1. Zivilkammer des Landgerichts | REWIS RS 2002, 2019
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) zu 7 %, die Kläger zu 2), zu jeweils 36 %, die Kläger zu 3) zu jeweils 0,5 %, die Klägerin zu 4) zu 1 %, die Klägerin zu 5) zu 6 %, der Kläger zu 6) zu 10 % und der Kläger zu 7) zu 3 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger verlangen Schadensersatz wegen behaupteter Amtspflichtverletzung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (Bundesaufsichtsamt), jetzt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Zusammenlegung der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, das Versicherungswesen und den Wertpapierhandel mit Wirkung ab 01.05.2002). Wegen dieses Sachverhalts sind weitere Verfahren anderer Kläger bei der Kammer anhängig.
Die Kläger beteiligten sich in den Jahren 1990 bis 1995 als so bezeichnete stille Gesellschafter mit Anlagebeträgen von 1.000,- DM bis zu 150.000,- DM an der I Aktiengesellschaft, Elektrizitätswerke und Umwelttechnik, kurz I (I AG) genannt, einer 1989 gegründeten Aktiengesellschaft, deren Gesellschaftszweck unter anderem die Umrüstung von alten DDR-Kraftwerken zu modernen und umweltfreundlichen Kraftwerken sowie die Beteiligung an umweltfreundlichen Kraftwerken sein sollte.
Die I AG bot anlagewilligen Interessenten drei verschiedene Arten der Kapitalbeteiligung an dem Unternehmen an und warb hierfür bundesweit durch eigene Vertriebsmitarbeiter und selbständige Finanzdienstleister.
Zum einen bestand die Möglichkeit einer stillen Beteiligung ohne (Vertragstyp &) und mit (Vertragstyp $) Steuervorteilen. In beiden Fällen wurde eine jährliche Mindestausschüttung garantiert, und zwar beim Typ $ 8 % und beim Typ & 10 % bzw. - für spätere Verträge - 9 %. Beim Vertragstyp $ erfolgte zudem eine Verlustbeteiligung bis zur Höhe der Einlage.
Der Vertragstyp L (stille Beteiligung als Kapital-Aufbau- Plan) entsprach dem Vertragstyp &, wobei die Beteiligungssumme allerdings nicht in einer Summe vorweg, sondern in monatlichen Raten zu zahlen war.
Die genauen Vertragsbedingungen variierten im Laufe der Zeit. Die Vertragstypen & und L wurden in den Prospekten der I AG zunächst als atypisch, später ab 1993 als typisch stille Beteiligung bezeichnet.
Bei allen drei Vertragstypen war ein Agio von 5 % vorgesehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Klägerin zur Akte gereichten Emissionsprospekte nebst Gesellschaftsverträgen (Anl. K # a bis g) Bezug genommen.
Die Kläger beteiligten sich wie folgt an der I AG:
die Klägerin zu 1) im Oktober 1991 mit einem Betrag von15.000,00 DM im Vertragstyp "$" (Anl. K ##),
die Kläger zu 2) im Oktober 1995 mit einem Betrag von150.000,00 DM im Vertragstyp "&" (Anl. K ##),
die Kläger zu 3) im März 1994 mit einem Betrag von1.000, 00 DM im Vertragstyp "&" (Anl. K ## und ##),
die Klägerin zu 4) im Juli 1994 mit einem Betrag von1.000,00 DM im Vertragstyp "&" (Anl. K ##),
die Klägerin zu 5) im Dezember 1994 mit einem Betrag von 10.000,00 DM und im März 1991 mit einem Betrag von 2.000,00 DM, jeweils im Vertragstyp "$" (Anl. K ##),
der Kläger zu 6) im November 1995 mit einem Betrag von 20.000,00 DM im Vertragstyp "&" (Anl. K ##) und
der Kläger zu 7) im Dezember 1993 mit einem Betrag von 6.000,00 DM im Vertragstyp "$" (Anl. K ##) .
