Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. 2 StR 510/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 8587

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 510/12
vom
29. Januar 2013

Nachschlagewerk: ja
[X.]R: ja
[X.]St: ja
Veröffentlichung: ja

StGB § 78c Abs. 4, § 78c Abs. 1 Nr. 3

Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den zum [X.] vernommenen Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 [X.] ein und führt es sodann gegen Unbekannt weiter, so wird die Verfolgungsverjährung gegen den (früheren) Beschuldigten nicht nach § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB unter-brochen, wenn die Staatsanwaltschaft oder [X.] nunmehr einen Sach-verständigen beauftragt.

[X.], Beschluss vom 29. Januar 2013 -
2 StR 510/12 -
LG [X.]

in der Strafsache
gegen

wegen
Verdachts des Mordes

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerinnen am 29.
Januar 2013 gemäß §
349 Abs. 2 [X.] beschlossen:

Die Revisionen der [X.] Land-gerichts [X.] vom 11. Juni 2012 werden als unbegründet verwor-fen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrecht-fertigungen keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten er-geben hat.
Die Beschwerdeführerinnen haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes freige-sprochen, da es nach bis zur Schuldspruchreife durchgeführter Hauptverhand-lung die am 4.
November 1982 begangene Tat des Angeklagten rechtlich als Totschlag gewertet hat, dessen Verfolgung bereits verjährt sei. Hiergegen [X.] sich die auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der beiden Nebenklägerinnen. Diese sind unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 [X.]. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführun-gen des [X.] in seiner Antragsschrift vom
24.
Oktober 2012 bemerkt der Senat:
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3
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1. Das [X.] ist, nachdem es rechtsfehlerfrei die in Betracht kom-menden Mordmerkmale der Heimtücke und der sonstigen niedrigen Beweg-gründe verneint hat, zu Recht vom Eintritt der Verfolgungsverjährung [X.]. Insbesondere hat es nicht zur Unterbrechung der [X.] nach §
78c Abs. 1 Nr. 3 StGB geführt, dass durch richterliche Beschlüsse vom 5.
Oktober 1999, 9.
Mai 2003 und 2.
Juni 2003 molekulargenetische Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden sind.
a) Die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung wirkt gemäß §
78c Abs.
4 StGB nur gegenüber demjenigen, auf den sich die [X.] bezieht. Daraus folgt, dass nur eine gegen eine bestimmte Person gerich-tete, nicht aber eine die Ermittlung des noch unbekannten Täters bezweckende Untersuchungshandlung geeignet ist, die Verjährung zu unterbrechen (vgl. [X.]St 42, 283, 287 mwN). Der Täter muss im Zeitpunkt der [X.] "der Person nach"
bekannt sein, d. h. er muss -
wenn auch nicht un-ter zutreffenden Namen -
als Tatverdächtiger in den Akten genannt sein (vgl. [X.]
GA 1961, 239, 240; [X.]R StGB §
78c Abs. 1 Beschuldigter 1; [X.]St
24, 321, 323; 42, 283, 290; [X.], Beschluss vom 6. März 2007 -
KRB 1/07, [X.], 158, 159). Eine Untersuchungshandlung in einem Ermitt-lungsverfahren gegen Unbekannt genügt dagegen zur Verjährungsunter-brechung nicht
(vgl. [X.], 212, 214; [X.]St 2, 54, 55; [X.], StGB, 60.
Aufl.,
§
78c Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.], StGB, § 78c Rn.
5; [X.]/[X.] in [X.], 8. Aufl., § 78c Rn. 6; [X.] in LK, StGB, 12. Aufl., § 78c Rn. 3).
b) Nach diesen Maßstäben kommt den Beauftragungen der Sachver-ständigen durch die genannten richterlichen Beschlüsse keine [X.] zu.
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Das ursprünglich gegen den Angeklagten gerichtete [X.] war mit Verfügung der Staatsanwaltschaft [X.] vom 13.
Oktober 1987 ge-mäß § 170 Abs. 2 Satz 1 [X.] mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. In der Folge wurde das Verfahren gegen Unbekannt weitergeführt und erst am 15.
Oktober 2008 gegen den Angeklagten wiederaufgenommen. Die Beschlüsse ergingen
somit zu einem Zeitpunkt, in dem das Verfahren gerade nicht auf den Angeklagten als individualisierten Tatverdächtigen zielte. [X.] sollte durch die in Auftrag gegebenen molekulargenetischen Untersu-chungen (insbesondere von Spurenmaterial) der Täter erst ermittelt werden. Dementsprechend ist auch im Rubrum der Beschlüsse ausdrücklich aufge-nommen, dass das Verfahren gegen Unbekannt geführt werde.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen geboten, weil das Ver-fahren vor der Beauftragung der Sachverständigen schon einmal gegen den Angeklagten gerichtet und dieser am 6. Juli 1987 als Beschuldigter vernommen worden war. Bei wertender Betrachtung macht es keinen Unterschied, ob das Ermittlungsverfahren von vornherein gegen Unbekannt geführt oder ob der Be-schuldigte vor der Unterbrechungshandlung durch eine Verfahrenseinstellung gemäß §
170 Abs. 2 Satz 1 [X.] aus dem Kreis der Tatverdächtigen ausge-schieden worden ist. Wegen der Bedeutung der Verjährung und der Rechtssi-cherheit im Hinblick auf ihren Ablauf ([X.], Beschluss vom 6. März 2007 -
KRB 1/07, [X.], 158, 159) ist allein darauf abzustellen, ob der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung -
hier der Beauftragung der Sach-verständigen gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB -
aus den Akten als
Tatverdächti-ger hervorgeht. Hierfür spricht auch, dass die Vorschriften über die Unterbre-chung der Verjährung als Ausnahmevorschriften eng auszulegen sind (vgl. [X.]St 28, 381, 382).

