Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.05.2014, Az. I R 81/12

1. Senat | REWIS RS 2014, 5802

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Gegenstand

Zwischenveranlagung zur Körperschaftsteuer in Liquidationsfällen - Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis - Unzulässige Klageänderung durch Übergang von Anfechtungsklage zu Verpflichtungsklage im Revisionsverfahren


Leitsatz

NV: Durch Anfechtung einer sog. Zwischenveranlagung (§ 11 Abs. 1 Satz 2 KStG) im laufenden Abwicklungsverfahren kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, bei der Steuerberechnung sei der (im Streitfall: niedrigere) Steuersatz anzuwenden, der im Zeitpunkt des Abschlusses der Abwicklung maßgebend ist .

Tatbestand

1

A. Streitig ist, ob die den [X.] für den mehrjährigen Zeitraum der Abwicklung einer Kapitalgesellschaft zugrunde liegenden [X.] am Ende des Abwicklungszeitraums durch eine Steuerberechnung unter Anwendung des am Ende des Abwicklungszeitraums geltenden Steuersatzes zu ersetzen sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] ([X.]). Mit Gesellschafterbeschluss vom 29. Dezember 1997 war die Liquidation der Gesellschaft zum 31. Dezember 1997 beschlossen worden. Der Warenbestand und das Betriebsinventar wurden unter Vereinbarung einer Kaufpreiszahlung in 120 Monatsraten verkauft (Fälligkeit der letzten Rate im Dezember 2007). Seit Auflösung der Gesellschaft bestand kein aktiver Geschäftsbetrieb mehr. Am 17. November 2008 stellte die [X.] einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren wurde durch Beschluss des [X.] am 6. Januar 2009 eröffnet.

3

Im Anmeldeverfahren bestritt der Kläger die Forderungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) wegen Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlägen und Nebenleistungen. Daraufhin erließ das [X.] am 12. April 2011 zwei Feststellungsbescheide nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung [X.]) i.V.m. § 179 der [X.] zu entsprechenden Forderungen für die [X.] 1997 sowie 1998 bis 2000 und für die [X.] 2001 bis 2003, 2004 bis 2006 sowie 2007, denen bestandskräftige Steuerbescheide (1997 bzw. Zeitraum 1998 bis 2000) bzw. Berechnungen (Zeiträume 2001 bis 2003, 2004 bis 2006 sowie 2007) --jeweils nach Maßgabe des im jeweiligen Besteuerungszeitraum geltenden materiellen [X.] zugrunde lagen. Bezogen auf die Zeiträume, in denen das [X.] Berechnungen erstellt hatte (2001 bis 2007), hatte die [X.] jeweils auf Dreijahreszeiträume 2001 bis 2003 und 2004 bis 2006 bezogene Abschlüsse aufgestellt.

4

Die Klage, mit der begehrt wurde, für die Ermittlung der Körperschaftsteuer des Abwicklungszeitraums (1998 bis 2007) jeweils den gesetzlichen Steuersatz zum Ende des Abwicklungszeitraums (2008: 15 %) anzuwenden, blieb erfolglos ([X.], Urteil vom 27. September 2012  10 K 2838/11, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 78). Das Insolvenzverfahren ist unter Hinweis auf das noch anhängige Steuerverfahren bisher nicht abgeschlossen; alle weiteren Abwicklungsmaßnahmen waren vor Erlass der Feststellungsbescheide (aber nicht vor dem 1. Januar 2009) vollzogen.

5

Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
1. das angefochtene Urteil aufzuheben und die bisher durchgeführte [X.] bzw. die Feststellungsbescheide vom 12. April 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 zum Ende des Abwicklungszeitraums aufzuheben, diese durch eine einheitliche Gewinnermittlung für den gesamten [X.] § 11 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes ([X.]) nach Maßgabe von § 11 Abs. 2 [X.] durch Gegenüberstellung des gesetzlichen "Abwicklungs-Anfangsvermögens" (§ 11 Abs. 4 [X.]) und des gesetzlichen "[X.]" (§ 11 Abs. 3 [X.]) zu ersetzen und dementsprechend einen neuen Feststellungsbescheid i.S. des § 251 Abs. [X.] für den gesamten Abwicklungszeitraum i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu erlassen,
2. hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen,
3. hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Feststellungsbescheide dahingehend abzuändern, dass die Körperschaftsteuer nebst Nebenabgaben für 1998 bis 2007 unter Anwendung eines Körperschaftsteuersatzes von 15 % neu festgestellt wird,
4. hilfsweise, den Rechtsstreit hinsichtlich der Streitjahre ab 2001 unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das [X.] zurückzuverweisen.

