Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2015, Az. 4 StR 555/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10812

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BUNDESGERICHTSHO[X.]

BESCHLUSS
4 [X.]

vom
20. Mai
2015

[X.]St:
nein
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

-

[X.] § 81a Abs.
3, § 81g

Die Untersuchung von zu anderen Zwecken entnommenen Körperzellen, um sie zur Erstellung eines [X.] zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren zu verwenden, ist durch die Verwendungsregelung des §
81a Abs.
3, 1.
Halbsatz [X.] nicht gedeckt

[X.], Beschluss vom 20. Mai 2015 -
4 [X.] -
LG [X.]reiburg

in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 20.
Mai 2015
gemäß §
349 Abs.
2
[X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14.
Juli 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das
[X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung und versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklag-ten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.
1
-
3
-
I.
Das [X.] hat im Wesentlichen die folgenden [X.]eststellungen und Wertungen getroffen:
1.
Am Abend des 9.
Dezember 2008 befand sich die Nebenklägerin zu [X.]uß auf dem Heimweg zur Wohnung ihres [X.]reundes in [X.].

. Im Bereich
von zwei die Straße überquerenden Brücken trat der mit einer abgeschnittenen Nylonstrumpfhose maskierte Angeklagte von hinten an sie heran, umklammerte mit dem rechten Arm ihren Hals und setzte ihr mit der linken Hand ein Messer an die rechte Halsseite. Sodann schob er die Nebenklägerin in den Zuweg zu einem Bahnbetriebsgelände und forderte sie auf, sich hinzusetzen. Als der An-geklagte seinen Griff lockerte, um sich vor die Nebenklägerin zu stellen, ver-suchte diese zu fliehen. Dabei kam es zu einem Gerangel, in dessen
Verlauf der Angeklagte der Nebenklägerin mit bedingtem Tötungsvorsatz zahlreiche Verletzungen mit dem Messer zufügte. Danach ließ er
jedoch von ihr ab, so-dass die Nebenklägerin fliehen und die Polizei informieren konnte.
2.
Am 10.
Januar 2012 traf der Angeklagte in [X.].

zufällig auf den
ihm aus der [X.] bekannten Geschädigten, der eine frühere Betäubungsmittellieferung des Angeklagten bis dahin nicht bezahlt hatte. Der Angeklagte griff dem Geschädigten mit einer Hand an den Hals, setzte ihm das in der anderen Hand geführte Messer an den Hals und drohte, ihn umzubrin-gen, wenn er seine Geldforderung nicht erfülle. Der Geschädigte zog sich bei dem Versuch, die Messerklinge von seinem Hals zu entfernen, eine heftig blu-tende Schnittwunde am kleinen [X.]inger der linken Hand zu. Als er zusagte, das Geld zu beschaffen, ließ der Angeklagte von ihm ab. Der Geschädigte entfernte 2
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4
-
4
-
sich daraufhin und verständigte durch einen Notruf die Polizei, die den Ange-klagten am Tatort antraf und ihn vorläufig festnahm.
3.
Der Angeklagte hat sich zum Tatgeschehen nicht eingelassen. Ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bei der Tat am 9.
Dezember 2008 hat die [X.] maßgeblich darauf gestützt, dass bei der [X.] an einer am Tatort sichergestellten Nylonstrumpf-hose ein [X.] festgestellt werden konnte, das mit dem in der [X.] gespeicherten Muster des Angeklagten übereinstimmt. Bei einer am Höschenteil der Strumpfhose gesicherten Hautschuppe sei das festgestellte [X.] mit acht bestätigten Merkmalssystemen unter Zugrundelegung von populationsgenetischen Daten für die [X.] Bevölke-rung mit einer Häufigkeit von 1
:
280
Milliarden zu erwarten. Hinsichtlich einer weiteren im [X.] festgestellten [X.] habe eine auf der [X.] europäisch-kaukasischer Bevölkerungsstichproben vorgenommene [X.] Berechnung ergeben, dass die [X.] rund 38
Trillionen Mal [X.] durch die Annahme erklärt werden könne, dass sie vom Angeklagten und einer unbekannten Person verursacht wurde, als durch die Annahme einer Ver-ursachung durch zwei unbekannte Personen.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§
349 Abs.
2 [X.]). Der näheren Erörterung bedarf lediglich das [X.]olgende:
1.
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Angeklagte geltend macht, das in der [X.] gespeicherte DNA-Identifikationsmuster des Angeklag-5
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5
-
ten, das aus der Untersuchung einer nach der [X.]estnahme am 10.
Januar 2012 freiwillig abgegebenen Speichelprobe gewonnen wurde, unterliege einem Be-weisverwertungsverbot, ist unbegründet.
a)
Der Rüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Untersuchung des Spurenmaterials an der nach der Tat am 9.
Dezember 2008 am Tatort aufgefundenen Nylonstrumpfhose ergab das DNA-Muster einer unbekannten männlichen
Person, das in der beim [X.] geführten [X.] gespeichert wurde. Der Abgleich mit den zum damaligen Zeitpunkt dort vorhandenen Daten ergab keine Überein-stimmung.
Am 10.
Januar 2012, dem [X.] der zweiten durch das
Urteil festgestellten Tat, wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen und gab an diesem Tag freiwillig eine Speichelprobe ab. Dabei wurde dem Angeklagten eine formularmäßige Einwilligungserklärung zur Entnahme und molekulargene-tischen Untersuchung von Körperzellen zu Vergleichszwecken vorgelegt, die sich auf die molekulargenetische Untersuchung im laufenden Strafverfahren (§
81e [X.]) bezog, nicht jedoch, wie es seitens des ermittelnden Polizeibeam-ten beabsichtigt war, auf die molekulargenetische Untersuchung zum Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren (§
81g [X.]). Durch Unter-schrift unter dieses [X.]ormular erklärte der Angeklagte sein Einverständnis mit der molekulargenetischen Untersuchung der von ihm freiwillig abgegebenen Speichelprobe. Nachdem die Verwendung des falschen [X.]ormulars bemerkt worden war und der Angeklagte telefonisch nicht hatte erreicht werden können, suchte [X.] G.

