Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2005, Az. III ZR 59/05

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1101

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 27. Oktober 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

BGB § 307 Bm; [X.] § 5 Abs. 8

a) Nach der am 1. Januar 2002 in [X.] getretenen Regelung in § 5 Abs. 8 [X.] hält eine [X.] in einem Heimvertrag, nach der für den Fall [X.] Abwesenheit von bis zu drei Tagen keine Erstattung ersparter Auf-wendungen vorzunehmen ist, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich stand (Abgrenzung zu Senatsurteil [X.] 148, 233).
b) In [X.] mit Leistungsempfängern der Pflegeversicherung und Sozialhilfeempfängern muss eine Regelung über die Erstattung erspar-ter Aufwendungen in Fällen vorübergehender Abwesenheit jedoch den in diesen Bereichen getroffenen normativen Vereinbarungen [X.]. - 2 -

[X.], Urteil vom 27. Oktober 2005 - [X.] - [X.]

LG Mainz - 3 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden [X.] [X.] und die [X.] Dr. [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 17. Februar 2005 wird [X.].

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrnehmung von Interessen der Verbraucher gehört. Er ist in die beim [X.] geführte Liste qualifizierter Einrichtungen (§ 4 [X.]) eingetragen. Der Beklagte betreibt ein Seniorenzentrum mit Altenwohnheim-, Altenheim- und Altenpflegeheimplätzen. Mit den Bewohnern schließt er vorformulierte Heimverträge ab. Die Parteien haben im [X.] über die Wirksamkeit verschiedener Vertragsbestimmungen gestritten. Im Revisionsverfahren geht es nur noch um die [X.] in § 10 ([X.]) Nr. 1 des Vertrags. Sie lautet: 1 - 4 -

- 5 -

"Bei Abwesenheit des Bewohners von mehr als drei Tagen erstat-tet das Heim vom ersten Tag an 40 % des [X.], ..."

Der Kläger hält diese [X.] unter Bezugnahme auf das Senatsurteil [X.] 148, 233 insoweit für unwirksam, als bei einer Abwesenheit bis zu drei Tagen das volle Entgelt weiter zu zahlen ist. Das [X.] hat die Klage, soweit sie auf Unterlassung der Verwendung dieser oder einer inhaltsgleichen [X.] in [X.] mit Verbrauchern gerichtet ist, abgewiesen. Das Be-rufungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Be-rufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Unterlassungs-begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.], deren Zulassung das Berufungsgericht wirk-sam auf die in Rede stehende [X.] beschränkt hat, ist unbegründet.
1. Zur Beurteilung steht ein von dem Beklagten für die Bewohner seines Seniorenzentrums verwendeter Heimvertrag, der in § 4 die Betreuungs- und Pflegeleistungen sowie eine Einstufung nach unterschiedlichen Betreuungsbe-dürfnissen aufgrund Begutachtung des medizinischen Dienstes der [X.] vorsieht. Da nicht zweifelhaft ist, dass es sich bei dem vom [X.] betriebenen Seniorenzentrum um ein Heim im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] in der Fassung vom 5. November 2001 ([X.]) han-delt, ist die Frage, ob die beanstandete [X.] den Vertragspartner des [X.] entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen be- 2 3 4 - 6 -

nachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), vor allem an der Vorschrift des § 5 [X.] zu messen.

