Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2010, Az. V ZR 60/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 477

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES UR[X.]IL [X.] 60/10 Verkündet am: 10. Dezember 2010 Weschenfelder, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 10 Abs. 2 Satz 2, § 23 [X.] § 134 a) Ein Wohnungseigentümer, der mit der Zahlung von Beiträgen in Verzug ist, kann deswegen nicht von der Wohnungseigentümerversammlung ausge-schlossen werden; ihm kann auch nicht das Stimmrecht entzogen werden. b) Die Ungültigerklärung von Beschlüssen scheidet in der Regel aus, wenn feststeht, dass sich ein [X.] auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat; anders verhält es sich jedoch bei schwerwiegenden Eingriffen in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines [X.] in gravierender Weise ausgehebelt wird. [X.], Urteil vom 10. Dezember 2010 - [X.] 60/10 - [X.]AG [X.] - 2 -
Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 10. Dezember 2010 durch [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], Dr. [X.]t-Räntsch und [X.] und die Richterin Dr. [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des [X.] vom 17. März 2010 wird [X.]. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagten. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Parteien bilden die im Rubrum näher bezeichnete [X.]. § 10 Nr. 4 der Teilungserklärung ([X.]) lautet: 1 —Die Versammlung kann einen Wohnungseigentümer, der mit Zahlungen von Beiträgen länger als einen Monat in Verzug ist, von der Teilnahme an der Eigentümerversammlung und der Abstimmung ausschließen. Der Betroffene hat hierbei kein Stimmrecht. Mit vollständiger Zahlung der Rückstände entfällt die Wirkung obigen [X.] Auf der Versammlung vom 11. Juli 2008 beschlossen die [X.] den Entzug des Stimmrechts und den Ausschluss derjenigen Woh-nungseigentümer von der Versammlung, die mit ihren [X.] mehr als einen Monat in Verzug waren. Aufgrund dessen konnte die Klägerin nicht mehr weiter an der Versammlung teilnehmen. Mit ihrer Klage wendet sich 2 - 3 - die Klägerin gegen sämtliche Beschlüsse, die auf der Versammlung gefasst wurden. Hierzu vertritt sie die Auffassung, die Entziehung des Stimmrechts und der Ausschluss von der Versammlung seien ebenso nichtig wie die nach ihrem Ausschluss gefassten Beschlüsse. Zumindest aber seien sämtliche Beschlüsse für ungültig zu erklären. Darüber hinaus hat sich die Klägerin gegen [X.] gewandt, die auf einer vorangegangenen Versammlung der [X.] beschlossen worden waren. Das Amtsgericht hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben und - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - die Nichtigkeit sämtlicher am 11. Juli 2008 gefassten Beschlüsse festgestellt. Auf die u.a. dagegen ge-richtete Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage als unzulässig abgewiesen, soweit sich die Klägerin gegen die Entziehung des Stimmrechts gewandt hat. Die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten ([X.]) 4 bis 9, 10.1 und 12 bis 15 hat es für ungültig erklärt. Mit der nur insoweit zugelassenen Revision möchten die Beklagten in dem Umfang der Zulassung eine Klageab-weisung erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des [X.]. Ihre nicht fristgerecht eingelegte Anschlussrevision hat sie zurückgenom-men. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass das Amtsgericht die am 11. Juli 2008 gefassten Beschlüsse zu [X.] 4 bis 9, 10.1 und 12 bis 15 zu Recht beanstandet hat. Allerdings griffen keine Nichtigkeitsgründe ein, so dass die Beschlüsse lediglich für ungültig zu erklären seien. Der Ausschluss der Klä-gerin sei rechtsfehlerhaft. § 10 Nr. 4 [X.] sei unwirksam. Akzeptabel sei allenfalls eine Entziehung des Stimmrechts. Der völlige Ausschluss von der Teilnahme an 4 - 4 - Versammlungen greife in den unantastbaren Kernbereich der Mitgliedschafts-rechte der Wohnungseigentümer ein. In solchen Fällen komme es nicht darauf an, ob die Beschlüsse auch bei einer Mitwirkung des ausgeschlossenen [X.] die erforderliche Mehrheit gefunden hätten. I[X.] 1. Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass die nach dem Ausschluss der Klägerin gefassten Beschlüs-se zu [X.] 4 bis 9, 10.1 und 12 bis 15 keinen Bestand haben können. Dabei kann offen bleiben, ob mit dem Amtsgericht davon auszugehen ist, dass der rechtswidrige Ausschluss der Klägerin von der Versammlung und der Entzug des Stimmrechts zur Nichtigkeit der ohne die Beteiligung der Klägerin gefassten Beschlüsse führt oder ob dies - so das Berufungsgericht - lediglich deren [X.] begründet. Der [X.] hat bereits entschieden, dass eine diesbe-zügliche Unterscheidung entbehrlich ist, wenn die Klage - wie hier - nach § 46 Abs. 1 Satz 2 [X.] fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (Urteil vom 2. Oktober 2009 - [X.] 235/08, [X.] 182, 307, 314 ff.). 5 a) Die genannten Beschlüsse sind rechtsfehlerhaft zustande gekommen. Das Gesetz weist den Wohnungseigentümern nicht die Befugnis zu, einem [X.] der [X.] sein Stimmrecht zu entziehen und diesen wegen [X.] von einer Wohnungseigentümerversammlung auszuschließen. Zwar eröffnet § 10 Nr. 4 [X.] diese Möglichkeit. Die Regelung ist jedoch nichtig. 6 aa) Allerdings lässt das Wohnungseigentumsrecht den [X.] nach § 10 Abs. 2 Satz 2 [X.] weitgehend freie Hand, wie sie ihr [X.] untereinander ordnen wollen (std. Rspr., vgl. nur [X.], Urteil vom 13. Oktober 2006 - [X.] 289/05, [X.], 213, 2145 mwN). Diese Gestal-tungsfreiheit gilt auch dann, wenn der teilende Eigentümer Regelungen der [X.]sordnung in der Teilungserklärung vorgibt. [X.] für den In-halt der [X.]sordnung ergeben sich jedoch aus den Grenzen der Pri-7 - 5 - vatautonomie nach §§ 134, 138 [X.] ([X.], Beschluss vom 11. November 1986 - [X.]; [X.] 99, 90, 93 f.; [X.], [X.], 11. Aufl., § 10 Rn. 104; jeweils mwN). Darüber hinaus unterliegen von dem teilenden [X.] einseitig vorgegebene Bestimmungen einer Inhaltskontrolle, bei der ledig-lich streitig ist, ob die für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vor-schriften der §§ 307 ff. [X.] (früher §§ 9 ff. [X.]) entsprechend anzuwenden sind oder ob sich diese Kontrolle unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von [X.] (§ 242 [X.]) auszurichten hat (vgl. dazu [X.], [X.] 151, 164, 173 f. mwN auch zum Streitstand). [X.]) Gemessen daran kann die Regelung der Teilungserklärung keinen Bestand haben. Der [X.] hat bereits entschieden, dass die Gestaltungsfreiheit für [X.]sordnungen dort endet, wo die personenrechtliche Gemein-schaftsstellung der Wohnungseigentümer ausgehöhlt wird, und dass das mit-gliedschaftsrechtliche Element des Wohnungseigentums einen allgemeinen Ausschluss des Wohnungseigentümers vom Stimmrecht verbietet. Hiergegen verstoßende Regelungen sind nach § 134 [X.] nichtig (vgl. [X.], Beschluss vom 11. November 1986 - [X.], [X.] 99, 90, 94 mwN). Erst recht ist ein allgemeiner Ausschluss von Versammlungen der Wohnungseigentümer unzu-lässig, weil dem Mitglied dadurch nicht nur faktisch sein Stimmrecht genom-men, sondern ihm darüber hinaus die ebenfalls in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte fallende Befugnis abgeschnitten wird, auf die Willensbil-dung der [X.] durch Rede und Gegenrede Einfluss zu nehmen (vgl. auch [X.], Urteil vom 13. Februar 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 831, 832; [X.] in Hügel/[X.], Rechtshandbuch [X.], 3. Aufl., Teil 12 Rn. 81 f.). Dasselbe gilt im Grundsatz auch für einen nur vorübergehenden Ausschluss (BayObLG, [X.], 77, 78; LG [X.], NJW-RR 1991, 1169; [X.], NJW-RR 2005, 313, 314 ff.; [X.], [X.], 234, 235; vgl. auch [X.], aaO, § 10 Rn. 36; [X.] in Hügel/[X.], aaO; aA für ein Ruhen des Stimmrechts bei Zahlungsverzug wohl BayObLG, NJW 1965, 821, 822; 8 - 6 - MünchKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 25 [X.] Rn. 6; [X.]