30. Senat | REWIS RS 2014, 6706
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Markenbeschwerdeverfahren – " Lawyering " – Freihaltungsbedürfnis - keine Unterscheidungskraft
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2009 008 500.5
hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 27. März 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des [X.] Jacobi
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Die am 16. Februar 2009 angemeldete Bezeichnung
Lawyering
soll als Wortmarke für die Waren und Dienstleistungen
„Klasse 16:
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, insbesondere Aktendeckel, Aktenhüllen, Aktenordner, Briefbögen, Briefumschläge, Blöcke, Briefpapier, Broschüren, sonstige Papier- und Schreibwaren, Formulare, Informationsblätter, Büroartikel (ausgenommen Möbel), Stempel
Klasse 35:
Werbung für anwaltliche Dienstleistungen und Rechtsvertretungen, Büroarbeiten aller Art, Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellung von Steuererklärungen
Klasse 45:
Juristische und anwaltliche Dienstleistungen, Rechtsberatung und -vertretung, Erledigung von Rechtsangelegenheiten für natürliche und juristische Personen, juristische Beratung in Steuerangelegenheiten für natürliche und juristische Personen, Dienstleistungen in Prozessangelegenheiten, Nachforschungen in Rechtsangelegenheiten“
in das vom [X.] geführte Register eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 45 des [X.]s hat die Anmeldung beanstandet, weil sie als beschreibende Angabe einem Freihaltungsbedürfnis unterliege und jeglicher Unterscheidungskraft entbehre (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.]). Der englischsprachige Begriff „Lawyering“ sei die Bezeichnung für „Ausübung des Anwaltsberufs“ ([X.]/[X.]/[X.], Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 5. Aufl. 2000, [X.]). Für die angesprochenen Verkehrskreise stelle die Marke deshalb lediglich eine beschreibende Angabe dahingehend dar, dass die so gekennzeichneten Waren für die Ausübung des Anwaltsberufs nach Art und Ausstattung besonders geeignet seien. Hinsichtlich der Dienstleistungen werde das Publikum der Marke den Hinweis entnehmen, dass diese sich inhaltlich (thematisch) mit der Ausübung des Anwaltsberufs befassen bzw. im Zusammenhang damit erbracht würden. Die Marke könne damit auf Art, Beschaffenheit und Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinweisen und unterliege damit einem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Darüber hinaus fehle der einer Welthandelssprache zugehörigen Marke auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], wobei auf dem relevanten Waren- und Dienstleistungssektor [X.] auch Fachsprache sei.
In der [X.] zur Anmeldung der Wort-/Bildmarke 30 2009 026 610.7 (30 W (pat) 539/12) sind dem Anmelder mit dem Beanstandungsbescheid Nachweise zur Verwendung von Bezeichnungen wie „[X.]“, „[X.]“, „[X.]“, „[X.]“, „[X.]“, „Mega-[X.]“, „Relationship Lawyering“, „Transaction Lawyering“, „[X.]“, „practical Lawyering”, “[X.]” und „[X.]” übersandt worden.
Dieselbe Markenstelle hat die Anmeldung mit Beschluss vom 19. Juli 2012 unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung ist ergänzend ausgeführt, dass das Wort „lawyer“ mit der Bedeutung „(Rechts)Anwalt, (Rechts)Anwältin“ zum Grundwortschatz der [X.] gehöre und als Berufsbezeichnung einen der grundlegendsten Begriffe auf dem beanspruchten Waren-/Dienstleistungsbereich darstelle. Weiter ist darauf hingewiesen, dass für das Verständnis einer fremdsprachigen Bezeichnung auch allein der beteiligte [X.] maßgeblich sein könne.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hält mit näheren Ausführungen Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] nicht für gegeben. Insbesondere verweist er darauf, dass es sich um eine von ihm entwickelte Phantasiebezeichnung handele, zusammengesetzt aus „Lawyer“ und „ing“, die weder beschreibend noch in [X.] wie „[X.]“ und „[X.]“ verzeichnet sei. Die Marke stehe unter Anderem für die Ausübung und Tätigkeiten des Anwaltsberufs, es handele sich aber nicht um ein gebräuchliches Wort der [X.] oder [X.] oder eine normale [X.] oder [X.] Ausdrucksweise. Das von der Markenstelle herangezogene Lexikon dürfte dem [X.] Verbraucher nicht vorliegen, so dass die beteiligten Verkehrskreise in [X.] dem Wort einen Sinngehalt nicht direkt entnehmen könnten. Ferner verweist der Anmelder auf Voreintragungen von Marken mit dem Bestandteil „Lawyer“.
