Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.03.2012, Az. 14 W (pat) 7/07

14. Senat | REWIS RS 2012, 8274

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren – mangelnde Ausführbarkeit -


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 196 16 486

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2012 unter Mitwirkung der Richterin [X.] als Vorsitzende, [X.] Gerster und [X.] sowie der Richterin Dr. Münzberg

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 21. März 2007 aufgehoben.

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

- Patentanspruch gemäß Hilfsantrag 1ac vom 8. Februar 2012,

- angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung,

- Zeichnungen Abb. 1 bis Abb. 3 wie erteilt.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I

1

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. März 2007 hat die [X.] des [X.] das Patent 196 16 486 mit der Bezeichnung

2

„Verfahren zur Senkung des Blutglucosespiegels in Säugern“

3

beschränkt aufrechterhalten.

4

In diesem Beschluss wird im Wesentlichen zunächst ausgeführt, dass die Gegenstände der seinerzeit gemäß Haupt- und Hilfsantrag 1 geltenden jeweiligen Ansprüche 1 wegen fehlender Ausführbarkeit zu widerrufen seien. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag betreffe die orale Verwendung von Inhibitoren der [X.] ([X.] zur Senkung des Blutzuckerspiegels. Weder im Anspruch noch in der Patentschrift gebe es Angaben dazu, welche Stoffe außer dem in der Beschreibung genannten [X.] und seiner Verallgemeinerung als solche Inhibitoren verwendet werden könnten. Vorliegend würden die zur Realisierung der vorliegenden Erfindung, d. h. das Auffinden weiterer geeigneter Inhibitoren, erforderlichen Versuche gemäß geltender Rechtsprechung den zumutbaren Umfang und das übliche Maß überschreiten. Das Auffinden der zu verwendenden Stoffe erfordere daher ein erfinderisches Bemühen des Fachmannes. Offensichtlich baue die Lehre des [X.] auf dem Ergebnis noch durchzuführender wissenschaftlicher Untersuchungen auf. Dem Fachmann werde auch keine Richtung angegeben, in die er mit Erfolg weiterarbeiten könnte. Das in der Patentschrift offenbarte Beispiel könne zu keiner anderen Beurteilung führen, weil anders als in den Fällen „[X.]“ und „Polyesterfäden“ der Fachmann außerhalb des konkreten Beispiels keine Hinweise bekomme, wo weitere ausführbare Beispiele zu finden seien. Ferner bestehe eine gravierende Rechtsunsicherheit, weil nicht ersichtlich sei, inwiefern vor dem [X.] bereits bekannte Diabetesmittel unter den Anspruch fielen. Die Angaben im Anspruch 1 des [X.] gingen außerdem nicht über die Angabe der Aufgabe hinaus, denn der Fachmann müsse erst die Stoffe finden, die die Aufgabe tatsächlich lösten. Die Lehre des Anspruchs 1 des [X.] beruhe auch nicht auf erfinderischer [X.]ätigkeit, da sie sich in der Anweisung erschöpfe, die [X.]reffer aus bekannten Screening-Verfahren zu verwenden. Gleiches gelte für den Anspruch 1 des [X.] 1.

5

Die Einsprechenden, die ihre Einsprüche bereits während des [X.] vor dem [X.] zurückgezogen haben und am Verfahren nicht mehr beteiligt sind, haben auch fehlende Neuheit und erfinderische [X.]ätigkeit des Streitpatents geltend gemacht, und sich auf folgende Druckschriften gestützt:

6

(1) Mentlein et al., Eur. [X.]. 214 (1993) 829-835
(2) [X.] et al., [X.] (1995) 3585-3596
(3) [X.] et al., Diabetologia 36 (1993) 741-744
(4) [X.] et al., Diabetes 44 (1995) 1126-1131
(5) [X.] et al., [X.], 716 (1995) 355-362
(6) [X.] et al., [X.] (1995) 952-957
(7) EP-A 708 179

7

(8) Nathan et al., Diabetes Care 15 (2) (1992) 270-276
(9) Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Auflage (1990) Seite 227

