Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2010, Az. 3 StR 76/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4673

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 [X.] vom 20. Juli 2010 Nachschlagewerk: ja [X.]St: nein Veröffentlichung: ja ___________________________________ [X.] § 249 Abs. 2 Satz 3, § 274 Abs. 1 Satz 1 Zum Umfang der Beweiskraft des [X.] nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.]. [X.], Beschluss vom 20. Juli 2010 - 3 [X.] - [X.] - 2 - in der Strafsache gegen 1. [X.]wegen Betruges - 3 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. Juli 2010 gemäß § 349 Abs. 2 [X.] einstimmig beschlossen: Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. November 2009 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Betruges in drei Fällen unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von neun Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getrof-fen; den Angeklagten [X.]hat es wegen Betruges in vier Fällen und wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten bleiben ohne Erfolg, da die Nachprüfung des Schuld- und Strafausspruchs keinen durchgrei-fenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. 1 [X.] Erörterung bedarf nur die von beiden Angeklagten erhobene Verfahrensbeanstandung, das [X.] habe dem Urteil unter Verstoß ge-gen § 261 [X.] Feststellungen zugrunde gelegt, die wegen fehlerhafter [X.] des [X.] nach § 249 Abs. 2 [X.] nicht Gegenstand 2 - 4 - der Hauptverhandlung geworden seien. Ihr liegt folgender Sachverhalt [X.]: Im Verlauf der Hauptverhandlung hat der Strafkammervorsitzende be-züglich mehrerer Urkunden das [X.] angeordnet. Betreffend ein Urteil des [X.]s Nürnberg-Fürth hat er am darauf folgenden [X.]stermin zu Protokoll die Feststellung getroffen, dass das Selbstlese-verfahren beendet ist, die Mitglieder der Kammer "von dem Urteil" Kenntnis ge-nommen haben und die übrigen Prozessbeteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Betreffend eine Reihe von Urkunden zu Geldbewegungen sowie zu [X.] des Angeklagten [X.]

