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Rückforderung von Zuwendungen - kein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Rechtsprechungsänderung
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage ein Wiederaufgreifen einer Rückforderungsentscheidung bezüglich wasserwirtschaftlicher Zuwendungen nach einer Änderung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Im November 2003 beantragte die Klägerin beim Wasserwirtschaftamt … die Gewährung von Zuwendungen für die Durchführung von Arbeiten an den Bauabschnitten 09 Ortsteil … an der öffentlichen Entwässerungseinrichtung. Das Wasserwirtschaftsamt wirkte bei der Antragstellung mit und beriet die Klägerin im Antragsverfahren.
Am 13. November 2003 erließ das Wasserwirtschaftsamt … einen Zuwendungsbescheid hinsichtlich des wasserwirtschaftlichen Vorhabens „Abwasseranlage …, Bauabschnitt 09“. Mit Schlussbescheid vom 28. April 2008 zum Zuwendungsbescheid vom 13. November 2003 wurden der Klägerin die Förderungsmittel bewilligt. Die Zuweisungen für das Vorhaben wurden auf 424.691,73 EUR festgesetzt. In dem Bescheid wurden unter anderem die Richtlinien für die Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas 2000), die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunalen Körperschaften (ANBest-K) sowie die Nebenbestimmungen für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (NBest-Was 2000) für anwendbar erklärt.
Nach der Bewilligung wurden unter „Bauabschnitt 09 (BA 09)“ die Vorhaben Erweiterung Regenüberlauf, Vergrößerung der Verbindungskanäle und Entlastungsleitung vom Regenüberlauf in das Gewässer realisiert.
I.
Aufgrund einer Überprüfung der Zuwendungen durch das Staatliche Rechnungsprüfungsamt … (Schreiben an das Wasserwirtschaftsamt vom 14. Dezember 2011) erließ das Wasserwirtschaftamt … am 14. Dezember 2012 gegenüber der Klägerin folgenden Schlussbescheid:
„1. Der Schlussbescheid des Wasserwirtschaftsamtes … vom 28.04.2008, GZ: …, ist teilweise erloschen. Die mit Schlussbescheid vom 28.04.2008, GZ: …, für das Vorhaben Abwasseranlage … BA 09 Ortsteil … in Aussicht gestellte Zuweisung in Höhe von 424.691,73 EUR wird entsprechend des geprüften Verwendungsnachweises auf 270.348,95 EUR festgesetzt.
2. Der Erstattungsbetrag wird auf 154.342,78 EUR festgesetzt. Der Betrag in Höhe von ist bis 4 Wochen nach Bestandskraft des Bescheids an die [Bankverbindung] zu entrichten.
3. Der festgesetzte Erstattungsbetrag in Höhe von 154.342,78 Euro ist dem Grunde nach gem. Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG rückwirkend, ab dem Zeitpunkt der Auszahlung, mit 6% p. a. zu verzinsen. Über die Geltendmachung der Verzinsung wird in einem gesonderten Bescheid entschieden.
4. Die Kosten des Verfahrens hat der Vorhabenträger zu zahlen. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 105,- EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.“
In der Begründung wurde ausgeführt, dass sich die zuwendungsfähigen Kosten im Nachhinein ermäßigten, nach Nr. 2.1 ANBest-K sei eine den Zuwendungsbescheid auflösende Bedingung eingetreten. Es handle sich um die Erweiterung eines Regenüberlaufs, nicht um einen erstmaligen Bau und Erweiterung für bestehende Siedlungsbereiche. Die Vergrößerung der Verbindungsleitung sei nicht als Teil der Mischwasserbehandlung zu bewerten. Die Entlastungsleitung vom Regenüberlauf sei nicht erneuert worden. Unter Berücksichtigung dieser Prüfbemerkungen errechneten sich die zuwendungsfähigen Kosten neu. Unter Berücksichtigung der neuen Berechnung werde der Differenzbetrag nach Art. 49 Abs. 1a BayVwVfG zurückgefordert.
Die Klägerin ließ gegen diesen Bescheid mit einem am 17. Januar 2013 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag, den Schlussbescheid des Wasserwirtschaftsamts … vom 14. Dezember 2012 aufzuheben (Az. AN 4 K 13.00274).
