Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2003, Az. IXa ZB 56/03

IXa- Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4370

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSIXa [X.]/03vom14. Februar 2003in dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] § 203 Abs. 1 a.F. (= § 185 Nr. 1 n.F.), § 829 Abs. 2 Satz 2, § 835 Abs. 3Satz 1Zum Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung genügt beimErlaß eines Pfändungs- und [X.] grundsätzlich die [X.] aktueller Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort des Schuldnerszuständigen [X.].[X.], Beschluß vom 14. Februar 2003 - IXa [X.]/03 - [X.] 2 -Der IXa-Zivilsenat des [X.] hat durch [X.],[X.] und von [X.] sowie die Richterinnen Dr. [X.] [X.] 14. Februar 2003beschlossen:Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin werden der [X.] 14. Zivilkammer des [X.] vom 10. Juni 2002und der Beschluß des [X.] vom 8. Mai2002 aufgehoben.Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kostender Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht zurückverwiesen.Der [X.] wird auf 1.957,15 Gründe:[X.] Gläubigerin hat beim [X.] den Erlaß einesPfändungs- und [X.] beantragt und dabei den [X.] Schuldners unter Vorlage aktueller Auskünfte des [X.] an seinem letzten bekannten Wohnsitz als derzeit unbekannt an-gegeben. Nachdem die Gläubigerin auf die Aufforderung des Amtsgerichts, die- 3 -Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nachzuweisen, mitgeteilt hatte,ihr seien weitere Nachweise nicht möglich, hat das Amtsgericht den Antrag [X.] eines Pfändungs- und [X.] mit der [X.], die Gläubigerin habe keine zustellungsfähige Anschrift [X.] bekanntgegeben und auch nicht ausreichend nachgewiesen, daßsein Aufenthalt allgemein unbekannt sei. Die gegen diese Entscheidung einge-legte sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das [X.] mit [X.] vom 10. Juni 2002 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelas-sene Rechtsbeschwerde.[X.] gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO n.F. statthafteund auch im übrigen zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der [X.] sowie des Amtsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache andas Amtsgericht.1. Das Beschwerdegericht meint, die nach § 829 Abs. 2 Satz 2 ZPO vor-geschriebene Zustellung des Pfändungs- und [X.] anden Schuldner könne nur dann unterbleiben, wenn der Aufenthalt des [X.] im Sinne des § 203 Abs. 1 a.F. (= § 185 Nr. 1 n.F.) ZPO allgemein unbe-kannt sei, wobei an die Feststellung dieser Voraussetzung wegen der besonde-ren Bedeutung der Zustellung für die Gewährung rechtlichen Gehörs hohe An-forderungen zu stellen seien. Neben der Auskunft der Meldebehörde seien vonder Gläubigerin weitergehende Nachweise zu erwarten, so zum Beispiel überErmittlungen beim letzten Vermieter und Arbeitgeber, bei früheren Hausgenos-sen, bei bekannten Verwandten, beim [X.], bei der zuletzt zu-- 4 -ständigen Polizeidienststelle sowie beim Sozialversicherungsträger. Zwar [X.] die Gläubigerin alle diese Informationswege nicht zwingend kumulativ be-schreiten, die Vorlage lediglich aktueller Auskünfte des [X.] reichten jedoch nicht aus.2. Die Rechtsbeschwerde rügt, daß das Beschwerdegericht die Vorlageaktueller Auskünfte des [X.] und der Post als nicht [X.] angesehen hat, um den unbekannten Aufenthalt des Schuldners [X.]