Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2017, Az. V ZR 230/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9940

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:020617UVZR230.16.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
230/16
Verkündet am:

2. Juni 2017

Weschenfelder

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.]ayAG[X.]G[X.] Art. 47 Abs. 1
[X.]ei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück, ist die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem höheren [X.] des Nachbargrundstücks aus zu messen. Der Anspruch auf [X.] gemäß Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] entsteht erst, wenn die Pflanze unter [X.] zwischen dem [X.] des tiefer gelegenen Grundstücks, auf dem sie stehen, und dem des höher gelegenen Grundstücks die zulässige Pflanzenwuchs-höhe überschritten hat.
[X.], Urteil vom 2. Juni 2017 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
[X.]rückner, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des [X.] -
5.
Zivilkammer
-
vom 25.
August 2016 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke in Hanglage in [X.].

. Das Grundstück des [X.] liegt höher als das der [X.]. Zwischen den Grundstücken befindet sich eine ca. 1 m bis 1,25 m ho-he Geländestufe, an der eine Mauer verläuft. Auf dem Grundstück der [X.]eklag-ten steht entlang der Geländestufe eine 6 m hohe [X.]. Sie wurde zu-letzt 2009 oder 2010 auf eine Höhe von ca. 2,90 m
geschnitten, gemessen von ihrer Austrittsstelle
aus dem [X.]oden. Der Kläger verlangt von der [X.]eklagten,
die Hecke zweimal jährlich
mit Ausnahme des Zeitraums vom 1. März bis 30.
September auf eine Höhe von 2 m, gemessen ab dem oberen Ende der Mauer zwischen den Grundstücken der Parteien,
zurückzuschneiden. Die [X.]e-klagte erhebt die Einrede der Verjährung.

