Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.
PDF anzeigenECLI:DE:BGH:2017:211217BIXZB31.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX
ZB 31/16
vom
21. Dezember 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 2
§ 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO gilt auch bei einem Anwaltswechsel zwischen dem Mahnver-fahren und dem nachfolgenden streitigen Verfahren.
BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2017 -
IX ZB 31/16 -
OLG München
LG München I
-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Kayser,
die Richterin Lohmann, die Richter Prof. Dr. Pape,
Grupp und die Richterin Möhring
am
21. Dezember 2017
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel
der Klägerin werden der Beschluss des 11.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 15. März 2016
und der
Kostenfestsetzungsbeschluss der 30. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 28. Oktober 2015 abgeändert:
Die von der Klägerin den Beklagten nach dem Endurteil des Landgerichts München I vom 28. August 2015 zu erstattenden Kosten werden auf 3.146,40 o-zentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. September 2015 festgesetzt.
Von den
Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die
Beklagten 94 v.H. und die Klägerin 6 v.H.
Der Wert der
Beschwerdeverfahren wird auf 930,40 stgesetzt.
-
3
-
Gründe:
I.
Die Klägerin machte gegen die Beklagten, die eine gemeinsame An-waltskanzlei betreiben, Schadensersatzansprüche aus Anwaltshaftung geltend. In dem von der Klägerin betriebenen Mahnverfahren vertraten sich die Beklag-ten selbst. Nach Übergang in das streitige Verfahren beauftragten sie eine an-dere Rechtsanwaltskanzlei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28. Oktober 2015 hat
das Landgericht die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf Beklagten eine
0,8-fache Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren nach Nr. 3307, Nr. 1008 VV RVG in Höhe von berücksichtigt, ohne
diese auf die ebenfalls festge-setzten Gebühren für das streitige Verfahren anzurechnen. Die von der Klägerin wegen der unterlassenen Anrechnung dieser Gebühr eingelegte sofortige Be-schwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Beschwer-degericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter,
II.
Die Rechtsbeschwerde hat weitgehend
Erfolg.
1
2
3
-
4
-
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (ab-gedruckt u.a. in JurBüro 2016, 295) ausgeführt: Eine Anrechnung der im Mahn-verfahren entstandenen Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr für den nachfolgenden Rechtsstreit nach Nr. 3307
Satz 2
VV RVG scheide aus, weil verschiedene Rechtsanwälte tätig geworden seien. Im Übrigen betreffe diese Anrechnungsvorschrift
nur das Innenverhältnis zwischen dem Mandanten und seinem Rechtsanwalt. Sie diene grundsätzlich nicht dem Schutz des Prozess-gegners. Die erstattungspflichtige Gegenpartei könne sich im Falle eines An-waltswechsels
auch nicht auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO beru-fen. Der Nichteintritt einer Gebührenersparnis sei nicht unter diese Norm zu fassen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Mit Recht hat das Beschwerdegericht allerdings angenommen, dass die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragsgegners im Mahnverfahren nach Nr. 3307 Satz 1 VV RVG nicht gemäß Satz 2 dieser Bestimmung auf die Verfahrensgebühr für das nachfolgende streitige Verfahren anzurechnen ist, wenn die Gebühren von verschiedenen Rechtsanwälten verdient sind (vgl. zur Anrechnung nach
Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG: BGH, Beschluss vom 10.
Dezember 2009
VII ZB 41/09, JurBüro 2010, 190, 191; zur Anrechnung nach
Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV RVG: BGH, Beschluss vom 27. August 2014
VII ZB 8/14, NJW 2014, 3518 Rn. 19; vom 26. Oktober 2017
V ZB 188/16, zVb Rn. 6; zur Anrechnung nach Nr. 3307 VV RVG: Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, 7.
Aufl., Nr. 3307 VV RVG Rn. 10).
Dies gilt auch, wenn -
wie im Streitfall -
ein Rechtsanwalt sich zunächst selbst vertreten und nach § 91 Abs.
