Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2016, Az. 2 StR 25/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16129

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:170216U2STR25.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 25/15
vom
17. Februar
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 17.
Februar 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],

Staatsanwalt beim [X.]

in der Verhandlung,
[X.] beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

[X.]ustizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. [X.]uli 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzli-chem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf [X.]ahren verur-teilt und 101,94 g Methamphetamin sowie eine Geldkassette
eingezogen. Hier-gegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s besaß der Angeklagte nach seiner bedingten Entlassung aus einer Strafhaft im Dezember 2013 min-destens 100
g Methamphetamin, das er in seiner Wohnung in [X.] verpackte 1
2
-
4
-
und für den Verkauf vorrätig hielt. Er verwahrte es in einer Geldkassette, die er von der Zeugin [X.].

gekauft hatte und an seinem Arbeitsplatz versteckte.
Am 29.
Dezember 2013 holte der Angeklagte das Methamphetamin aus dem Versteck, entweder um es zu verkaufen oder um es an einem anderen Ort zu verstecken. Er legte die verschlossene Geldkassette mit dem [X.] in seinen Rucksack, in dem sich auch sein Entlassungsschein der [X.]ustiz-vollzugsanstalt befand. Dann lieh er sich den Pkw der Zeugin [X.].

. Gegen
21.30 Uhr fuhr er damit nach S.

, obwohl er keine Fahrerlaubnis hatte.
In S.

hielt der Angeklagte in der Straße

.

die Polizeistreife der Zeugen G.

und W.

-
schlossen, eine Fahrzeugkontrolle durchzuführen. Grund dafür war, dass es sich um eine abgelegene Stelle handelte, in der es bereits öfter zu kriminellen Handlungen und auch Verstößen gegen das [X.] gekom-men war und sie es für ungewöhnlich hielten, dass um diese [X.] dort ein Auto dieser sein Fahrzeug einige Meter zurück, bis er nicht weiter fahren konnte. Die Beamten stiegen aus und leuchteten mit Taschenlampen in Richtung des [X.], der sich zum Beifahrersitz wandte und dort hantierte. Anschließend stieg der Angeklagte aus dem Fahrzeug aus und ging auf den Polizeibeamten G.

zu. Dieser verlangte von ihm den Führerschein und die Fahrzeugpapiere.
[X.] rannte daraufhin weg. Im Laufen verriegelte er das Fahrzeug. [X.] wurde von den Beamten zu Fuß verfolgt, konnte aber entkom-men.
Das verschlossene Fahrzeug wurde zunächst durch andere Streifenbe-amte überwacht, aber gegen 23.00 Uhr von einem Abschleppdienst zur [X.] gebracht, wo es gegen 23.45 Uhr eintraf. [X.] bat seine 3
4
5
-
5
-
Freundin, die Zeugin Sc.

, zur Verwahrstelle zu fahren, um den Rucksack
abzuholen. Dort wurde ihr jedoch die Herausgabe verweigert. Auf Anordnung des Polizeihauptmeisters Sch.

wurde gegen 3.15 Uhr das Fahrzeug durch
Einschlagen einer Seitenscheibe geöffnet und der Rucksack entnommen. Die-ser wurde durchsucht, wodurch der Entlassungsschein der [X.]ustizvollzugsanstalt mit den Personaldaten des Angeklagten gefunden wurde. Später wurde auf [X.] N.

nach Rücksprache mit dem
Staatsanwalt des [X.] auch die Geldkassette aufgebrochen. Darin wurde das Methamphetamin und ein Zettel gefunden, auf dem [X.] notiert waren, die eine Summe von 10.400 Euro ergaben. Dies entsprach dem Verkaufswert des sichergestellten [X.]. Auf dem Zettel fan-den sich nach einer kriminaltechnischen Untersuchung auch Fingerabdrücke und DNA-Spuren des Angeklagten.
2. [X.], der in der Hauptverhandlung den Vorwurf des uner-laubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bestrit-ten hat, hatte bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung im Vorverfahren behauptet, er habe die Geldkassette im Auftrag der Zeugin [X.].

transportiert,
ohne deren Inhalt zu kennen. Das [X.] hat diese Einlassung als wider-legt betrachtet. Dazu hat es die Sachbeweise, die bei der Durchsuchung des Fahrzeugs und des Rucksacks gefunden wurden, gegen den Widerspruch der Verteidigung verwertet. Zeugenaussagen der Polizeibeamten zur [X.] sowie die Sachbeweise selbst unterlägen keinem Beweisverwertungsver-bot. Für die gewaltsame Öffnung und Durchsuchung des Fahrzeugs sowie der Geldkassette habe §
163b Abs.
1 Satz
3 [X.] die gesetzliche Ermächtigungs-grundlage gebildet. Auf die §§ 102, 105 [X.] sei es nicht angekommen.
6
-
6
-