1
-
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-
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die [X.]erufung des [X.] hat das [X.] ihr stattgegeben. Mit der von dem [X.] zuge-lassenen Revision möchte
die [X.]eklagte
die Wiederherstellung des erstinstanzli-chen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
I.
Das [X.]erufungsgericht meint, der Kläger könne den Rückschnitt der [X.] nach Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] verlangen. Der Anspruch sei nicht verjährt. Verjährung trete zwar fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem die Grenzbepflanzung erstmals eine Höhe von 2 m überschritten habe (Art. 52 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.]). Das könne jedoch
zu unbilligen Ergebnissen führen. Ob die Pflanzen die zulässige Höhe einhielten, könne nur durch akkurates Nach-messen festgestellt werden. Das entspreche nicht der Rechtswirklichkeit. Im konkreten Fall komme hinzu, dass an der Grundstücksgrenze eine Geländestu-fe verlaufe.
In einem derartigen Fall sei die Höhe der Grenzbepflanzung
nicht von dem [X.]odenniveau des Grundstücks, auf dem sie stünden, sondern von dem Niveau des benachbarten Grundstücks aus zu messen. Der Wortlaut von Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] stelle zwar allein auf die Pflanzenhöhe als solche ab. [X.]ei einer Geländestufe werde
das Nachbargrundstück aber erst beeinträchtigt, wenn die Pflanzen
deren Höhe überschritten. Das führe dazu, dass die
Gelän-destufe von 1 m der gesetzlich zulässigen Pflanzenwuchshöhe von 2 m hinzu-zurechnen und die
für den Verjährungsbeginn maßgebliche Höhe der [X.] auf 3 m festzulegen sei. Da nach dem Vortrag der [X.]eklagten die Hecke 2009 oder 2010 auf eine Höhe von ca. 2,90 m gekürzt worden
sei, sei
der nach 2
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dem Weiterwachsen
der Hecke entstandene Anspruch
im Hinblick auf das 2014 eingeleitete Schlichtungsverfahren nicht verjährt.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Zu Recht bejaht das [X.]erufungsgericht die Voraussetzungen für einen Anspruch des [X.] auf Rückschnitt der [X.].
Dieser ergibt
sich aus Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.]. Danach kann der Ei-gentümer eines Grundstücks verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück u.a. [X.]äume, Sträucher oder Hecken, die in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden, nicht höher als 2 m sind. So liegt der Fall hier. Nach den von dem [X.]erufungsgericht in [X.]ezug genomme-nen Feststellungen des Amtsgerichts steht die Hecke in einem Grenzabstand zwischen 0,50 m und 2 m. Sie ist mit einer Wuchshöhe von 6 m unzweifelhaft über die nach Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] zulässige Höhe hinausgewachsen.
Der Kläger kann deshalb
ein Zurückschneiden verlangen.
Dem steht nicht entgegen, dass dem Nachbarn nach
den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers bei einem Verstoß gegen Art.
47 Abs.
1 [X.]ayAG[X.]G[X.] ein Anspruch auf
[X.]eseitigung oder auf
Zurückversetzen der Pflan-zen zusteht
(vgl. [X.]echer, Die gesamten Materialien zu den das [X.]ürgerliche Ge-setzbuch und seine Nebengesetze betreffenden [X.] Gesetzen und Verordnungen, [X.] und V, [X.]and I, 1899, [X.]). Der Rückschnitt ist ein Weniger gegenüber der vollständigen [X.]eseitigung und
damit möglicher Inhalt des Anspruchs aus Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.]
(vgl. [X.]ayObLGZ 1993, 100, 104; [X.]/[X.], [X.] in
[X.]n, 1988, Art. 47 AG[X.]G[X.] Rn. 24; [X.], Das Nachbarrecht in [X.]n, 2. Aufl., 73 f.;
[X.]/[X.], [X.]isches Nach-4
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barrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 154, 155; [X.]/[X.]/[X.], Nachbarrecht in [X.]n, 7. Aufl.,
§ 18 Rn. 8; [X.], Das Nachbarrecht in [X.]n, 7. Aufl., [X.].
10 [X.] 5).
2. Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des [X.]erufungsgerichts, dass der Anspruch des [X.] nicht verjährt ist.
a) Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf [X.]eseitigung eines die Grenzabstandsvorschrift des Art.
47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] verletzenden [X.] verjährt in fünf Jahren (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 [X.]ayAG[X.]G[X.]).
Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Um-ständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (Art.
52 Abs. 1 Satz 3 [X.]ayAG[X.]G[X.]).
Das gilt auch für den Anspruch auf [X.] ([X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 1988, Art. 52 AG[X.]G[X.] Rn. 4; [X.], Das Nachbarrecht in [X.]n, 7. Aufl., [X.]. [X.]).
[X.]illigkeitsgesichtspunkte stehen dem, anders als das [X.]erufungsgericht meint, nicht entgegen.
Für den [X.]eginn der Verjährung ist ein subjektives [X.] erforderlich. Der Nachbar muss bei objektiver [X.]etrachtung die Verletzung des Grenzabstands, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme geeigneter Messhilfen, erkennen
können.
Ist die Grenzabstandsverletzung bei objektiver [X.]etrachtung zweifelhaft, beginnt die Verjährung erst, wenn die Verletzung eindeutig wird (vgl. [X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 1988, Art. 52 AG[X.]G[X.] Rn.
7;
[X.], Das Nachbarrecht in [X.]n, 7. Aufl., [X.]. [X.] 2a; [X.]/[X.], [X.]isches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 185; [X.]/[X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 7. Aufl., § 18 Rn. 10; [X.]/[X.]/[X.], [X.]isches Nachbarrecht, 2. Aufl., [X.] 171).
Die fünfjährige Verjährungsfrist gibt dem Nach-barn dann genügend Zeit zu überlegen, ob er seinen Anspruch durchsetzen 8
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will. Es ist ihm ohne weiteres möglich,
innerhalb von fünf Jahren nach dem [X.] von Pflanzen über die gesetzliche Höhe hinaus den jährlichen Zu-wachs zu beobachten. Auch lässt sich, notfalls mit Hilfe fachmännischer [X.]era-tung, ermitteln, wie lange das Wachstum der Pflanzen andauern wird, so das auch der Umfang künftiger [X.]eeinträchtigungen eingeschätzt werden kann. Der Nachbar kann somit innerhalb der Frist entscheiden, ob er das Zurückschnei-den der Pflanzen verlangt
(vgl. Senat, Urteil vom 14. November 2003 -
V [X.], [X.]Z 157, 33, 37).
b) Im [X.] von 0,5 m bis 2 m entsteht der Anspruch aus Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.], wenn die Pflanzen über die zulässige Höhe von 2 m hinauswachsen (vgl. Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Aus-führung des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze sowie zur Ände-rung weiterer landesrechtlicher Vorschriften, [X.]ay LT-Drucks. 14/9958 [X.] 11; [X.]ayObLGZ 1993, 100, 105; LG [X.]ayreuth, NJW-RR 1992, 276, 277; LG Mem-mingen, NJW-RR 1996, 1483; AG [X.], NJW-RR 1990, 401; [X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 1988, Art. 52 AG[X.]G[X.]
Rn. 6; [X.], [X.]isches priva-tes Nachbarrecht, 2011, Art. 52 Rn. 5; [X.], Das Nachbarrecht in [X.]n, 7.
Aufl., [X.]. [X.] 2; [X.]/[X.]/[X.], Nachbarrecht in [X.]n, 7. Aufl., §
18 Rn. 9; [X.]/[X.] [2012] EG[X.]G[X.] Art. 124 Rn.
39; vgl. auch [X.], NJW-RR 1997, 657 zu § 43 Abs. 1 Ziff. 2 [X.] HE aF; differenzierend [X.]/[X.]/[X.], [X.]isches Nachbarrecht, 2. Aufl., [X.]
171 zu Art. 52 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] aF: Anpflanzung).
Werden die Pflanzen zurückgeschnitten, entsteht
der Anspruch auf Rückschnitt nach jedem [X.] über die höchstzulässige Höhe wieder neu (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 6. Oktober 2011 -
V Z[X.] 72/11, NJW-RR 2012, 82 Rn. 7 zu § 14 Abs. 1 Sächs[X.]).