8

(10) [X.] et al., Diabetes Care 17 (1994) 1039-1044
(11) [X.] et al., [X.]. [X.]. Metab. 81 (1996) 327-332
(12) [X.] et al., Metab. 42 (1993) 1-6
(13) EP-A 658 568
(14) EP-A 708 179
(15) [X.] et al., Diabetes 44 (1995) 1126-1131 (identisch mit (4))
(16) [X.] 075 A5
(17) [X.] Globalwörterbuch (1983) Seite 673
(18) [X.] et al., [X.]. [X.]. Metab. 80 (1995) 952-957 (identisch mit (6))
(19) Mentlein et al., Eur. [X.]. 214 (1993) 829-835 (identisch mit (1))
(20) [X.], [X.] ([X.]) Diabetes (1994)
(21) [X.] 00/53171 A1
(22) [X.], [X.], 728/9
(23) [X.], Hrsg. Smith-Gordon u. [X.] (1990) Seite 1619
(24) Martindaie, [X.] (1993) Seite 36

9

(25) [X.] (1976) Seite 773
(26) [X.] 26 96 740
(27) [X.] 29 61 377
(28) [X.] 25 42 598
(29) [X.] 39 60 949
(30) [X.] 20 85 665
(31) [X.]/16339 A1
(32) [X.]/34538 A1.

Die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des [X.] ausführbar sei, da dieser die offenbarte orale Verwendung von [X.] oder [X.] als Inhibitoren der [X.] ([X.] zur Senkung des Blutzuckerspiegels betreffe. Die Verwendung gemäß Anspruch 1 des [X.] sei gegenüber diesem Stand der [X.]echnik auch neu und erfinderisch.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie beantragt,

das Patent auf der Grundlage des [X.] vom 8. Februar 2012, hilfsweise auf Basis einer der Hilfsanträge 1a, 1aa, 1ab oder 1ac vom 8. Februar 2012 aufrechtzuerhalten.

Der Patentanspruch des [X.] lautet:

Verwendung von Inhibitoren der [X.] ([X.] zur Senkung des Blutzuckerspiegels unter die für Hyperglykämie charakteristische Glukosekonzentration im Serum eines Säuger-Organismus bei Diabetes mellitus.

Gemäß Patentanspruch des [X.] wird gegenüber dem Hauptantrag die orale Verwendung der Inhibitoren beansprucht.

Der Patentanspruch des [X.]a lautet:

Orale Verwendung von Inhibitoren der [X.] ([X.] zur Senkung des Blutzuckerspiegels unter die für Hyperglykämie charakteristische Glukosekonzentration im Serum eines Säuger-Organismus bei Diabetes mellitus, wobei es sich um hochaffine, niedermolekulare Enzyminhibitoren handelt.

Im Patentanspruch des [X.]b sind [X.] Inhibitoren anstelle der Enzyminhibitoren gemäß Hilfsantrag 1aa auf Dipeptidderivate oder Dipeptidmimetika eingeschränkt.

Der Patentanspruch des [X.]c hat folgenden Wortlaut:

Orale Verwendung von Inhibitoren der [X.] ([X.] zur Senkung des Blutzuckerspiegels unter die für Hyperglykämie charakteristische Glukosekonzentration im Serum eines Säuger-Organismus bei Diabetes mellitus, wobei es sich bei den [X.] Inhibitoren um [X.], [X.], [X.] oder [X.] Hydroxylamin handelt.

