Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2009, Az. VII ZB 105/08

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2349

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[X.][X.]/08 vom 23. Juli 2009 in der Zwangsvollstreckungssache

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 23. Juli 2009 durch den [X.] [X.], [X.] Kuffer, [X.], die Richterin [X.] und [X.] Eick beschlossen: Auf die Anschlussrechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der [X.] der 16. Zivilkammer des [X.] vom 12. September 2008 (16a [X.]) aufgehoben. Die Rechtsbeschwerde und die sofortige Beschwerde des [X.] gegen den Beschluss des [X.] vom 27. Juni 2008 werden zurückgewiesen. Der Schuldner trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren. Gründe: [X.] Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner, ihren geschiedenen [X.], aus einem gerichtlichen Vergleich die Zwangsvollstreckung wegen lau-fenden und rückständigen Unterhalts. Am 24. März 2004 hat die Gläubigerin gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, mit dem Ansprüche des Schuldners aus seinem Arbeitsverhältnis bei der [X.] gepfändet worden sind. 1 - 3 - Der [X.] ist in der Folge mehrfach erhöht worden, zuletzt mit Beschluss vom 10. Januar 2006 auf 1.081,13 •. Hierbei ist ein halber [X.] berücksichtigt worden, da der Schuldner inzwischen wieder [X.] war. 2 3 Unter dem 21. November 2007 ist beantragt worden, den Freibetrag auf 750 • zu reduzieren, da seit dem 1. Januar 2008 die Unterhaltsansprüche der Gläubigerin gegenüber dem Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau des Schuldners absoluten Vorrang genießen würden. Der Schuldner hat am 1. Februar 2008 die Erhöhung des [X.] auf 1.232,49 • bis zum 31. März 2008 und auf 1.294,37 • ab dem 1. April 2008 beantragt und seinen Antrag mit gestiegenen [X.] und Mietkosten begründet. 4 Mit Beschluss vom 13. Februar 2008 hat das Amtsgericht folgende [X.] festgesetzt: Bis zum 31. Dezember 2007 auf 845,38 • zuzüglich 1/3 Nettomehrbetrag, bis 31. März 2008 auf 871,57 • ohne Nettomehrbetrag und ab 1. April 2008 auf 933,45 • ohne Nettomehrbetrag. Bei der Berechnung des [X.] hat das Amtsgericht die Änderungen des Unterhaltsrechts be-rücksichtigt, § 850 d Abs. 2 ZPO i.V.m. § 1609 BGB, und entschieden, dass die neue Ehefrau des Schuldners ab dem 1. Januar 2008 nicht mehr zu [X.] sei. Die angegebenen Mietkosten hat es - abzüglich Stromkosten - jeweils in vollem Umfang berücksichtigt, also bis 31. Dezember 2007 mit 353,13 •, ab 1. Januar 2008 mit 379,32 • und ab 1. April 2008 mit 441,20 •. 5 Gegen diese Entscheidung hat die Gläubigerin am 20. Februar 2008 so-fortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der Wohnbedarf sei zu hoch angesetzt worden. Der Unterhaltsschuldner könne sich nur die Wohnkosten anrechnen lassen, die nach den Regelungen des [X.] für einen [X.] - 4 - den angemessen seien. Dies seien in der Stadt [X.] 216 • für eine Wohnung mit 45 qm Wohnfläche, zuzüglich 80 • Unterhaltskosten. 7 Der Schuldner hat durch seinen Bevollmächtigten mehrfach erklären las-sen, der Beschluss vom 13. Februar 2008 solle nicht angegriffen werden. 8 Am 27. Juni 2008 hat das Amtsgericht hinsichtlich der sofortigen Be-schwerde der Gläubigerin vom 20. Februar 2008 eine Abhilfeentscheidung ge-troffen und den Wohnbedarf unter Bezugnahme auf den aktuellen Mietspiegel der Stadt [X.] auf einen Betrag von 296 • (Kaltmiete 216 • zuzüglich Heiz- und Nebenkostenvorauszahlung von 80 •) für die [X.] ab dem 1. März 2008 herab-gesetzt und den [X.] ab diesem [X.]punkt auf 788,25 • be-stimmt. Gegen diese ihm am 1. Juli 2008 zugestellte Entscheidung hat der Schuldner mit Schriftsatz vom selben Tage, eingegangen bei dem Amtsgericht am 2. Juli 2008, sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat seine Beschwerde ei-nerseits mit der Herabsetzung des [X.] begründet. Einen allgemeinen "Sozialwohnbedarf" gebe es für Empfänger von Leistungen nach dem [X.] nicht. Also müsse er sich seinen [X.] nicht entsprechend schmälern lassen. Andererseits hat er sich gegen die Nichtgewährung eines zusätzlichen Freibetrages für seine neue Ehefrau gewandt. Zumindest die durch den Wechsel in Steuerklasse 3 eingetretene Steuerentlastung in Höhe von 218,65 • monatlich müsse abgezogen werden. 