Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2017, Az. VI ZB 24/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15682

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:140217BVIZB24.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]

vom

14.
Februar
2017

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 98 Satz 2, § 103 Abs. 1; [X.] § 779
Zur Auslegung eines [X.]s über die "Kosten des Rechtsstreits" bei bereits
vorliegender rechtskräftiger Entscheidung über die Kosten der [X.].

[X.], Beschluss vom 14. Februar 2017 -
VI [X.] -
[X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am 14. Februar
2017
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterinnen von
Pentz und [X.] und [X.] [X.]
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 21. Zivilsenats des [X.] vom 25. Mai 2016 wird [X.].

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die [X.] zu 1 und 2 zu 55 Prozent als Gesamtschuldner, die Beklagte zu 1 zu weiteren
45 Prozent allein.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 45.952,28

Gründe:
I.
Die Parteien streiten über die Reichweite eines Vergleichs über die "Kos-ten des Rechtsstreits"
bei bereits vorliegender rechtskräftiger Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Die [X.] nahmen die Beklagten
wegen eines Brandschadens in Anspruch. Mit Grund-
und Teilschlussurteil erklärte das [X.] die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die von den Beklagten geführten [X.] der Berufung und der Revision blieben im Ergebnis erfolglos. Die Kosten 1
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3

-

der Rechtsmittelzüge erlegte der erkennende Senat
mit
Urteil vom 1. Oktober 2013 den Beklagten auf. Auf Antrag der [X.] setzte die Rechtspflegerin des
[X.]s
mit Beschluss vom 27.
März 2014 die außergerichtlichen Kos-ten der Revisionsinstanz gegen die Beklagten fest, die diese beglichen. In dem sodann vor dem [X.] geführten [X.] verglichen sich die Parteien am 17. Februar 2015. Der Vergleichstext lautet auszugsweise:
"Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die [X.] als Gesamt-schuldner 25 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 75
%."

Auf Antrag der [X.] hat die Rechtspflegerin des [X.]s
am 26. Januar 2016 die Gerichtskosten der Revisionsinstanz
und am 3.
März 2016 die außergerichtlichen
Kosten der Berufungsinstanz im
vollen
Umfang gegen die Beklagten festgesetzt. Der Beklagte zu 3 beglich sämtliche Kosten.
Die von den Beklagten zu 1 und 2 gegen die Beschlüsse vom 26. Januar und vom 3. März 2016 geführten sofortigen Beschwerden hat das [X.], soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch relevant, zurückge-wiesen. Hiergegen wenden sich die Beklagten zu 1 und 2 mit ihrer vom Be-schwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die gemäß § 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übri-gen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Maßgeblich für die
Verteilung der Kosten des [X.] sei die Kostenentscheidung des [X.]
vom 3
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-