Zur Stütze ihres Vorbringens verweist sie gemäß der mit Schriftsatz vom 8. Februar 2012 eingereichten [X.] auf folgende Dokumente:

E 33 European Medicines Agency / [X.] (Sitagliptin)
[X.] European Medicines Agency / [X.] (Vildagliptin)
E 35 European Medicines Agency / [X.] ([X.])
[X.] / [X.]rajenta (Linagliptin)
[X.] Diabetes, Metabolie Syndrome and Obesity: [X.]argets and [X.]herapy / Alogliptin
E 38 [X.] / Rationale for [X.] 4 Inhibitors
E 39 [X.] / Improved Glucose [X.]olerance in Zucker Fatty Rats
E 40 [X.] / Discovery of [X.] (Sitagliptin)
[X.] [X.] / Medikamente - [X.] aus dem Osten
E 42 [X.] / [X.] in Diabetes Mellitus
E 43 [X.] / Oral Antidiabetic Drugs: an Overview
E 44 [X.], [X.] / [X.] diabetes mellitus
E 45 [X.], [X.] / [X.] Diabetes
E 46 [X.], [X.], [X.], [X.] / [X.] glucose concentrations
E 47 M. [X.] / [X.]herapeutic Potential of Glucagon-like peptide 1 in [X.] Diabetes
E 48 J. Holst / GLP-1 in NIDDM
E 49 [X.] / Glucagon-Like Peptides
[X.]0 [X.], [X.], [X.] and Simon Scharpé / [X.], [X.] down
[X.]1 [X.] / [X.] ([X.])-role in the inactivation of regulatory peptides
[X.] [X.]/15309 / DI-IV-Serine Protease Inhibitors
[X.]3 [X.] 93/08259 / Inhibitors of Dipeptidyl-Aminopeptidase [X.]ype IV
[X.]4 [X.] and [X.] / Boronic Acid Inhibitors of [X.] IV
[X.]5 [X.] [X.], [X.] [X.]., [X.] H.-U. / Single dose escalation study to investigate P32/98 in healthy volunteers
[X.]6 [X.] H.-U., [X.] [X.]., [X.], [X.] / Single dose treatment of diabetic patients by the [X.] inhibitor P32/98
[X.]7 [X.] / [X.] in type 2 diabetes - incretins as therapeutic agents
[X.] Stellungnahme von Frau Dr. U. [X.] vom 28. Februar 2012 mit Entscheidungen der Beschwerdekammern des EPA
 [X.] 1063/06 - 3.3.10; [X.] 1151/04 - 3.3.02; [X.] 292/85 - 3.3.2
[X.]9 M. Brandi-Dorn, Festschrift 50 Jahre [X.] (2005), [X.] bis 486
E 60 M. Wolfram, Mitteilungen, 2003, [X.] bis 64
E 61 E.M. Migoya et al., Clinical Pharmacology & [X.]herapeutics, 2010, 88,6, [X.]1 bis 808.

[X.] macht geltend, dass im Gegensatz zur Auffassung der [X.] im angegriffenen Beschluss die Ausführbarkeit des Gegenstandes des [X.] gegeben sei. Es handle sich beim Streitpatent um eine Pioniererfindung für die ein breiter Patentschutz gerechtfertigt sei. In der Streitpatentschrift sei außerdem die Ausführbarkeit der Erfindung beispielhaft mit dem Inhibitor [X.] belegt und weitere erfindungsgemäße Inhibitoren seien angegeben.

Sie begründet die Ausführbarkeit damit, dass es sich vorliegend nicht um einen Stoffanspruch, sondern einen zweiten medizinischen Indikationsanspruch handle, [X.] Inhibitoren aus dem Stand der [X.]echnik - hier verweist sie auf [X.] und [X.] - an sich bekannt gewesen seien und das Streitpatent selbst einen klaren Hinweis auf ausführbare Ausführungsformen des Anspruches gebe. Da somit Inhibitoren zum Anmeldzeitpunkt bereits verfügbar gewesen seien, habe der Fachmann zur Durchführung nicht erst Wirkstoffe identifizieren müssen, die in der Lage seien, [X.] zu inhibieren und oral verabreicht zu werden. Die Auswahl aus den bekannten [X.] Inhibitoren im Hinblick auf eine optimale in [X.] habe anhand üblicher medizinisch-chemischer Verfahren erfolgen können. Dazu seien der Fachwelt zum Anmeldezeitpunkt eine Reihe etablierter [X.]iermodelle zur Verfügung gestanden.