9 Die Gläubigerin ist der sofortigen Beschwerde des Schuldners entge-gengetreten. Ihre sofortige Beschwerde vom 20. Februar 2008 gegen den [X.] vom 13. Februar 2008 hat sie mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008 zurück-genommen. 10 - 5 - Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdege-richt den monatlichen, dem Schuldner mindestens pfandfrei zu belassenden Betrag für die [X.] ab dem 1. März 2008 unter Berücksichtigung eines monatli-chen [X.] in Höhe von 352,50 • auf 844,75 • festgesetzt. Es hat ge-mäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Rechtsbe-schwerde zur Klärung der Frage der Berechnung des [X.] zugelassen. 11 Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner die volle Berücksichti-gung der Wohnkosten sowie die Gewähr eines zusätzlichen Freibetrages für seine Ehefrau weiter. Die Gläubigerin verfolgt mit ihrer Anschlussrechtsbe-schwerde ihre in der Beschwerdeinstanz gestellten Anträge weiter. 12 I[X.] 1. Das Beschwerdegericht meint, soweit der Schuldner im Beschwerde-verfahren thematisiert habe, nun doch die Anrechnung von [X.] infolge seiner Neuverheiratung auf den Freibetrag zu wünschen, sei die Sache nicht zu entscheiden. Der Schuldner habe zunächst mehrfach zum Ausdruck gebracht, die Entscheidung des Amtsgerichts zu billigen, und insoweit einen Verzicht auf sein Beschwerderecht erklärt. Überdies sei am 1. Juli 2008 die Be-schwerdefrist gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 13. Februar 2008 bereits abgelaufen gewesen. 13 2. Das Beschwerdegericht führt weiter aus, dass der monatliche Wohn-bedarf des Schuldners auf 352,50 • festzusetzen sei, denn der Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners richte sich nach sozialhilferechtlichen Kriterien. Nach § 29 [X.] würden die tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft insoweit erstattet, als die fraglichen Aufwendungen der Höhe nach nicht unangemessen 14 - 6 - seien und dem Sozialhilfeempfänger nicht eine Verringerung des [X.] zuzumuten sei. 15 In der Rechtsprechung würden bei der Ermittlung des angemessenen [X.] teilweise die Bestimmungen des Wohngeldgesetzes herangezo-gen (vgl. [X.], NJW-RR 2000, 220, 222; [X.], Rpfleger 1999, 548, 549). Eine jüngere Entscheidung des [X.] spreche eher dagegen (BSG, [X.], 145, 149). Der [X.] habe diese Frage ausdrücklich offengelassen ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2003 - [X.], [X.]Z 156, 30, 37). Aus der Sicht des [X.] erscheine die Heranziehung der Sätze des § 8 [X.] (in der Fassung vom 7. Juli 2005; im Folgenden: a.F.) wegen der [X.] zum Sozialhilferecht angemessen. Im Rahmen des for-malisierten [X.] seien sie auch transparent und gut praktikabel. Besser geeignete Bewertungskriterien seien nicht ersichtlich. Die von der Gläubigerin vorgebrachten Höchstgrenzen für Empfänger von Leistun-gen nach dem [X.] gebe es in dieser Allgemeinheit nicht. Der Aufwand für die Ermittlung eines nach Wohnungsgrößen differenzierten Mietniveaus des unteren Segments im räumlichen [X.] erscheine für das Vollstre-ckungsverfahren unverhältnismäßig. 16 II[X.] Die Rechtsbeschwerde wendet sich zunächst gegen die unterbliebene Anrechnung von [X.] infolge der Neuverheiratung des [X.] auf den Freibetrag. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde unzulässig, da die 17 - 7 - Rechtsbeschwerde beschränkt auf die Frage der Ermittlung der Wohnkosten zugelassen wurde und diese Beschränkung wirksam ist. 18 Das Beschwerdegericht hat im Tenor die Rechtsbeschwerde ohne Ein-schränkung zugelassen. In den Gründen hat es dazu Folgendes ausgeführt: "[X.] lässt die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO zu. Die Frage, nach welchen Kriterien der Wohnbedarf des [X.] zu berechnen ist, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Da diese Frage eine Vielzahl von Vollstreckungsfällen betrifft, ist eine einheitliche Fortbildung des Rechts dringend geboten." Damit hat das Beschwerdegericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf die Frage der Berechnung des [X.] des Unterhaltsschuldners be-schränkt. Die Beschränkung der Zulassung in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung ist möglich ([X.], Urteile vom 13. Januar 2005 - [X.] ZR 28/04, [X.], 749 = NZBau 2005, 280 und vom 17. Juni 2004 - [X.] ZR 226/03, [X.], 1650 = [X.] 2004, 775). Sie ist auch wirksam, da die Berechnung des [X.] des Unterhaltsschuldners ein Teil der [X.] Entscheidung ist, auf den auch der Rechtsbeschwerdeführer selbst sein Rechtsmittel wirksam beschränken könnte (vgl. [X.], aaO). 