Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2020, Az. IV ZR 5/19

4. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 669

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Gegenstand

Widerspruch gegen Versicherungsvertrag: Berechnung der herauszugebenden Nutzungen


Leitsatz

Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. kann der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Herausgabe von Nutzungen aus Verwaltungskostenanteilen nicht anhand der Eigenkapitalrendite des Versicherers berechnet werden.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 7. Dezember 2018 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 66.240,52 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger fordert von der [X.] aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und Herausgabe von Nutzungen.

2

Der Kläger schloss mit der Rechtsvorgängerin der [X.] im Jahr 1997 einen Vertrag über eine kapitalbildende Lebensversicherung mit eingeschlossener [X.] nach dem sogenannten [X.] des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a [X.] a.F.) ab.

3

Nachdem der Kläger den Vertrag zunächst gekündigt hatte, erklärte er mit Schreiben vom 2. Februar 2016 den Widerspruch.

4

Mit der Klage verlangt er von der [X.] die Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich der Risikokosten sowie ausgekehrter Beträge zuzüglich Nutzungen, insgesamt 76.079,01 €, ferner Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zahlung von Verzugszinsen.

5

Der Kläger meint, die Widerspruchsbelehrung sei unzureichend und die Verbraucherinformationen seien unvollständig gewesen, sodass er noch im [X.] zum Widerspruch berechtigt gewesen sei.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Höhe von 3.294,90 € nebst Zinsen stattgegeben. Es hat die Revision zugelassen, soweit die Klage in Höhe eines Betrages von 66.240,52 €, der auf vom Kläger geltend gemachte "Nutzungen im Eigenkapital" entfällt, abgewiesen worden ist. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in diesem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

9

Der Vertrag sei nach den §§ 812 ff. [X.] rückabzuwickeln. Der Kläger habe dem Vertragsschluss mangels ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung noch im [X.] widersprechen können. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei auf Lebens- und [X.] nicht anwendbar. Ferner sei das Widerspruchsrecht nicht verwirkt und seine Ausübung verstoße auch nicht gegen [X.] und Glauben.

Dahinstehen könne, ob der Kläger ausreichend dargelegt habe, dass die Beklagte aus den [X.]n, die auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfielen, Nutzungen gezogen habe. Jedenfalls seien sie mit einer Forderung von 66.240,52 € nicht schlüssig dargelegt. Der Prämienanteil, der auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen sei, mache auch nach der Darstellung des [X.] nur einen Bruchteil der Gesamtprämie aus. Wie es der [X.] möglich gewesen sein solle, aus einem Betrag von 4.300,68 € oder einem Teilbetrag hiervon in knapp 20 Jahren Nutzungen in Höhe von 66.240,52 € zu ziehen, sei schlechterdings nicht nachzuvollziehen. Zur Berechnung der Höhe gezogener Nutzungen aus dem Abschluss- bzw. Verwaltungskostenanteil der Prämie könne insbesondere nicht auf die Eigenkapitalrendite abgehoben werden. Notwendig sei ein Vortrag zur Höhe der Nutzungen, der sich auf die Ertragslage des Unternehmens beziehe. Dazu sei der Verweis auf die Eigenkapitalrendite ersichtlich ungeeignet. Diese gebe alleine das Verhältnis von Gewinn zum Eigenkapital an und möge betriebswirtschaftlich einen Indikator für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens darstellen. Aus der Höhe der Eigenkapitalrendite lasse sich indes nicht - auch nicht im Wege einer Schätzung - darauf schließen, welche Erträge ein Unternehmen mit von ihm vereinnahmten Geldern konkret habe erzielen können. Schon die vorliegend jährlich stark schwankende Eigenkapitalrendite (von -1,73 % bis 90,29 % vor Steuern) belege anschaulich, dass ein Rückgriff auf diese rein betriebswirtschaftliche Kennzahl zur Ermittlung tatsächlich gezogener Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 [X.] nicht in Betracht kommen könne.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Der Kläger hat den im Revisionsverfahren noch streitgegenständlichen Nutzungsherausgabeanspruch berechnet, indem er den von ihm vorgetragenen Verwaltungskostenanteil der Versicherungsprämie sowie vermeintliche [X.], die sich aus einer behaupteten Differenz zwischen kalkulierten und tatsächlich angefallenen Abschluss- und Risikokosten ergeben sollen, nach der Eigenkapitalrendite der [X.] verzinst hat. Letztere hat der Kläger für die jeweiligen Geschäftsjahre der [X.] nach dem Verhältnis ihres Ergebnisses der "gewöhnlichen" Geschäftstätigkeit (Jahresüberschuss ohne außerordentliche Erträge und Aufwendungen sowie Steuern) zum Eigenkapital ermittelt.