2. Der Senat hat in seinem Urteil vom 5. Juli 2001 ([X.] 148, 233) zu [X.] vergleichbaren [X.] - dort in einem Heimvertrag einer Einrichtung der Behindertenhilfe - entschieden, die Pflicht zur Weiterzahlung des vollen [X.] bei vorübergehender Abwesenheit des Bewohners bis zu drei Tagen halte in ihrer undifferenzierten Ausgestaltung der Inhaltskontrolle des § 9 [X.] nicht stand. Dabei hat der Senat die [X.] maßgeblich an den Bestimmungen des § 552 Satz 2 BGB a.F. (vgl. jetzt § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB) und des § 615 Satz 2 BGB gemessen, die vorsehen, dass sich der Vermieter und der Dienstverpflichtete den Wert ersparter Aufwendungen anrechnen las-sen müssen, wenn der Mieter aus einem in seiner Person liegenden Grund die Mietsache nicht nutzt oder der Dienstberechtigte die ihm angebotenen Leistun-gen des [X.] nicht entgegennimmt (Senatsurteil aaO S. 235 f). In der Verdrängung dieser dispositiven Bestimmungen hat der Senat eine un-angemessene Benachteiligung solcher Heimbewohner gesehen, die als Selbst-zahler in nennenswertem Umfang von der Möglichkeit einer Beurlaubung über das Wochenende Gebrauch machen (aaO S. 238). Dem Umstand, dass nach dem im damaligen Revisionsverfahren zu unterstellenden Vorbringen mehr als 99 v.H. der Bewohner der seinerzeit in Rede stehenden Einrichtung [X.] waren und dass der [X.] nach § 93d Abs. 2 [X.] (vgl. jetzt § 79 [X.]) eine ähnliche Regelung vorsah, hat der Senat keine Bedeutung beigemessen, weil er die Interessenlage der Selbstzahler und der Sozialhilfeträger unterschiedlich gewichtet hat (aaO [X.]). 5 - 7 -

3. Der Senat tritt dem Berufungsgericht in seiner Beurteilung bei, dass [X.] Überlegungen nach der Novellierung des Heimgesetzes durch das am 1. Januar 2002 in [X.] getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Heimgeset-zes vom 5. November 2001 nicht mehr unverändert gelten können.

a) Hatte der Gesetzgeber des [X.] zur Änderung des [X.] vom 23. April 1990 ([X.]) noch bewusst auf eine umfassen-de und abschließende Regelung des [X.] verzichtet (vgl. BT-Drucks. 11/5120 S. 11) und sich insoweit auf Regelungen über den Abschluss und ver-schiedene Aspekte der Veränderung von Leistungspflichten beschränkt, die für Versicherte der [X.] Pflegeversicherung später ergänzt und modifiziert worden sind, sind an deren Stelle die §§ 5 bis 9 [X.] getreten, die - insbe-sondere, was die Regelung in § 5 über den Heimvertrag angeht - eine wesent-lich höhere Regelungsdichte als das bisherige Recht aufweisen. Für die Frage der Angemessenheit der hier beanstandeten [X.] ist daher entscheidend auf § 5 Abs. 8 [X.] abzustellen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung wird dem Heimträger zur Pflicht gemacht, im Heimvertrag für Zeiten der Abwesenheit der Bewohner eine Regelung vorzusehen, ob und in welchem Umfang eine Erstat-tung ersparter Aufwendungen erfolgt. In der Begründung des [X.] wird zu dieser Vorschrift ausgeführt, dem Träger werde ein breiter ver-traglicher Gestaltungsspielraum eröffnet. Er könne für Abwesenheitszeiten der Bewohner unter Berücksichtigung der anfallenden Vorhaltekosten einen ange-messenen Erstattungsbetrag für ersparte Aufwendungen vorsehen. Der Träger könne aber auch von der Festlegung von Erstattungsbeträgen absehen. In [X.]m Fall müsse der Heimvertrag eine ausdrückliche Regelung darüber enthal-ten, dass eine Erstattung ersparter Aufwendungen nicht erfolge. Dem Bewerber werde dadurch die Möglichkeit eröffnet, hiervon schon vor Vertragsabschluss 6 7 - 8 -

Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung für ein bestimmtes Heim zu berücksichtigen. Die Bestimmung solle dazu dienen zu verhindern, dass die Erwartungshaltungen der Bewohner enttäuscht werden und hieraus Konflikte - gegebenenfalls sogar gerichtliche Auseinandersetzungen - entstehen (BT-Drucks. 14/5399 [X.]).

