Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2013, Az. 6 PB 17/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 8883

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Gegenstand

Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit; Zuweisung von Tätigkeiten beim Jobcenter; Wahlberechtigung zum Personalrat der Agentur für Arbeit


Leitsatz

Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit, denen gemäß § 44g Abs. 1 Satz 1 SGB II (juris: SGB 2) am 1. Januar 2011 Tätigkeiten beim Jobcenter zugewiesen wurden, haben spätestens nach Maßgabe der Fristenregelung in § 13 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG das Wahlrecht zu einer Personalvertretung der Bundesagentur verloren.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG in Verbindung mit § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 [X.], § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.

2

Die Antragsteller wollen geklärt wissen, ob § 13 Abs. 2 Satz 4 BPersVG auf gesetzliche Zuweisungen nach § 44g Abs. 1 Satz 1 [X.] entsprechend anwendbar ist. Die Frage ist anhand der gesetzlichen Bestimmungen und dazu bereits vorliegender Senatsrechtsprechung eindeutig im Sinne des [X.] zu beantworten, so dass es ihrer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf. Beschäftigte der [X.], denen gemäß § 44g Abs. 1 Satz 1 [X.] am 1. Januar 2011 Tätigkeiten bei der gemeinsamen Einrichtung (Jobcenter; §§ 6d, 44b [X.]) zugewiesen wurden, haben spätestens nach Maßgabe der Fristenregelung in § 13 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG das Wahlrecht zu einer Personalvertretung der [X.] verloren.

3

1. Die Wahlberechtigung zur Personalvertretung einer Dienststelle der [X.] beurteilt sich nach § 13 BPersVG. Sie setzt danach Beschäftigteneigenschaft und [X.]keit voraus. Die Beschäftigteneigenschaft bestimmt sich nach § 4 BPersVG. [X.] ist der Beschäftigte, der in die Dienststelle eingegliedert ist. Dies ist der Fall, wenn er dort nach Weisungen des [X.] an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirkt (vgl. Beschlüsse vom 26. November 2008 - BVerwG 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 = [X.] 250 § 86 BPersVG Nr. 6 Rn. 25, vom 14. Dezember 2009 - BVerwG 6 P 16.08 - BVerwGE 135, 384 = [X.] 250 § 13 BPersVG Nr. 4 Rn. 11 und vom 3. November 2011 - BVerwG 6 [X.] - [X.] 251.91 § 68 SächsPersVG [X.] Rn. 13).

4

2. Die Beschäftigten der [X.], denen nach Maßgabe von § 44g Abs. 1 Satz 1 [X.] zum 1. Januar 2011 Tätigkeiten beim Jobcenter für die Dauer von fünf Jahren zugewiesen wurden, waren entweder bereits am 1. Januar 2011 oder aber spätestens am 1. April 2011 nicht mehr Angehörige einer Dienststelle der [X.].

5

Nach § 44d Abs. 4 [X.] übt der Geschäftsführer des [X.] über die Beamten und Arbeitnehmer, denen dort Tätigkeiten zugewiesen worden sind, die dienst-, personal- und arbeitsrechtlichen Befugnisse der [X.] und die Dienstvorgesetzten- und [X.] aus; davon ausgenommen sind lediglich die Befugnisse zur Begründung und Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse. Der Geschäftsführer ist Dienststellenleiter im Sinne von § 7 Satz 1 BPersVG (§ 44d Abs. 5 [X.]). Mit dem Wirksamwerden der Zuweisung wirkt der Beschäftigte beim Jobcenter nach Weisung ihres Geschäftsführers an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Gestalt der Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende mit (§ 44b Abs. 1 Satz 1 [X.]). Damit waren für die Beschäftigten, die von der gesetzlichen Zuweisung zum 1. Januar 2011 betroffenen waren, bereits zu diesem Zeitpunkt die grundlegenden Voraussetzungen für ihre Eingliederung ins Jobcenter und für ihre Ausgliederung aus der bisherigen Dienststelle der [X.] gegeben. Bereits zu diesem Zeitpunkt haben sie gemäß § 44h Abs. 2 [X.] das aktive und passive Wahlrecht zum Personalrat des [X.] erhalten (vgl. zum Recht auf Teilnahme an der Personalversammlung bereits Beschluss vom 20. November 2012 - BVerwG 6 PB 14.12 - juris Rn. 8).

6

3. Angesichts dessen kann nur noch klärungsbedürftig sein, ob die Beschäftigten der [X.] mit dem Wirksamwerden der Zuweisung zum 1. Januar 2011 zugleich aus ihrer bisherigen Dienststelle ausgeschieden sind (so [X.], Beschluss vom 18. März 2011 - 17 MP 1/11 - juris Rn. 4; [X.], Beschluss vom 19. Juli 2012 - OVG 62 PV 8.11 - juris Rn. 27) oder ob dies erst nach Maßgabe der Fristenregelung in § 13 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG geschehen ist - so das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss (ebenso [X.], [X.] 2012, 27 <29>; vgl. dazu bereits Beschluss vom 20. November 2012 a.a.[X.] Rn. 9). Die Frage ist hier nicht entscheidungserheblich. Wendet man die Fristenregelung in § 13 Abs. 2 Satz 1, 3 und 4 BPersVG an, so steht fest, dass die in Rede stehenden Beschäftigten jedenfalls am 1. April 2011 und damit vor der hier angefochtenen Wahl vom 20. Juni 2011 ihr Wahlrecht zur Wahl des Personalrats bei der [X.] verloren haben.