In der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 2013 teilte der Beklagte mit, es könne nicht von einem „erstmaligen Bau“, sondern nur von einer „Erweiterung“ gesprochen werden. In diesem Punkt sei so verfahren worden wie in vergleichbaren Fällen auch. Der Bevollmächtigte des Klägers verwies auf die Rechtsprechung zu den leitungsgebundenen Anlagen nach dem Kommunalabgabengesetz. Daraufhin gaben die Beteiligten folgende Erklärungen ab:
„1. Die Klägerin erkennt vorbehaltlich einer zivilrechtlichen Aufrechnung den streitgegenständlichen Bescheid als rechtmäßig an.
2. Der Beklagte erklärt, er werde erst nach Abschluss des zivilgerichtlichen Verfahrens in einem weiteren Bescheid die Zinsen festsetzen. Die Klägerin erklärt insoweit den Verzicht auf die Einrede der Verjährung.
3. Die Beteiligten erklären daraufhin den Rechtsstreit in vollem Umfang übereinstimmend für erledigt.
4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.“
Mit Beschluss der 4. Kammer vom 13. Juni 2013 wurde das Verfahren daraufhin eingestellt.
II.
Das Bundesverwaltungsgericht befasste sich in einem Urteil vom 16. Juni 2015 (10 C 15.14, juris) mit der Frage der Rückforderung einer staatlichen Zuwendung. Hierin äußerte sich das Gericht zum Begriff des eine Bedingung auslösenden Ereignisses im Sinne des Art. 36 Abs. 2. Nr. 2 BayVwVfG. Hierunter fallen demnach nur von der Außenwelt wahrnehmbare Handlungen, Erklärungen oder Geschehnisse, nicht hingegen nur zur Gedankenwelt eines Beteiligten gehörende Vorstellungen. Die rein verwaltungsinterne Neubewertung abgeschlossener Zuwendungsfälle kann darum nicht als künftiges Ereignis für eine auflösende Bedingung dienen und keine automatische Reduzierung einer Zuwendung bewirken (Leitsatz, Rn. 12).
III.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben ihrer nunmehrigen Bevollmächtigten vom 19. August 2015 beim Wasserwirtschaftsamt …, das Verfahren gemäß Art. 51 BayVwVfG wieder aufzugreifen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rechtslage habe sich nachträglich zugunsten der Klägerin geändert, nachdem das Bundesverwaltungsgericht entschieden habe, dass eine automatische Kürzung von Zuwendungen bei nachträglich geänderter Rechtsauffassung keine auflösende Bedingung i.S.d. Verwaltungsverfahrensrechts darstelle. Nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG sei daher erneut zu entscheiden. Diese neueste Rechtsprechung sei Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung und stelle daher eine maßgebliche Änderung der Rechtslage dar (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 51 Rn. 30 m.w.N.). Damit sei die vorherige entgegenstehende Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als hinfällig anzusehen. In der Sache sei der Rückforderungsbescheid aufzuheben, weil das Vertrauen der Klägerin i.S.d. Art. 48 VwVfG schutzwürdig gewesen sei.
Der Beklagte lehnte diesen Antrag der Klägerin mit Bescheid des Wasserwirtschaftsamts … vom 26. Januar 2016 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sei zwar zulässig, aber unbegründet, weil Änderungen der Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu einer Änderung der Rechtslage führten. Mit dem Urteil des BVerwG habe sich die Rechtslage nicht geändert, es liege auch keine Änderung der allgemeinen Rechtsauffassung vor.