2 Satz 3 ZPO Anspruch auf Gebührenerstattung wie im Falle der Mandatierung durch einen Dritten hat.
4
5
6
-
5
-
b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts findet im Streitfall je-doch die Bestimmung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO Anwendung.
aa) Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechts-anwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Die Regelung in § 91 ZPO betrifft die Kosten des Rechtsstreits. An-waltsgebühren für eine außergerichtliche Tätigkeit gehören
nicht zu diesen Kos-ten.
Wird eine Partei vorprozessual von einem anderen Rechtsanwalt vertreten als im Rechtsstreit, beschränkt § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO deshalb die Erstattung der gerichtlichen Verfahrensgebühr nicht. Umstritten ist hingegen, ob die Norm bei einem Anwaltswechsel nach einem Mahnverfahren oder nach einem selb-ständigen Beweisverfahren anzuwenden ist.
bb) Der Bundesgerichtshof hat nach Erlass des angefochtenen Be-schlusses entschieden, dass § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Fall des Anwalts-wechsels zwischen einem selbständigen Beweisverfahren und dem nachfol-genden Hauptsacheverfahren anwendbar ist (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2017
V ZB 188/16, zVb Rn. 8 ff). Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO sei
Ausdruck des in § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO verankerten Grundsatzes, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten hat, wie es sich mit einer ihre Rechte wahrenden Prozessführung verträgt. Da es insoweit um die
Kosten des Rechtsstreits gehe, sei
nur ein Anwaltswechsel innerhalb des gerichtlichen Verfahrens angesprochen. Zu dem gerichtlichen Verfahren in die-sem Sinne gehöre
auch ein selbständiges Beweisverfahren. Zwar handele
es sich gebührenrechtlich um eine gegenüber dem Klageverfahren eigene Angele-genheit. Das Beweis-
und das Erkenntnisverfahren seien
aber sachlich, zeitlich 7
8
9
-
6
-
und hinsichtlich der Beteiligten eng verflochten (BGH, Beschluss vom 26. Okto-ber 2017, aaO Rn. 13).
cc) Für den Fall eines
Anwaltswechsels zwischen Mahn-
und streitigem Verfahren kann nichts anderes gelten
(vgl.
bereits BGH, Beschluss vom 23.
März 2004
VIII ZB 145/03, FamRZ 2004, 866; vom 20. Oktober 2005
VII ZB 53/05, NJW 2006, 446
Rn.
9
f; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., Nr. 3305-3308 VV RVG Rn. 86a; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl., § 91 Rn. 38).
Das Mahnverfahren ist Teil des in § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO angespro-chenen gerichtlichen Verfahrens. Zwar sind das Mahnverfahren und das nach-folgende streitige Verfahren gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten (§ 17 Nr. 2 RVG). Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass das Mahnverfahren
-
mehr noch als das selbständige Be-weisverfahren
-
mit dem streitigen Verfahren so eng verflochten ist, dass es als Teil des Rechtsstreits im Sinne von § 91 ZPO zu betrachten ist. Das Mahnver-fahren ist kein eigenständiges Streitverfahren, sondern ein diesem nur vorgela-gertes Verfahren zur vereinfachten und beschleunigten Erlangung eines Voll-streckungstitels (BGH, Beschluss vom 11. April 1991
I ARZ 136/91, NJW 1991, 2084).
Den engen Zusammenhang verdeutlicht insbesondere die gesetz-liche Regelung in § 696 ZPO. Sie sieht vor, dass im Falle eines Widerspruchs "der Rechtsstreit"
an das Prozessgericht abgegeben wird
(§ 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Mit Eingang der Akten bei diesem Gericht gilt der Rechtsstreit als dort anhängig (§ 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Erfolgt die Abgabe alsbald nach Erhebung des Widerspruchs, gilt die Streitsache als mit der Zustellung des Mahnbe-scheids rechtshängig geworden (§ 696 Abs. 3 ZPO).