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Hieran ändert es auch nichts, dass der Angeklagte vor der Einstellung
des gegen ihn zunächst geführten Ermittlungsverfahrens als Beschuldigter ver-nommen worden und damit diese in § 78c Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgesehene Vo-raussetzung für die Unterbrechung der Verjährungsfrist erfüllt war; denn vom Schutzzweck des §
78c Abs. 1 Nr. 3 StGB aus gesehen ist ein Beschuldigter, gegen den ohne sein Wissen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, einem (früheren) Beschuldigten gleichzustellen, dessen Ermittlungsverfahren nach seiner Vernehmung gemäß §
170 Abs. 2 Satz 1 [X.] eingestellt
worden ist. In beiden Fällen hat der Beschuldigte keine Kenntnis von den gegen ihn gerichte-ten Ermittlungen, obwohl in deren Rahmen -
möglicherweise mehrfach -
Unter-brechungshandlungen erfolgen können (vgl. Sternberg-Lieben/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., §
78c Rn. 11). Der Umstand, dass das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt und ihm dies -
wie hier -
mitge-teilt worden ist, gibt einem Beschuldigten gerade keinen Anlass, noch mit weite-ren
gegen ihn gerichteten Ermittlungen zu rechnen. Von der Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen ihn erfuhr der Angeklagte erst mit der auf den 1.
September 2011 datierten Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Die mit dem Erfordernis der vorherigen Bekanntgabe der Ermittlungen bzw. der Vernehmung als Beschuldigter (vgl. §§ 163a, 136 [X.]) bezweckte [X.] (vgl. [X.]St 30, 215, 217) ist bei dieser Sachlage nicht gewahrt.

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2. Das [X.] hat in der vorliegenden Fallkonstellation zu Recht auf Freispruch und nicht auf Einstellung des Verfahrens erkannt (vgl. [X.]St 50, 16, 30; [X.], [X.], 55. Aufl., § 260 Rn. 46).

Becker

[X.]

Appl

[X.]

Krehl
8

Meta

2 StR 510/12

29.01.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.01.2013, Az. 2 StR 510/12 (REWIS RS 2013, 8587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8587

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2 StR 510/12

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