Ihre Einlagen zuzüglich 5 % Agio haben die Kläger vollständig geleistet.
Im Frühjahr 1997 überprüfte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Geschäftstätigkeit der I AG darauf, ob diese Bankgeschäfte in der Form des Einlagengeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Kreditwesengesetz) betreibt, für die nach § 32 KWG eine Genehmigung erforderlich ist, über die die I AG nicht verfügte.
Bereits in den Jahren 1991 und 1992 hatte das Bundesaufsichtsamt ein Schwesterunternehmen der I AG, die Firma F AG, entsprechend überprüft.
Hinsichtlich der von der I AG so bezeichneten typisch stillen Beteiligungsverträge der Typen "&" und "L" mit garantierter Festverzinsung gelangte das Bundesaufsichtsamt zu der Überzeugung, dass es sich dabei um genehmigungsbedürftige Einlagengeschäfte nach dem KWG handelte.
Mit Bescheid vom 12.05.1997 ordnete das Bundesaufsichtsamt gestützt auf § 37 KWG die unverzügliche Rückzahlung der im Rahmen der typisch stillen Beteiligungen "&" und "L" erlangten Einlagen innerhalb von vier Wochen sowie die Benachrichtigung der Anleger hierüber an. Weiter erklärte es den Bescheid gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar. Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnungen wurde die Verhängung eines Zwangsgeldes in Höhe von 40.000,- DM angedroht.
Zur Begründung hieß es, bei den typisch stillen Beteiligungen vom Typ "&" und "L" handele es sich nicht um gesellschaftsrechtliche stille Beteiligungen, sondern um Darlehen und somit der Bankenaufsicht unterliegende Einlagen. Eine Verlustbeteiligung des so bezeichneten typisch stillen Gesellschafters sei nicht vorgesehen, ebenso fehle eine über die garantierte Ausschüttung hinausgehende Gewinnbeteiligung. Eine Zweckvereinbarung im Sinne einer Verpflichtung der I AG, die angelegten Gelder für die Beteiligung an Kraftwerken zu verwenden, sei in den jeweiligen Gesellschaftsverträgen nicht enthalten. Die Ausübung von formal vorhandenen Kontroll- und Informationsrechten sei den Anlegern faktisch nicht möglich, diese seien vielmehr in der Vergangenheit über die wirtschaftliche Situation der I AG getäuscht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in Kopie zur Akte gereichten Bescheid vom 12.05.1997 verwiesen (Anlage K # bzw. Anl. B #).
Der Vorstand der I AG stellte auf diesen Bescheid hin am 16.05.1997 Konkursantrag beim Amtsgericht Hamburg. Das Konkursverfahren wurde am 24.10.1997 eröffnet. Mit dem Abschluss des Konkursverfahrens ist nach Angaben des Konkursverwalters frühestens Ende 2005 zu rechnen.
Gleichzeitig legte die I AG am 21.05.1997 Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.05.1997 ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Berlin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Mit Beschluss vom 15.03.1999 wies das VG Berlin diesen Antrag zurück. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde hat das OVG Berlin mit Beschluss vom 17.08.2000 nicht zugelassen. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden, da von Seiten des Konkursverwalters noch nicht feststeht, ob er weiterhin gegen die Abwicklungsanordnung vorgehen will.
Wegen der Einzelheiten des Verwaltungsverfahrens wird auf den Bescheid vom 12.05.1997 (Anl. B #), den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15.03.1999 (Anl. B #) und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 17.08.2000 (Anl. B #) verwiesen.
In einem Schreiben vom 01.10.1997 (Anlage K#) erläuterte der Konkursverwalter den typisch stillen Gesellschaftern den Sachstand des Konkursverfahrens und teilte ihnen die Höhe der zur Konkurstabelle anmeldungsfähigen Forderungen mit. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
"Das Gutachten eines renommierten Wirtschaftsprüfers bestätigt die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft. In meinem Gutachten an das Gericht komme ich zu demselben Ergebnis. Das Ergebnis ist unabhängig von dem Beschluss des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, der die Rückabwicklung der still-typischen Beteiligungsverträge vorsieht.