b) Der Revision kann darin beigetreten werden, dass die in der Geset-zesbegründung angestellten Überlegungen vor allem der Verbesserung der Transparenz dienen sollen. Hierfür sprechen insbesondere der [X.] Gesichtspunkt, ein Bewohner solle schon vor Vertragsschluss über die [X.] dieses Problems informiert werden, wie auch die allgemeine Zielrich-tung der Novellierung, die Transparenz von [X.] zu verbessern (vgl. BT-Drucks. 14/5399 S. 15, 16; Senatsurteil vom 3. Februar 2005 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 777, 778). Hierin erschöpft sich die Regelung indes nicht. Wenn der Gesetzgeber den [X.] allgemein die Pflicht auferlegt, in den [X.] bestimmte Sachfragen zu regeln, geht er nicht von der Vorstellung aus, die künftigen Vertragspartner würden den Inhalt ihres [X.] individuell aushandeln. Vielmehr legt er seinen Überlegun-gen zugrunde, dass der Heimträger für die Vertragsgestaltung vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB verwendet. Das wird auch durch § 12 Abs. 1 Satz 3 Nr. 11 [X.] belegt, der dem Betreiber eines Heims im Zusammenhang mit der Anzeige der vorgesehenen Inbetrieb-nahme aufgibt, der zuständigen Behörde ein Muster der Heimverträge sowie sonstiger verwendeter Verträge vorzulegen. Ist dem Gesetzgeber jedoch [X.], dass er in § 5 Abs. 8 [X.] eine Bestimmung trifft, die sich auf die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen bezieht, dann kann bei der Frage, ob die hier verwendete Vertragsbedingung eine unangemessene [X.] - 9 -

sel im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt, nicht außer Betracht blei-ben, dass der Gesetzgeber es für grundsätzlich zulässig (und demnach für nicht unangemessen) hält, von einer Anrechnung ersparter Aufwendungen in Fällen vorübergehender Abwesenheit ganz abzusehen, wenn dies in den vor-formulierten Vertragsbedingungen des Heimträgers so geregelt ist.

c) Die Revision führt demgegenüber an, es sei nicht feststellbar, dass der Gesetzgeber dem Heimträger gegenüber der früheren Rechtslage einen weitergehenden Gestaltungsspielraum habe eröffnen wollen; der Gesetzgeber habe auf jegliche Aussage verzichtet, wieweit der Gestaltungsspielraum rei-chen solle. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Heimträger von der Erstattung ersparter Aufwendungen bei Abwesenheit völlig habe freistellen wollen. Vielmehr habe er diese Frage offensichtlich wei-terhin der Rechtsprechung überlassen wollen. Die verwendete [X.] sei [X.] weiterhin an den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen des § 537 Abs. 1 Satz 2 und des § 615 Satz 2 BGB zu messen.

Hieran ist richtig, dass der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum nicht abschließend festgelegt hat und dass es selbstverständlich weiterhin Aufgabe der Rechtsprechung ist, die Unangemessenheit von [X.]n nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu prüfen. Es dürfte auch auf der Hand liegen, dass eine [X.], die eine Nichtanrechnung ersparter Aufwendungen in Fällen lange dauernder Abwesenheit vorsehen würde, keinen Bestand haben könnte, sei es nach dem Grundgedanken der genannten allgemeinen zivilrechtlichen Bestim-mungen, sei es wegen offenbarer Überschreitung des vom Gesetzgeber einem Heimträger zugebilligten Gestaltungsspielraums in § 5 Abs. 8 [X.]. Bei der hier vorzunehmenden Beurteilung ist entscheidend darauf abzustellen, dass 9 10 - 10 -

