Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2020, Az. VII R 36/18

7. Senat | REWIS RS 2020, 3740

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Gegenstand

(Betreibenlassen einer Stromerzeugungsanlage gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG)


Leitsatz

1. NV: Der Begriff des Betreibenlassens in § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b StromStG setzt eine Möglichkeit der Einflussnahme an den Betreiber voraus, die rechtlicher, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur sein kann.

2. NV: Bei dem bloßen Ankauf oder dem bloßen Einspeisen des Stroms ohne Bezug zur Anlage fehlt die erforderliche Einflussmöglichkeit, sodass kein Betreibenlassen vorliegt.

3. NV: Die Bestimmungen des StromStG sind unabhängig von den Definitionen und Vorgaben des EEG auszulegen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 05.07.2018 - 14 K 2634/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gemeinde. Ihre Stadtwerke versorgen als Eigenbetrieb kommunale Abnahmestellen u.a. mit Strom und Wärme.

2

Im April 2007 beriet der Stadtrat erstmals über die zukünftige Energieversorgung für den Bäder- und Schulbereich durch Inbetriebnahme verschiedener Anlagearten, u.a. Biogasanlagen. In der Folgezeit befasste er sich intensiver mit dem Thema Heizungsanlagen und den zur Verfügung stehenden Alternativen. Er kam überein, das Schulgebäude an eine Biogasanlage (Blockheizkraftwerk --BHKW--) anzuschließen. Im Folgenden wurde erwogen, die Nahwärmeversorgung durch einen privaten [X.] vornehmen zu lassen, während die Klägerin selbst das hierfür erforderliche Nahwärmenetz erstellen und finanzieren sollte. Im November 2009 beschloss der Stadtrat die Erarbeitung eines konkreten Anforderungskatalogs für die möglichen Betreiber, die konkrete Standortsuche und die Klärung des möglichen Planungsablaufs. Im März 2010 wurde das Verfahren zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes eingeleitet. Auf die daraufhin folgende Ausschreibung meldete sich die ... GmbH & Co. [X.] (im folgenden [X.]) als Interessentin.

3

Die Klägerin schloss am 15.03.2011 mit der [X.] einen "Durchführungsvertrag zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Biogasanlage ..." (im Folgenden Durchführungsvertrag). Nach § 3 des Vertrags betraf das Vorhaben die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage zur Strom- und Wärmeerzeugung auf der Grundlage des Bebauungsplans. Gemäß § 4 Abs. 1 verpflichtete sich die [X.] zur Durchführung des Vorhabens nach den Regelungen des Vertrags und den zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplans. Gemäß § 4 Abs. 2 musste die [X.] spätestens 9 Monate nach erteilter bau- oder immissionsrechtlicher Genehmigung mit dem Vorhaben beginnen und dieses innerhalb von 24 Monaten fertigstellen.

4

Daneben schlossen die Stadtwerke der Klägerin und die [X.] am 27.07.2011 einen Wärmeliefervertrag, nach dessen § 1 Abs. 1 die [X.] der Klägerin Wärme aus dem Betrieb der Biogasanlage zur Verfügung stellt. Nach § 1 Abs. 2 verpflichtet sich die [X.], die in ihrem Eigentum stehenden technischen Anlagen über die Vertragslaufzeit dauernd betriebsfähig zu halten. Gemäß § 3 Abs. 1 des Vertrags liefert die [X.] die Wärme das gesamte Jahr über entsprechend dem Bedarf der Klägerin, wobei nach § 3 Abs. 2 eine Abnahmeverpflichtung der Klägerin nicht besteht, die [X.] hingegen eine Liefergarantie von mindestens 2,5 GWh je Kalenderjahr abgibt. Gemäß § 11 läuft der Vertrag bis 31.12.2021; danach ist ein neuer Wärmepreis zu verhandeln. Der Vertrag verlängert sich nach § 11 Abs. 2 nur, wenn beide Vertragsparteien schriftlich eine Verlängerung vereinbaren.