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c) Mit Recht geht das [X.]erufungsgericht davon aus, dass der Anspruch des [X.] auf Rückschnitt entstanden
ist, als die [X.] zuletzt eine Höhe von 2 m, gemessen von der ca. 1 m hohen Geländestufe, und damit eine absolute Höhe von 3 m überschritten hat. Das war, nachdem die Hecke 2009/2010 auf etwa 2,90 m zurückgeschnitten worden war, frühestens im Laufe des Jahres 2009 der Fall.
aa) Allerdings ist
die nach Art. 47 Abs. 1
[X.]ayAG[X.]G[X.]
im Grenzabstands-bereich bis 2 m zulässige Höhe der Pflanzen
grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der diese aus dem [X.]oden austreten
(vgl.
[X.]/[X.],
[X.]isches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 150; [X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 1988, Art. 52 AG[X.]G[X.] Rn.
28; [X.], Das Nachbarrecht in [X.]n, 7. Aufl., [X.]. 10 [X.] 6; [X.], [X.]isches privates Nachbarrecht, 2011, Art. 47 Rn. 9; [X.]/[X.]/[X.], [X.]isches Nachbarrecht, 2. Aufl., [X.] 161; vgl. auch [X.], Nachbarrecht [X.], 7. Aufl., [X.]. 11.1).
[X.]) Das gilt aber nicht
für die Grenzbepflanzung
eines
Grundstücks, das tiefer
liegt als das Nachbargrundstück.