2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger damit den in Rede stehenden Anspruch aus § 818 Abs. 1 [X.] nicht schlüssig dargelegt hat.

a) Dies gilt im Hinblick auf die vermeintlichen [X.] der [X.] aus dem Risikoanteil der vom Kläger gezahlten Prämien bereits deswegen, weil dieser Prämienanteil bei der Bestimmung der gezogenen Nutzungen keine Berücksichtigung finden kann. Nach der gefestigten Senatsrechtsprechung stehen dem Versicherungsnehmer Nutzungen aus dem Risikoanteil, der dem Versicherer als Wertersatz für den vom Versicherungsnehmer faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt, nicht zu (vgl. Senatsurteile vom 26. September 2018 - [X.], [X.], 1367 Rn. 31; vom 1. Juni 2016 - [X.], [X.], 275 Rn. 30; vom 11. November 2015 - [X.], [X.], 33 Rn. 42). Der zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufgewandte Prämienanteil kann hingegen zur Berechnung von Nutzungszinsen herangezogen werden, soweit der Versicherer auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel ersparte, die er zur Ziehung von Nutzungen verwenden konnte (Senatsurteile vom 26. September 2018 aaO; vom 11. November 2015 aaO Rn. 47 m.w.[X.]). Der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil bleibt indes für Nutzungsersatzansprüche regelmäßig außer Betracht; mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (vgl. Senatsurteile vom 26. September 2018 aaO; vom 1. Juni 2016 aaO; vom 11. November 2015 aaO Rn. 44 f.). Hinsichtlich der beiden zuletzt genannten [X.] konnte das Berufungsgericht offenlassen, ob der Kläger hier - wie er geltend macht - zum Grund ausreichend vorgetragen hat.

b) Jedenfalls hat er seiner Darlegungslast hinsichtlich der Höhe der von der [X.] aus den Beitragszahlungen tatsächlich gezogenen Nutzungen nicht genügt. Die von ihm herangezogene Eigenkapitalrendite gibt hierüber keine Auskunft.

aa) Ein Versicherungsnehmer, der vom beklagten Versicherer die Herausgabe von Nutzungen aus [X.] geleisteten Beitragszahlungen verlangt, ist für Anfall und Höhe tatsächlich gezogener Nutzungen darlegungs- und beweisbelastet. Dies verlangt ihm, wie der Senat wiederholt entschieden hat, einen Tatsachenvortrag ab, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe gestützt werden kann (Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - [X.], [X.], 297 Rn. 20 m.w.[X.]). Da sich die Herausgabepflicht nach § 818 Abs. 1 [X.] auf die Nutzungen beschränkt, die der Bereicherte aus dem ohne Rechtsgrund erlangten Gegenstand oder aus einem Surrogat im Sinne des § 818 Abs. 1 [X.] gezogen hat ([X.], Urteil vom 10. Februar 2004 - [X.], [X.]Z 158, 63 unter 4 [juris Rn. 14]), muss die Ertragslage des Versicherers, auf die sich der Versicherungsnehmer zur Darlegung des Nutzungsherausgabeanspruchs bezieht, die Verwendung der [X.] erbrachten Beitragszahlungen abbilden.

bb) Das ist bei der vom Kläger angeführten Eigenkapitalrendite nicht der Fall (vgl. [X.], Urteil vom 27. September 2019 - 12 U 78/18, juris Rn. 61 f.; [X.], 342 unter [X.] 5 [juris Rn. 110]; [X.], Urteil vom 5. Juni 2019 - 10 U 1133/18 unter [X.] (n.v.); [X.], Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 U 79/18, juris Rn. 78; [X.], 803 unter 3 [X.] (2) [juris Rn. 69]; a.A. [X.], Urteil vom 21. Dezember 2017 - 7 U 80/17, juris Rn. 103; [X.], Urteil vom 28. März 2017 - 4 U 1624/16, juris Rn. 15; [X.], Urteil vom 28. September 2016 - 10 U 453/15 unter [X.] bb (n.v.)).