5

Ferner schlossen die Stadtwerke der Klägerin als Netzbetreiber am 30.10.2012 mit der [X.] einen "Vertrag über den [X.] von Biomasseanlagen mit dem [X.] des Netzbetreibers und die Einspeisung von Strom aus Biomasseanlagen" (im Folgenden Einspeisevertrag) ab. Gemäß 3.4 des Vertrags stellt die [X.] der Klägerin den in ihrer Anlage erzeugten Strom als Drehstrom mit einer Spannung von 400 Volt und einer Nennfrequenz von ca. 50 [X.] zur Verfügung. Die Vergütung erfolgt nach Ziff. 6 der Allgemeinen [X.]- und Einspeisebedingungen der Klägerin als Netzbetreiberin. Der Vertrag hat gemäß 7.1 eine Laufzeit von 20 Jahren ab Inbetriebnahme der Anlage und kann gemäß 7.2 mit einer Frist von 6 Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt gemäß 7.3 unberührt.

6

Die [X.] erstellte die Anlage, die eine elektrische Nennleistung von 0,6 MW hat. Sämtliche in der Biogasanlage erzeugten Wärme- und Strommengen lieferte die [X.] an die Klägerin. Den Strom speiste sie in das den [X.] gehörende Netz ein. Letztere veräußerte den Strom als Versorger mit einer entsprechenden Erlaubnis an Letztverbraucher, welche diesen in einem Radius von 4 km um die Biogasanlage entnahmen.

7

In ihrer Stromsteueranmeldung für das [X.] erklärte die Klägerin den in der Biogasanlage erzeugten Strom als gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des [X.] (StromStG) steuerfrei und berechnete eine Steuer in Höhe von insgesamt 82.840,93 €.

8

Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) sah die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht als gegeben an und setzte mit Bescheid vom 23.06.2014 Stromsteuer für das [X.] in Höhe von 175.489,02 € fest. Aus den vorgelegten Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Anlage durch die [X.] betreiben lasse.

9

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) München bejahte die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] zugunsten der Klägerin, weil diese die Biogasanlage durch die [X.] habe betreiben lassen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei zu beurteilen, ob bei einer am typischen Fall des Contracting orientierten Auslegung ein [X.] vorliege. Das [X.] sei vom bloßen Ankauf oder Einspeisen des Stroms abzugrenzen. Danach hielt es das [X.] für entscheidend, dass die Initiative für die Errichtung der Anlage von der Klägerin ausgegangen und die Vertragsverhältnisse langfristig angelegt seien und dass die [X.] den gesamten Strom und die gesamte Wärme an die Klägerin geliefert habe. Dass vertraglich weder eine [X.] noch eine Abnahmeverpflichtung bestehe, hielt das [X.] nicht für relevant, weil die Anlage nur mit dem Stromnetz der Klägerin verbunden gewesen sei und deshalb tatsächlich keine andere Möglichkeit bestanden habe, als den Strom an die Klägerin zu liefern. Im Übrigen ergebe sich eine Abnahmeverpflichtung aus § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien ([X.]).

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.].

Betreiber der Anlage könne nur derjenige sein, der den [X.] der Stromerzeugung als kleinste rechtlich selbständige Einheit aufgrund eines Nutzungsrechts vornehme. Alleinige Verfügungsmacht über die Anlage habe die [X.] als Betreiberin. Hinsichtlich der Wärmelieferung sei wegen der Initiative der Klägerin und wegen der langfristigen Vertragsverhältnisse ein Contractingverhältnis anzunehmen. Allerdings ergebe sich aus dem mit der [X.] der Klägerin geschlossenen Einspeisevertrag kein Contractingverhältnis, weil dieser lediglich abgeschlossen worden sei, um die Einspeisevergütung nach dem [X.] zu erhalten. Dagegen hätten die [X.] und die Klägerin keinen Vertrag über die Abnahme des erzeugten Stroms geschlossen. Die Lieferungen von Strom und Wärme seien strikt zu trennen.

Während das [X.] in der Revisionsbegründung noch offengelassen hat, ob der Strom wegen des [X.]-Ausgleichsmechanismus (§ 56 [X.]) überhaupt an die Letztverbraucher hätte geliefert werden dürfen, hat es erstmals in der mündlichen Verhandlung bestritten, dass eine solche Lieferung an Letztverbraucher i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] erfolgt sei. Letztlich vertritt das [X.] die Auffassung, dass die Inanspruchnahme der [X.]-Vergütung eine Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] ausschließe.