1.
Oktober 2013 und nicht die im [X.] vom 17. Februar 2015 ge-troffene Kostenvereinbarung.
Zwar seien unter "Kosten des Rechtsstreits"
dem Wortlaut nach grundsätzlich die
in allen Instanzen entstandenen
gerichtlichen
und außergerichtlichen
Kosten zu verstehen. Vor dem Hintergrund einer bereits vorliegenden rechtskräftigen Grundentscheidung über die
Kosten des [X.]zuges sei die Formulierung aber auslegungsbedürftig. Nach dem [X.] Empfängerhorizont hätten die Beklagten
nicht davon ausgehen können, dass sich die [X.] mit dem von ihnen formulierten
Vergleichsvorschlag dieser ihnen günstigen Rechtsposition begeben wollten.
Auch nach der gesetz-lichen Auslegungsregel des § 98 Satz 2 ZPO sei ohne ausdrückliche Vereinba-rung nicht davon auszugehen, dass die Parteien von rechtskräftigen Kostenent-scheidungen abweichende Regelungen treffen wollen.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
Zutreffend hat das [X.] des Senats vom 1. Oktober 2013 als [X.] der begehrten Kostenfestsetzung herangezogen. Der [X.] der Parteien im [X.] vor dem [X.] vom 17. Februar 2015 ist dagegen insoweit nicht maßgeblich. Er erstreckt sich nicht auf die bereits
von der
genannten rechtskräftigen
Kostengrundentscheidung erfassten -
gerichtli-chen und außergerichtlichen -
[X.]
(vgl. [X.], [X.] 82, 61; [X.], [X.] 1982, 760; [X.], [X.] 1989, 1108; [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2008
-
VI-W ([X.]) 2/08, juris Rn. 8 f.; [X.], [X.], 752; [X.], [X.] 2014, 366; entgegen [X.], [X.] 1996, 593; [X.], [X.] 2006, 357;
[X.] 2012, 428; [X.], Beschluss vom 29.
Januar 2013 -
9
W 45/13, juris Rn.
3).
a) Ob die
tatrichterliche Auslegung eines
[X.]s
im Rechts-beschwerdeverfahren nur darauf
überprüft werden kann, ob anerkannte [X.], gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze,
Erfahrungssät-7
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ze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind
oder ob, weil es sich (auch) um eine Prozesshandlung handelt, die Auslegung eines [X.]s auch hinsichtlich seines materiell-rechtlichen Teils unbeschränkt überprüft und damit selbständig vorgenommen werden kann, wird in der Rechtsprechung nicht
ein-heitlich beantwortet (vgl. für eine uneingeschränkte Überprüfbarkeit: [X.], 244, 249 f.; dagegen: [X.], Urteil vom 4. April 1968 -
VII ZR 152/65, [X.] 1968, 576; offenlassend: [X.], Urteile
vom 11. Mai 1995 -
VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, 1202; vom
8.
Dezember 1999 -
I [X.], NJW-RR 2001, 614, 619; vom 22. Juni 2005 -
VIII ZR 214/04, NJW-RR 2005, 1323, 1324; vom 15.
Januar 2013 -
XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519 Rn.
34
[jeweils zum Revisi-onsverfahren]; [X.]; Beschluss vom 29. September 2011 -
V [X.], juris Rn. 13). Die Frage bedarf hier aber keiner Entscheidung, weil die tatrichterliche Auslegung auch bei deren voller Überprüfbarkeit nicht zu beanstanden wäre.
b) Im Ausgangspunkt
zutreffend beruft sich die Rechtsbeschwerde da-rauf, dass die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung auszugehen hat und die Formulierung "Kosten des Rechtsstreits"
auf eine Vereinbarung über die Kosten aller Instanzen hindeutet. Die Rechtsbeschwerde verkennt jedoch, dass der Wortlaut wegen der hier gegebenen rechtskräftigen
Grundentscheidung über die Kosten der Rechtsmittelzüge
sowie der auf dieser Grundlage bereits erfolg-ten Festsetzung und Bezahlung eines Teils der [X.] nicht ein-deutig
ist
und sich die Vereinbarung nach ihrem Wortlaut auch auf den nach §
308 Abs. 2 ZPO überhaupt noch zur Entscheidung stehenden Teil der Kosten des Rechtsstreits beschränken kann. In einem zweiten [X.] sind daher die außerhalb des [X.] liegenden Begleitumstände in die [X.] einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der [X.] zulassen (vgl. [X.], Urteile
vom 19. Januar 2000
-
VIII ZR 275/98, [X.], 1002, 1003; vom 22. April 2016 -
V [X.], [X.], 640 Rn.
15). Als solche für die Auslegung maßgeblichen Begleitumstände kommt 9
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6

-

vorliegend neben der Interessenlage der Beteiligten ([X.]/[X.], [X.], 76.
Aufl., § 133 Rn.
18 mwN) auch ihr späteres Verhalten in Betracht ([X.], Urteil vom 22. Juni 2005, -
VIII ZR 214/04, NJW-RR 2005, 1323, 1324; [X.]/[X.], [X.], Stand 1.11.2016, § 133 Rn. 25).
Danach ist vorlie-gend von einem engen Verständnis der Kostenvereinbarung auszugehen.
aa)
Zunächst trägt der Zweck eines Vergleichs,
Streit oder Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben im Sinne des
§ 779 Abs. 1 [X.]
zu beseitigen, nicht die Annahme, von den "Kosten des Rechtsstreits"
seien die möglichem Streit und möglicher Ungewissheit durch rechtskräftige Entscheidung bereits entzogenen Kosten des [X.] erfasst.
Im konkreten Fall war weiter zu berücksichtigen, dass die Kostengrund-entscheidung des Senats vom 1. Oktober 2013 auf der in § 97 Abs. 1 ZPO nie-dergelegten Entscheidung des Gesetzgebers beruhte, dass derjenige die Kos-ten des Rechtsmittels trägt, der
es
ohne Erfolg eingelegt hat. Die Beklagten wa-ren im Rechtsmittelzug des Grundverfahrens in vollem Umfang unterlegen. Bei einer vergleichsweisen Einigung im [X.] konnte ein objektiver Er-klärungsempfänger
(vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1967
-
VI
ZR 114/65,
[X.]Z 47, 75, 78; [X.], Urteil vom 1. März 2011 -
II ZR 16/10, NJW 2011, 1666 Rn. 10) bei vernünftiger Beurteilung der den Beklagten bekannten oder erkenn-baren Umstände die von den [X.] angebotene Kostenvereinbarung
nicht auf die diesen bereits rechtskräftig zuerkannten Kosten des [X.] beziehen, weil diese eine von zwei möglichen Auslegungen für die Erklä-renden wirtschaftlich wenig Sinn machte (vgl. [X.], Urteil
vom 21.
Mai 2008
-
IV
ZR 238/06, [X.], 2702 Rn. 30).
bb) Für die vom Beschwerdegericht angenommene Notwendigkeit einer
-
hier gerade nicht vorliegenden
-
ausdrücklichen Einbeziehung streitet zudem 10
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-