7

4. Zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung können sich die Antragsteller nicht auf die Senatsrechtsprechung zur Mitbestimmung in Angelegenheiten früherer Dienststellenangehöriger berufen. Danach kann die Beteiligung des Personalrats in Personalangelegenheiten auch dann eingreifen, wenn von personellen Maßnahmen "ehemalige" Dienststellenangehörige betroffen sind. Solches ist anzunehmen, wenn die Bindungen zur Dienststelle fortbestehen und der Schutzzweck der Beteiligung das Tätigwerden des Personalrats erfordert (vgl. Beschlüsse vom 15. November 2006 - BVerwG 6 P 1.06 - BVerwGE 127, 142 = [X.] 250 § 76 BPersVG Nr. 40 Rn. 24 und vom 10. Januar 2008 - BVerwG 6 P 5.07 - [X.] 251.4 § 88 HmbPersVG Nr. 3 Rn. 13). In der vorliegenden Fallgestaltung geht es jedoch nicht um das Beteiligungsrecht des Personalrats, sondern um das aktive Teilhaberecht der Beschäftigten selbst in Gestalt der Wahlberechtigung zum Personalrat. Dafür aber ist nach der Konzeption des § 13 BPersVG die [X.]keit erforderlich (vgl. Beschluss vom 20. November 2012 a.a.[X.] Rn. 6).

8

5. Dass die von der Zuweisung gemäß § 44g Abs.1 Satz 1 [X.] betroffenen Beschäftigten der [X.] ihr Wahlrecht zum Personalrat ihrer bisherigen Dienststelle ungeachtet dessen verlieren, dass die Kompetenz zu Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Personalangelegenheiten teilweise bei Dienststellen der [X.] verblieben ist, steht mit dem Regelungskonzept in § 13 Abs. 2 BPersVG im Einklang. Danach ist - vom Sonderfall des § 13 Abs. 2 Satz 2 BPersVG abgesehen - im Falle von Abordnungen und Zuweisungen der Verlust des Wahlrechts die strikte Folge, obschon wichtige Personalentscheidungen typischerweise weiterhin in die Kompetenz der Stammdienststelle fallen. Die Regelungen zur gemeinsamen Einrichtung nach §§ 44a bis 44k [X.] liefern keinen Anhalt für die Annahme, dass dies im Falle der Zuweisung nach § 44g Abs. 1 Satz 1 [X.] anders sein soll. Sie verhalten sich nicht zur Frage des Wahlrechts zu den Personalvertretungen der entsendenden Dienststellen, sondern überlassen dies den für die Leistungsträger geltenden personalvertretungsrechtlichen Vorschriften, also für die kommunalen Träger dem jeweiligen Landespersonalvertretungsgesetz und für die [X.] dem Bundespersonalvertretungsgesetz.

9

Für Zuweisungen nach dem 1. Januar 2011 ("spätere Zuweisungen") gilt nach § 44g Abs. 2 [X.], dass sie im Einzelfall nach den tarif- und beamtenrechtlichen Regelungen erfolgen. Bei diesen Zuweisungen aus dem Bereich der [X.] handelt es sich daher um solche nach § 29 [X.] beziehungsweise § 4 Abs. 2 [X.] mit der zwingenden personalvertretungsrechtlichen Folge aus § 13 Abs. 2 Satz 4 BPersVG. Mit der Sonderregelung der gesetzlichen Zuweisung zum 1. Januar 2011 für die Beschäftigten der Arbeitsgemeinschaften alter Fassung verfolgt der Gesetzgeber die Absicht, die Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Einrichtungen sicherzustellen (BTDrucks 17/1555 S. 28). Der Sinn der Regelung in § 44g Abs. 1 Satz 1 [X.] ist daher aufgabenbezogen und ohne jeglichen personalvertretungsrechtlichen Bezugspunkt. Der Regelung ist daher nicht ansatzweise eine Rechtfertigung dafür zu entnehmen, die Beschäftigten der [X.] in den Fällen der gesetzlichen Zuweisung zum 1. Januar 2011 hinsichtlich des Wahlrechtsverlusts vollständig anders zu behandeln als im Falle der späteren Zuweisungen.

6. Die von den Antragstellern geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen nicht durch. Zwar mögen die Grundrechte und das Sozialstaatsprinzip den Gesetzgeber verpflichten, für die Beschäftigten in ihrer Dienststelle eine von ihnen gewählte Vertretung zur Beteiligung in innerdienstlichen Angelegenheiten vorzusehen. Diese Verpflichtung erstreckt sich jedoch nicht lückenlos auf die Wahl einer Vertretung in einer anderen Dienststelle mit partiellen Entscheidungsbefugnissen für die Beamten und Arbeitnehmer der [X.]. In dieser Hinsicht verfügt der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum, der es ihm erlaubt, die Vor- und Nachteile eines Doppelwahlrechts abzuwägen. Der Bundesgesetzgeber hat sich in speziellen Privatisierungsbereichen für ein Doppelwahlrecht entschieden (vgl. z.B. §§ 2, 3, 6 BwKoopG sowie §§ 17, 19 DBGrG). Er war von [X.] wegen nicht verpflichtet, solches für alle Fälle von Anordnungen und Zuweisungen vorzusehen.

Meta

6 PB 17/12

18.01.2013

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PB

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. September 2012, Az: 20 A 510/12.PVB, Beschluss

§ 44g Abs 1 S 1 SGB 2, § 44b SGB 2, § 44d SGB 2, § 44h SGB 2, § 13 Abs 2 S 1 BPersVG, § 13 Abs 2 S 3 BPersVG, § 13 Abs 2 S 4 BPersVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2013, Az. 6 PB 17/12 (REWIS RS 2013, 8883)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8883

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

4 A 235/12

4 A 234/12

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