6

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

B. Die Revision ist in ihrem Hauptantrag unzulässig; im Übrigen ist sie mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

I. Der Hauptantrag des [X.] ist unzulässig; es liegt eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung vor (§ 123 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 i.V.m. § 67 [X.]O).

9

Im finanzgerichtlichen Verfahren hatte der Kläger beantragt, die Feststellungsbescheide (vom 12. April 2011) dahingehend abzuändern, dass die Körperschaftsteuer nebst Nebenabgaben für 1998 bis 2007 unter Anwendung eines [X.] von 15 % neu festgestellt werden. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Indem der Kläger im Revisionsverfahren nun beantragt, die bisher durchgeführte [X.] bzw. die Feststellungsbescheide zum Ende des [X.]s aufzuheben, diese durch eine einheitliche Gewinnermittlung für den gesamten [X.] zu ersetzen und einen neuen Feststellungsbescheid i.S. des § 251 Abs. [X.] für den gesamten [X.] zu erlassen, hat er den nach dem Stand des bisherigen Verfahrens maßgebenden Prozessstoff (Anfechtung der Feststellungsbescheide) verlassen und erstmals ein Verpflichtungsbegehren (Erlass eines Feststellungsbescheids für den gesamten [abgeschlossenen] [X.], d.h. über 2007 zeitlich hinausgehend) geltend gemacht. Der Übergang von einer Anfechtungs- zu einer Verpflichtungsklage ist aber eine Klageänderung gemäß § 67 [X.]O (Urteil des [X.] vom 11. Februar 2009 [X.], [X.], 1, [X.], 892), die im Revisionsverfahren unzulässig ist.

II. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen; die Klage ist unzulässig, da es für das Begehren des [X.] an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das Begehren des [X.], unter Änderung der bereits vorliegenden Festsetzungen bzw. Feststellungen die Körperschaftsteuer nebst Nebenabgaben für 1998 bis 2007 unter Anwendung eines [X.] von 15 % neu festzustellen, kann vor dem Ende des [X.]s nicht mit Erfolg gegen die Feststellungsbescheide (vom 12. April 2011) geltend gemacht werden. Denn der Regelungsgegenstand der Feststellungen, die im laufenden (noch nicht abgeschlossenen) [X.] für 1998 bis 2007 ergangen sind, kann weder die Ermittlung des [X.] § 11 Abs. 2 [X.] noch den maßgebenden Steuersatz nach der Regelungslage am Ende des [X.]s einschließen.

1. Die Ermittlung der Körperschaftsteuer in den Streitjahren ist zu Recht nach Maßgabe des § 11 [X.] erfolgt.

Mit dem Auflösungsbeschluss der [X.] (zum 31. Dezember 1997) trat eine Abwicklungsphase ein (§§ 66 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung), in der abweichend von der Regelbesteuerung und unabhängig von der Dauer der Abwicklung eine Besteuerung des [X.]s (§ 11 Abs. 1 [X.]) Platz greift. Die den streitgegenständlichen Feststellungsbescheiden zugrunde liegenden Veranlagungen und Steuerberechnungen beziehen sich --soweit sie Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens des [X.] sind (1998 bis 2007)-- auf diesen [X.].

2. Dass sich der eventuell noch nicht vollständig abgeschlossenen Abwicklung der [X.] ab dem 6. Januar 2009 ein --nach den Feststellungen des [X.] wegen des Streits um die Höhe der Steuerschulden bisher nicht aufgehobenes (und auf die Abwicklung, nicht auf eine Unternehmensfortführung gerichtetes)-- Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] angeschlossen hat, berührt den Rechtsstreit ungeachtet der dadurch ausgelösten Anwendung des § 11 Abs. 7 [X.] mit der Verweisung auf § 11 Abs. 1 bis 6 [X.] (s. insoweit Senatsurteil vom 23. Januar 2013 I R 35/12, [X.], 140, [X.], 508) nicht. Dabei kann offenbleiben, ob die sinngemäße Anwendung der Sonderregelungen zur [X.] im Streitfall einen eigenständigen (zweiten) [X.] auslöst oder sich insoweit nur der 1998 beginnende [X.] als einheitlicher Zeitraum fortsetzt. Grundlage für das Begehren des [X.] ist der Abschluss der Abwicklung der [X.] (als Zeitpunkt für die Ermittlung der Höhe des anzuwendenden Steuersatzes während des gesamten [X.]s) und ein in diesem Zeitpunkt maßgebender Steuersatz (§ 23 Abs. 1 [X.]) von 15 % (seit 2008).