Die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist darauf zurückzuführen, dass sie nicht in der Lage war, ihre normalen Verpflichtungen sowie die Rückzahlungsverpflichtungen wegen gekündigter still-typischer Beteiligungen und atypisch stiller Beteiligungen zu erfüllen. Die Gesellschaft ist überschuldet, weil nahezu sämtliche Auslandsaktivitäten der Gesellschaft aufgrund von äußerst ungünstigen Verträgen und fehlender Finanzierung der internationalen Verträge praktisch wertlos sind."
Mit Schreiben vom 28.10.1997 (Anlage K #) wies der Konkursverwalter die atypisch stillen Gesellschafter darauf hin, dass sie Mitunternehmer der Gemeinschuldnerin sind und daher keine Konkursforderungen zur Konkurstabelle anmelden könnten.
Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz in Höhe ihrer nunmehr wertlosen Beteiligungen einschließlich Agio.
Sie sind der Ansicht, das Bundesaufsichtsamt habe im Zusammenhang mit der Überprüfung der I AG in mehrfacher Hinsicht ihnen gegenüber obliegende Amtspflichten verletzt. Die Abwicklungsanordnung vom 12.05.1997 sei allein schon deshalb rechtswidrig, weil die I AG keine Einlagengeschäfte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG betrieben und daher auch keine Erlaubnispflicht nach § 32 KWG bestanden habe.
Auch bei den Beteiligungen des Vertragstyps & und L handle es sich nicht um Einlagen, sondern stille Gesellschaftsbeteiligungen, da die Anleger nach § 13 der Satzung am Verlust beteiligt seien und ihnen die Rechte eines stillen Gesellschafters nach §§ 230 ff HGB in vollem Umfang zugestanden hätten.
Zudem sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt; es hätte ausgereicht, der I AG zunächst die Ausgabe weiterer Fonds zu untersagen. Erst durch die Rückzahlungsanordnung sei die I AG konkursreif geworden.Hilfsweise stützen sie die Klage auf eine weitere Amtspflichtverletzung. Sie sind der Ansicht, das Bundesaufsichtsamt hätte bereits 1991/92 eingreifen müssen im Zusammenhang mit der Prüfung einer Schwestergesellschaft der Klägerin, der F AG. Das Bundesaufsichtsamt hätte damals schon auch die I AG überprüfen und ggfs. eine Abwicklungsanordnung erlassen müssen.
Sie behaupten hierzu, die Überprüfung der F habe ergeben, dass diese erlaubnispflichtige Einlagengeschäfte im Sinne des KWG betrieben habe. Eine konforme Behandlung der I AG habe bereits deshalb nahegelegen, weil beide Unternehmen nach dem selben rechtlichen Muster "kreiert" worden seien. Ein Einschreiten des Bundesaufsichtsamt gegen die I AG bereits im Jahre 1991 bzw. 1992 hätte zur Folge gehabt, dass es nicht zu einer Geldanlage der Kläger, die ihre Anlagen erst später getätigt haben, bei der I AG gekommen wäre bzw. eine zur Abfindung der Kläger ausreichende Haftungsmasse noch bestanden hätte.
Einem Amtshaftungsanspruch stehe auch nicht die Vorschrift des § 6 Abs. 4 KWG entgegen, wonach das Bundesaufsichtsamt die ihm nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, da diese Norm sowohl gegen verfassungs- als auch europarechtliche Vorgaben verstoße. Denn in verschiedenen EG-Richtlinien seien Maßnahmen der Bankenaufsicht vorgeschrieben. Diese Richtlinien dienten nach ihren Begründungserwägungen auch dem Verbraucherschutz. Verfassungsrechtlich sei es dem Bund untersagt, nur für eine bestimmte ordnungsrechtliche Materie – hier die Bankenaufsicht – die an sich bestehende Staatshaftung auszuschließen.
