X.] Ende. Die Revision zieht ein eigenmächtiges Ausbleiben des an diesem [X.] Angeklagten nicht in Zweifel und beanstandet auch die Ermes-sensentscheidung der Kammer, die fernere Anwesenheit des Angeklagten fürentbehrlich zu halten, nicht. Gleichwohl ist sie der Ansicht, die [X.]hätte nicht nach § 231 Abs. 2 StPO verfahren dürfen, weil der auf freiem [X.] Angeklagte bei der Ladung zu den [X.] nicht aufdie Möglichkeit hingewiesen worden war, daß auch ohne ihn weiterverhandelt- 5 -werden könnte. Sie stützt sich dabei auf eine Entscheidung des [X.] (NJW 1970, 1889). Diese Auffassung der Revision teilt der [X.] indesnicht.a) Der Angeklagte ist nach § 231 Abs. 1 StPO grundsätzlich zur unun-terbrochenen Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung ver-pflichtet. Verstößt er gegen diese Verpflichtung, indem er sich aus der [X.] entfernt oder bei der Fortsetzung einer unterbrochenen [X.] ausbleibt, so kann diese nach § 231 Abs. 2 StPO in seiner [X.] zu Ende geführt werden, wenn er über die Anklage schon vernommen warund das Gericht seine fernere Anwesenheit nicht für erforderlich erachtet. [X.] ist allerdings, daß sich der Angeklagte eigenmächtig entfernt odereigenmächtig ausbleibt, d.h., daß er ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldi-gungsgründe wissentlich seiner Anwesenheitspflicht nicht genügt ([X.]St 37,249, 251, 255). [X.] handelt deshalb u.a. derjenige Angeklagte nicht,der in der Fortsetzungsverhandlung ausbleibt, ohne ordnungsgemäß geladenworden zu sein (vgl. [X.]St 38, 271, 273).b) Eine ordnungsgemäße Ladung zum Fortsetzungstermin setzt nichtvoraus, daß der Angeklagte dabei über die möglichen Konsequenzen seinesAusbleibens belehrt wird. Der vom [X.] (NJW 1970, 1889) geäu-ßerten, nicht näher begründeten und die Entscheidung nicht tragenden Ge-genansicht, die in der Literatur teilweise auf Zustimmung gestoßen ist (vgl.[X.]/[X.], StPO 44. Aufl. § 231 Rdn. 14; [X.] in [X.].[X.]. § 229 Rdn. 10, § 231 Rdn. 21; [X.] in [X.].[X.].§ 231 Rdn. 21; [X.] in [X.] § 229 Rdn. 9; [X.] NStZ 1984, 41, 42; ab-lehnend wohl [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 229 Rdn. 7, der- 6 -einen Hinweis nur als möglicherweise angebracht bezeichnet; ebensoTolksdorf in [X.]. § 229 Rdn. 9: [X.]) vermag sich der [X.]nicht anzuschließen.§ 231 Abs. 2 StPO sieht eine solche Belehrung nicht vor. Damit [X.] sich die Regelung von denen in § 216 Abs. 1 Satz 1, § 232 Abs. 1 und§ 323 Abs. 1 Satz 2 StPO, wo Warnungen bzw. Hinweise für den Angeklagtengesetzlich vorgeschrieben sind. Die Verhaftung oder Vorführung des Ange-klagten im Falle unentschuldigten Ausbleibens, die Durchführung der gesam-ten Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten, sowie die Verwerfungder Berufung des Angeklagten ohne [X.] sind jeweils davon ab-hängig, daß dem Angeklagten ein entsprechender Hinweis in der Ladung ge-geben worden ist. Das Gesetz sieht somit dann eine Belehrung vor, wenn esbesonders einschneidende Folgen an das Ausbleiben des Angeklagten knüpft.Bei § 231 Abs. 2 StPO ist die Situation insoweit anders, als der Angeklagte hierbereits zur Sache vernommen worden und die Prozeßlage so gestaltet seinmuß, daß die weitere Anwesenheit des Angeklagten entbehrlich erscheint. [X.] für eine Lücke in der gesetzlichen Regelung bestehen nicht. Eineentsprechende Anwendung der [X.] ist daher nicht geboten.Auch aus dem Begriff der Eigenmacht ergibt sich keine Pflicht zur Beleh-rung (so aber [X.] in [X.].[X.]. § 231 Rdn. 21). Von seinergrundsätzlichen Anwesenheitspflicht hat der Angeklagte durch die [X.]. Ein Hinweis dahingehend, das Gericht könne unter Umständen ohneAnwesenheit des Angeklagten das Verfahren fortsetzen, kann sogar die Gefahrin sich bergen, bei dem Angeklagten die Fehlvorstellung hervorzurufen, daßseine Anwesenheitspflicht beim Fortsetzungstermin nicht mehr [X.] -Der Auffassung des [X.] stehen auch praktische Bedenkenentgegen. Wie der [X.] zurecht ausgeführt hat, könnte eineBelehrungspflicht nicht auf den Fall des Ausbleibens bei der [X.] beschränkt werden, da § 231 Abs. 2 StPO das [X.] gleichstellt. Konsequenterweise müßte daher stets in dem Moment,in dem der Angeklagte nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO Gelegenheit zur umfas-senden Äußerung gehabt hatte (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 231 Rdn. 11; [X.]