Die im Verfahren vor dem Mahngericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die vor dem Prozessgericht erwachsen (§ 696 Abs. 1 Satz 5, § 281 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Sie sind deshalb Gegenstand der Kostenentscheidung im streitigen Ver-10
-
7
-
fahren nach § 91 ZPO. Entsprechendes gilt nach § 700 ZPO im Falle eines Ein-spruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid.
dd) Der Anwendung von § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht auch nicht entge-gen, dass die Beklagten nicht mehrere Rechtsanwälte beauftragt, sondern sich zunächst selbst in eigener Sache vertreten haben mit der Folge eines Gebüh-renerstattungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Die Bestimmung des §
91 Abs. 2 Satz 2 ZPO regelt nach ihrem Zweck auch einen solchen Fall.
3. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§
577 Abs. 5 ZPO).
Die von der Klägerin den Beklagten zu erstattenden Kos-ten sind lediglich in Höhe von 3.146,40 Die Mehrkosten, die dadurch entstanden sind, dass sich die Beklagten im Mahnverfahren selbst ver-treten und im streitigen Verfahren andere Rechtsanwälte beauftragt haben, muss die Klägerin nach § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht erstatten.
a) Die von den Beklagten geltend gemachten Kosten übersteigen die Kosten, die angefallen wären, wenn die Beklagten sich auch im streitigen Ver-fahren selbst vertreten hätten oder bereits im Mahnverfahren
die im streitigen Verfahren tätigen Rechtsanwälte beauftragt hätten. Wegen der Anrechnungs-vorschrift in Nr. 3307 Satz 2 VV RVG hätte sich in beiden Fällen die Verfah-rensgebühr für die Vertretung im streitigen Verfahren um die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens ermäßigt.
b) Der Wechsel in der Person des Rechtsanwalts -
hier der Wechsel von der Selbstvertretung zur Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts -
musste nicht eintreten. Der Umstand, dass nach dem Vortrag der Beklagten ihre Haft-11
12
13
14
-
8
-
pflichtversicherung die Beauftragung einer auf Anwaltshaftung spezialisierten Kanzlei für das streitige Verfahren verlangte, begründet keine zwingende Erfor-derlichkeit im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Selbst eine versicherungsver-tragliche Verpflichtung der Beklagten, einer entsprechenden Weisung ihres Versicherers zu folgen, rechtfertigt es nicht, entstehende Mehrkosten dem Gegner aufzuerlegen (vgl. OLG Nürnberg, VersR 2012, 636, 637). Im Übrigen war ein solches Verlangen des Versicherers für die Beklagten voraussehbar. Sie hätten deshalb bereits im Mahnverfahren den vom Versicherer gewünsch-ten Rechtsanwalt beauftragen können.
c) Als erstattungsfähig festzusetzen sind daher nur die Kosten, die ohne Anwaltswechsel angefallen wären. Die 0,8-fache Verfahrensgebühr für die Ver-tretung des Antragsgegners im Mahnverfahren wäre nach Nr. 3307 Satz 2 VV RVG auf die Verfahrensgebühr für das streitige Verfahren anzurechnen gewe-sen, allerdings nur auf der Grundlage des geringeren Gegenstandswerts des
(vgl. OLG München,
JurBüro 2013, 303, 304; Schons in Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Nr.
3305-3308 VV RVG Rn. 27, 32; Bräuer in Bischof/Jungbauer, RVG, 7. Aufl.,
15
-
9
-
Nr. 3307 VV RVG Rn.
14). Der Anrechnungsbetrag beläuft sich danach auf
Kayser
Lohmann
Pape
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom
28.10.2015 -
30 O 13175/14 -
OLG München, Entscheidung vom 15.03.2016 -
11 W 414/16 -
Meta
21.12.2017
Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2017, Az. IX ZB 31/16 (REWIS RS 2017, 160)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 160
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
IX ZB 31/16 (Bundesgerichtshof)
Rechtsanwaltskosten: Anwaltswechsel zwischen dem Mahnverfahren und dem nachfolgenden streitigen Verfahren
Keine Anrechnung der außergerichtlichen Kosten für das Mahnverfahren auf das streitige Verfahren bei Anwaltswechsel
I-10 W 30/05 (Oberlandesgericht Düsseldorf)
I-24 W 24/05 (Oberlandesgericht Düsseldorf)
17 W 249/08 (Oberlandesgericht Köln)