[X.]n, die wie die hier streitige eine Weiterzahlung des vollen Entgelts bei einer vorübergehenden Abwesenheit bis zu drei Tagen vorsehen, bis zum Se-natsurteil [X.] 148, 233 weit verbreitet waren und in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend für unbedenklich gehalten wurden (vgl. die Nachweise aaO S. 237 f). Das ergibt sich aus verschiedenen Musterverträgen und inhalts-gleichen oder ähnlichen Rahmenverträgen nach § 93d Abs. 2 [X.] sowie Pflegesatzvereinbarungen, die der Senat in der angeführten Entscheidung (a-aO S. 236 f) ausgewertet hat. Auch der Senat hat der [X.] nicht schlechthin jede Berechtigung abgesprochen, sondern sie nur wegen ihrer undifferenzier-ten Ausgestaltung beanstandet. Angesichts des damaligen Befundes spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber Regelungen dieser Art und die hierzu veröf-fentlichten Stimmen in Rechtsprechung und Literatur vor Augen hatte - die [X.] datiert wenige Monate vor dem Senatsurteil [X.] 148, 233 -, als er in § 5 Abs. 8 des Gesetzentwurfs die Möglichkeit vor-sah, in Fällen der Abwesenheit von einer Festlegung von Erstattungsbeträgen abzusehen. Diese Wertung hat der Senat, nachdem die Vorschriften über den Heimvertrag novelliert sind, hinzunehmen. Er kann daher in einer zeitlich so eng gefassten [X.] keine unangemessene Benachteiligung des [X.] mehr sehen (anders im Ergebnis [X.]/[X.], in: LPK-[X.], 2004, § 5 Rn. 23). Dass der Senat den Heimträger in den Fällen, in denen der Heimbewohner die angebotene Kostform nicht entgegennehmen kann, weil er auf Sondennahrung angewiesen ist, für verpflichtet hält, ersparte Verpflegungsaufwendungen zu erstatten (vgl. Urteile [X.] 157, 309; vom 4. November 2004 - [X.] - NJW 2005, 824), widerspricht dem hier ge-fundenen Ergebnis nicht. Denn Fälle der letztgenannten Art haben wegen ihrer dauernden Wirkung ein anderes Gewicht und betreffen einen anderen Sachbe-reich, für den die Bestimmung des § 5 Abs. 8 [X.] keinen rechtlichen Rah-- 11 -

men bietet (vgl. Senatsurteile [X.] 157, 309, 315; vom 4. November 2004 aaO S. 826).

d) Ungeachtet des Umstands, dass der Gesetzgeber dem Heimträger für eine Regelung einen breiten Gestaltungsspielraum eingeräumt hat, sind für Leistungsempfänger der Pflegeversicherung und für Sozialhilfeempfänger nach § 5 Abs. 8 Satz 2 [X.], der die Absätze 5 und 6 des § 5 für anwendbar er-klärt, Besonderheiten zu beachten. Das bedeutet, dass Regelungen über die Erstattung ersparter Aufwendungen den im Bereich der Pflegeversicherung oder der Sozialhilfe maßgebenden normativen Bestimmungen in Rahmenver-trägen oder Vereinbarungen (§ 75 Abs. 2 Nr. 5 [X.]; §§ 75, 79 [X.]) ent-sprechen und in den Heimvertrag aufgenommen werden müssen (vgl. BT-Drucks. 14/5399 [X.]; [X.], [X.], 10. Aufl. 2004, § 5 Rn. 38; [X.]/[X.] aaO Rn. 23; [X.], [X.], 2002, Rn. 118). Das Vorbringen der Parteien gibt jedoch keinen Anhalt dafür, dass die beanstandete [X.] unter diesem Aspekt unwirksam sein könnte.
[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 11.05.2004 - 4 O 300/03 - [X.], Entscheidung vom 17.02.2005 - 2 U 736/04 -

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Meta

III ZR 59/05

27.10.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2005, Az. III ZR 59/05 (REWIS RS 2005, 1101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1101

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