Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, Az. 6 AZR 89/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 932

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Gegenstand

Verzögerung des Stufenaufstiegs durch die Inanspruchnahme von Elternzeit


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. September 2011 - 4 [X.] - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 25. März 2011 - 31 [X.] - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 113,50 Euro brutto nebst Zinsen hieraus von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 6. August 2010 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu 4/5, die Beklagte zu 1/5 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob sich der Stufenaufstieg des [X.] im tariflichen Entgeltsystem der [X.] durch die Inanspruchnahme von Elternzeit verzögert hat.

2

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden [X.] die Tarifverträge der [X.]. Der Kläger befand sich vom 22. Oktober 2008 bis zum 21. Oktober 2009 in Elternzeit. Dies hatte zur Folge, dass die Beklagte den Kläger erst zum 1. April 2010 und nicht bereits zum 1. April 2009 der Stufe 3 seiner [X.] zuordnete.

3

Der Kläger begehrt nach fristgerechter, erfolgloser Geltendmachung die Entgeltdifferenz zwischen der Stufe 2 und der Stufe 3 der [X.] T 7 für die [X.] vom 22. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 597,15 Euro brutto.

4

Der Manteltarifvertrag ([X.]) vom 1. März 2004 bestimmt [X.].:

        

„§ 10 Betriebszugehörigkeit

        

(1)     

Als [X.] der Betriebszugehörigkeit gilt die bei der [X.] in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Beschäftigungszeit, soweit dieser Tarifvertrag nichts anderes bestimmt. …

        

…       

        
        

(5)     

[X.]en einer Freistellung ohne Fortzahlung des Entgelts werden bis zur Dauer eines Monats auf die [X.] der Betriebszugehörigkeit angerechnet.“

5

Der Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV) idF vom 7. Juni 2006 bestimmt auszugsweise:

        

„§ 11 Gruppenstufen

        

(1)     

Der Arbeitnehmer ist entsprechend seiner Beschäftigungszeit innerhalb derselben [X.] einer Gruppenstufe zugeordnet (Gruppenstufenzugehörigkeit).

        

(2)     

Es erhalten Arbeitnehmer mit einer Gruppenstufenzugehörigkeit

                 

bis zu 1 Jahr

das Monatsentgelt der Stufe 1,

                 

von mehr als 1 Jahr

das Monatsentgelt der Stufe 2,

                 

von mehr als 2 Jahren

das Monatsentgelt der Stufe 3,

                 

von mehr als 3 Jahren

das Monatsentgelt der Stufe 4.

        

(3)     

Als Dauer der Beschäftigung im Sinne von Absatz 1 gelten die [X.]en einer Beschäftigung in der Eingruppierungsentgeltgruppe seit dem [X.]punkt der Eingruppierung sowie einer während dieser [X.] erfolgten vorübergehenden Beschäftigung in einer anderen [X.]. [X.]en einer vorübergehenden Beschäftigung in einer höheren [X.] sind bei der Zuordnung in die Gruppenstufe im Falle der Höhergruppierung anzuerkennen, soweit hierfür eine Tätigkeitszulage gezahlt wurde.

        

…       

        
        

(6)     

Bei einer Höhergruppierung erhält der Arbeitnehmer so lange das Monatsentgelt nach der Gruppenstufe der höheren [X.], das am nächsten über seinem bisherigen Monatsentgelt liegt, bis ihm auf Grund seiner Beschäftigungszeit in der neuen [X.] eine höhere Gruppenstufe zusteht. Die für die Gruppenstufe der höheren [X.] geforderte zeitliche Mindestzugehörigkeit gilt als erfüllt. Darüber hinaus werden die in der niedrigeren [X.] verbrachten vollen Kalendermonate der letzten Gruppenstufenzugehörigkeit zur Hälfte in der neuen Gruppenstufe angerechnet, höchstens aber fünf Monate; hierbei bleiben Bruchteile von Monaten unberücksichtigt.“