19 IV. Im Übrigen ist die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde des [X.] unbegründet. 20 Auf die gemäß § 574 Abs. 4 ZPO statthafte und auch im Übrigen zuläs-sige Anschlussrechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des 21 - 8 - Landgerichts vom 12. September 2008 aufgehoben und die sofortige Be-schwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Juni 2008 zurückgewiesen. 22 1. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht den tatsächlichen monatlichen Wohnbedarf des Schuldners auf 352,50 • festgesetzt. Zutreffend ist dagegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 27. Juni 2008, mit der der Wohnbedarf des Schuldners unter Bezugnahme auf den aktuellen Mietspiegel der Stadt [X.] auf einen Betrag von 296 • (Kaltmiete 216 • zuzüglich Heiz- und Nebenkosten-vorauszahlung von 80 •) für die [X.] ab dem 1. März 2008 festgesetzt und dementsprechend der [X.] des Schuldners ab diesem [X.]-punkt auf 788,25 • bestimmt worden ist, § 850 f Abs. 1 ZPO. 2. Der erweiterte pfändungsfreie Teil gemäß § 850 f Abs. 1 lit. a) ZPO entspricht dem Betrag, der nach den Vorschriften des [X.] an den Schuld-ner ergänzend als Sozialhilfe zum Lebensunterhalt zu leisten wäre (Stein/ [X.]/[X.], ZPO, 22. Aufl., 2008, § 850 f Rdn. 3). Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden nach konkretem Bedarf ersetzt, soweit sie nicht den an-gemessenen Umfang übersteigen ([X.], aaO). Die [X.] der Aufwendungen ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten konkret zu ermitteln (BSG, [X.], 145, 149). Dabei ist vorrangig das ortsübliche [X.], wie es sich aus einem qualifizierten Mietspiegel (§ 558 d BGB), einem Mietspiegel (§ 558 c BGB) oder unmittelbar aus einer Mietdatenbank (§ 558 e BGB) ablei-ten lässt, heranzuziehen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juli 2003 - [X.], [X.]Z 156, 30, 37; BSG, aaO). Sie geben in der Regel einen zuverläs-sigen Aufschluss über die aktuelle örtliche Wohnungsmarktlage (BSG, aaO). Dagegen erlauben die Werte der Tabelle zu § 8 [X.] a.F. allenfalls eine An-näherung an die Angemessenheit der Aufwendungen ([X.] in LPK-[X.], 23 - 9 - 8. Aufl., 2008, § 29 Rdn. 39). Ein Rückgriff auf die Tabellenwerte in § 8 [X.] a.F. ist daher erst dann zulässig, wenn alle anderen Erkenntnismöglichkeiten und Mittel zur Ermittlung der Angemessenheit der Kosten des Wohnraums aus-geschöpft sind (vgl. BSG, [X.], 271, 274). 24 Die teilweise in der Rechtsprechung vorgenommene Ermittlung des an-gemessenen [X.] unmittelbar anhand der Bestimmungen des Wohn-geldgesetzes (vgl. [X.], NJW-RR 2000, 220, 222; [X.], Rpfleger 1999, 548, 549) ist damit nicht zulässig. Sie kann nicht mit der Erwä-gung begründet werden, sie sei einfacher zu handhaben und benachteilige den Schuldner nicht. Die Erwägung lässt unberücksichtigt, dass die Ermittlung des angemessenen [X.] anhand von Mietspiegel und Mietdatenbanken ähnlich einfach ist wie die Ermittlung nach § 8 [X.] a.F. und eine ungenaue Ermittlung den Gläubiger benachteiligen kann. 3. Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 27. Juni 2008 unter Bezugnahme auf den aktuellen Mietspiegel der Stadt [X.] ausgeführt, dass sich bei einem Mietpreis von 4,80 • pro qm bezogen auf eine Wohnung von 45 qm ein Mietpreis in Höhe von 216 • (Kaltmiete) ergeben würde. Das wird von den Beteiligten nicht angegriffen und lässt auch Rechtsfehler nicht erkennen. 25 4. Anhaltspunkte dafür, dass der aktuelle Mietspiegel für die Stadt [X.] zur Ermittlung des monatlichen [X.] ausnahmsweise nicht geeignet ist, sind weder von dem Schuldner vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der [X.] des Amtsgerichts vom 27. Juni 2008 war daher wieder herzustellen. 26 - 10 - V. 27 [X.] beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO. [X.] Kuffer [X.] [X.] Eick
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 27.06.2008 - 29 M 409/04 - [X.], Entscheidung vom 12.09.2008 - 16a [X.] -

Meta

VII ZB 105/08

23.07.2009

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.07.2009, Az. VII ZB 105/08 (REWIS RS 2009, 2349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2349

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