. Die Zustellung des Pfändungs- und [X.] anden Schuldner habe keine mit der Klagezustellung vergleichbare Bedeutung, sodaß an den Nachweis nicht dieselben strengen Anforderungen zu stellen seien.Die vom Beschwerdegericht geforderten weiteren Ermittlungen seien in der [X.] nicht möglich oder zumindest nicht erfolgversprechend und erschwerten derGläubigerin den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners, der sich der [X.] Zwangsvollstreckung durch einen Wohnortwechsel unter Verstoß ge-gen die polizeiliche Meldepflicht entzogen habe. Zusätzliche Ermittlungenkönnten von der Gläubigerin nur dann verlangt werden, wenn sich aus [X.] ergebe, daß ihr Angaben über Personen, diemöglicherweise Kenntnis vom neuen Wohnsitz des Schuldners haben, tatsäch-lich [X.] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Dabei kann für die Entscheidungoffen bleiben, ob Zweifel des Vollstreckungsgerichts an den [X.] öffentlichen Zustellung überhaupt die Ablehnung des Erlasses einesPfändungs- und [X.] rechtfertigen. Denn das Beschwer-degericht hat an den Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche Zustel-lung als Grund dafür, von einer sofortigen Zustellung an den Schuldner abzu-- 5 -sehen, zu hohe Anforderungen gestellt und damit § 203 Abs. 1 a.F. (= § 185Nr. 1 n.F.) ZPO i.V.m. § 829 Abs. 2 Satz 2, § 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO verletzt.In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur werden zuder Frage, welche Ermittlungen zum Nachweis des unbekannten Aufenthaltserforderlich sind, unterschiedliche Meinungen vertreten. Zum Teil wird es fürden Normalfall als ausreichend angesehen, wenn Nachforschungen beim [X.] und dem [X.] des letzten Wohnsitzes [X.] verlaufen sind ([X.], 1148, 1149; [X.] 1991, 1152; [X.], ZPO 21. Aufl. § 203 Rdn. 6; [X.]/[X.], ZPO 24. Aufl. § 185 n.[X.]. 7). Überwiegend werden [X.] verlangt ([X.] 1999, 1402; [X.] JurBüro1994, 630, 631; [X.] FamRZ 1983, 630; [X.] 1994, 273,274; MünchKomm-ZPO/[X.] 2. Aufl. § 203 Rdn. 8; [X.]/Stöber, [X.] Aufl. § 185 Rdn. 2; Musielak/Wolst, ZPO 3. Aufl. § 185 Rdn. 2; [X.], Dieöffentliche Zustellung im Zivilprozeß [X.] 1994, [X.], 167), wobei - soweitersichtlich - die veröffentlichten Entscheidungen ausschließlich zu öffentlichenZustellungen im Erkenntnisverfahren ergangen sind und sich die Literatur mitden Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung im Zwangsvollstreckungs-verfahren nicht näher befaßt.a) Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Justizgewährungsan-spruch des Antragstellers mit den Belangen des Zustellungsadressaten sind [X.] der Forderungspfändung in der Regel an den Nachweis des unbekanntenAufenthalts des Schuldners, der die Zustellung des Pfändungs- und Überwei-sungsbeschlusses an ihn entbehrlich macht (§ 829 Abs. 2 Satz 2, § 835 Abs. 3Satz 1 ZPO), wegen dessen wesentlich geringeren Schutzbedürfnisses weniger- 6 -strenge Anforderungen zu stellen als für öffentliche Zustellungen an den [X.] im Erkenntnisverfahren.Die öffentliche Zustellung einer Klageschrift und einer rechtsmittelfähigenEntscheidung berühren unmittelbar das rechtliche Gehör und die [X.] und [X.] der [X.]. Aus diesem [X.] die Rechtsprechung die öffentliche Zustellung einer Klageschrift und einesUrteils als unwirksam angesehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht [X.] dies das die öffentliche Zustellung bewilligende Gericht hätte erkennenkönnen ([X.], Urt. v. 19. Dezember 2001 - [X.], NJW 2002, 827,828). Ein vergleichbares Schutzbedürfnis besteht bei der [X.] den Schuldner nicht. Vor Erlaß des Pfändungs- und [X.] wird er grundsätzlich nicht gehört (§ 834 ZPO). Dessen Zustellung an ihn ist- wie sich aus § 829 Abs. 3 ZPO ergibt - für die Wirksamkeit der Pfändung un-wesentlich ([X.], Urt. v. 18. November 1999 - [X.], [X.], 730).Zwar wird, wenn das Vollstreckungsgericht die Voraussetzungen für eine öf-fentliche Zustellung bejaht und diese unterbleibt, das mit der Zustellung desPfändungs- und [X.] verbundene nachträgliche rechtli-che Gehör (vgl. [X.]