6

Der Kläger hat geltend gemacht, § 11 ERTV knüpfe bei der Berechnung der Beschäftigungszeit nicht an die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, sondern ebenso wie § 10 [X.] nur an die formale [X.]dauer an. Bei anderer Auslegung werde höherrangiges Recht verletzt. Soweit § 10 Abs. 5 [X.] [X.]en der Freistellung von der Anrechnung ausnehme, sei Elternzeit davon nicht erfasst. Jedenfalls müsse § 6 Abs. 4 Satz 2 ArbeitsplatzschutzG analog auf ihn angewandt werden. Ohnehin sei der Kläger auch während der Elternzeit aktiv in den Arbeitsprozess eingebunden gewesen. Er habe sich durch ein Home-Office ständig informieren können und sei auf dem aktuellen Stand gewesen, als er im Oktober 2009 aus der Elternzeit zurückgekommen sei.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 597,15 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags geltend gemacht, § 11 ERTV solle Erfahrungswissen honorieren. Nur [X.]en des tatsächlich vollzogenen Arbeitsverhältnisses könnten daher berücksichtigt werden.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren, die Klage abzuweisen, weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat zum größten Teil Erfolg. [X.]en, in denen das Arbeitsverhältnis aufgrund von Elternzeit ruht, sind auf die Gruppenstufenzugehörigkeit iSd. § 11 [X.] nur bis zu einem Monat anzurechnen. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung des § 10 Abs. 5 [X.]. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt darin nicht. § 6 Abs. 4 Satz 2 [X.] ist nicht analog anzuwenden.

I. Weder § 11 [X.] noch andere Bestimmungen dieses Tarifvertrags enthalten eine Definition des Begriffs der Beschäftigungszeit. Aus den Begriffen „Beschäftigungszeit“ bzw. „Dauer der Beschäftigung“ in § 11 [X.] allein kann der Bedeutungsgehalt der tariflichen Regelung nicht erschlossen werden. Der Begriff der Beschäftigung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht auf [X.] beschränkt, sondern kann auch einen Dauerzustand beschreiben, der Unterbrechungen zulässt, ohne den Dauerzustand zu beenden oder im Charakter zu verändern ([X.] 17. Mai 2011 - 9 [X.] - Rn. 17, [X.]E 138, 58). Mit „Beschäftigungszeit“ kann deshalb die Dauer des Arbeitsverhältnisses gemeint sein. Insbesondere im Zusammenhang mit Tarifvorschriften, die die Zuordnung zu einer bestimmten Entwicklungsstufe einer [X.] regeln, ist aber auch ein Verständnis dieses Begriffs dahin möglich, dass es auf die Dauer der Ausübung einer bestimmten Beschäftigung ankommt ([X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 14). Welche konkrete Bedeutung Tarifvertragsparteien diesem Begriff geben wollen, lässt sich deshalb nur aus dem jeweiligen [X.] und dem Zweck der Norm ermitteln.

II. Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass die Bedeutung des Begriffs der Beschäftigungszeit iSd. § 11 Abs. 1 [X.] unter Heranziehung der Begriffsdefinition in § 10 Abs. 1 [X.] zu ermitteln ist. Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass [X.]en einer Freistellung ohne Fortzahlung des Entgelts gemäß § 10 Abs. 5 [X.] nur bis zur Dauer eines Monats auf diese [X.] angerechnet werden.

1. Was die Tarifvertragsparteien unter Beschäftigungszeit verstehen, haben sie in § 10 [X.] deutlich gemacht. Gemeint ist die [X.] der Betriebszugehörigkeit und damit die Dauer des Arbeitsverhältnisses. Es ist - jedenfalls wenn die Tarifverträge wie vorliegend ein einheitliches Regelungswerk bilden und keine besonderen Hinweise auf ein anderes Begriffsverständnis vorliegen - davon auszugehen, dass dieselben Tarifvertragsparteien gleiche Begriffe in verschiedenen Tarifverträgen auch grundsätzlich mit gleichem Bedeutungsgehalt verwenden (vgl. [X.] 8. Juli 2009 - 10 [X.] - Rn. 30). Aus dem Bezug auf das Arbeitsverhältnis in § 10 Abs. 1 [X.] ergibt sich, dass es für die Beschäftigungszeit nur auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt. Dies wird durch Abs. 5 der Vorschrift, der [X.]en der Freistellung ohne Fortzahlung von Entgelt, die länger als einen Monat andauern, von der Anrechnung ausdrücklich ausnimmt, bestätigt. Diese Regelung wäre nicht erforderlich, wenn [X.]en ohne tatsächliche Arbeitsleistung ohnehin nicht zu berücksichtigen wären.