Die Kläger behaupten, die I AG hätte ohne die Abwicklungsanordnung ihr Unternehmen weiter fortführen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge Gewinne erwirtschaften können. Die Einlagen seien erst infolge der Abwicklungsanordnung wertlos geworden.
Die Kläger beantragen,
die Beklagten zu verurteilen,
1 an die Klägerin zu 1) 8.052,85 € ( 15.750,00 DM )
2 an die Klägerin zu 2) 80.528,47 € ( 157.500,00 DM )
3 an die Klägerin zu 3) 536,86 € ( 1.050,00 DM )
4 an die Klägerin zu 4) 536,86 € ( 1.050,00 DM )
5 an die Klägerin zu 5) 6.442,28 € ( 12.600,00 DM )
6 an die Klägerin zu 6) 10.737,13 € ( 21.00,00 DM )
7 an die Klägerin zu 7) 3.221,14 € ( 6.300,00 DM )
1 an die Klägerin zu 1) 8.052,85 € ( 15.750,00 DM )
2 an die Klägerin zu 2) 80.528,47 € ( 157.500,00 DM )
3 an die Klägerin zu 3) 536,86 € ( 1.050,00 DM )
4 an die Klägerin zu 4) 536,86 € ( 1.050,00 DM )
5 an die Klägerin zu 5) 6.442,28 € ( 12.600,00 DM )
6 an die Klägerin zu 6) 10.737,13 € ( 21.00,00 DM )
7 an die Klägerin zu 7) 3.221,14 € ( 6.300,00 DM )
jeweils zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 12.05.1997 und jeweils Zug um Zug gegen die Abtretung der Gesellschaftsanteile der jeweiligen Kläger an der I AG zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, ein Amtshaftungsanspruch der Kläger scheitere bereits an der Vorschrift des § 6 Abs. 4 KWG, die sowohl mit der Verfassung vereinbar sei und darüber hinaus auch nicht europarechtlichen Vorgaben widerspreche.
Im übrigen fehle es aber auch an einer Amtspflichtverletzung, da die Abwicklungsanordnung vom 12.05.1997 rechtmäßig gewesen sei.
Die Beklagte bestreitet ferner, dass der geltend gemachte Schaden der Anleger durch die Abwicklungsanordnung entstanden sei. Hierzu behauptet sie, die I AG sei schon vor und auch ohne die Rückzahlungsanordnung im Bescheid vom 12.05.1997 konkursreif, nämlich zahlungsunfähig und überschuldet, gewesen, wie sich aus den Schreiben des Konkursverwalters an die Anleger vom 01.10.1997 (Anl. K #) und 28.10.1997 (Anl. K #) ergebe.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, im Jahre 1991 bzw. 1992 sei ein Einschreiten gegen die I AG durch das Bundesaufsichtsamt nicht angezeigt gewesen. Dazu behauptet sie, das Bundesaufsichtsamt sei bei der Überprüfung der F AG zu dem Ergebnis gelangt, dass diese keine unerlaubten Bankgeschäfte betreibt. Überdies seien die von der F AG angebotenen Beteiligungstypen nicht mit den von der I AG angebotenen identisch gewesen.
Vorsorglich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
Die Kläger haben die Klage ursprünglich gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium der Finanzen, dieses vertreten durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, gerichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Richtige Beklagte ist aufgrund gesetzlichen Parteiwechsels die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen.
Gem. § 18 Abs. 1 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) ist in anhängigen Gerichtsverfahren, in denen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, Partei ist, mit Inkrafttreten des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht die durch Zusammenlegung der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, für das Versicherungswesen und für den Wertpapierhandel errichtete rechtsfähige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Partei.
Die Klage ist nicht begründet.
Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch in Höhe der an die I AG geleisteten Einlagebeträge wegen Amtspflichtverletzung aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG - der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - zu.
Der Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG setzt die schuldhafte Verletzung einer drittgerichteten, d.h. gerade gegenüber dem Geschädigten bestehenden, Amtspflicht voraus. Hieran fehlt es.