Der Anmelder beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet; die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.], 610 Rn. 42 - [X.]; [X.], 608, 611, Rn. 66 f. - [X.]; [X.], 731, Rn. 11 - [X.]; [X.], 1143, Rn. 7 - [X.]; [X.], 1044, 1045 Rn. 9 – [X.]; [X.], 825, 826, Rn. 13 - [X.]; [X.], 935, Rn. 8 - [X.]; [X.], 850, 854, Rn. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; [X.], 229, 230 Rn. 27 - BioID; [X.], 608, 611 Rn. 66 - [X.]; BGH [X.], 710 Rn. 12 - [X.]; [X.], 949 Rn. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH [X.], 1143 Rn. 7 - [X.]; [X.], 1044, 1045 Rn. 9 - [X.]; [X.], 270 Rn. 8 - Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411, 412, Rn. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944, Rn. 24 - SAT.2; BGH [X.], 935, Rn. 8 - [X.]; [X.], 825, 826, Rn. 13 - [X.]; [X.], 850, 854, Rn. 18 - [X.]). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rdn. 100).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.], 1143, Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.], 674, 678, Rn. 86 - Postkantoor; BGH [X.], 270, 271, Rn. 11 - Link economy; [X.], 952, 953, Rn. 10 - [X.]Card; [X.], 850, 854, Rn. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u.a. BGH [X.], 850, 854, Rn. 19 - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH [X.], 1100, Rn. 23 - [X.]!; [X.], 850, 855, Rn. 28 f. - [X.]).
Lawyering die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht zu.
Zutreffend ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass das Wort „[X.]“ der [X.] als Substantiv im [X.] „Ausübung des Anwaltsberufs“ bedeutet; der vom Patentamt beigebrachte Nachweis stammt aus einem Lexikon, das im [X.] erschienen ist ([X.]/[X.]/[X.], Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 5. Aufl. 2000, [X.], Kopie übersandt mit dem Beanstandungsbescheid), also lange vor dem Anmeldetag (16. Februar 2009). „[X.]“ (11. Aufl., 2007, [X.]) erklärt „[X.]“ mit „the profession or work of a lawyer“. Das im angefochtenen Beschluss angeführte Buch mit dem Titel „[X.]“ ([X.], [X.], [X.]) ist, wie der [X.] im [X.] bei [X.] zu entnehmen, zuerst 1995 erschienen. Den im Parallelverfahren mit dem Beanstandungsbescheid übersandten weiteren Nachweisen ist zu entnehmen, dass ein Schwerpunkt einer Fachtagung „[X.] 2007“ unter der Überschrift „From Good to Excellent [X.]“ vorgestellt wurde. Die „[X.]“ hat ein im [X.] erschienenes Buch mit dem Titel „Mega-[X.] in [X.]“ im Angebot. In der Ausgabe 15/2007 der Zeitung „das freischüssler“ des „[X.] an der [X.]“ ist in einem Artikel über anwaltliche Tätigkeit von „[X.]“ die Rede. Dazu ist ausgeführt: „Der Begriff bezeichnet anwaltliche Tätigkeit („[X.]“), die ein bestimmtes politisches Ziel, eine Sache, ein Anliegen („cause“) verfolgt…“. Ein [X.]ausdruck mit der Überschrift „[X.]“ mit dem Datum „08.02.03“ überschreibt den Beitrag zur Nutzung elektronischer Möglichkeiten des [X.] bei [X.] mit „[X.]“.
Lawyering um eine von ihm erfundene Phantasiebezeichnung, trifft damit ersichtlich nicht zu.
Angesichts der heute üblichen internationalen Verflechtungen von Anwaltskanzleien und Unternehmen werden diese beteiligten inländischen Verkehrskreise auch im Stande sein, die Bedeutung dieses englischsprachigen Wortes zu erkennen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass das in dem Zeichen enthaltene Wort „law“ zum Grundwortschatz der [X.] gehört (vgl. [X.], Grund- und Aufbauwortschatz [X.], 1977, [X.]) und die Wortfolge „law and order“ als Schlagwort zur Bekämpfung von Kriminalität Eingang in die [X.] Sprache gefunden hat (vgl. [X.], [X.], 6. Aufl., 2006, S. 1056).
Lawyering mit der Bedeutung „Ausübung des Anwaltsberufs“ werden die in erster Linie angesprochenen Fachkreise, nämlich Anwälte und Rechtsberatung suchende Unternehmen, für sämtliche angemeldeten Waren und Dienstleistungen die sachbezogene Aussage zuordnen, dass es um Waren und Dienste im Zusammenhang mit der Ausübung des Anwaltsberufs geht. Hinsichtlich der Waren entnimmt der Verkehr bei einer entsprechenden Kennzeichnung einen Hinweis auf die Beschaffenheit und Bestimmung; die Dienstleistungen beschreibt das Zeichen nach ihrer Art und ihrem thematischen Bezug.
Lawyering kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten, Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke ist somit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen.
Lawyering ausschließlich aus einer Angabe besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit und Bestimmung der Waren bzw. der Art und des Gegenstands der Dienstleistungen dienen kann, besteht auch ein Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).
4. [X.] auf die vom Anmelder genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. BGH [X.], 276, 277 Nr. 18 - Institut der Nord[X.] Wirtschaft e.V., m.w.N.).
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Meta
27.03.2014
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 27.03.2014, Az. 30 W (pat) 540/12 (REWIS RS 2014, 6706)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 6706
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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