Hätten die Tarifvertragsparteien die Beschäftigungszeit im Rahmen von § 11 [X.] abweichend von § 10 [X.] rein tätigkeitsbezogen verstanden wissen und nur die tatsächlich ausgeübte (aktive) Tätigkeit berücksichtigen wollen, wie die Revision annimmt, hätten sie dies deutlich machen müssen. Insbesondere hätten sie regeln müssen, welche Folgen kurze Unterbrechungen, vor allem wegen Arbeitsunfähigkeit unter Entgeltfortzahlung und Inanspruchnahme von Urlaub, die für den mit dem [X.] honorierten [X.] typischerweise unschädlich sind (vgl. [X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 79, [X.]E 137, 80), für die Gruppenstufenzugehörigkeit und den [X.] haben sollen. Daran fehlt es.

2. Die Tarifvertragsparteien haben allerdings in § 10 Abs. 5 [X.] festgelegt, dass [X.]en einer Freistellung ohne Fortzahlung des Entgelts und damit auch die Elternzeit nur bis zur Dauer eines Monats auf die [X.] der Betriebszugehörigkeit und damit auf die Beschäftigungszeit anzurechnen sind. Deshalb war der Kläger nicht schon, wie von ihm begehrt, mit Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 22. Oktober 2009, sondern erst zum 1. März 2010 der von ihm begehrten Stufe zuzuordnen.

a) § 10 Abs. 5 [X.] regelt auch die Folgen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses infolge der Inanspruchnahme von Elternzeit. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung erfasst § 10 Abs. 5 [X.] nicht nur Fälle, in denen die Freistellung einer Zustimmung oder Genehmigung des Arbeitgebers und damit eines Tätigwerdens des Arbeitgebers bedarf. „Freistellung“ bedeutet „befreien, beurlauben, suspendieren“ ([X.] Das Synonymwörterbuch 5. Aufl. Stichwort: „freistellen“ Nr. 2). Dementsprechend führt nach allgemeinem Verständnis die Elternzeit zu einer Freistellung von der vertraglich vereinbarten Arbeitspflicht unter Ruhen der beiderseitigen Hauptpflichten (vgl. [X.] 19. April 2005 - 9 [X.] - zu II 3 b hh der Gründe, [X.]E 114, 206; vgl. bereits zum Erziehungsurlaub iSv. § 15 BErzGG [X.] 6. Oktober 1993 - 10 [X.] -; 10. Mai 1989 - 6 [X.] - zu [X.] 1 e der Gründe, [X.]E 62, 35; [X.]/[X.] Mutterschutzgesetz, [X.]elterngeld- und [X.] 8. Aufl. Vor § 15 bis 21 [X.] vor Rn. 4, Rn. 5). Insoweit gilt nichts anderes als für den Begriff der „Arbeitsbefreiung“, der nicht nur Fälle erfasst, in denen es durch gestaltenden Akt des Arbeitgebers zu einer derartigen Befreiung kommt, sondern auch einseitige Erklärungen des Arbeitnehmers wie Elternzeit und Streik (vgl. [X.] 30. Oktober 2012 - 1 [X.] 794/11 - Rn. 14).

b) Aus den Feststellungen des [X.]s ergibt sich nicht, ob der Kläger bereits vor der streitbefangenen Elternzeit andere Freistellungen, insbesondere wegen Elternzeit, in Anspruch genommen hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. § 10 Abs. 5 [X.] kann nicht dahin verstanden werden, dass es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses insgesamt nur zu „einer“ mit höchstens einem Monat anzurechnenden Freistellung kommen kann.