Die Klägerin habe einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne. Allerdings sei der Rückforderungsbescheid vom 14. Dezember 2012 auf Grundlage der damals geltenden RZWas 2000 entsprechend der ständigen Förderpraxis ergangen. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren sei aufgrund der Erledigungserklärungen eingestellt worden. Es seien auch keine weiteren Gründe von Seiten der Klägerin vorgetragen worden. Soweit sich die Klägerin auf Vertrauensschutz berufe, sei darauf hinzuweisen, dass sich öffentlich-rechtliche Körperschaften aufgrund der eigenen Bindung an Recht und Gesetz nicht auf die besonderen Vertrauensschutzbestimmungen des Art. 48 BayVwVfG berufen könnten (vgl. schon BVerwG v. 20.6.1967 – V C 175/66). Gegen ein Wiederaufgreifen spreche, dass es mehrere hundert abgeschlossene Förderverfahren gebe, bei denen es zu einer vergleichbaren Rückforderung aufgrund Eintritts einer auflösenden Bedingung gekommen sei, die gleich behandelt werden müssten. Dies würde einen immensen Verwaltungsaufwand und erhebliche Belastungen für den Staatshaushalt bewirken. Außerdem habe die Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Bescheid als rechtmäßig anerkannt. Auch sei die Aufrechterhaltung des Bescheids nicht schlechthin unerträglich, sondern habe vielmehr der damaligen Verwaltungspraxis entsprochen. Nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sei daher das Verfahren nicht wieder aufzugreifen.
Die Klägerin ließ hiergegen durch einen am 26. Februar 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage erheben mit den Anträgen:
„1. Der Bescheid des Wasserwirtschaftsamt … vom 26.01.2016, Az. …, wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, die Rückforderungsverfahren bezogen auf die wasserwirtschaftlichen Vorhaben „Abwasseranlage …“, BA 09, Vorhabenskennzeichen …, wieder aufzugreifen, und den Rückforderungsbescheid vom 14.12.2012, Az. …, aufzuheben.
2. Hilfsweise: Der Bescheid des Wasserwirtschaftsamt … vom 26.01.2016, Az. … wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Wiederaufgreifen der Rückforderungsverfahren bezogen auf die wasserwirtschaftlichen Vorhaben „Abwasseranlage …“, BA 09, Vorhabenskennzeichen …, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts erneut zu entscheiden.“
Mit Schreiben vom 30. März 2016 teilte die Regierung von Mittelfranken, Prozessvertretung, mit, dass sie die Vertretung im Verfahren übernehme.
Nach erfolgter Akteneinsicht wurde die Klage mit Schriftsatz vom 14. September 2016 begründet. Es wurde vorgetragen, dass der Rückforderungsbescheid rechtsfehlerhaft sei, weil kein Rückforderungsanspruch des Beklagten hinsichtlich der gewährten Zuwendungen bestehe. Die Klägerin hätte insbesondere im Zuwendungsverfahren alle Angaben zutreffend gemacht und habe darauf vertrauen können und müssen, dass die Bewilligung in voller Höhe zutreffend gewesen sei. Alle Rückforderungsgründe hätten schon bei der erstmaligen Bewilligung erkannt werden müssen, insofern seien die Gründe, die zur Rückforderung geführt hätten, offensichtlich nicht durch die Klägerin zu vertreten. Damit seien auch weder ein Widerrufsgrund nach Art. 48 BayVwVfG noch eine auflösende Bedingung eingetreten, weshalb das Verwaltungsgericht Ansbach keinen Klageabweisungshinweis hätte geben dürfen.
Dem Wiederaufgreifensantrag sei stattzugeben, weil die Zuwendungen rechtmäßig gewährt worden seien. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welche sich im Urteil vom 16. Juni 2015 in ihren tragenden Gründen mit der streitgegenständlichen Frage und den dort anwendbaren allgemeinen Rechtsgrundsätzen beschäftigt habe, habe sich die Rechtslage nachträglich zugunsten der Klägerin geändert und diese Änderung sei für die Rückforderung und die Erledigungserklärung entscheidungserheblich gewesen.
Hätte der Beklagte die Rechtsauffassung des BVerwG korrekt angewandt, wäre der Rückforderungsbescheid nicht erlassen bzw. aufgehoben worden. Die Klägerin könne sich daher hinsichtlich der Berechnung auf Vertrauensschutz berufen. Zudem sei die Berechnung der zuwendungsfähigen Kosten rechtmäßig erfolgte, weil die endgültige Festsetzung vom 28. April 2008 inzwischen bestandskräftig sei. Somit habe das Verwaltungsgericht im vorangegangenen Verfahren einen unzutreffenden richterlichen Hinweis gegeben, ohne den die Erledigungserklärung unterblieben wäre.
