Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2018, Az. IX ZB 15/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 9960

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:260418BIXZB15.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 15/16

vom

26. April 2018

in dem Verfahren
auf Vollstreckbarerklärung
einer ausländischen Entscheidung

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die Richterin [X.], [X.] [X.], Dr.
Schoppmeyer und Meyberg

am
26. April 2018
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde
gegen den
Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 16. Februar 2016
wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erwirkte am 4. Mai 2009 eine Entscheidung des Stadtgerichts von [X.], [X.], nach welcher der zwischenzeitlich ver-storbene Vater der Antragsgegner

S.

(fortan: Erblasser)
einen Betrag von 2.500.000 [X.] nebst Zinsen und Kosten
an sie
zu zahlen hatte. Mit Beschluss vom 9. Januar 2012 ordnete das [X.] an, dass die Entscheidung
mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen sei. Auf die sofortige
Beschwerde des Erblassers
hob das [X.] den Beschluss vom 9. Januar 2012 auf und wies den Antrag auf [X.]
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erklärung ab, weil die in diesem Verfahren
vorgelegte Bescheinigung des Stadtgerichts von [X.] das Datum der Zustellung des verfahrenseinleiten-den Schriftstücks nicht auswies; dass der Erblasser
sich, wie die Antragstellerin behauptet hatte,
auf das Verfahren eingelassen hatte, vermochte das Be-schwerdegericht
nicht festzustellen.

Nunmehr beantragt die Antragstellerin
erneut, die Entscheidung des Stadtgerichts von [X.]
für vollstreckbar zu erklären. Das Landgericht
hat antragsgemäß entschieden. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des [X.] aufgehoben und den Antrag abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Antragstellerin die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Antragsgegner erreichen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist
gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 15 [X.], Art. 44 [X.]
statthaft
(§ 15
Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO). Sie ist jedoch unzulässig.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.] (§
15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 2 ZPO).

1.
Auf das Verfahren ist die Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 (fortan: [X.] aF) anzuwenden.
Diese Verordnung ist in [X.] am 1. März 2002 und in [X.] mit dessen Beitritt zur [X.] am 1. Mai 2004 2
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in [X.] getreten.
Das
Verfahren, welches dem für vollstreckbar zu erklärenden Titel zugrunde liegt, ist
nach dem Inkrafttreten der Verordnung eingeleitet [X.] (Art. 66 Abs. 1, Art. 76 [X.] aF). Die Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent-scheidungen in Zivil-
und Handelssachen ([X.] Ia-VO)
ist hier nicht anwend-bar. Sie gilt
erst
ab dem 10. Januar 2015 (vgl. Art. 81 [X.] Ia-VO) für [X.], die am 10. Januar 2015 oder danach eingeleitet worden sind (Art. 66
[X.] Ia-VO).

2.
Gemäß Art. 45 [X.] aF
durfte
die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Gründe
versagt oder [X.] werden. Gemäß Art. 34 Nr. 2 [X.]
aF
wurde
eine Entscheidung dann nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hatte, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwerti-ges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden war, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hatte
gegen die Ent-scheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.
Die Voraussetzungen dieser Bestimmung hat das Beschwerdegericht bejaht, ohne dass insoweit ein Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO) ersichtlich wäre.

a) Ob die notwendigen Förmlichkeiten des Verfahrens eingehalten [X.] sind, insbesondere ob das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig zugestellt worden ist, war gemäß Art. 54 [X.] aF
anhand einer Bescheini-gung zu prüfen, welche das Gericht des [X.] unter Verwendung des Formblatts gemäß Anhang V der [X.] aF
ausstellte
und welche der An-tragsteller gemäß Art. 53 Abs. 2 [X.] aF vorzulegen hatte. Eine entspre-chende Bescheinigung des Stadtgerichts [X.] vom 21. September 2012
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hat die Antragstellerin vorgelegt.
Nach dieser Bescheinigung ist dem Erblasser
das verfahrenseinleitende Schriftstück
am 22. Mai 2009
zugestellt worden.

b) Welche Beweiskraft einer Bescheinigung
nach Art. 54 [X.]VVO aF
zu-kam, ist im
Urteil
des [X.]
vom 6. September 2012
([X.]/10, [X.] 2013, 427) hinreichend geklärt worden. Die
zuständigen Stel-len des Vollstreckungsmitgliedstaats
durften
im ersten Verfahrensabschnitt nur prüfen, ob die Förmlichkeiten für die Vollstreckbarkeit erfüllt waren
(Art. 41 [X.] aF). Im Rechtsbehelfsverfahren hatte
dagegen gemäß Art. 45
[X.] aF eine Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Art. 34
und
35 [X.] aF zu erfolgen. Insbesondere war die
ordnungs-gemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder eines gleich-wertigen Schriftstücks gemäß Art. 34 Nr. 2 [X.] aF
zu prüfen.
Die [X.] nach Art. 54 [X.] aF schränkte
den Umfang der [X.] des zuständigen Gerichts nicht ein. Dies folgte zum einen
daraus, dass für die Ausstellung der Bescheinigung nicht notwendig das Gericht oder die Behörde zuständig war, welches oder welche die zu vollstreckende Ent-scheidung erlassen hatte; der Bescheinigung kam daher nur die Aussagekraft einer bloßen Auskunft zu ([X.], aaO Rn. 36). Zum anderen enthielt die [X.] nur das Datum der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schrift-stücks, nicht jedoch Angaben über die Modalitäten der Zustellung oder über die Anschrift des Beklagten, die zweckdienlich gewesen wären, um nachzuprüfen, ob sich der Beklagte verteidigen konnte ([X.], aaO Rn. 37).
Das Verbot einer Nachprüfung in der Sache galt nach den Art. 36 und 45 Abs. 2 [X.] aF nur hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidung des [X.]
([X.], aaO
Rn. 34 f),
stand also einer umfassenden Nachprüfung der ordnungsgemä-ßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht entgegen.