3. Im Rahmen der [X.] ist grundsätzlich der im Zeitraum von der Eröffnung bis zum Abschluss der Abwicklung erzielte und nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 [X.] ermittelte ([X.] zu legen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]). [X.] ist in diesem Fall nicht das einzelne Kalenderjahr, sondern der gesamte [X.]. Jedoch folgt aus § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.], dass die Finanzbehörde in bestimmten Fällen schon vor dem Abschluss der Abwicklung die bis dahin entstandene Steuer in einem Bescheid festsetzen darf (s. auch Senatsurteile vom 22. Februar 2006 I R 67/05, [X.], 301, [X.], 312; vom 18. September 2007 I R 44/06, [X.], 61, [X.], 319; in [X.], 140, [X.], 508). Angesichts des Ende 2007 noch nicht abgeschlossenen Abwicklungsverfahrens der [X.] geht es im Streitfall um solche "[X.]en", für den Zeitraum 1998 bis 2000 als Steuerveranlagung (ausdrücklich nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.]), für die Zeiträume 2001 bis 2003 und 2004 bis 2006 bzw. das [X.] als Steuerberechnung.

4. Allerdings kommt es auf die Rechtsfrage der Rechtsqualität der sog. [X.] (§ 11 Abs. 1 Satz 2 [X.]), die Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war, nicht an. Denn wenn --wie der Kläger meint-- die [X.] für den mehrjährigen Zeitraum der Abwicklung der [X.], die den streitgegenständlichen Insolvenz-Feststellungsbescheiden zugrunde liegen, am Ende des [X.]s durch eine Steuerberechnung unter Anwendung des am Ende des [X.]s geltenden Steuersatzes zu ersetzen sein sollten ([X.] als nicht abschließende Veranlagung des ggf. mehrjährigen [X.]s), hätten jene Verwaltungsakte jedenfalls bis zum Abschluss des [X.]s einen rechtmäßigen Inhalt. Erst nach dem Abschluss der Abwicklung könnte eine abschließende (einheitliche) Veranlagung nach Maßgabe der Gewinnermittlungsregelung des § 11 Abs. 2 [X.] (und unter Anwendung des zum Ende des [X.]s maßgebenden Steuersatzes) stattfinden. Die bisher vorliegenden [X.]en würden alsdann ihre Erledigung ("auf andere Weise") finden (§ 124 Abs. 2 Alternative 2 AO).

5. Soweit der Kläger aus der Entscheidung des [X.] über das Wie (den zeitlichen Umfang) der [X.] (ab 2001) eine Beschwer ableitet (s. dazu allgemein z.B. Senatsurteil in [X.], 61, [X.], 319), so hat er diese nicht zum Gegenstand seiner Klage gemacht. Die Klage war vor dem [X.] vielmehr ausschließlich auf Herabsetzung des [X.] gerichtet und kann aus den genannten Gründen im Revisionsverfahren nicht geändert werden. Die Dauer des "[X.]szeitraums" ist Gegenstand einer eigenständigen behördlichen Entscheidung, die selbständig bestandskräftig werden kann (Senatsurteil in [X.], 301, [X.], 312; s. auch Graffe in [X.], Die Körperschaftsteuer, § 11 Rz 17; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1 Rz 41; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 11 [X.] Rz 35).

6. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 81/12

07.05.2014

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 27. September 2012, Az: 10 K 2838/11, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 KStG 2002, § 11 Abs 1 S 2 KStG 2002, § 11 Abs 2 KStG 2002, § 11 Abs 7 KStG 2002, § 67 FGO, § 40 Abs 1 FGO, § 40 Abs 2 FGO, § 124 Abs 1 FGO, § 123 Abs 1 FGO, § 23 Abs 1 KStG 2002 vom 14.08.2007, § 251 Abs 3 AO, § 179 InsO, KStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.05.2014, Az. I R 81/12 (REWIS RS 2014, 5802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5802

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