/[X.], StPO 44. Aufl. § 231Rdn. 19), eine Belehrung des Angeklagten dahin erfolgen, daß er bei eigen-mächtigem [X.] oder Ausbleiben mit der Möglichkeit der Fortführungder Hauptverhandlung in seiner Abwesenheit rechnen müsse, falls das Gerichtseine fernere Anwesenheit nicht mehr für erforderlich erachten würde. [X.] Belehrung brächte erst recht die Gefahr mit sich, daß der Ange-klagte seine Anwesenheit als in seinem Belieben stehend ansieht.3. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hält [X.] nicht stand. Nach § 66 Abs. 4 Sätze 3 und 4 StGB (= § 66 Abs. 3Sätze 3 und 4 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung) bleibt eine [X.] bei der Prüfung der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrungaußer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf [X.] sind, wobei die [X.], in welcher der Täter auf behördliche Anord-nung in einer Anstalt verwahrt worden ist, nicht eingerechnet wird. Den Ur-teilsfeststellungen läßt sich nicht entnehmen, ob in diesem Sinne [X.] vom 16. Februar 1967 eingetreten war, alsder Angeklagte am 20. Dezember 1978 u.a. einen Mordversuch unternahm.Der Angeklagte befand sich zwar innerhalb dieses [X.]raums (11 Jahre, zehnMonate und vier Tage) vom 2. März 1967 bis zu seiner vorzeitigen [X.] 8 -mit Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung am 31. Januar 1974 im [X.] (sechs Jahre, zehn Monate und 29 Tage), jedoch war er in dieser[X.] aus einem ihm gewährten [X.] nicht zurückgekehrt, hatte neueStraftaten begangen und war deshalb später wegen Diebstahls, Urkundenfäl-schung und Führens einer Schußwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von [X.] verurteilt worden ([X.]). Nähere Angaben zu der Dauer [X.] enthält das [X.]eil nicht. Sie läßt sich auch nicht aus den mitge-teilten weiteren Vollstreckungsdaten rückschließen. Da der [X.] nicht aus-schließen kann, daß damit die ohnehin fast verstrichene Verjährungszeit vorder neuen Tat abgelaufen war, muß die Anordnung der Maßregel aufgehobenwerden. Die ihr zugrundeliegenden Feststellungen, insbesondere die zu [X.] dem Angeklagten bestehenden Hang können bestehen bleiben. Der neueTatrichter muß lediglich ergänzende Feststellungen zu den Vollstreckungsda-ten treffen, um über die Maßregel entscheiden zu können. Sollte er feststellen,daß die Tat vom 16. Februar 1967 nicht mehr als Voraussetzung für die Siche-rungsverwahrung in Betracht kommt, so wird er die Maßregel nicht auf § 66Abs. 3 Satz 1 StGB stützen können, da diese Vorschrift erst am 31. [X.] in [X.] getreten ist und nur Anwendung findet, wenn der Täter eine [X.] der dort bezeichneten Art nach diesem Tag begangen hat (Art. 1 aAbs. 2 EGStGB).- 9 -4. Die Verhängung der Freiheitsstrafe ist durch diesen Rechtsfehlernicht zum Nachteil des Angeklagten berührt worden; vielmehr hat das [X.] die Anordnung der Sicherungsverwahrung als bestimmenden Strafmilde-rungsgrund ausdrücklich in den [X.]eilsgründen hervorgehoben. Auch sonst [X.] Überprüfung des [X.]eils keine weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des [X.] ergeben.VRi[X.] [X.] ist erkrankt Ri[X.] Dr. [X.] Winklerund kann daher nicht befindet sich in [X.]. kann daher nicht unterschreiben. Winkler Winkler [X.] von [X.]Nachschlagewerk: ja[X.]St: ja nur zu 2. der [X.]: ja________________StPO § 231 Abs. 2- 10 -Die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nach § [X.]. 2 StPO setzt nicht voraus, daß der Angeklagte über diese Möglichkeit zu-vor belehrt worden ist.[X.], [X.]. vom 14. Juni 2000 - 3 [X.]/00 - [X.]

Meta

3 StR 26/00

14.06.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2000, Az. 3 StR 26/00 (REWIS RS 2000, 1965)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1965

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