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c) In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das Beschwerdege-richt geprüft, ob die Bescheinigung vom
21. September 2012
die ordnungsge-mäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks
beweise. Es hat [X.] Frage verneint, weil das Stadtgericht [X.] in dieser Sache insgesamt drei unterschiedliche Bescheinigungen ausgestellt habe; zudem habe der [X.] bereits im ersten Verfahren detailliert vorgetragen und urkundlich belegt, dass er seinen Wohnsitz in [X.] bereits Anfang Februar 2009 aufgegeben habe.
Verfahrensgrundrechte der Antragstellerin wurden insoweit nicht verletzt. Insbesondere hat das Beschwerdegericht die Urkunde des Stadtgerichts
[X.] vom 12. Dezember 2015 zur Kenntnis genommen, in der es heißt, der Punkt 4.4 sei in der früheren Bescheinigung nicht ausgefüllt worden. Eine Divergenz zum Beschluss des [X.] vom 4. Dezember 2013 (5
W 13/13, juris) liegt nicht vor. Das [X.] misst in dieser Entscheidung der Bescheinigung nach § 54 [X.] aF zwar die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zu. Das Beschwerdegericht hat eine Anwendung des § 415 ZPO
(rich-tig: § 418 Abs. 1 ZPO)
jedoch
nicht generell, sondern wegen der [X.] abweichenden Bescheinigungen abgelehnt.

d) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist das Beschwerdege-richt auch nicht von der Rechtsprechung des [X.] zum Beweis-wert ausländischer Urkunden abgewichen.
Grundsätzlich
kommt
einer
auslän-dischen öffentlichen Urkunde derselbe Beweiswert zu wie einer [X.] öf-fentlichen Urkunde ([X.], Beschluss
vom 16. Januar 2007

[X.], NJW-RR 2007, 1006 Rn. 13; BVerwG NVwZ 2010, 1162 Rn. 5; [X.]/Jonas/
Berger, ZPO, 23. Aufl., § 415 Rn. 17; [X.]/[X.], 5. Aufl., §
415 Rn. 15; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 9. Aufl., §
415 Rn. 9; [X.]/
[X.], ZPO, 32. Aufl., § 415 Rn. 3). Darauf kommt es nicht an. Das Be-schwerdegericht misst der Bescheinigung keine Beweiswirkung bei, weil das 8
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Stadtgericht von [X.] in zuvor ausgestellten früheren Bescheinigungen kein Zustellungsdatum ausgewiesen hat. Damit stellt das Beschwerdegericht die Grundsätze zur Beweiswirkung einer ausländischen öffentlichen Urkunde nicht in Frage. Da die Bescheinigung nach Art. 54 [X.] aF keine vor der Behörde oder der [X.] abgegebene Erklärung betrifft, kommt allein eine Anwendung von § 418 ZPO in Betracht. Danach begründet eine von einer Behörde ausgestellte Bescheinigung vollen Beweis der darin bezeugten Tatsa-chen, sofern das Zeugnis auf der eigenen Wahrnehmung der Behörde oder der [X.] beruht (§ 418 Abs. 1, 3 ZPO). Damit könnte einer Bescheini-gung nach Art. 54 [X.] aF hinsichtlich der [X.] und -zeit nur dann eine Beweiswirkung gemäß § 418 ZPO zukommen, wenn das [X.] die Zustellung selbst vorgenommen hat. Hierzu haben die [X.] keinen Vortrag gehalten.

Eine weitergehende Beweiskraft der Urkunde erfordert eine entspre-chende gesetzliche Anordnung (§ 418 Abs. 3 ZPO). Hinsichtlich der Bescheini-gung nach Art. 54 [X.] aF fehlt eine solche gesetzliche Anordnung. Diese folgte
insbesondere nicht aus den Vorschriften der [X.] aF über das Ver-fahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer
Entscheidungen.
Nach dem oben zitierten Urteil des [X.] vom 6. September 2012
([X.]/10, [X.] 2013, 427 Rn. 36)
hatte
die Bescheinigung nach Art. 54 [X.] aF
nur
im ersten Abschnitt des Verfahrens Bindungswirkung, in wel-chem
die vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu kontrollieren waren
([X.] IPrax 2013, 427 Rn. 28 f). Im zweiten Verfahrensabschnitt vor dem Beschwerdege-richt
kam
der Bescheinigung dagegen
lediglich
der Beweiswert einer Auskunft zu
([X.], aaO Rn. 36).
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3.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 17 Abs. 2 [X.], § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.

Kayser
[X.]
Pape

Schoppmeyer
Meyberg

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.04.2015 -
1 [X.]/15 -

OLG [X.], Entscheidung vom 16.02.2016 -
I-3 [X.]/15 -

11

Meta

IX ZB 15/16

26.04.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2018, Az. IX ZB 15/16 (REWIS RS 2018, 9960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9960

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZB 15/16

3 W 157/15

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