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-

die Wertung des § 98 Satz 2 ZPO
([X.], [X.] 82, 61; [X.], [X.] 1989, 1108; [X.], Beschluss vom 16. Dezember 2008
-
VI-W ([X.]) 2/08, juris Rn. 8 f.; [X.], [X.] 2010, 45; [X.],
[X.] 2014, 366). Danach werden im Fall eines Vergleichsschlusses Kosten, über die
bereits rechtskräftig erkannt ist, von der (zur Parteidisposition [X.]) [X.] nicht erfasst. Die
darin zum Ausdruck kommende ge-setzgeberische Wertung fördert
die
Rechtssicherheit. Ansprüche aus voll-streckbaren
Kostentiteln
sollen nicht ohne ausdrückliche Vereinbarung aufge-geben werden
können.
Dies deckt sich
mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, dass
Parteien zwar auf ihre Ansprüche, also auch auf solche aus einer rechtskräfti-gen Kostengrundentscheidung, verzichten können. Ein Angebot auf Abschluss eines hierfür erforderlichen Erlassvertrages muss jedoch unmissverständlich erklärt sein. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hierbei strenge An-forderungen zu stellen, er
darf nicht vermutet werden
(Senatsurteil vom 7.
März 2006
-
VI ZR 54/05, [X.], 1511 Rn.
10;
[X.], Urteil
vom 3. Juni 2008

-
XI
ZR 353/07, [X.], 2842
Rn. 20; konkret zum Verzicht auf Rechte aus einer Kostengrundentscheidung [X.], [X.] 1982, 760; [X.], [X.], 752 f.).
cc) Für das Auslegungsergebnis des [X.] sprechen
zu-dem der Stand der Kostenfestsetzung bei Abschluss des [X.]s
sowie dessen Detaillierungsgrad. Die mit -
hier nicht streitgegenständlichem
-
Beschluss der Rechtspflegerin des [X.]s vom 27. März 2014 festgesetz-ten außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz
waren bei Abschluss des [X.]s
bereits beglichen, so dass aus Sicht der [X.] eine rückwirkende Abänderung der Kostenregelung
fernlag. Zudem hätte der detail-lierte, sogar das Innenverhältnis der Beklagten zu 1 bis 3 ausführlich regelnde
13
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-

Vergleichstext, wenn man die Ansicht der Beschwerdeführer zugrunde
legt, konsequenterweise einen Rückabwicklungsanspruch berücksichtigen müssen. Dies war nicht der Fall.
Gegen die Annahme einer stillschweigenden Einbeziehung
spricht au-ßerdem, dass die Parteien
bei Berücksichtigung der bereits rechtskräftig er-kannten
Kosten einen [X.] [X.] geschlossen hätten. Es ist nicht ersichtlich, dass dies beabsichtigt gewesen
wäre. Insbesondere ist ein Vergleichsmehrwert nicht ausgewiesen worden.
dd) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 3, der sich dem Beschwerde-
und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht angeschlossen hat, zwischenzeitlich sämtliche Kostenforderungen der [X.]
beglichen hat. Der Beklagte zu
3 ist folglich offensichtlich von demselben Verständnis der [X.] ausgegangen wie die [X.] und das [X.]. Das nachträgliche Verhalten der Parteien kann zwar den objektiven [X.] nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten; insoweit
ist es bei der Auslegung einzubeziehen (vgl. [X.], Beschluss vom 24. November 1993 -
BLw 57/93, [X.], 267 un-ter III; Urteile
vom 16.
Oktober 1997 -
IX ZR 164/96, NJW-RR 1998, 259, unter

15
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9

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II 3 b; vom 26. November 1997 -
XII ZR 308/95, NJW-RR 1998, 801, 803; vom 22. Juni 2005 -
VIII ZR 214/04, NJW-RR 2005, 1323, 1324).
Galke
[X.]
von Pentz

[X.]
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.01.2016 -
5 [X.]/06 -

[X.], Entscheidung vom 25.05.2016 -
[X.] W 8/16 + [X.] W 10/16 -

Meta

VI ZB 24/16

14.02.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2017, Az. VI ZB 24/16 (REWIS RS 2017, 15682)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15682

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 24/16

XI ZR 22/12

V ZR 189/15

II ZR 16/10

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