Die Gegenstände der Patentansprüche gemäß Haupt- und Hilfsanträgen seien gegenüber dem Stand der [X.]echnik auch neu und erfinderisch. Zum Anmeldezeitpunkt habe es unterschiedliche medikamentöse Ansätze zur Behandlung von Diabetes mellitus gegeben. Dabei habe sich die Weiterentwicklung auf die Optimierung der bekannten Wirkstoffklassen bzw. den Einsatz von Kombinationen bekannter Wirkstoffe fokussiert. Dagegen sei die Rolle der Inkretine zum maßgeblichen Zeitpunkt noch kein validiertes therapeutisches Konzept gewesen. Sie habe vielmehr eine neue Entwicklung dargestellt, die nach Auffassung der Fachwelt noch weiterer Experimente bedurfte. Für den Fachmann sei es daher nicht naheliegend gewesen, seine Aufmerksamkeit darauf zu richten.

Im Hinblick auf das Erfordernis der Ausführbarkeit regt die Patentinhaberin die Zulassung der Rechtsbeschwerde über folgende Rechtsfrage an:

„Ob ein Anspruch deswegen das Erfordernis der Ausführbarkeit nicht erfüllt, weil er wegen der funktionellen Charakterisierung der laut der Lehre des Anspruchs zu verwendenden Stoffe, sowohl Stoffe des Standes der [X.]echnik als auch zukünftige Stoffe umfasst.“

Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens wurde von [X.] die Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA [X.] 1151/04 - 3.3.02, die auch der Anlage [X.] beigefügt ist, über das zum Streitpatent parallele [X.] Patent Nr. 0896538 zur Akte gereicht.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie konnte jedoch nur in dem aus dem [X.]enor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.

1. Der geltende Patentanspruch des [X.] geht aus den erteilten Ansprüchen 1 und 2 hervor, die auf den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 basieren. Der Patentanspruch des [X.] stützt sich zusätzlich auf [X.]. 4 [X.] 23 bis 26 der Patentschrift bzw. S. 6 Abs. 3 der Erstunterlagen. Zusätzlich leitet sich der Patentanspruch des [X.]a von [X.]. 3 [X.] 13 bis 16 der Patentschrift bzw. S. 4 Abs. 4 der Erstunterlagen ab. Der Patentanspruch des [X.]b geht wiederum auf die erteilten Patentansprüche 1 und 2 sowie [X.]. 4 [X.] 3 bis 7 und 23 bis 26 der Patentschrift zurück, die den Ansprüchen 1 und 2, [X.] [X.] bis [X.] 2 und S. 6 Abs. 3 der Erstunterlagen entsprechen. Der Patentanspruch des [X.]c geht zusätzlich auf [X.]. 4 [X.] 30 bis 33 der Patentschrift entsprechend [X.] 17 bis 18 der Erstunterlagen zurück. Der in den erteilten und ursprünglichen Ansprüchen gebrauchte Begriff „Effektoren“ ist in zulässiger Weise in den Patentansprüchen nach Haupt- und [X.] durch den auch aus der Patentschrift (u. a. [X.]. 1, [X.] 3 bis 8, [X.]. 3 [X.] 13 bis 30, [X.] 64 bis [X.]. 4 [X.] 3, Beispiele) und den Erstunterlagen (u. a. S. 2 Abs. 1, [X.] Abs., [X.]. Abs. bis S. 7 Abs. 1, [X.]. Abs., Beispiele) hervorgehenden Begriff „Inhibitoren“ ersetzt, der dem technischen Sachverhalt besser entspricht.

2. Die Verwendung gemäß den jeweiligen Patentansprüchen 1 nach Haupt- und den [X.] 1a, 1aa und 1ab ist jedoch nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.]).

Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde eine möglichst einfache kostengünstige Alternative zu z. B. invasiven chirurgischen [X.]echniken zur Senkung des Blutzuckerspiegels, insbesondere zur Behandlung von Diabetes mellitus bereitzustellen (vgl. Patentschrift [X.]. 3 [X.] 13 bis 16 und [X.] 31 bis 40). Diese Aufgabe soll durch den Gegenstand des Patentanspruchs gemäß Hauptantrag mit den folgenden Merkmalen gelöst werden:

1. Verwendung von Inhibitoren der [X.] ([X.]

2. zur Senkung des Blutzuckerspiegels unter die für Hyperglykämie charakteristische Glukosekonzentration im Serum eines Säuger-Organismus

3. bei Diabetes mellitus.

Ein beanspruchter Gegenstand muss in der Patentschrift so deutlich offenbart sein, dass ein Dritter ihn ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen nacharbeiten kann und für diesen zudem ersichtlich ist, was alles unter Schutz gestellt werden soll.

Dies trifft, wie bereits die [X.] festgestellt hat, vorliegend nicht zu. Mit dem einzigen Patentanspruch gemäß Hauptantrag, wird die Verwendung von Inhibitoren beansprucht, die ausschließlich über ihre Reaktion mit der [X.] ([X.]), d. h. über funktionelle Merkmale, charakterisiert werden, nicht aber anhand von chemischen oder physikalischen Parametern bzw. einem Verfahren zu ihrer Herstellung. Eingeschlossen sind damit eine nicht eingrenzbare Vielzahl von Verbindungen gleicher Funktionalität, unabhängig von ihren tatsächlichen stofflichen Merkmalen. In der Patentschrift werden zwar vier Dipeptidderivate genannt, die als Inhibitoren in Frage kommen (vgl. [X.]. 4 [X.] 4 bis 7 und [X.] 30 bis 33), darüber hinaus werden dem Fachmann, einem [X.]eam umfassend einen Biochemiker, einen Chemiker mit dem [X.]ezialgebiet organische Chemie und einen Facharzt für innere Medizin mit dem [X.]ezialgebiet Diabetologie, in der Beschreibung des [X.] aber keine Hinweise gegeben, welche Verbindungen er außer diesen zur Lösung der Aufgabe noch in Betracht ziehen könnte. Denn es ist nicht ersichtlich, was alles über die vier genannten Verbindungen hinaus unter die Bezeichnung „Inhibitor“ mit der im Patentanspruch angegebenen Wirkung zu subsumieren ist. Die Angaben im Anspruch 3 des Patents helfen ihm dabei nicht weiter. Denn demnach kann er Inhibitoren, Substrate, Pseudosubstrate, Inhibitoren der [X.]-Expression, [X.] oder Antikörper dieser Enzymproteine oder Kombinationen der genannten Effektoren als Inhibitoren der Dipetidylpeptidase, alles verallgemeinernde Begriffe für nicht näher bezeichnete Substanzen, in Betracht ziehen. Zur Realisierung unter die Verallgemeinerung „Inhibitor“ fallender Substanzen, d. h. für deren Synthese und Austestung, sind somit eine Vielzahl von aufwändigen Versuchen erforderlich, für die der Fachmann in der Patentschrift jedoch keine Anleitung findet. Damit ist der Gegenstand gemäß Patentanspruch nicht ausführbar offenbart, denn durch die generalisierende Formulierung über die dem Fachmann in der Gesamtheit der Unterlagen an die Hand gegebene Lösung hinaus ist der beanspruchte Gegenstand so weit verallgemeinert, dass der Patentschutz über den Beitrag der Erfindung zum Stand der [X.]echnik hinausgeht. Ein Patentanspruch hat deshalb mangels Ausführbarkeit keinen Bestand, wenn das der Erfindung zugrunde liegende Problem - hier mit vier speziellen Dipeptidderivaten als Inhibitoren - ausführbar gelöst wird, der Fachmann im Übrigen mangels Hinweisen in der Patentschrift geeignete chemische Stoffe - hier Inhibitoren für die beanspruchte Verwendung - nur durch das Prinzip Versuch und Irrtum aus einer unüberschaubaren Vielzahl auffinden kann (vgl. [X.]. 2011, 237 - Buprenorphinpflaster m. w. N.).