(1) Indem sie auf das Ergebnis der normalen - in der Terminologie des [X.] "gewöhnlichen" - Geschäftstätigkeit der [X.] im Sinne von Abschnitt II Nr. 3 des Formblatts 3 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen ([X.]) vom 8. November 1994 ([X.]l. I [X.] 3378) abstellt, berücksichtigt sie Erträge, die sich unter keinen Umständen als das Resultat der Verwendung der vom Kläger [X.] erbrachten Beitragszahlungen verstehen lassen. Das gilt im Hinblick auf die Beitragszahlungen des [X.] selbst sowie diejenigen der übrigen Versicherungsnehmer der [X.]. Die Beiträge fließen ohne Differenzierung nach [X.] insgesamt nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. a) des Formblatts 3 [X.] als "Gebuchte [X.]" (vgl. § 36 [X.]) in das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit der [X.] ein.

(2) Ferner liegt der Berechnung des [X.] die Vorstellung zugrunde, er habe aufgrund der Zahlung des Verwaltungskostenanteils der Versicherungsprämie sowie aufgrund des behaupteten Anfalls von [X.]n bei der [X.] eine Investition in das in ihrer Bilanz ausgewiesene Eigenkapital getätigt. Diese Vorstellung ist unzutreffend. Zwar mögen die genannten Vorgänge die Höhe des bilanzierten Eigenkapitals etwa dadurch beeinflusst haben, dass sie einen Jahresüberschuss vergrößert oder einen Jahresfehlbetrag verringert haben (vgl. Formblatt 1 Passivseite Buchst. A Ziffer V. [X.]). Aber dies führt nicht dazu, dass der Kläger einem Aktionär der [X.] gleichzustellen wäre, dem die Eigenkapitalrendite, die als betriebswirtschaftliche Kennzahl den Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Eigenkapital kennzeichnet, Aufschluss über die Verzinsung seiner Investition geben mag (vgl. [X.], [X.]. [X.] 253).

cc) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der bisherigen Senatsrechtsprechung nichts anderes. Dass der Senat ausgeführt hat, aus der durchschnittlich von [X.] Lebensversicherern in einem bestimmten Zeitraum erzielten Verzinsung könne kein auf die Ertragslage des Versicherers bezogener Gewinn abgeleitet werden (vgl. Senatsurteile vom 26. September 2018 - [X.], [X.], 1367 Rn. 34; vom 11. November 2015 - [X.], [X.], 33 Rn. 50), bedeutet nicht, dass zur Berechnung des Nutzungsherausgabeanspruchs auf das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit des Versicherers abzustellen wäre. Das folgt bereits daraus, dass es in den genannten Entscheidungen jeweils nur um die Frage erzielter Zinsgewinne ging (Senatsurteile aaO).

3. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass die Anspruchsberechnung anhand der jeweiligen jährlichen Eigenkapitalrendite der [X.] unzulässig ist, hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

[X.]     

      

[X.]     

      

Lehmann

      

Dr. Brockmöller     

      

Dr. Bußmann     

      

Meta

IV ZR 5/19

29.04.2020

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 7. Dezember 2018, Az: I-20 U 76/18

§ 5a Abs 2 S 4 VVG vom 21.07.1994, § 818 Abs 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2020, Az. IV ZR 5/19 (REWIS RS 2020, 669)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 729-730 WM2020,966 REWIS RS 2020, 669


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 5/19

Bundesgerichtshof, IV ZR 5/19, 29.04.2020.


Az. 20 U 76/18

Oberlandesgericht Köln, 20 U 76/18, 07.12.2018.


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