[X.]) Ob für die Ermittlung der im [X.] nach Art. 47 Abs.
1 [X.]ayAG[X.]G[X.] zulässigen
Höhe der Pflanzen zu berücksichtigen ist, dass das Nachbargrundstück auf einem höheren [X.] liegt, ist allerdings umstritten. Teilweise wird angenommen, eine Hanglage sei für die Ermittlung der zulässigen Höhe der Grenzbepflanzung gänzlich unbeachtlich. Es komme allein auf die Wuchshöhe der Pflanzen an (vgl. [X.], Das [X.] private Nachbarrecht, 2011, Art. 47 Rn. 9;
so auch [X.], Nachbarrecht für [X.], 7. Aufl., [X.]. 11;
Keil/[X.], [X.], 21. Aufl., §§
38, 39 [X.]. 4). Nach anderer Auffassung, der das [X.]erufungsgericht folgt, ist
bei einer Hanglage die zulässige Pflanzenwuchshöhe
von dem [X.] 12
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des Nachbargrundstücks aus zu messen. Falle das Grundstück
zur Pflanze hin ab, sei der [X.]unterschied der zulässigen Höhe der Pflanze hinzu-zurechnen, steige es
zur Pflanze hin an, sei der [X.]unterschied ab-zuziehen (vgl. [X.],
Das
Nachbarrecht in [X.]n, 7. Aufl., [X.]. 10 [X.] 6a; [X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 1988, Art. 47 AG[X.]G[X.] Rn. 28; [X.]/
[X.], [X.]isches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 150; [X.]/[X.]/
[X.], [X.]isches Nachbarrecht, 2. Aufl., [X.] 161; so auch [X.], Die Justiz 1976, 472, 473;
[X.]runs, Nachbarrechtsgesetz [X.]aden-Württemberg, 3.
Aufl., § 12 Rn. 24).
(2)
Richtigerweise
ist bei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das
-
wie hier -
tiefer liegt als das Nachbargrundstück, die nach den nachbar-rechtlichen Vorschriften zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem höheren Ge-ländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen. Der Anspruch auf [X.] gemäß Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] entsteht
erst, wenn
die Pflanze
unter Hinzurechnung der
Differenz zwischen dem [X.] des tiefer gelege-nen Grundstücks, auf dem sie stehen,
und dem des höher gelegenen Grund-stücks die zulässige Pflanzenwuchshöhe überschritten hat.
Wie die Messung im umgekehrten Fall zu erfolgen hat, also bei
einer Grenzbepflanzung auf dem höher gelegenen Grundstück, bleibt offen.
[X.]ei einer [X.]epflanzung des tiefer gelegenen Grundstücks widerspräche eine Messung von der Austrittsstelle der Pflanze dem Sinn und Zweck von Art.
47 Abs.
1 [X.]ayAG[X.]G[X.]; der Anwendungsbereich der Vorschrift
ist deshalb im Wege teleologischer Reduktion zugunsten des tiefer liegenden Grundstücks einzuschränken.
(a) Der Gesetzgeber hat in Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] eine Abwägung getroffen zwischen den Interessen des Grundstückseigentümers,
sein Grund-16
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stück
durch Anpflanzungen
zu begrünen,
und denen des Nachbarn, sein Grundstück zu nutzen, ohne durch den Entzug von Wasser, Licht und Luft be-einträchtigt zu werden. Er hat dies in der Weise getan, dass er
für bestimmte Gewächse in Abhängigkeit von ihrer Wuchshöhe
Grenzabstände
festgelegt hat. Er ist dabei davon ausgegangen, dass
Pflanzen bereits mit dem Austritt aus dem [X.]oden das Nachbargrundstück
beeinträchtigen können. Auf dieser
Grund-lage hat er
eine Wuchshöhe
von 2 m bestimmt,
die der Nachbar
im Grenzbe-reich von 0,50 m bis 2 m hinnehmen muss
(vgl. [X.]echer, Die gesamten Materia-lien zu den das [X.]ürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze betreffenden [X.] Gesetzen und Verordnungen, [X.] und V, [X.]and I, 1899, [X.]
91).
Ist bei
Pflanzen der Grenzabstand
nicht eingehalten, gewährt das Lan-desrecht mit Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] einen
Anspruch unabhängig
davon, ob die
Missachtung dieser Vorgaben zu einer Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbargrundstückes im Sinne des §
1004 [X.]G[X.] führt (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 4. März 2010 -
V Z[X.] 130/09, NJW-RR 2010,
807 Rn. 24). Die aus den [X.] folgende Eigentumsbeschränkung findet ihre Recht-fertigung in dem auf gegenseitige Rücksichtnahme angelegten nachbarlichen Verhältnis (vgl. [X.]egründung zum Entwurf des Entwurfs eines Gesetzes zur Aus-führung des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze [AG[X.]G[X.]],
[X.]ay LT-Drucks. 9/10458 [X.] 22; [X.]ayObLGZ 1993, 100, 106; [X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 1988, Art. 47 AG[X.]G[X.] Rn. 1; [X.], Das Nachbarrecht in [X.]n, 7.
Aufl., [X.]. 10 [X.] 3; [X.]/[X.], [X.]isches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2.
Teil Rn. 102).