/[X.]/ [X.], [X.], 3. Aufl., § 25 Rn. 39: Ruhen des Stimmrechts auch bei Vorliegen unverschuldeter Zahlungsrückstände). Ein Eingriff in das Teilnahmerecht ist nur statthaft, wenn auf andere Weise die geordnete Durchführung einer Versamm-lung nicht gewährleistet werden kann, so etwa, wenn ein Wohnungseigentümer nachhaltig und trotz Androhung des Ausschlusses die Versammlung weiterhin in erheblicher Weise stört ([X.], aaO, § 24 Rn. 105 mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 11. November 1965 - [X.], [X.] 44, 245, 251). An dem erforderlichen versammlungsspezifischen Bezug fehlt es indessen, wenn ein Wohnungseigentümer mit der Zahlung von Beiträgen in Verzug ist. Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der [X.] und die Dauer des Verzuges erheblich sind und der [X.] dadurch in schwerwiegender Weise gegen seine Pflicht verstößt, durch Leistung der auf ihn entfallenden Beiträge an der Sicherung der [X.] Grundlage der Wohnungseigentümergemeinschaft mitzuwirken. Wie § 25 Abs. 5 Alt. 3 [X.] zeigt, tritt ein Verlust des Stimmrechts auch in solchen Fällen erst ein, wenn der betreffende Wohnungseigentümer - anders als hier - unter den strengen Voraussetzungen des § 18 [X.] (dazu [X.], Urteil vom 19. Januar 2007 - [X.] 26/06, [X.] 170, 369, 372 ff.) rechtskräftig zur Veräu-ßerung seines Wohnungseigentums verurteilt worden ist. Selbst dann bleibt jedoch das Recht auf Teilnahme an Versammlungen bis zur Übertragung des Wohnungseigentums auf den Erwerber bestehen ([X.], aaO, § 24 Rn. 62 mwN; [X.] in Hügel/[X.], aaO, Rn. 81). 9 b) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, schlägt der rechtsfehlerhafte Ausschluss der Klägerin auf die nachfolgend gefassten [X.] durch. Zwar scheidet eine Ungültigerklärung in der Regel aus, wenn - wozu hier Feststellungen fehlen - feststeht, dass sich der [X.] auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt hat ([X.], 616; [X.], 11. Aufl., § 23 Rn. 176 u. § 24 Rn. 94 mwN; vgl. auch [X.] - 7 - nat, Urteil vom 27. März 2009 - [X.] 196/08, [X.], 2132, 2135). Anders verhält es sich jedoch bei schwerwiegenden Verstößen, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Mitgliedes in gravierender Weise ausgehebelt wird (zum Vereins- und Gesellschaftsrecht vgl. auch [X.], Urteil vom 18. Oktober 2004 - [X.], [X.] 160, 385, 391 f.; Urteil vom 13. Februar 2006 - [X.], NJW-RR 2006, 831, 832; Urteil vom 2. Juli 2007 - [X.], [X.], 69, 73). So liegt es hier. Der Entzug des Stimmrechts und der Ausschluss von der Versammlung der Wohnungseigen-tümer stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte dar, bei dem es nicht darauf ankommt, ob die gefassten Beschlüsse auch bei einer Mitwirkung des (ausgeschlossenen) Mitgliedes die erforderliche Mehrheit gefunden hätten ([X.], 11. Aufl., § 23 Rn. 176 u. § 24 Rn. 94; [X.], [X.], 234, 235; aA wohl BayObLG, [X.], 616). - 8 - 2. [X.] beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1, § 565 i.V.m. § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wobei der [X.] von der Möglichkeit des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Gebrauch gemacht hat. 11 [X.] [X.] [X.]t-Räntsch

Roth [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 19.05.2009 - 11 C 2593/07 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 14 S 5126/09 -

Meta

V ZR 60/10

10.12.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2010, Az. V ZR 60/10 (REWIS RS 2010, 477)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 477

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