Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.06.2018, Az. 4 StR 484/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 7652

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Innere Tatseite der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten; Strafbarkeit des Versendens einer digital verfälschten Kopie eines Dokuments mittels Email


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Mai 2017

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im [X.] der Urteilsgründe der Fälschung beweiserheblicher Daten schuldig ist;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

aa) im [X.]) der Urteilsgründe;

bb) in den Einzelstrafaussprüchen für die [X.], II 4 a) bis s) und [X.]) der Urteilsgründe;

cc) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in zwanzig Fällen, [X.] in vier Fällen, Urkundenfälschung, Bedrohung in zwei Fällen sowie öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und angeordnet, dass hiervon wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 Abs. 1 und 2 StGB im [X.]) der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

3

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen lobte der Angeklagte nach einem Streit mit der Geschädigten [X.]  , mit der er zuvor eine Beziehung eingegangen war, auf seiner von sämtlichen Nutzern dieser Internetplattform einsehbaren „[X.] die Zahlung von 200 Euro für die Tötung der Geschädigten aus. Weiter teilte er mit, wo sie sich aufhalte, und fügte mehrere Lichtbilder der Geschädigten bei. Zu strafbaren Handlungen gegen die Geschädigte kam es aufgrund des Eintrags nicht.

4

b) Der Schuldspruch wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] ist zutreffend vom Vorliegen der objektiven Voraussetzungen dieser Strafvorschrift ausgegangen, hat sich jedoch nicht zur inneren Tatseite des Angeklagten verhalten. Daher bleibt unklar, ob es der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass seine Aufforderung von anderen Personen ernst genommen wird (vgl. [X.], NStZ-RR 2003, 327, 328; [X.], StGB, 65. Aufl., § 111 Rn. 6). Der Umstand, dass der Angeklagte die Begehung der Tat gestanden hat, ersetzt die Feststellung eines entsprechenden Vorsatzes nicht.

5

2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 [X.]. 3 StGB im [X.] der Urteilsgründe, bei dem der Angeklagte zur Täuschung im Rechtsverkehr mittels Email eine „digital verfälschte Kopie einer Gewerbeanmeldung“ übersandte, hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand, weil der digitalen Kopie keine unechte oder verfälschte Urkunde i.S.d. § 267 Abs. 1 StGB zugrunde lag (vgl. [X.], Urteil vom 23. September 2015 - 2 StR 434/14, [X.], 115, 116 mwN). Die getroffenen Feststellungen ergeben jedoch, dass sich der Angeklagte insoweit der Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 Abs. 1 StGB) in der Tatbestandsvariante des [X.] veränderter Daten schuldig gemacht hat (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Mai 2017 - 4 [X.], Rn. 9 mwN).

6

Der [X.] hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen. Der [X.] kann ausschließen, dass sich der Angeklagte gegen den Vorwurf der Fälschung beweiserheblicher Daten wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

7

3. Die Verurteilung des Angeklagten in den [X.] und [X.] b) der Urteilsgründe, jeweils wegen Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB, hält rechtlicher Nachprüfung stand. In beiden Fällen kann der [X.] dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend entnehmen, dass die Ankündigung des Verbrechens die jeweilige Bedrohungsadressatin auch tatsächlich erreichte (vgl. zu diesem Erfordernis [X.], Beschlüsse vom 10. Mai 2017 - 4 StR 84/17, Rn. 7; vom 18. Juli 2013 - 4 StR 168/13, [X.], 375, 377).

8

4. Die [X.] in den [X.], [X.] a) bis s) und [X.] b) der Urteilsgründe unterliegen der Aufhebung.

9

a) Das [X.] hat bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt, der Angeklagte habe die Taten „während der laufenden Bewährungsfristen aus den Urteilen des Amtsgerichts vom 4. Juni 2008 und vom 5. März 2010 begangen“. Auch bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 47 StGB hat es zulasten des Angeklagten in Ansatz gebracht, er habe die Taten „unter zweifacher Bewährung“ begangen.

b) Diese Strafzumessungserwägung hält in den [X.], [X.] a) bis s) und [X.] b) der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich zwar, dass die Bewährungsfrist aus dem Urteil vom 5. März 2010 am 19. Januar 2015 endete. Hingegen verhält sich das angefochtene Urteil nicht zur Dauer und zum Ende der Bewährungsfrist aus dem Urteil vom 4. Juni 2008; insoweit lässt sich dem Urteil lediglich entnehmen, dass die Bewährungszeit um zwei Jahre verlängert wurde.

bb) Aufgrund dieser Angaben im angefochtenen Urteil lässt sich das Vorliegen zweier gleichzeitiger Bewährungsfristen nur für den Zeitraum vom 5. März 2010 bis zum 3. Juni 2012 - dieses Datum ergibt sich hinsichtlich der Verurteilung vom 4. Juni 2008 aus der Mindestfrist des § 56a Abs. 1 StGB zuzüglich der im Urteil mitgeteilten Verlängerung um zwei Jahre - und das Bestehen zumindest einer offenen Bewährungszeit lediglich für die Zeit bis zum 19. Januar 2015 nachvollziehen. Damit ist für sämtliche vorbezeichneten Taten, da diese jeweils nach dem 3. Juni 2012 begangen wurden, die Annahme eines zweifachen Bewährungsversagens durch den Angeklagten nicht belegt; in den [X.] 4 m) bis s) und [X.] a) der Urteilsgründe, bei denen die Tatzeit jeweils nach dem 19. Januar 2015 lag, fehlt es sogar bereits an einem (einfachen) [X.] durch den Angeklagten.

5. Die Aufhebung der Verurteilung im [X.]) sowie der Einzelstrafen in den [X.], [X.] a) bis s) und [X.] b) der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

6. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, für jede der beiden unter [X.] b) der Urteilsgründe festgestellten Betrugstaten eine Einzelstrafe festzusetzen.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Franke

        

Quentin     

        

Feilcke     

        

Meta

4 StR 484/17

19.06.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 16. Mai 2017, Az: 10 KLs 5/16

§ 111 StGB, § 267 Abs 1 Alt 3 StGB, § 269 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.06.2018, Az. 4 StR 484/17 (REWIS RS 2018, 7652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7652

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 484/17 (Bundesgerichtshof)


1 StR 180/23 (Bundesgerichtshof)

Zäsurwirkung bei Gesamtstrafenbildung aus Einzelstrafen für nachfolgende Taten


5 StR 146/19 (Bundesgerichtshof)

Missbrauch von Ausweispapieren


4 StR 141/17 (Bundesgerichtshof)

Urkundenfälschung und Fälschung beweiserheblicher Daten: Herstellen und Gebrauchen einer gefälschten E-Mail


1 StR 381/22 (Bundesgerichtshof)

Fälschung beweiserheblicher Daten: Anlegen eines Online-Kundenkontos unter Identitätstäuschung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.