Es macht keinen Unterschied, ob es sich um einen Stoffanspruch oder einen Anspruch der 2. medizinischen Indikation handelt, worauf die Beklagte unter Hinweis auf die Stellungnahme von Frau Dr. U. [X.] ([X.]) abhebt. Denn auch die zur Verwendung vorgesehenen Stoffe müssen dem Fachmann in einer Patentschrift so offenbart werden, dass die beanspruchte Verwendung, ohne dass der Fachmann selbst erfinderisch tätig werden muss, ausführbar ist. Diese Auffassung wird auch von der Beschwerdekammer des [X.] in der Entscheidung [X.] 1151/04 - 3.3.02 über das zum vorliegenden Patent parallele [X.] Patent Nr. 0896538 vertreten.

Zu keiner anderen Beurteilung kann das Argument der Patentinhaberin führen, bei den Inhibitoren von [X.] handle es sich um an sich bekannte Substanzen, die der Fachmann nur auf die im Patentanspruch angegebene Funktion überprüfen müsse, um sie in die Hand zu bekommen. Aus [X.] (bestimmte Antikörper), [X.] (spezielle Aminosäurederivate mit heterocyclischer Amidstruktur), [X.] (Dipeptid Prolyl-Borsäurederivate) und [X.] (Vielzahl spezieller Pyrrolidinderivate) sind zwar verschiedene Verbindungsklassen beschrieben, die als Inhibitoren von [X.] diskutiert werden. Die Inhibierung eines Enzyms kann bekanntlich aber nicht nur über ein aktives Zentrum erfolgen, sondern auch über sehr unterschiedliche Reaktionsmechanismen wie kompetitive, nicht kompetitive Hemmung, chemische Reaktionen bzw. Wechselwirkungen, wodurch, wie diesen Druckschriften zu entnehmen ist, Inhibitoren für ein Enzym eine Vielzahl unterschiedlichster Stoffe von niedermolekularen Substanzen bis komplexen organischen Substanzklassen und Antikörpern umfassen. Dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns ist aufgrund dessen aber nicht zuzurechnen, welche bekannten Substanzen er unter dem Begriff Inhibitoren von [X.] zu subsumieren hat, zumal im vorliegenden Patent jeglicher Hinweis auf die in diesen Druckschriften beschriebenen bekannten Substanzen fehlt. Auch der von der Patentinhaberin zitierte Verweis in der Patentschrift, [X.]. 4 [X.] 3 bis 13, lässt nicht erkennen, dass damit eine größere Vielfalt an in Frage kommender Substanzen für die beanspruchte Verwendung erfasst wird, als die vier dort genannten Verbindungen und gegebenenfalls deren Derivate.

Im Übrigen verletzt der Patentanspruch gemäß Hauptantrag auch das Rechtsschutzbedürfnis der Öffentlichkeit, weil für Dritte nicht erkennbar ist, was überhaupt alles unter Schutz gestellt werden soll. Eine unter Schutz zu stellende Erfindung muss nämlich so präzise beschrieben sein, dass deren eindeutige Identifizierbarkeit gewährleistet ist (vgl. Busse [X.]. § 1 [X.]. 8, [X.] 1971, [X.], 83 4.c), 84 4.f), [X.] - „[X.]rioxan“, [X.] 1985, 31, 32 II.1. e) und f) – „Acrylfasern“) und für Dritte erkennbar ist, ob sie gegebenenfalls das vorliegende Patentbegehren verletzen. Auch dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Darüber hinaus liest der Fachmann nur solche konkreten Ausführungsformen mit, die individualisiert offenbart sind (vgl. [X.] 2009, 382 - Olanzapin; [X.] 2010, 123 - Escitalopram).