den Angeklagten am 28.
März 2012 auf und fragte ihn, ob
er auch eine [X.]reiwilligkeitserklärung im Hinblick auf die Untersuchung der ab-8
9
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-
6
-
gegebenen Speichelprobe
für
künftige Strafverfahren abgeben wolle. Der An-geklagte erklärte daraufhin, er werde sich dies bis zu der am 30.
März 2012 vorgesehenen Beschuldigtenvernehmung überlegen. Zu dieser Vernehmung erschien der Angeklagte nicht.
In seinem Abschlussbericht vom 19.
April 2012 hielt [X.] G.

fest,

Speicherung der DNA-

St[X.]tsanwaltschaft die Stellung eines Antrags auf Erlass eines richterlichen [X.] gemäß §
81g [X.] an. In dem Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10.
Januar 2012 wurde ein [X.] des Angeklagten nicht benötigt, weshalb auch keine Untersuchung der Speichelprobe erfolgte. Diese wurde vielmehr bei der Polizei aufbewahrt. Am 13.
November 2012 stellte die St[X.]tsanwaltschaft zugleich mit der Übersendung der Anklage
wegen der Tat am 10.
Januar 2012
einen Antrag beim Amtsgericht [X.].

auf Erlass
eines Beschlusses gemäß §
81g [X.]. Dieser Beschluss des Amtsgerichts
erging am 29.
November 2012. Daraufhin wurde die bei der Polizei aufbewahrte Speichelprobe molekulargenetisch untersucht und das gewonnene [X.] in die [X.] eingestellt. Der Vergleich des [X.] mit den dort gespeicherten Daten ergab eine Übereinstimmungsmitteilung im Hinblick auf das [X.], das aus dem im Zusammenhang mit der Tat am 9.
Dezember 2008 sicherge-stellten Spurenmaterial gewonnen worden war.
b)
Die Verwertung des in der [X.] gespeicherten [X.] des Angeklagten zum Nachweis von dessen Täter-schaft hinsichtlich der Tat am 9.
Dezember 2008 ist rechtlich nicht zu beanstan-den. Zwar durfte die nach der [X.]estnahme am 10.
Januar 2012 vom Angeklag-11
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7
-
ten freiwillig abgegebene Speichelprobe für die molekulargenetische Unter-suchung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren nach §
81g [X.] nicht verwendet
werden ([X.]). Aus diesem [X.] ergibt sich jedoch für das durch die Untersuchung erlangte [X.] kein Be-weisverwertungsverbot (bb).
[X.])
Die Untersuchung der vom Angeklagten abgegebenen Speichelpro-be zu Zwecken der Identitätsfeststellung nach §
81g [X.] war allerdings weder durch die vom Angeklagten am 10.
Januar 2012 abgegebene [X.]reiwilligkeits-erklärung noch durch die mit Beschluss des Amtsgerichts [X.].

vom 29.
No-
vember 2012 getroffene richterliche Anordnung nach §
81g Abs.
3 Satz
1 und 2 [X.] gedeckt.