/Stöber, aaO § 829 Rdn. 15 und § 834 Rdn. 2) vorerstnicht gewährt. Ohne Zustellung werden jedoch keine Fristen für eine sofortigeBeschwerde in Gang gesetzt, so daß der Schuldner, sobald er vom Erlaß desPfändungs- und [X.] erfährt, seine Rechte im Zwangs-vollstreckungsverfahren noch geltend machen kann. Hinzu kommt, daß [X.] unbekannt verzogener Schuldner, wenn gegen ihn ein [X.] vorliegt, mit einer Zwangsvollstreckung rechnen muß und durch einenVerstoß gegen die Meldevorschriften selbst dazu beiträgt, daß er für den Gläu-biger nicht mehr erreichbar ist.- 7 -b) Dies bedeutet für den Beschwerdefall folgendes:Zum Nachweis der Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung ge-nügt beim Erlaß eines Pfändungs- und [X.] grundsätzlichdie Vorlage aktueller Auskünfte des für den letzten bekannten Wohnort [X.] zuständigen [X.].Die Aufforderung des Vollstreckungsgerichts, Nachweise über [X.] weitere Ermittlungen vorzulegen, erschwert im Regelfall - wie hier - [X.] in unzumutbarer Weise, da diese nur selten erfolgver-sprechend, für den Gläubiger aber mit einem erheblichen Zeit- und [X.] verbunden sind. Insbesondere ist es dem Gläubiger nicht generell zumut-bar, am letzten Wohnsitz oder Arbeitsplatz des Schuldners Nachforschungenüber den derzeitigen Wohnsitz anzustellen. Entsprechende Ermittlungsauflagenkönnen daher dem Gläubiger nur dann auferlegt werden, wenn sich aus [X.] ergibt, daß erfolgversprechende Ansätze fürdie Ermittlung des derzeitigen Aufenthaltsortes des unbekannt verzogenenSchuldners tatsächlich vorliegen. Dabei ist zu berücksichtigen: Ein Schuldner,der sich der drohenden Zwangsvollstreckung dadurch entzieht, daß er [X.] wechselt ohne dies dem Einwohnermeldeamt anzuzeigen, wird nur inseltenen Fällen dem früheren Arbeitgeber, dem ehemaligen Vermieter oder denfrüheren Nachbarn seinen neuen Aufenthaltsort mitteilen. Verwandte [X.], die den neuen Wohnsitz kennen, haben häufig kein Interesse, [X.] bei der Zwangsvollstreckung zu unterstützen. Auch die [X.], die für den früheren Wohnsitz des Schuldners zuständig war, hat übli-cherweise keine Erkenntnisse über den neuen. Auskünfte eines Sozialversiche-rungsträgers zum Aufenthaltsort des Schuldners kann das [X.] - mit Ausnahme von Zwangsvollstreckungsverfahren in Unterhaltssachen -- 8 -vom Gläubiger schon deshalb nicht verlangen, weil gemäß § 67 d Abs. [X.] ff. [X.] solche an eine Privatperson wegen des Sozialgeheimnissesnicht erteilt werden dürfen (vgl. [X.]meyer in [X.], [X.] 8. Lfg. § 67 dRdn. 5; [X.] in von [X.], [X.] 4. Aufl. § 67 d Rdn. 3).4. Nach alledem kann die Zurückweisung der Beschwerde keinen [X.] haben. Die Sache ist an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 577Abs. 5, § 572 Abs. 3 ZPO), damit dieses Gelegenheit zur Prüfung der allgemei-nen Vollstreckungsvoraussetzungen erhält.RaebelBoettichervon [X.][X.]Roggenbuck

Meta

IXa ZB 56/03

14.02.2003

Bundesgerichtshof IXa- Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.02.2003, Az. IXa ZB 56/03 (REWIS RS 2003, 4370)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4370

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