II.
Die Revision ist aus den vom [X.] genannten Gründen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge, mit der vom [X.] ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich aller Beweismittel, die sich auf das Auffinden von Entlassungsschein, Geldkassette und darin enthal-tenen Drogen und Notizen geltend gemacht wird.
1. Ob die Verfahrensrüge zulässig ist, kann offenbleiben.
In der Rechtsprechung des [X.] ist nicht entschieden, dass die Widerspruchslösung auch für unselbstständige Beweisverwertungs-verbote wegen Fehlern bei der Durchsuchung oder Beschlagnahme gilt (vgl. [X.], Urteil vom 18.
April 2007 -
5 [X.], [X.]St 51, 285, 296 f.); dies kann dahinstehen. [X.]edenfalls hat die Verteidigung vorab der Verwertung aller Sachbeweise und der auf die Auffindesituation bezogenen Zeugenaussagen durch Polizeibeamte widersprochen. Ein solcher Sammelwiderspruch ist zuläs-sig (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Oktober 2014 -
5 [X.], [X.]St 60, 38, 39; Beschluss vom 21.
Oktober 2014 -
5 [X.], [X.]St 60, 50, 52).
Ob die Verfahrensrüge den Voraussetzungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] genügt, obwohl der Aktenvermerk des [X.] W.

vom
30.
Dezember 2013 über die polizeilichen Maßnahmen in der vorangegangenen Nacht nicht mitgeteilt wurde, kann dahinstehen.
2. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, weil kein Beweisverwertungsver-bot besteht.

7
8
9
10
11
-
7
-
a) Für die Durchsuchung des Fahrzeugs der Zeugin [X.].

und des
Rucksacks, den der Angeklagte darin mitgeführt hatte, ergab sich aus §
163b Abs.
1 Satz
3 [X.] eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.
Nach dieser Vorschrift kann eine Durchsuchung vorgenommen werden, wenn der Betroffene einer Straftat verdächtig ist und seine Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ein [X.], der Anlass zum Einschreiten gibt und zur Erforschung des Sachverhaltes verpflichtet, ist erforderlich, aber auch ausreichend ([X.] N[X.]W 1979, 1377, 1378) und liegt hier vor. Er setzt nur voraus, dass zureichende tat-sächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Der Betroffene braucht noch nicht die Stellung eines Beschuldigten erlangt zu haben. Liegt ein Verdacht einer Straftat in diesem Sinne vor, kann die Durchsuchung der vom Verdächtigen mitgeführten Sachen zur Feststellung seiner Identität durchge-führt werden.
[X.] hatte sich dadurch verdächtig gemacht, dass er sich der Personenkontrolle durch Flucht entzogen hat. Die Abfrage im Zentralen Ver-kehrsinformationssystem ergab, dass der Pkw auf die Zeugin [X.].

zugelas-
sen war. Diese erklärte bei einer in dem -
insoweit von der Revision nicht mitge-teilten
-
polizeilichen Aktenvermerk über die nächtlichen Ermittlungsmaßnah-men vom 30.
Dezember 2013 festgehaltenen informatorischen Befragung durch die in der Nacht ermittelnden Polizeibeamten, dass sie die Wegnahme des Fahrzeugschlüssels und die Benutzung ihres Fahrzeugs nicht bemerkt habe. Die Polizeibeamten gingen deshalb von einer unbefugten Fahrzeugbenutzung oder einem [X.] aus. Insoweit lag ein ausreichender Anfangsver-dacht für eine Maßnahme zur Identitätsfeststellung nach §
163b Abs.
1 Satz
3 [X.] vor.
12
13
14
-
8
-