Das [X.] beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten sämtliche Varianten des Contracting von § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] erfasst werden. Bei der vorliegenden einheitlichen Biogasanlage sei wegen der gemeinsamen Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung --KWK--) eine Gesamtwürdigung der Vertragsverhältnisse vorzunehmen. Das [X.] könne sich nur auf die KWK-Anlage als solche beziehen. Weil der Wärmelieferungsvertrag über einen Zeitraum von zehn Jahren abgeschlossen sei, schade die kurzfristige Kündigungsmöglichkeit des Einspeisevertrags nicht.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin das BHKW i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] i.d.[X.] der Besteuerung von [X.] und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15.07.2006 ([X.], 1534) durch die [X.] betreiben lässt und ihr deshalb die Steuerbefreiung im Streitjahr 2013 zusteht.

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] ist Strom von der Steuer befreit, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei MW erzeugt wird und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen.

a) Die Tatbestandsmerkmale "Betreiben" und "[X.]" sind im [X.] nicht definiert. Somit bedarf es einer Auslegung dieser Begriffe, die sich an dem im Befreiungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, zu orientieren hat (Senatsurteile jeweils vom 20.04.2004 - VII R 57/03, [X.] 2005, 578; VII R 54/03, [X.], 502; VII R 44/03, [X.], 566, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2004, 342, unter [X.], und vom 23.06.2009 - VII R 42/08, [X.] 2009, 1720, unter II.1.).

b) Mit der nachträglich durch das Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform ([X.] 1999, 2432, 2438) mit Wirkung zum 01.01.2000 in das [X.] eingefügten Vorschrift wollte der Gesetzgeber die Fälle des sog. Contracting erfassen. Konkret sollten die Fälle geregelt werden, in denen gerade nicht eine flächendeckende oder regionale Versorgung erfolgt, sondern Strom objektbezogen erzeugt und zur Verfügung gestellt wird (BTDrucks 14/2044, 11). § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] hat seine im Streitjahr 2013 geltende Fassung durch Art. 2 Nr. 6 Buchst. a des [X.] von [X.] und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15.07.2006 ([X.], 1534) erhalten. Diese Fassung entspricht Art. 2 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 16/1172, 29). Damit sollte ausgehend von Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 der Richtlinie ([X.]) 2003/96 des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen [X.] zur Besteuerung von [X.] und elektrischem Strom --EnergieStRL-- ([X.] Nr. L 283, 51) in kleinen [X.]n erzeugter Strom von der Stromsteuer befreit werden. Nach Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 EnergieStRL können die Mitgliedstaaten kleine Stromerzeuger allerdings nur dann von der Steuer befreien, wenn die zur Erzeugung dieses Stroms verwendeten Energieerzeugnisse besteuert werden. Daher sollten im Energiesteuergesetz parallel zu dieser Nennleistungsgrenze Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 MW von der [X.] Steuerentlastung ausgenommen werden (vgl. Begründung zu Art. 2 Nr. 6 Buchst. a des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BTDrucks 16/1172, 47).

c) Der in der Gesetzesbegründung verwendete Begriff "Contracting" leitet sich vom [X.] Begriff contract (Vertrag) ab und bezeichnet das [X.], d.h. die Vergabe von Aufträgen (Senatsurteil in [X.], 566, [X.], 342, unter [X.] bb). Im Bereich der Energieversorgung versteht man darunter grundsätzlich das Auslagern der Planung, des Baus, der Finanzierung, des Unterhalts und des [X.] ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], Energiesteuer, Stromsteuer, § 9 [X.] Rz 75). Der Vertragspartner erspart sich durch diese Konstruktion den Bau von Energieversorgungsanlagen und damit hohe Anfangsinvestitionen und ein entsprechendes Investitionsrisiko (Urteile des [X.] in [X.] 2005, 578, unter [X.] bb; in [X.], 502, unter [X.] aa und [X.] bb, und in [X.], 566, [X.], 342, unter [X.] bb). Der sog. Contractor ist für die Betriebsführung und Instandhaltung der Anlage verantwortlich (Urteil des Thüringer [X.] vom 11.11.2014 - 2 K 205/13, [X.]Entscheidungsdienst --DStRE-- 2016, 374).

d) Die ausdrückliche Bezugnahme auf [X.] in der Gesetzesbegründung lässt den Schluss zu, dass ein [X.] eine Möglichkeit der Einflussnahme auf den Betreiber der Anlage voraussetzt. Auch die Beschränkung der Steuerbefreiung auf kleine Stromerzeuger durch Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 3 Satz 2 EnergieStRL deutet darauf hin, dass derjenige, der eine Anlage betreiben lässt, auf den tatsächlichen Anlagenbetreiber Einfluss nehmen können muss, um selbst noch als Stromerzeuger im Sinne dieser Vorschrift zu gelten. Diese Einflussmöglichkeit wird gesetzlich nicht definiert, sondern ausgehend von den Vorgaben des Unionsrechts vorausgesetzt und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur sein. Es sind daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle im Streitfall maßgeblichen Umstände und Vertragsverhältnisse zu betrachten.