1.
Die Klage ist schon deshalb unbegründet, weil das Bundesaufsichtsamt - unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Abwicklungsanordnung vom 12.05.1997 - jedenfalls keine ihm gerade den Klägern gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt hat.
Denn die Amtspflichten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen bestehen nicht gegenüber dem einzelnen Anleger bzw. Bankkunden. In § 6 Abs. 4 KWG a.F. (jetzt § 4 Abs. 4 FinDAG) ist ausdrücklich bestimmt, dass das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (bzw. jetzt die Beklagte) ihre Aufgaben und Befugnisse ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Bereits hierdurch sind sämtliche Ansprüche einzelner Anleger aus Amtshaftung wegen behaupteter Pflichtverletzung des Bundesamtes ausgeschlossen.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist diese Vorschrift weder verfassungswidrig, noch verstößt sie gegen EG-Gemeinschaftsrecht.
Die Kammer hat hierzu in einem anderen Verfahren, in dem es um den Vorwurf eines zu späten Eingreifens des Bundesaufsichtsamtes ging, folgendes ausgeführt (Urteil vom 31.03.2000, 1 O 159/99):
"Die Amtspflichten des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen bestehen nicht gegenüber den einzelnen Kunden der Banken. Vielmehr wird das Bundesaufsichtsamt gem. der ausdrücklichen Vorschrift des § 6 Abs. 4 KWG ausschließlich im öffentlichen Interesse tätig. Diese Vorschrift wurde als Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im sog. "Wetterstein-Urteil" vom 15.02.1979 (BGHZ 74,144 ff) und im Herstatt-Urteil vom 12.07.1979 (BGHZ 75, 120 ff) durch die 3. KWG-Novelle 1984 in das Kreditwesengesetz (KWG) aufgenommen (vgl. Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwoski, Bankrechtshandbuch, Band 111, § 125 Rdnr. 13). Der BGH hatte in den genannten Entscheidungen - entgegen der bis dahin herrschenden Meinung und den beiden Vorinstanzen - den Zweck der Bankenaufsicht nicht auf die Interessen der Allgemeinheit und die Funktionsfähigkeit des Kreditgewerbes beschränkt, sondern auch auf den Schutz der Gläubiger einzelner Kreditinstitute vor Verlusten erstreckt (vgl. Fischer, aaO; BGH, aaO). Er hat dies mit der Entwicklungs- und Entstehungsgeschichte des Kreditwesengesetzes und der Qualifikation der Bankenaufsicht als "spezialpolizeiliche Aufgabe" begründet (BGHZ 74, 144, 152). Entgegen der Auffassung der Kläger ist diese Vorschrift wirksam, da sie weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Der entgegenstehenden Auffassung von Schenke und Ruthig in NJW 1994, 2324, auf die die Kläger sich beziehen (ebenso auch Gratias, NJW 2000, 786), vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Der Gesetzgeber hat dadurch, dass er in Reaktion auf die Rechtsprechung des BGH in § 6 Abs. 4 KWG klargestellt hat, dass das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen lediglich im öffentlichen Interesse tätig werde, seine Haftung für Schäden aufgrund einer eventuellen Amtspflichtverletzung nicht grundgesetzwidrig ausgeschlossen.
Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Gewaltenteilungsprinzip verstoßen (so aber Papier in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl., § 839 Rdnr. 251). Ein unzulässiger Eingriff in die Kompetenzen der Rechtsprechung ist nicht gegeben. Es ist in erster Linie Sache des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, ob eine Behörde ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse oder auch im Interesse einzelner Dritter wahrnimmt. Soweit der Bundesgerichtshof die Drittgerichtetheit der Amtspflichten des Bundesaufsichtsamtes bejaht hat, hat er dies auf die Auslegung der gesetzlichen Regelungen der Bankenaufsicht und die Entstehungsgeschichte des KWG gestützt. Dann kann der Gesetzgeber aber auch klarstellen, dass das System der Bankenaufsicht gerade nicht auch die Interessen des einzelnen Anlegers schützen soll. Der Gesetzgeber hat durch die Einführung des § 6 Abs. 3 KWG (jetzt § 6 Abs. 4 KWG) nicht eine bestimmte Auslegung der Verfassung vorgegeben, sondern die Zweckrichtung eines einfachen Gesetzes klargestellt, die bei der Ermittlung der Drittbezogenheit zu berücksichtigen ist.