3. Die aus § 10 Abs. 5 [X.] folgende Begrenzung der Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit steht im Einklang mit höherrangigem Recht.

a) Der [X.] nach § 11 [X.] soll den Zuwachs an Erfahrungswissen honorieren.

aa) Zwar haben dies die Tarifvertragsparteien des [X.] nicht ausdrücklich geregelt. Sie haben jedoch den [X.] von in derselben [X.] verbrachten (Beschäftigungs-)[X.]en und damit von der zunehmenden Erfahrung des Arbeitnehmers bei der Ausübung seiner Tätigkeit abhängig gemacht. Daraus folgt, dass der [X.] den Zuwachs an Erfahrungswissen belohnen soll (vgl. [X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] 578/09 - Rn. 26).

bb) Diese Auslegung wird bestätigt durch die Regelung bei [X.] in § 11 Abs. 6 [X.]. Danach beginnt die Stufenlaufzeit in der Stufe, der der Arbeitnehmer nach der Höhergruppierung zugeordnet worden ist, im Grundsatz neu zu laufen (§ 11 Abs. 6 Satz 1 [X.]). Es werden höchstens fünf Monate der in der niedrigeren [X.] zuletzt zurückgelegten Gruppenstufenzugehörigkeit berücksichtigt (§ 11 Abs. 6 Satz 3 [X.]). Soweit der Arbeitnehmer in der höheren [X.] nicht der Stufe 1 zugeordnet wird, sondern der Stufe, aus der er ein Entgelt erzielt, das am nächsten über seinem bisherigen Monatsentgelt liegt (§ 11 Abs. 6 Satz 1 [X.]), dient diese Regelung allein dem Bestandsschutz und soll Einkommensverluste durch Beförderungen verhindern (vgl. zu diesem Regelungszweck des ähnlich strukturierten § 17 Abs. 4 Satz 1 TV-L [X.] 24. Oktober 2013 - 6 [X.] 964/11 - Rn. 22). Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 [X.] „gilt“ die erforderliche Laufzeit insoweit als erfüllt, wird also lediglich fingiert.

cc) Ausgehend von diesem tariflichen Regelungszweck sind [X.]en, in denen das Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten ruht, nur in dem ausdrücklich in § 10 Abs. 5 [X.] geregelten Umfang auf die Gruppenstufenzugehörigkeit anzurechnen. Für den [X.] kommt es grundsätzlich auf den Erwerb beruflicher Erfahrung in einer Leistungsbeziehung und damit - wenn die Tarifvertragsparteien nicht wie vorliegend in § 10 Abs. 5 [X.] abweichende Regelungen treffen - auf ein tatsächlich vollzogenes Arbeitsverhältnis an (vgl. [X.] 21. Mai 2008 - 5 [X.] 187/07 - Rn. 18, [X.]E 126, 375). Während der Elternzeit wird keine Berufserfahrung erworben (vgl. [X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 36, [X.]E 137, 80). Die Elternzeit ist deshalb nur im tariflich vorgesehenen Umfang, also mit einem Monat, als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen.

b) Die Deckelung der für die Stufenlaufzeit berücksichtigungsfähigen Elternzeit auf einen Monat durch § 11 Abs. 1 [X.] iVm. § 10 Abs. 5 [X.] verletzt höherrangiges Recht nicht.

aa) § 11 [X.] führt auch dann nicht zu einer nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG untersagten mittelbaren Diskriminierung wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit, wenn zugunsten des [X.] unterstellt wird, dass weibliche Beschäftigte, die Elternzeit in Anspruch nehmen, im Vergleich zu anderen Beschäftigten, bei denen wegen Unterbrechungen in der tatsächlichen Tätigkeit die Stufenlaufzeit ebenfalls gehemmt wird, in besonderer Weise nachteilig betroffen sind (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegung [X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 27 ff., [X.]E 137, 80).

(1) Einem Anspruch des [X.] aufgrund einer mittelbar geschlechtsdiskriminierenden tariflichen Regelung stünde nicht entgegen, dass er dem potentiell benachteiligten weiblichen Geschlecht nicht angehört. Führte § 11 [X.] zu einer mittelbaren Diskriminierung von Arbeitnehmern, die Elternzeit beanspruchen, weil Frauen durch diese Regelung in besonderer Weise nachteilig betroffen wären, könnte dem Kläger ein Anspruch auf Berücksichtigung der [X.]en, in denen sein Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit geruht hat, bei der Berechnung der Gruppenstufenzugehörigkeit nicht vorenthalten werden. Eine derartige mittelbare Geschlechtsdiskriminierung führte dazu, dass Frauen Anspruch auf Berücksichtigung der Elternzeit bei der Berechnung der Gruppenstufenzugehörigkeit hätten. Würde dem Kläger als Angehörigen des männlichen Geschlechts eine derartige Anrechnung der Elternzeit verwehrt, wäre er seinerseits unmittelbar wegen seines Geschlechts diskriminiert und hätte deswegen Anspruch auf die Berücksichtigung der Elternzeit (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/AEUV 4. Aufl. Art. 157 AEUV Rn. 65).