Wie der Begründung zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] zu entnehmen ist, hatte der Gesetzgeber das Contracting als typischen Fall des [X.]s im Blick. Demnach ist der Betreiber i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] der typische Contractor, der den Strom in der Anlage erzeugt und an den Contractingnehmer leistet. Derjenige, der die Anlage betreiben lässt, ist der typische Contractingnehmer, der den Contractor mit dem Betreiben der Anlage beauftragt hat. Derjenige, der die Anlage betreiben lässt, muss in der Regel deren Errichtung veranlasst haben (vgl. [X.] Thüringen in [X.], 374, Rz 92). Grundsätzlich verpflichten sich der Contractor, die zu versorgenden Objekte mit Strom zu beliefern, und der Contractingnehmer, den Strom vom Contractor zu beziehen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 [X.] Rz 75, m.w.N.; Urteil des [X.] Hamburg vom [X.], Contracting und Recht --CuR-- 2010, 131, Rz 32, m.w.N.). Typischerweise sind die Verträge langfristig angelegt.

Das [X.] setzt nicht voraus, dass der Contractingnehmer das wirtschaftliche Risiko der Anlage trägt oder die Verfügungsmacht über die Anlage hat. Auch eine gesellschaftsrechtliche oder personelle Verknüpfung zwischen den [X.] ist nicht erforderlich. Sie kann jedoch im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sein (vgl. [X.] Hamburg in [X.], 131, Rz 39).

Die für ein [X.] erforderliche Einflussnahmemöglichkeit fehlt, wenn Strom auf dem freien Markt zugekauft wird. Abzugrenzen ist das [X.] deshalb von dem bloßen Ankauf oder dem bloßen Einspeisen des Stroms ohne Bezug zur Anlage (vgl. Thüringer [X.], Urteil vom 26.04.2012 - 2 K 888/09, [X.], 692, Rz 26). Ein lediglich langfristiger Ankauf- oder Einspeisevertrag allein reicht ebenfalls nicht aus, weil der erforderliche Anlagenbezug fehlt.

2. Unter Beachtung dieser Grundsätze lässt die Klägerin im Streitfall das BHKW durch die [X.] betreiben.

a) Die Initiative zur Errichtung der Anlage ging ausschließlich von der Klägerin aus. Denn im Stadtrat der Klägerin wurde die Errichtung der Anlage beraten und beschlossen und ein Anforderungskatalog erarbeitet. Die [X.] hat sich dann gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) im [X.] zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan verpflichtet, die Anlage zu errichten und zu betreiben. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und [X.]) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 BauGB verpflichtet. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB entscheidet die Gemeinde über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen. Daraus ergibt sich eine Einflussnahme der Gemeinde, die im Rahmen der Gesamtbetrachtung für ein [X.] spricht. Dass das Grundstück, auf welchem sich die Anlage befindet, nicht im Eigentum der Gemeinde steht, ist unerheblich. Eine anderslautende Vorgabe findet sich weder im [X.] noch in der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes.

b) Bei Gesamtbetrachtung der abgeschlossenen Verträge sind diese auch langfristig abgeschlossen. Der [X.] hat eine feste Laufzeit ohne Kündigungsmöglichkeit von über zehn Jahren (bis 31.12.2021, § 11 Abs. 1 Satz 1). Der Einspeisevertrag endet nach 7.1 Satz 1 nach 20 Jahren. Das gemäß 7.2 vereinbarte Recht beider Parteien, diesen Vertrag mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen, steht der Langfristigkeit nicht entgegen. Wenn das [X.] diesbezüglich eine getrennte Betrachtung der Wärme- und Stromlieferung verlangt, verkennt es, dass das BHKW als KWK-Anlage nur als Gesamtheit wirtschaftlich betrieben werden kann.

c) Zwar ergibt sich weder aus dem Einspeisevertrag noch aus dem [X.] eine vertragliche Abnahmeverpflichtung der Klägerin, nach den Feststellungen des [X.] war das BHKW jedoch ausschließlich an die Wärmeleitung der Klägerin und an deren Stromnetz angeschlossen. Dadurch ergab sich eine faktische Bindung der [X.] ausschließlich an die Klägerin, an die die [X.] den gesamten Strom und die gesamte Wärme, die in der KWK-Anlage erzeugt wurden, geliefert hat.