Wegen der Änderung der Rechtslage wäre die Beklagte nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG verpflichtet gewesen, das Verfahren wieder aufzugreifen. Die Voraussetzungen lägen auch trotz der gebotenen engen Auslegung dieser Vorschrift vor, da die alte Rechtslage gegen den fundamentalen Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen habe. Zwar seien Verwaltungsbehörden im Regelfall bei einer Rechtsprechungsänderung hierzu nicht verpflichtet, hier sei jedoch die Wiederaufnahme zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit unabdingbar. Die alte Rechtslage sei mit dem materiellen Rechtsstaatsprinzip und grundlegenden Gerechtigkeitsgedanken und der allgemeinen Rechtsauffassung schlechthin unvereinbar.
Zudem beruhe die Rückforderung auf einer fehlerhaften Beurteilung der Vorfrage nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG i.V.m. § 580 Nr. 6 ZPO, ob die Förderbedingungen eine auflösende Bedingung enthielten oder nicht. Damit seien Behörde und Gericht von einer falschen Beurteilung der verwaltungsrechtlichen Vorfrage und damit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
Jedenfalls bestehe ein Anspruch nach Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG, wonach die Vorschriften des Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG unberührt blieben. Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) umfasse eine angemessene Finanzausstattung, in die durch den rechtswidrigen Rückforderungsbescheid eingegriffen worden sei. Die Entscheidung über die Rücknahme sei ermessensfehlerhaft erfolgt. Die finanzrelevanten Regelungen müssten dem Grundsatz der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit entsprechen, was bei der alten Rechtsauslegung nicht der Fall sei. Hingegen würde ein Wiederaufgreifen nicht zu unzumutbaren Belastungen des Staatshaushaltes führen.
Deshalb bestehe ein Anspruch auf Wiederaufgreifen, über den das Gericht gleich in der Sache zu entscheiden habe (BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 8 C 75.80).
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 7. August 2017,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei unbegründet, weil sich die förderrelevanten Tatsachen nicht verändert hätten. Die Änderung der Rechtsprechung habe auch keine Änderung der Rechtslage zur Folge, denn das einschlägige materielle Recht habe sich nicht verändert. Die in der Literatur zu findende andere Auffassung sei lediglich als unzutreffende Mindermeinung anzusehen. Insbesondere sei die von Kopp/Ramsauer zugrunde gelegte Rechtsprechung anders zu verstehen. Selbst wenn man diese Auffassung zugrunde legen wollte, wäre allerdings nicht von einer Rechtsprechungsänderung auszugehen, weil sich das BVerwG erstmalig mit der Frage beschäftigt, also erstmalig eine allgemeine Rechtsauffassung zu der Frage begründet habe.
Auch nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG entsprechend § 580 Nr. 6 ZPO sei das Verfahren nicht wiederaufzugreifen, weil es am engen Ursachenzusammenhang fehle. Vielmehr beruhe der Schlussbescheid auf der bisher ständigen Rechtsprechung des BayVGH.
Auch im Ermessenswege sei das Verfahren nicht wiederaufzugreifen, weil es sich um einen der damaligen ständigen Auffassung entsprechend für rechtmäßig gehaltenen Bescheid gehandelt habe. Die Beklagte habe den Bescheid als rechtmäßig akzeptiert und auch die Nichtwiederaufnahme entspreche ständiger Verwaltungspraxis. Im Übrigen könnte das Wiederaufgreifen nach Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG nur zu einer Änderung für die Zukunft führen.
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben nicht um Finanzzuweisungen im engeren Sinne handle, auf die die Klägerin einen Anspruch erheben könnte, es handle sich hierbei um freiwillige staatliche Leistungen. Insofern greife eine Berufung auf die Selbstverwaltungsgarantien nicht. Deshalb sei auch der Umkehrschluss nicht zulässig, dass die Klägerin die Leistungen behalten dürfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten genommen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Wasserwirtschaftsamtes … vom 26. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich des bestandskräftigen Rückforderungsbescheides vom 14. Dezember 2012 auf der Grundlage des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG (nachfolgend unter I.)
Auch die Ermessensentscheidung des Beklagten, das Verfahren nicht im Ermessenswege gemäß Art. 51 Abs. 5 i.V.m. Art. 48, 49 BayVwVfG wiederaufzugreifen, ist unter Beachtung des nach § 114 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsrahmens nicht zu beanstanden (nachfolgend unter II.).