Aus dem gleichen Grund liegt auch kein Verstoß gegen Art. 34 GG in Form eines "formenmissbräuchlichen Haftungsausschlusses" vor (so aber Papier, aaO). Ein Haftungsausschluss läge nur vor, wenn - unabhängig von der Entscheidung des Gesetzgebers - eine Staatshaftung gegeben wäre. Art. 34 GG begründet aber nicht den Drittbezug der Amtspflichten, sondern setzt dessen anderweitige Begründung voraus (Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2326).
Schließlich verstößt die Regelung des § 6 Abs. 4 KWG auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Die Vorschrift greift nicht in eine bereits be- stehende, eigentumsähnliche Rechtsposition der Kläger ein. Denn zum Zeitpunkt der Einführung dieser Norm hatten sie die Einlage noch nicht geleistet.
Es kann auch dahinstehen, inwieweit sich aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG eine Verpflichtung des Staates zur Einrichtung einer funktionsfähigen Bankenaufsicht ableiten lässt. Jedenfalls gebietet es Art. 14 GG nicht, die staatliche Bankenaufsicht so zu organisieren, dass die Amtspflichten auch dem einzelnen Bankkunden gegenüber bestehen. Aus der Eigentumsgarantie lässt sich weder ein Anspruch auf eine individualschützende Bankenaufsicht ("Grundrecht auf Bankenaufsicht") noch ein Anspruch auf einen Entschädigungsanspruch bei einem Versagen der Bankenaufsicht herleiten.
Der Gesetzgeber ist einem - von Verfassungswegen etwa bestehenden - Schutzauftrag durch Erlass des KWG und die Schaffung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen jedenfalls in ausreichendem Maße nachgekommen.
Angesichts der grundsätzlichen Funktionstüchtigkeit des bundesdeutschen Aufsichtssystems ist diese Lösung nicht völlig ungeeignet oder unzulänglich. Bei der Schaffung des § 6 Abs. 4 KWG ist der Gesetzgeber auch nicht von sachwidrigen Erwägungen ausgegangen. Die objektive Aufgabe zur Aufsicht bei Aberkennung subjektiver Rechte sollte der dem KWG zugrundeliegenden "marktwirtschaftskonformen Aufsichtskonzeption" dienen (Amt. Begr. der 3. KWG-Novelle, wiedergegeben bei Schorck, KWG, 1992, § 6). Nach Einschätzung des Gesetzgebers hätte die Anerkennung subjektiver Rechte die Gefahr zu weitgehender Maßnahmen durch die die Aufsicht ausübenden Personen mit sich gebracht. Die Regelung des § 6 Abs. 4 KWG beeinträchtige hierbei die Einleger nicht unangemessen, da durch die Einlagensicherungssysteme des Kreditgewerbes ein weitgehender Schutz erreicht sei (Amtl. Begr. der 3. KWG-Novelle, aaO).
Der Gesetzgeber hat damit die betroffenen Rechte beider Seiten ohne sachfremde Erwägungen gegeneinander abgewogen, ohne dabei die Grenzen seines ihm zustehenden Einschätzungsspielraumes zu überschreiten.