Es kann dahinstehen, ob es sich beim vorliegenden Patent um eine „Pioniererfindung“ handelt, wie die Patentinhaberin vorträgt, denn für die Ausführbarkeit kommt es auf die Wirkstoffe an, die für die im in Anspruch 1 genannte Verwendung eingesetzt werden sollen. Diese müssen ohne Rückgriff auf das Fachwissen des Fachmanns individualisiert bereits in den Erstunterlagen offenbart sein. Denn nicht die Erklärung der Wirkungsweise, dass mit der Inhibierung des Enzyms [X.] der [X.] gesenkt werden kann, ist die Lösung, sondern die konkreten Mittel mit denen der angestrebte Erfolg, die Senkung des Blutzuckerspiegels in Säugern erreicht wird. Diese sind aber, wie vorstehend erläutert, nicht in der Weise offenbart, dass der Fachmann die Lehre, so wie beansprucht, ohne weiteres ausführen kann.

Aus vorstehend genannten Gründen sind auch die mit den Patentansprüchen gemäß den [X.] 1a, 1aa und 1ab beanspruchten Verwendungen nicht ausführbar offenbart. Denn gemäß dem Patentanspruch des [X.] wird der Gegenstand des Patentanspruchs auf die orale Verwendung der Inhibitoren beschränkt. Die Beschränkung auf niedermolekulare Enzyminhibitoren gemäß Hilfsantrag 1aa vermittelt dem Fachmann entsprechend dem Gegenstand des Hauptanspruchs keine Lehre, welche konkreten Verbindungen als niedermolekulare Verbindungen er als Inhibitoren für den Verwendungszweck des Patents einsetzen soll. Das gleiche gilt für den Gegenstand des [X.]b. Denn der Fachmann steht hier vor dem unlösbaren Problem, welche konkreten Substanzen er als sogenannte Dipeptidmimetika zur Lösung der Aufgabe einsetzen soll.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs des [X.]c ist hingegen in der Weise offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann, denn er gibt die im erteilten Patent als Inhibitoren der [X.] ([X.] für die vorgesehene Verwendung geeigneten Substanzen an, für die auch ein Ausführungsbeispiel (Beispiele 1 bis 3) vorgelegt wurde.

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs des [X.]c ist auch gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der [X.]echnik neu und erfinderisch. Er weist gegenüber dem Hilfsantrag 1a das zusätzliche Merkmal auf:

4. wobei es sich bei den [X.] Inhibitoren um [X.], [X.], [X.] oder [X.] Hydroxylamin handelt.

Im angegriffenen Beschluss der [X.] wurde auf den Seiten 11 bis 13 begründet, dass der Gegenstand des seinerzeit geltenden [X.], von dem sich der Hilfsantrag 1ac lediglich durch das Hinzufügen [X.] oder [X.] Hydroxylamin als weitere im erteilten Patent explizit genannte Inhibitoren unterscheidet, neu sei und auf einer erfinderisch [X.]ätigkeit beruhe. Diese Beurteilung lässt keine sachlichen Mängel erkennen. Denn in keiner der Entgegenhaltungen ist die orale Verwendung von [X.], [X.], [X.] oder [X.] Hydroxylamin als Diabetesmittel beschrieben. Die Lösung der Aufgabe, ein oral zu verabreichendes Diabetesmittel, enthaltend [X.], [X.], [X.] oder [X.] Hydroxylamin als [X.] Inhibitoren bereitzustellen, wird von diesem Stand der [X.]echnik auch nicht nahegelegt, wie im angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt wurde.

5. Der Patentanspruch des [X.]c hat somit Bestand.

6. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die hier entscheidungserhebliche Frage, ob ein Anspruch deswegen das Erfordernis der Ausführbarkeit nicht erfüllt, weil er wegen der funktionellen Charakterisierung der laut der Lehre des Anspruchs zu verwendenden Stoffe, sowohl Stoffe des Standes der [X.]echnik als auch zukünftige Stoffe umfasst, höchstrichterlicher Klärung bedarf (§ 100 Abs. 2 [X.]).

Meta

14 W (pat) 7/07

13.03.2012

Bundespatentgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.03.2012, Az. 14 W (pat) 7/07 (REWIS RS 2012, 8274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8274


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZB 8/12

Bundesgerichtshof, X ZB 8/12, 11.09.2013.


Az. 14 W (pat) 7/07

Bundespatentgericht, 14 W (pat) 7/07, 13.03.2012.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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