Vor diesem Hintergrund kann der Senat dahinstehen lassen, ob überhaupt eine Abnahmeverpflichtung für ein [X.] zu fordern ist.

3. Auch die weiteren Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] sind im Streitfall gegeben.

a) Die Anlage hat eine elektrische Nennleistung von 0,6 MW und bleibt damit unter der gesetzlich vorgesehenen Grenze von 2 MW.

b) Den in der Anlage erzeugten Strom leistete die Klägerin an Letztverbraucher, die diesen im räumlichen Zusammenhang mit der Anlage entnahmen.

aa) Den Begriff der Leistung definiert das [X.] nicht. Dieses Tatbestandsmerkmal findet sich auch in § 2 Nr. 1 [X.], in welchem der Begriff des Versorgers definiert wird. Danach ist Versorger derjenige, der Strom leistet. Unter "leisten" wird verstanden, dass jemand einem anderen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung Strom i.S. des § 1 Abs. 1 [X.] verschafft (Wundrack in [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 2 [X.] Rz 5 und § 5 Rz 23; [X.]/[X.], 2. Aufl., [X.], § 2 Rz 10; [X.] Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.06.2004 - 6 K 1173/02 Z, [X.], 424, Rz 42; BTDrucks 14/40, 11).

bb) Nach den Feststellungen des [X.] veräußerte die Klägerin den Strom an Letztverbraucher. An diese Feststellungen des [X.] ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden, denn sie sind frei von Verfahrensfehlern zustande gekommen und enthalten weder Widersprüche noch einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Insbesondere besteht kein Widerspruch zu der Feststellung des [X.], die [X.] habe der Klägerin gemäß 3.4 des Einspeisevertrags den in ihrer Anlage erzeugten Strom zur Verfügung gestellt. Soweit das [X.] erstmals im Revisionsverfahren die Auffassung vertreten hat, die Inanspruchnahme einer Einspeisevergütung nach dem E[X.] schließe wegen des sog. E[X.]-Wälzungsmechanismus die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] aus, folgt der Senat dem nicht. Ungeachtet dessen, dass auf die vom Gesetz vorgesehene Steuerbefreiung nicht verzichtet werden kann, wenn deren Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, ist der Senat bei der Auslegung des [X.] grundsätzlich nicht an die Definitionen und Vorgaben des E[X.] gebunden (vgl. Senatsurteile vom 06.10.2015 - VII R 25/14, [X.], 563, Rz 16, und vom 23.06.2009 - VII R 34/08, [X.] 2009, 1673, Rz 19, jeweils für den Anlagenbegriff).

Davon ausgehend bestand zwischen der Klägerin und ihren Kunden eine Leistungsbeziehung im Sinne des Stromsteuerrechts.

cc) Im Übrigen hat das [X.] keine fristgerechte Rüge erhoben, sondern erstmals in der mündlichen Verhandlung der Revisionsinstanz bestritten, dass die Klägerin den Strom an Letztverbraucher geleistet habe.

dd) Letztlich käme der Klägerin auch ein Vertrauensschutz zugute. Denn die Finanzverwaltung hat im Erlass des [X.] vom 23.03.2015 - [X.] 6 - V 4250/05/10003 erklärt, dass eine freie (kaufmännisch-bilanzielle) Zuordnung der Strommengen zu den Entnahmestellen, die sich im räumlichen Zusammenhang zu der jeweiligen [X.] befinden, mit Blick auf die Befreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] zulässig sei.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 36/18

15.12.2020

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 5. Juli 2018, Az: 14 K 2634/16, Urteil

§ 9 Abs 1 Nr 3 Buchst b StromStG vom 15.07.2006, Art 21 Abs 5 UAbs 3 S 2 EGRL 96/2003, EEG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.12.2020, Az. VII R 36/18 (REWIS RS 2020, 3740)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3740


Verfahrensgang

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Az. VII R 36/18

Bundesfinanzhof, VII R 36/18, 15.12.2020.


Az. 14 K 2634/16

FG München, 14 K 2634/16, 05.07.2018.


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