I.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG nur anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt (vgl. U.v. 7.7.2004 - 6 C 24/03, juris Rn. 10 m.w.N.; BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand. 1.4.2017, Rn. 37 zu § 51; Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. A. 2014, Rn. 96 zu § 51).
Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG bewirken. Im Urteil vom 7. Juli 2004, a.a.O. hat das Bundesverwaltungsgericht beispielhaft klargestellt, dass die erstmalige Feststellung der Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtnorm keine Wiederaufnahme des Verfahrens auf der Grundlage des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG rechtfertigt.
Hieraus folgt denklogisch, dass bei einer bloßen Änderung der Rechtsprechung zum Vollzug einer fortbestehenden Verwaltungsvorschrift, wie sie Nr. 2.1 ANBest-K darstellt, und der – anders als einer Rechtsnorm – keine allgemeinverbindliche Außenwirkung zukommt (Nr. 2.1 ANBest-K kommt lediglich eine ermessenslenkende Wirkung im Verwaltungsvollzug zu), keine Änderung der Rechtslage vorliegt (vgl. BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 38.1 zu § 51 VwVfG; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. Rn. 97 und 103 ff. zu § 51 VwVfG).
Auch soweit sich die Klägerin in ihrem Antrag auf Wiederaufgreifen darauf beruft, dass diese neue Rechtsprechung Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung sei, die einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage gleichzustellen sei, vermag sie mit dieser Rechtsauffassung nicht durchzudringen. Selbst Änderungen der Rechtsprechung in höchstrichterlichen Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung, die Ausdruck einer neuen allgemeinen Rechtsauffassung sind, stellen keine Änderung der Rechtslage in dem oben genannten Sinne dar. Denn ungeachtet ihrer Auswirkungen bleiben gerichtliche Entscheidungen eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung und sind demnach weder geeignet noch darauf angelegt, die Rechtslage konstitutiv zu verändern (BVerwG, U.v. 11.9.2013 - 8 C 4.12, juris; BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 37 zu § 51 VwVfG; a.A. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Rn. 30 zu § 51 VwVfG).
Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG in entsprechender Anwendung des § 580 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor. Nach der zuletzt genannten Bestimmung findet die Restitutionsklage statt, wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist.
Die genannten Voraussetzungen wären vorliegend somit nur erfüllt, wenn der bestandskräftige Bescheid vom 14. Dezember 2012 auf der Beurteilung oder Entscheidung einer Vorfrage beruhte, welche nachträglich durch Urteil oder unanfechtbaren Verwaltungsakt anders beurteilt oder entschieden worden ist (BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 52 zu § 51 VwVfG).
Dies ist vorliegend jedoch gerade nicht der Fall.
Die Frage nach der Zulässigkeit der Rückforderung der gewährten Zuwendungen stellte im früheren verwaltungsgerichtlichen Verfahren gerade keine Vorfrage dar, sondern war die streitentscheidende Rechtsfrage in genau diesem Verfahren (AN 4 K 13.00274).
Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14. Dezember 2012 wurde zwar nicht in einem Urteil bestätigt, allerdings hat die Klägerin diesen Bescheid durch eindeutige Erklärung als rechtmäßig anerkannt. Die spätere abweichende rechtliche Beurteilung des Anwendungsbereichs der Nr. 2.1 ANBest-K erfolgte somit gerade nicht in einer nachfolgenden, das konkrete Verwaltungsverfahren (Bescheid vom 14.12.2012) betreffenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Juni 2015 (10 C 15.14) erging nicht in dem die Klägerin betreffenden Rückforderungsverfahren, sondern in einer anderen Streitsache, wenn auch mit vergleichbarem Streitgegenstand. Es ist für die entsprechende Anwendung des § 580 Abs. 6 ZPO aber gerade nicht ausreichend, wenn die gleiche Rechtsfrage in einem anderen Verfahren anders beurteilt oder gerichtlich entschieden wird (BFH, B.v. 27.9.1997 - VII K 1/76, juris; BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 52 zu § 51 VwVfG).
Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht, da anderenfalls die oben dargestellte Rechtslage, wonach eine Änderung der Rechtsprechung nicht zu einem Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG führt, faktisch leerliefe.
II.
Schließlich ist die im Bescheid vom 26. Januar 2016 getroffene Entscheidung, das Verfahren auch nicht im Ermessenswege nach Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG wieder aufzugreifen (sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne) nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne der Art. 40 BayVwVfG und § 114 VwGO liegen nicht vor.
Durch Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG wird klargestellt, dass Art. 51 BayVwVfG nichts an der Rücknehmbarkeit und Widerruflichkeit eines bestandskräftigen Verwaltungsakts ändert und insoweit die Bestimmungen der Art. 48 und 49 BayVwVfG einerseits und Art. 51 BayVwVfG andererseits unabhängig nebeneinanderstehen (BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 5a zu § 51 VwVfG, Kopp/Ramsauer, VwVfG Rn. 6 zu § 51).
Somit kommt eine Aufhebung nach Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 und 49 BayVwVfG unabhängig von einer Aufhebung nach Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG in Betracht (BVerwG, B.v. 15.9.1992 - 9 B 18/92, juris). Die Möglichkeit der Behörde zum Wiederaufgreifen im weiteren Sinne korrespondiert mit einem gerichtlich einklagbaren Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ausübung dieses Ermessens durch die Behörde, insbesondere dann, wenn die Wiederaufgreifensgründe des Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 - 3 BayVwVfG nicht vorliegen (stRspr, vgl. nur BVerwG, B.v. 8.5.2013 - 2 B 5/13, juris m.w.N.).
Allein die – von der Klägerin behauptete – Rechtswidrigkeit der Ausgangsentscheidung begründet jedoch keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen im weiteren Sinne und Aufhebung der Entscheidung, da die Rechtswidrigkeit der Ausgangsentscheidung erst die Voraussetzung für die Ermessensausübung ist (BVerwG, U.v. 9.5.2012 - 6 C 3/11, juris; BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 5a zu § 51 VwVfG).
Keine Ermessensreduzierung tritt insbesondere ein in Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit sich aus einer nach Beendigung des Ausgangsverfahren geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2009 - 1 C 26/08, juris), auch wenn diese „Rückwirkung“ entfaltet (vgl. BVerwG B.v. 17.10.2012 - 8 B 63.12, juris). Dies ist schon im Hinblick darauf grundsätzlich sachgerecht, als eine Änderung der Rechtsprechung – wie oben ausgeführt – keinen Wiederaufgreifensgrund nach Abs. 1 begründet und damit auch nicht im Wege einer Ermessensbindung über Abs. 5 faktisch zu einem solchen erhoben werden kann.
Insoweit handelt die Behörde grundsätzlich auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie sich auf die rechtskräftige gerichtliche Bestätigung ihrer Entscheidung beruft; weitergehende Ermessenserwägungen sind in diesen Fällen (außer bei Vorliegen besonderer Umstände) nicht erforderlich (BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 5a zu § 51 VwVfG m.w.N.).
Solche besonderen Umstände, bei denen ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung (auf null) eintreten kann, müssen in ihrer Bedeutung mit den in Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 – 3 BayVwVfG geregelten Fällen vergleichbar sein. Darüber hinaus muss ein Festhalten an der bestandskräftigen Entscheidung wegen deren offenkundiger Rechtswidrigkeit oder aus sonstigen Gründen „schlechthin unerträglich“ sein (stRspr, vgl. BVerwG U.v. 9.5.2012 - 6 C 3/11, juris, m.w.N.).
Offenkundige Rechtswidrigkeit erfordert eine bewusste und offenkundig fehlerhafte Anwendung geltenden Rechts durch die Behörde im konkret entschiedenen Einzelfall. Die offenkundige Rechtswidrigkeit muss bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts vorgelegen haben (BVerwG, U.v. 9.5.2012 - 6 C 3/11, juris), womit solche Umstände außer Betracht bleiben, die nachträglich zur (offenkundigen) Rechtswidrigkeit geführt haben. Der Verstoß des bestandskräftigen Bescheides gegen formelles oder materielles Recht muss bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses außer Zweifel gestanden und sich der Behörde aufgedrängt haben, so dass diese selbst erkennbar von dessen Rechtswidrigkeit ausgegangen war und „sehenden Auges“ bewusst eine rechtswidrige Entscheidung getroffen hat (BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, a.a.O., Rn. 5c zu § 51 VwVfG m.w.N.).