(1)
Die schriftliche Einwilligungserklärung des Angeklagten vom 10.
Ja-nuar 2012 bezog sich ausschließlich auf die Ermittlung des DNA-Identifizie-rungsmusters aus der abgegebenen Speichelprobe zur Verwendung im Ermitt-lungsverfahren wegen der Tat vom selben Tag. Ein Einverständnis mit der Er-mittlung des [X.] für andere Zwecke

namentlich zur Verwendung der Ergebnisse zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfah-ren

war damit nicht verbunden. Diese Differenzierung hinsichtlich der Reich-weite der Einwilligungserklärung entspricht dem gesetzgeberischen Konzept, das der Regelung in §
81f [X.] und §
81g [X.] zugrunde liegt. So verlangen §
81f Abs.
1 Satz
2 [X.] und §
81g Abs.
3 Satz
3 [X.] jeweils, dass die ein-willigende Person darüber zu belehren ist, für welchen Zweck die zu [X.] Daten verwendet werden. Mit dieser gesetzlichen Regelung wäre es nicht vereinbar, dem
Einverständnis
mit der Gewinnung des [X.] zur
Verwendung im laufenden Ermittlungsverfahren auch das [X.] mit der Verwendung zu Zwecken des §
81g [X.] zu entnehmen.
13
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-
8
-
(2)
Die Untersuchung der Speichelprobe war auch
nicht
in Vollzug der durch Beschluss des Amtsgerichts [X.].

vom 29.
November 2012 getroffe-
nen Anordnung nach §
81g [X.] zulässig. Die Bestimmung des §
81g Abs.
1 Satz
1 [X.] gestattet
unter näher geregelten Voraussetzungen
zur Identitäts-feststellung in künftigen Strafverfahren die Entnahme von Körperzellen und de-ren molekulargenetische Untersuchung. [X.]ehlt eine schriftliche Einwilligungs-erklärung des Betroffenen für die Erhebung des [X.] zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren, ist nach §
81g Abs.
3 Satz
1 [X.] die Entnahme der hierfür erforderlichen Körperzellen in der Regel richterlich anzuordnen. Ein Rückgriff auf bereits vorher zu anderen Zwecken erhobene Körperzellen ist in §
81g [X.] nicht vorgesehen und kann dement-sprechend durch die Anordnung nach §
81g Abs.
3 Satz
1 [X.] nicht legitimiert werden. Einem solchen Rückgriff steht vielmehr die Regelung des §
81a Abs.
3 [X.] entgegen.
Nach dieser durch das Strafverfahrensänderungsgesetz

DNA-Analyse

vom 17.
März 1997 (BGBl.
I S.
534) in die Strafprozessordnung eingefügten Vorschrift, durch die nach den Intentionen des Gesetzgebers insbesondere verhindert werden soll, dass [X.] und hieraus gewonnene Zwischenprodukte zu einem späteren Zeitpunkt in missbräuchlicher Weise molekulargenetisch untersucht werden können (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung,
BT-Drucks.
13/667 S.
6), [X.] dem Beschuldigten entnommene Körperzellen nur für Zwecke des der [X.] zugrunde liegenden oder eines anderen anhängigen Strafverfahrens verwendet werden.
Sie sind unverzüglich zu vernichten, sobald sie hierfür nicht mehr erforderlich sind. Die Untersuchung entnommener Körperzellen zum [X.] der Erstellung eines [X.] zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren ist durch
die Verwendungsregelung des §
81a 15
16
-
9
-
Abs.
3 [X.] nicht gedeckt und damit unzulässig (vgl. Krause in Löwe/
[X.], [X.], 26.
Aufl., §
81a Rn.
80; [X.] in KK-[X.], 7.
Aufl., §
81a Rn.
9a). Die vom Angeklagten abgegebene Speichelprobe hätte daher zur Um-setzung der Maßnahme nach §
81g [X.] nicht herangezogen werden dürfen. Sie wäre vielmehr, da sie als Beweismittel für das Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10.
Januar 2012 ersichtlich nicht benötigt wurde (vgl. [X.] in
SK-[X.], 4.
Aufl., §
81a Rn.
148; BT-Drucks.
13/667 [X.]O) und ein Zusammen-hang mit dem anhängigen, gegen unbekannt geführten Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 9.
Dezember 2008 (vgl. [X.] [X.]O; [X.] [X.]O §
81a Rn.
124) nicht erkennbar war, unverzüglich zu vernichten gewesen.
bb)
Die demnach verfahrensfehlerhafte Verwendung der vom Angeklag-ten abgegebenen Speichelprobe zur Ermittlung des [X.]s des Angeklagten gemäß §
81g [X.] führt indes nicht zur Unverwertbarkeit des in der [X.] gespeicherten [X.]. Nach der

verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (vgl. [X.], NJW 2012, 907, 910
f.; [X.], Beschluss vom 13.
Mai 2015

2
BvR
616/13)

ständigen Rechtsprechung des [X.] führt nicht jeder Rechtsverstoß bei der Beweiserhebung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der dadurch er-langten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Inter-essen zu entscheiden (sog. Abwägungslehre).
Bedeutsam sind dabei insbe-sondere die Art und der Schutzzweck des etwaigen [X.] sowie das Gewicht des in Rede stehenden [X.]es, das seiner-seits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines [X.] ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts

den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweis-17
-
10
-
aufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind

einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweis-verwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall
anzuer-kennen ist. Letzteres ist insbesondere nach schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer [X.] gelassen werden, in Betracht zu zie-hen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 20.
Dezember 2012

3
StR 117/12, [X.]St 58, 84 Rn.
31
ff. [X.]; vom 14.
August 2009

3
StR
552/08, [X.]St 54, 70 Rn.
47
[X.]; vom 11.
November 1998

3
StR
181/98, [X.]St 44, 243, 248
f. [X.]).
Nach diesen Grundsätzen resultiert aus der unzulässigen Verwendung der Speichelprobe des Angeklagten kein Beweisverwertungsverbot für das in der [X.] gespeicherte
[X.]
des Ange-klagten. Zwar liegt in der Verletzung einer gesetzlich geregelten Verwendungs-beschränkung ein [X.] von nicht unerheblichem Gewicht. Die überwiegenden Gesichtspunkte sprechen jedoch gegen die Annahme eines Verwertungsverbots. Das verwertete [X.] des Angeklag-ten hätte ohne Weiteres durch nochmalige Entnahme von Körperzellen und de-ren molekulargenetische Untersuchung auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung nach §
81g Abs.
3 Satz
1 und 2 [X.] erlangt werden können, die im vorliegenden [X.]all durch den Beschluss des Amtsgerichts [X.].