hat der Vorsitzende zu [X.] festgestellt, dass die Kammer "von den Urkunden", für die in der letzten Hauptverhandlung das [X.] angeordnet worden ist, Kenntnis genommen hat und die übrigen Prozessbeteiligten Gelegenheit hierzu hatten. Hinsichtlich mehrerer amtsgerichtlicher Urteile hat er zu Protokoll festgestellt, dass das [X.] beendet ist und die Kammer "von den Urteilen" Kenntnis genommen hat und die übrigen Prozessbeteiligten Gelegenheit hat-ten, hiervon Kenntnis zu nehmen. 3 Die Revision beanstandet, es sei nicht festgestellt worden, dass die Rich-ter und [X.] "vom Wortlaut" der Urkunden Kenntnis genommen hätten. Kenntnis von einer Urkunde sei mit der Kenntnis von deren Wortlaut nicht gleichzusetzen. Das Protokoll beweise, dass der Wortlaut von den [X.]n nicht zur Kenntnis genommen worden sei. 4 Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Der Wortlaut des [X.] nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] ist für den Nachweis der ordnungsgemäßen [X.] des [X.] ohne Belang. Im Einzelnen: 5 - 5 - Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 [X.] darf von der Verlesung einer Urkunde oder eines anderen Schriftstücks - neben anderen Voraussetzungen - dann ab-gesehen werden, wenn die [X.] und [X.] vom Wortlaut der Urkunde oder des Schriftstücks Kenntnis genommen haben. Die "Feststellungen über die Kenntnisnahme" sind nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] in die [X.] aufzunehmen. Durch einen entsprechenden Protokollvermerk kann indes nicht bewiesen (§ 274 Abs. 1 Satz 1 [X.]) werden, dass die [X.] und Schöf-fen tatsächlich von Wortlaut Kenntnis genommen haben. Dies folgt schon [X.], dass in der Sitzungsniederschrift nur solche Vorgänge beweiskräftig [X.] werden können, die sich während der laufenden Hauptverhandlung im Sitzungssaal (oder ggf. einem auswärtigen Verhandlungsort) zugetragen haben (vgl. [X.], [X.], 53. Aufl., § 273 Rn. 19), denn nur diese können der Vorsitzende und der [X.] der Geschäftsstelle durch ihre Unterschrift unter das Protokoll (§ 271 Abs. 1 Satz 1 [X.]) aus eigener Wahrnehmung bes-tätigen. 6 Das [X.] hat [X.] des [X.] - die Kenntnisnahme vom Urkundeninhalt durch die [X.] und [X.] - aber ge-rade aus der Hauptverhandlung [X.]. Damit ist es dem [X.] der Geschäftsstelle von vornherein nicht möglich zu bestätigen, dass die [X.] und [X.] tatsächlich vom Wortlaut eines Schriftstücks Kenntnis ge-nommen haben. Nichts anderes gilt aber auch für den Vorsitzenden. So ist schon gesetzlich nicht bestimmt, dass er bei der Kenntnisnahme durch die bei-sitzenden [X.] und die [X.] präsent ist; aber selbst wenn er - aus-nahmsweise - anwesend sein sollte, unterliegt es nicht seiner Wahrnehmung, ob diese den Wortlaut tatsächlich vollständig zur Kenntnis genommen und mit der Aufmerksamkeit studiert haben, die erforderlich ist, damit sie ihrer Aufgabe der Urteilsfindung verantwortungsvoll gerecht werden können. Der Vorsitzende 7 - 6 - muss sich daher letztlich auf die Zusicherung der beisitzenden [X.] und der [X.] verlassen, dass sie das Schriftstück vollständig gelesen haben, und kann Entsprechendes nur für seine eigene Person aus eigenem Wissen ver-bindlich bestätigen. Durch die Einführung des [X.] hat der Gesetzgeber [X.] potentiellen Einbußen der Qualität des [X.] in [X.]. Dies ist von den Gerichten und den Verfahrensbeteiligten zu akzeptieren. Im Übrigen besteht aber auch bei dem [X.] nach § 249 Abs. 1 [X.] keine Gewähr dafür, dass die zur Urteilsfindung berufenen Gerichtsper-sonen der Verlesung - insbesondere bei der aufeinander folgenden Verlesung einer Vielzahl von Schriftstücken - immer mit der gebührenden Aufmerksamkeit folgen. 8 Hieraus ergibt sich, dass durch den Protokollvermerk nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] die tatsächliche Kenntnisnahme vom Wortlaut eines Schriftstücks durch die [X.] und [X.] im Wege des [X.] nicht nach-gewiesen werden kann. Er beweist daher nicht die ordnungsgemäße [X.] dieses Verfahrens, sondern allein die Tatsache, dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung eine entsprechende Feststellung getroffen hat ([X.], 6. Aufl., § 249 Rn. 39). Aus seiner Formulierung kann daher kein - im Sinne des § 274 Abs. 1 Satz 1 [X.] beweiskräftig belegter - Schluss auf die (nicht) ordnungsgemäße Durchführung des [X.] gezogen wer-den. 9 Nach Auffassung des Senats kommt der Protokollierung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] vielmehr eine andere Funktion zu. Da der [X.] beim [X.] außerhalb der Hauptverhandlung erhoben wird, [X.] - 7 - darf es der Kenntlichmachung und des Hinweises an die Verfahrensbeteiligten, dass der in dieser Sonderform gewonnene Beweisstoff dennoch als Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 [X.] der Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde gelegt werden kann. Dies wird durch die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] beweiskräftig vollzogen. Fehlt der entsprechende Vermerk, so ist danach die [X.] nach § 261 [X.] eröffnet. Es verhält sich hier ähnlich wie bei der Verwertung offenkundiger, insbes. gerichtskundi-ger, außerhalb der Hauptverhandlung gewonnener Tatsachen, die Inbegriff der Hauptverhandlung grundsätzlich nur werden, wenn sie durch entsprechenden Hinweis in diese eingeführt worden sind ([X.], aaO, § 244 Rn. 3 mwN; zur strittigen Frage der diesbezüglichen Protokollierungspflicht vgl. Mey-er-Goßner, aaO, § 273 Rn. 7 mwN). Durch die hier vom Vorsitzenden zu Protokoll erklärten Feststellungen, die im Übrigen ohnehin als Feststellung der Kenntnisnahme vom Wortlaut der Schriftstücke durch [X.] und [X.] auszulegen sein dürften (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, bei [X.], [X.], 225, 227 Nr. 9; [X.], Beschluss vom 28. Januar 2010 - 5 [X.], [X.], 226), sind die Schriftstücke in hinreichender Form zum Inbegriff der [X.] gemacht worden und damit verwertbar. 11 - 8 - Keiner Entscheidung bedarf, wie wegen der fehlenden Beweiskraft des [X.] nach § 249 Abs. 2 Satz 3 [X.] für seine inhaltliche Richtig-keit eine Rüge zu behandeln wäre, entgegen der protokollierten Feststellung hätten die [X.] oder [X.] tatsächlich gar nicht vom Wortlaut der fragli-chen Schriftstücke Kenntnis genommen; denn eine solche Rüge ist hier nicht erhoben. 12 VRi[X.] [X.] ist wegen Urlaubs

[X.] Ri[X.] von [X.] ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. an der Unterschriftsleistung gehindert.

[X.] [X.] [X.]

Meta

3 StR 76/10

20.07.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2010, Az. 3 StR 76/10 (REWIS RS 2010, 4673)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4673

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 76/10 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Umfang der Beweiskraft des Protokollvermerks zum Selbstleseverfahren


3 StR 131/10 (Bundesgerichtshof)

Beweisaufnahme im Strafverfahren: Beweiskraft eines Protokollvermerks über das Selbstleseverfahren


3 StR 131/10 (Bundesgerichtshof)


5 StR 28/23 (Bundesgerichtshof)

Auslegung des Hauptverhandlungsprotokolls


2 StR 501/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Anforderungen an eine Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 76/10

5 StR 169/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.