§
163b Abs.
1 Satz
3 [X.] gestattet nicht nur die Durchsuchung der Person, sondern auch diejenige der mitgeführten Sachen. Dazu zählt für einen von der Maßnahme betroffenen Fahrzeugführer auch das Kraftfahrzeug (vgl. [X.], [X.], 26.
Aufl., §
163b Rn.
40; KK/Griesbaum, [X.], 7.
Aufl., §
163b Rn.
23; [X.], [X.], 2016, §
163b Rn.
17; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
163b Rn.
11; [X.], [X.], 4.
Aufl., §
163b Rn.
36; SSW/[X.]/Vordermayer, [X.], 2.
Aufl., §
163b Rn.
7).
Die gesetzliche Erlaubnis zu einer Durchsuchung schließt als unselbst-ständige Begleitmaßnahme auch die gewaltsame Öffnung des Durchsuchungs-objekts ein (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
105 Rn.
13; [X.]/[X.], [X.], 26.
Aufl., §§
105 Rn.
125; [X.]/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
163b Rn.
64). Deshalb war es auch zulässig, durch Zerstörung einer Seitenscheibe die Durchsuchung des Fahrzeuginneren zu ermöglichen. Ferner gehörte die Durchsuchung des Rucksacks, der in dem Fahrzeug gefun-den wurde, zu den Maßnahmen, die nach §
163b Abs.
1 Satz
3 [X.] gestattet waren. Dadurch wurde der Entlassungsschein des Angeklagten gefunden und hierdurch seine Identität festgestellt. Hiermit war die Maßnahme zur Identitäts-feststellung allerdings abgeschlossen.
b) Die spätere Öffnung und Durchsuchung der Geldkassette war danach aber nicht
mehr von § 163b Abs.
1 Satz
3 [X.] gedeckt. Dabei handelte es sich um eine Durchsuchung im Sinne der §§
102, 105 [X.]. Die Vorausset-zungen dafür lagen nicht vor. [X.]edoch ergibt sich aus diesem Verfahrensfehler kein Beweisverwertungsverbot.
aa) Durchsuchungen dürfen nach § 105 Abs.
1 [X.] nur durch den Rich-ter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermitt-15
16
17
18
-
9
-
lungspersonen angeordnet werden. Eine richterliche Durchsuchungsanordnung ist hier nicht eingeholt worden, obwohl sie ohne Gefahr des Beweismittelver-lusts hätte eingeholt werden können. Gefahr im Verzug als Grund für die An-nahme einer Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungsperso-nen war jedenfalls nach der Sicherstellung des Fahrzeugs durch Abschleppen zur Verwahrstelle nicht mehr anzunehmen.
bb) Aus dem Verfahrensfehler ergibt sich jedoch kein Beweisverwer-tungsverbot.
Ob dies der Fall ist, muss nach der Rechtsprechung im Einzelfall auf-grund einer umfassenden Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der
wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhal-tung der Verfahrensvorschriften geprüft werden (vgl. [X.], Beschluss vom 7.
Dezember 2011

2 BvR 2500/09, 1857/10, [X.]E 130, 1, 27). Dies gilt auch für eine Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln (vgl. [X.], Urteil vom 18.
April 2007

5
[X.], [X.]St 51, 285, 289 ff.). Die Abwägung ergibt, dass der Verfahrensfehler die Rechte des Angeklagten bei der Beweis-gewinnung nicht erheblich beeinträchtigt hat und das Interesse an der Verwer-tung der in der Geldkassette gefundenen Sachbeweise überwiegt.
Dabei fällt ins Gewicht, dass es um den schwerwiegenden Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten geht, der einschlägig vorbestraft ist. Nachdem seine Identität durch Auffinden des Entlassungsscheins aus der [X.]ustizvollzugsanstalt, aus der er bedingt entlassen worden war, bekannt war, ist auch anzunehmen, dass ein Ermittlungsrichter in dem Fall, dass ein Antrag auf Gestattung der Durchsuchung der Geldkassette gestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte. Diese Möglichkeit der hypothe-19
20
21
-
10
-
tisch rechtmäßigen Beweiserlangung ist im Rahmen der Abwägung zu berück-sichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 18.
April 2007

5 [X.], [X.]St 51, 285, 291; Urteil vom 15.
Februar 1989

2 [X.], [X.], 375, 376 mit [X.]. [X.]; [X.], [X.] §
105 Rn.
21; krit. [X.], [X.], 2014, §
105 Rn.
39; [X.]/[X.], [X.] §
105 Rn.
149).
Sie führt dazu, dass
aus der ohne richterliche Gestattung erfolgten Durchsuchung kein Beweisver-wertungsverbot resultiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Richtervorbehalt von den Ermittlungsbeamten bewusst missachtet wurde, liegen nicht vor.
[X.]

[X.] Eschelbach

[X.]
R'in[X.] Dr. [X.] ist

verhindert.

[X.]

Meta

2 StR 25/15

17.02.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2016, Az. 2 StR 25/15 (REWIS RS 2016, 16129)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16129

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 25/15 (Bundesgerichtshof)

Beweiswürdigung im Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Beweisverwertungsverbot bei Verstoß gegen den Richtervorbehalt bei der Anordnung einer …


1 StR 531/04 (Bundesgerichtshof)


20 K 6825/20 (Verwaltungsgericht Köln)


2 StR 46/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Zulässigkeit einer Verfahrensrüge zur Geltendmachung eines Beweisverwertungsverbots wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt bei der …


3 Ss 370/08 (Oberlandesgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 25/15

5 StR 176/14

5 StR 296/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.