vom
29.
November 2012 auch tatsächlich erging. Der Beweiswert des molekularge-netischen Untersuchungsergebnisses wurde durch den [X.] nicht berührt. Der Verstoß beruht zudem nicht auf Vorsatz der Ermittlungsbehörden. Diese hatten vielmehr im Hinblick auf das sich ausschließlich auf Maßnahmen im laufenden Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10.
Januar 2012 [X.]
-
11
-
hende
Einverständnis des Angeklagten zunächst ausdrücklich von einer Unter-suchung abgesehen und eine richterliche Anordnung nach §
81g [X.] einge-holt. Mit der Verwendung der vorhandenen Speichelprobe anstelle einer noch-maligen Entnahme von Körperzellen des Angeklagten hatte das Vorgehen der Ermittlungsbehörden ferner
eine Zielrichtung, die auf Schonung der Rechts-sphäre des Angeklagten ausgerichtet war und sich vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls im Ansatz als nicht völlig unvertretbar darstellte. Schließlich ist den Regelungen in §
81a Abs.
3 [X.] und §
81g Abs.
5 [X.] zu entnehmen, dass die Verwendung ge-wonnener Körperzellen und eines molekulargenetischen Untersuchungsergeb-nisses nach der gesetzgeberischen Wertung gerade nicht ausnahmslos auf das Ausgangsstrafverfahren beschränkt ist. Nach §
81a Abs.
3 [X.] hätte die [X.] des Angeklagten als solche grundsätzlich in dem anhängigen, gegen unbekannt geführten Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 9.
Dezember 2008 Verwendung finden können und die Vorschrift des §
81g Abs.
5 Satz
2 Nr.
1 [X.] gestattet es, ein nach §
81e Abs.
1 [X.] für [X.] im lau-fenden Ermittlungsverfahren erhobenes [X.] bei Vorlie-gen der Voraussetzungen des §
81g Abs.
1 [X.] zu Zwecken der Identitäts-feststellung in künftigen Verfahren in der [X.] zu speichern (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl.,
§
81g Rn.
12b; [X.] [X.]O §
81g Rn.
24).
2.
Die von der Revision unter Verweis auf neuere wissenschaftliche [X.] zu
einer
Steuerungsfunktion der als nicht-codierend bezeichneten Bereiche der menschlichen DNA vorgetragenen verfassungsrechtlichen Beden-ken gegen die Erhebung von [X.]n werden vom Senat nicht geteilt. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist
der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit durch eine [X.]
-
12
-
sche
Untersuchung nicht betroffen, solange sich die Eingriffsermächtigung auf den nicht-codierenden Anteil der DNA bezieht, ausschließlich die [X.]eststellung des [X.] vorgenommen und das Genmaterial nach der [X.]eststellung des [X.] vernichtet wird. Entscheidend ist, dass durch die [X.]eststellung des [X.] anhand des anschlie-ßend zu vernichtenden [X.] keine Rückschlüsse auf persönlich-keitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krank-heiten des Betroffenen ermöglicht werden (vgl. [X.], NJW 2001, 879, 880; NStZ 1996, 45, 46; vgl. zur Einschätzung des Gesetzgebers BT-Drucks.
13/667 S.
6, BT-Drucks.
12/7266 S.
11). Dass dies nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis in [X.]rage steht, wird von der Revision nicht darge-tan und ist auch sonst nicht ersichtlich.
3.
Soweit die Revision in sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandet, dass das [X.] bei seiner biostatistischen Bewertung der [X.] der an den Tatortspuren festgestellten [X.] auf die Daten der [X.]n bzw. europäisch-kaukasischen Bevölkerung abgestellt hat, zeigt sie keinen durchgreifenden Rechtsfehler in der Beweiswür-digung des [X.]s auf. Stützt das Tatgericht seine nach §
261 [X.] ge-wonnene Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf das Ergebnis einer im Zusammenhang mit der Übereinstimmung von [X.] vorgenommenen Wahrscheinlichkeitsberechnung, wird

sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört

in der Rechtsprechung des [X.] verlangt, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen darlegt, in-wieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von [X.] war (st.
Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 25.
[X.]ebruar 2015

4
StR
39/15; Urteile vom 5.
Juni 2014

4
StR
439/13, NJW 2014, 2454, 2455; vom 21.
März 2013

3
StR
247/12, [X.]St 58, 212, 217; Beschluss vom 20
-
13
-
31.
Juli 2013

4
StR 270/13, [X.], 115, 116). Diesen Anforderungen ist die [X.] nachgekommen, indem sie sich

sachverständig beraten

eingehend mit der [X.]rage der Auswahl der heranzuziehenden Vergleichspopula-tion auseinandergesetzt hat. Dass sie zur Abschätzung der Wahrscheinlich-keiten einer Spurenverursachung durch eine unbekannte Person auf die am Tatort lebende [X.] bzw. [X.] Wohnbevölkerung als Vergleichspo-pulation abgestellt hat, wobei die für diese Vergleichspopulation erhobenen [X.] nach den Ausführungen des Sachverständigen auch die in [X.] bzw. [X.] lebenden Ausländer umfassen, begegnet angesichts des [X.]ehlens jeglicher konkreter Anhaltspunkte für einen aus derselben Herkunftsethnie wie der Angeklagte stammenden Alternativtäter keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Schneider/Anslinger
u.a., [X.], 693, 695
ff.).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

[X.]ranke
Bender

Meta

4 StR 555/14

20.05.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2015, Az. 4 StR 555/14 (REWIS RS 2015, 10812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10812

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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