Die genannten Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Auf den gerichtlichen Hinweis in der Verhandlung vom 13. Juni 2013 im Verfahren AN 4 K 13.00274 hat die Klägerin selbst – vorbehaltlich einer zivilrechtlichen Aufrechnung – den Rückforderungsbescheid vom 14. Dezember 2012 als rechtmäßig anerkannt und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem sich aus der damaligen Rechtsprechung des BayVGH kein anderer Ausgang ergeben hätte. Von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Rückforderungsbescheides vom 14. Dezember 2012 in dem oben bezeichneten Sinn kann deshalb keine Rede sein.
Hinzu kommt, dass vieles dafür spricht, dass die Rückforderung in rechtmäßiger Weise auch auf Grundlage des Art. 48 BayVwVfG hätte erfolgen können, da zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides insbesondere auch von der Einhaltung der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG auszugehen war.
Sonstige Gründe, die ein Festhalten an einer bestandskräftigen Entscheidung als schlechthin unerträglich erscheinen ließen, können sich daraus ergeben, dass die Behörde ihr Ermessen in gleich oder ähnlich gelagerten Fällen unter Verstoß gegen den allg. Gleichheitssatz zum Nachteil des Betroffenen unterschiedlich ausübt (BVerwG, U.v. 9.5.2012 - 6 C 3/11, juris) oder die Entscheidung angesichts der Umstände des Einzelfalles einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben darstellt (OVG Münster, B.v. 22.12.2009 - 12 A 3327/08, BeckRS 2010, 45522), wobei in letztgenannten Fällen hinzutreten muss, dass die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes zu einer zusätzlichen und unzumutbaren Belastung führt (BVerwG, U.v. 9.5.2012 - 6 C 3/11, juris), sowie in Fällen, in denen dem Betroffenen bei Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts ein unwiderruflicher Schaden an Rechtsgütern von grundlegender Bedeutung droht (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2009 - 1 C 26/08).
Dass der Beklagte sein Ermessen in gleich oder ähnlich gelagerten Fällen unter Verstoß gegen den allgeneinen Gleichheitssatz zum Nachteil des Betroffenen unterschiedlich ausgeübt hätte, wird von der Klägerin selbst nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.
Schließlich stellt die Aufrechterhaltung des Rückforderungsbescheides vom 14. Dezember 2012 auch keinen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben dar, da mit diesem Bescheid ein Zuwendungsbescheid aufgehoben worden ist, dessen Fehlerhaftigkeit auf unrichtigen Angaben der Klägerin im Zuwendungsverfahren beruhte (vgl. den Rechtsgedanken des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin die zunächst gewährten Zuwendungen in der später zurückgeforderten Höhe niemals zugestanden haben, wie sich aus der Anerkennung der Klägerin im Verfahren AN 4 K 13.00274 ergibt. Insofern kann – selbst bei hypothetischer Annahme einer rechtswidrigen Rückforderung einer zuvor rechtswidrig bewilligten Zuwendung – keinesfalls von einem für die Klägerin unerträglichen Zustand ausgegangen werden.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
27.10.2017
Urteil
Sachgebiet: K
Zitiervorschlag: VG Ansbach, Urteil vom 27.10.2017, Az. AN 1 K 16.00312 (REWIS RS 2017, 3098)
Papierfundstellen: REWIS RS 2017, 3098
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Änderung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Anwendung der Nr. 2.1 ANBest-K
Rücknahme eines Zuwendungsbescheids für Baumaßnahmen an öffentlicher Entwässerungseinrichtung
Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung durch den VGH mangels ausreichender Begründung unzulässig (Zuwendungsrecht)
Wiederaufgreifen einer bestandskräftigen Rückforderungentscheidung bezüglich wasserwirtschaftlicher Zuwendungen
Auflösende Bedingung, vorläufiger Verwaltungsakt, Zuwendungsbescheid, Schlussbescheid, Umdeutung, Abwasseranlage, Rückforderung