(b) Dieser gedankliche Ausgangspunkt der Interessenabwägung des [X.] trifft nicht uneingeschränkt zu, wenn die Pflanzen auf einem
Grund-stück stehen, das
tiefer liegt als das Nachbargrundstück. Fällt der Hang zu
den
Pflanzen
hin ab, ist eine [X.]eeinträchtigung des höher gelegenen Grundstücks nämlich erst möglich, wenn die Pflanzen dessen Höhenniveau erreichen. [X.]
-
10
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weit sich die Pflanzen unterhalb des [X.]s des höher gelegenen Nachbargrundstücks befinden, sind für dieses Nachteile hingegen ausge-schlossen. Würde man auch in einer solchen Situation für die [X.]emessung der zulässigen Pflanzenwuchshöhe auf die Austrittsstelle aus dem
[X.]oden abstellen, würde die Interessenabwägung, die der Gesetzgeber getroffen hat, verfälscht.
Dem Sinn und Zweck der Grenzabstandsflächen entspricht es deshalb, der [X.] die Differenz zwischen dem [X.]
des tiefer gelegenen
Grundstücks, auf dem die Pflanzen stehen,
und dem des hö-her gelegenen Grundstücks hinzuzurechnen.
Das führt dazu, dass bei einer Hanglage die Grenzbepflanzung auf dem tiefer gelegenen
Grundstücks absolut gesehen höher als 2 m wachsen
kann.
[X.] stehen dem -
anders als der Prozessbevollmächtigte der [X.]eklagten in der mündlichen Ver-handlung vor dem Senat gemeint hat -
nicht entgegen. Soweit topographische Gegebenheiten wie Unebenheiten im Gelände die Messung erschweren [X.], handelt es sich
nicht um eine [X.]esonderheit der Hanglage. Solche [X.] können gleichermaßen bei horizontalem Geländeverlauf ent-stehen.
(c) Diesen Erwägungen
hat der [X.] Gesetzgeber an anderer Stel-le Rechnung getragen. Er hat in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 [X.]ayAG[X.]G[X.] eine Aus-nahme
von der Einhaltung des
Grenzabstands von Pflanzen zugelassen.
Nach dieser Vorschrift ist u.a. Art. 47 Abs. 1 [X.]ayAG[X.]G[X.]
nicht auf Gewächse [X.], die sich hinter einer Mauer oder einer sonstigen dichten Einfriedung befinden und diese nicht oder nicht erheblich überragen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in diesem Fall Nachteile
für das Nachbargrundstück durch die Pflanzen von vornherein ausgeschlossen sind (vgl. [X.]echer, Die gesamten [X.] zu den das [X.]ürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze betref-fenden [X.] Gesetzen und Verordnungen, [X.] und V, [X.]and I, 1899, [X.] 91 u. [X.] 455; [X.]/[X.], [X.] in [X.]n, 1988, Art. 50
20
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-
AG[X.]G[X.] Rn. 3).
Dieser Gesichtspunkt kommt auch zum Tragen, wenn sich die Grenzbepflanzung
auf einem Grundstück befindet, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück.
Die Vergleichbarkeit der Interessenlage der [X.] wird besonders augenfällig, wenn -
wie hier -
entlang der [X.] eine Geländestufe verläuft.
d) Danach ist der Anspruch der Klägerin auf Rückschnitt nicht verjährt. Die Verjährungsfrist des Art. 52 Abs. 1 Satz 2
[X.]ayAG[X.]G[X.] begann frühestens mit dem Schluss des Jahres 2009. Die Annahme
des [X.]erufungsgerichts, dass sie 2014 durch die Einreichung des Güteantrags nach Art. 1 Nr. 1 [X.]uchst. e) [X.]aySchlG gehemmt worden ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 [X.]G[X.]), lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Hiergegen wendet sich
die Revision auch nicht.
21
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
[X.]
Schmidt-Räntsch
[X.]rückner

Göbel
Haberkamp

Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 14.01.2016 -
11 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 25.08.2016 -
5 S 1274/16 -

22

Meta

V ZR 230/16

02.06.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2017, Az. V ZR 230/16 (REWIS RS 2017, 9940)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9940

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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Zitiert

V ZR 230/16

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11 C 750/15

5 S 1274/16

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