(2) Berücksichtigt eine tarifliche Regelung, die den Erwerb von Berufserfahrung mit Entgeltsteigerungen honoriert, [X.]en, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit ruht und deshalb keine Berufserfahrung erworben wird, nicht oder wie vorliegend nur eingeschränkt, führt dies zu keiner mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung ([X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 31 ff., [X.]E 137, 80).

bb) Auch Art. 6 GG ist nicht verletzt ([X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 71 ff., [X.]E 137, 80).

III. § 6 Abs. 4 Satz 2 [X.] ist entgegen der Ansicht des [X.] nicht analog auf den vorliegenden Fall anzuwenden ([X.] [X.] 2009, 11, 13). Das Regelungssystem des Arbeitsplatzschutzgesetzes ist, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, nicht unvollständig, so dass bereits deshalb kein Raum für eine analoge Gewährung der in § 6 Abs. 4 Satz 2 [X.] vorgesehenen Zulage ist (vgl. zu dieser Voraussetzung einer Analogie [X.] 24. Mai 2012 - 6 [X.] 679/10 - Rn. 16). Der Gesetzgeber hat den Ausgleich wirtschaftlicher Verluste durch den verzögerten Aufstieg in den Stufen eines an Berufserfahrung anknüpfenden Entgeltsystems in diesem Gesetz bewusst auf die in § 6, § 16, § 16a [X.] geregelten Fälle des Wehrdienstes, Dienstleistungen iSd. Soldatengesetzes sowie Hilfeleistungen iSv. § 6c und § 6d des Wehrpflichtgesetzes beschränkt. Für weiter reichende Ansprüche hat er jedenfalls für den Bereich der Privatwirtschaft keinen Regelungsbedarf gesehen (zum möglichen Anspruch der Beschäftigten des [X.] auf die Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit aus § 9 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG und/oder § 15 Abs. 3 und Abs. 4 BGleiG vgl. v. Roetteken AGG Stand September 2008 § 3 Rn. 161).

IV. Für seine Behauptung, er habe auch während seiner Elternzeit bestimmte Tätigkeiten ausgeführt, habe sich aufgrund eines [X.] ständig informieren können und sei auf aktuellem Stand gewesen, als die Elternzeit beendet gewesen sei, ist der Kläger beweisfällig geblieben. Es kommt daher nicht darauf an, inwieweit der Arbeitnehmer auch während der Elternzeit Berufserfahrung iSv. § 11 Abs. 1 [X.] erwerben kann (vgl. zum Erfordernis einer Eingliederung in die betriebliche Organisation zur Berücksichtigung von Erfahrungszeiten iSd. § 17 TVöD-AT [X.] 27. Januar 2011 - 6 [X.] - Rn. 86, [X.]E 137, 80).

V. Die streitbefangene Entgeltdifferenz betrug unstreitig 113,50 Euro monatlich. Aufgrund der Anrechnung von einem Monat der Elternzeit auf die Gruppenstufenzugehörigkeit ist der Kläger bereits am 1. März 2010 und nicht erst am 1. April 2010 in die Stufe 3 aufgestiegen, so dass ihm der für März 2010 eingeklagte Betrag zuzusprechen war.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge     

        

        

        

    M. Geyer    

        

    Steinbrück    

                 

Meta

6 AZR 89/12

21.11.2013

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 25. März 2011, Az: 31 Ca 9668/10, Urteil

§ 1 TVG, § 7 Abs 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, § 3 Abs 2 AGG, § 1 AGG, Art 6 GG, § 6 Abs 4 S 2 ArbPlSchG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013, Az. 6 AZR 89/12 (REWIS RS 2013, 932)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 932

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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