Schließlich ist die Norm auch nicht wegen Verstoßes gegen EG-Recht unwirksam. Darüber hinaus lässt sich den EG-Richtlinien zum Bankenwesen lediglich die Pflicht zur Bankenaufsicht entnehmen, nicht aber gleichzeitig die Verpflichtung, die Bankenaufsicht auch individualschützend auszugestalten und dem Bürger bei einem Versagen der Bankenaufsicht einen Schadensersatzanspruch gegen den Staat zuzubilligen. Wie die Kammer bereits in Bezug auf die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (WPD-Richtlinie) vom 10.3.1993, 93/22/EWG (LG Bonn, ZIP 1999, 1592 ff) und die Kapitaladäquanzrichtlinie vom 15.3.1993, 93/6/EWG (LG Bonn, ZIP 1999, 1595) entschieden hat, verleiht die in diesen Richtlinien enthaltene Verpflichtung zur staatlichen Aufsicht über Wertpapierfirmen dem einzelnen Bankkunden keine individuellen Rechte, wie sie zur Begründung des gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruchs erforderlich sind."
An dieser Auffassung, die das Oberlandesgericht Köln im Berufungsverfahren bestätigt hat (NJW 2001, 2724), hält die Kammer auch nach erneuter Überprüfung und unter Berücksichtigung der Argumentation der Kläger fest.
Es ist auch nicht geboten, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Klärung der Frage nach der Wirksamkeit des § 6 Abs. 4 KWG a.F. durch den Bundesgerichtshof, das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof auszusetzen.
Allerdings ist das o.g. Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, da über die Revision der dortigen Kläger noch nicht entschieden ist. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr durch Beschluss vom 16.05.2002 III ZR 48/01 (veröffentlicht z.B. in ZIP 2002, 1136 ff) das oben genannte Verfahren ausgesetzt und die Frage, ob § 6 Abs. 4 KWG a.F. gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, zunächst dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.
Es bedarf indes keiner Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zu einer abschließenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes oder des Bundesgerichtshofes, da die Klage unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit des § 6 Abs. 4 KWG a.F. keinen Erfolg hat. Denn unabhängig von der Frage der Drittgerichtetheit der Amtspflichten des Bundesamtes fehlt es schon an einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung der I AG.
II.
Das Bundesaufsichtsamt hat im Zusammenhang mit der I AG die ihm obliegenden Amtspflichten - unabhängig davon, ob diese Pflichten auch den Klägern gegenüber bestanden - nicht verletzt.
1. Eine Amtspflichtverletzung liegt nicht darin, dass das Bundesaufsichtsamt unter dem 12.05.1997 eine Abwicklungsanordnung gegen die I AG erlassen hat. Die Abwicklungsanordnung ist vielmehr rechtmäßig.
1.1. Das Bundesaufsichtsamt war nach § 37 KWG zum Erlass einer Abwicklungsanordnung grundsätzlich ermächtigt.
Nach dieser Vorschrift kann das Bundesaufsichtsamt in den Fällen, in denen ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis-Bankgeschäfte betrieben werden, die sofortige Einstellung des Geschäftsbetriebes und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte anordnen.
Die Voraussetzungen einer solchen Anordnung lagen vor, da die I AG ohne die erforderliche Erlaubnis das Einlagengeschäft betrieben hat.
Nach § 32 KWG bedarf der Erlaubnis, wer gewerbsmäßig Bankgeschäfte betreibt. Zu den Bankgeschäften gehört nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG auch die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird (Einlagengeschäft).
Der Begriff der Einlage ist im KWG nicht definiert. Kennzeichnend für das Einlagengeschäft ist nach allgemeiner Ansicht zunächst, dass von einer Vielzahl von Geldgebern auf der Grundlage typisierter Verträge darlehensweise oder in ähnlicher Weise Gelder entgegengenommen werden, wobei bankübliche Sicherheiten fehlen (Gößmann, in: Schimansky u.a., Bankrechts-Handbuch, 2. AufI., § 69 Rdnr. 5 m. w. Nachw. ). Ebenso ist in der Rechtsprechung und in weiten Teilen der Kommentarliteratur anerkannt, dass gesellschaftsrechtliche Einlagen wie die Vermögenseinlage eines stillen Gesellschafters regelmäßig nicht unter die "Annahme fremder Gelder als Einlagen" im Sinne des KWG fallen. Aus dem Wortsinn der Umschreibung der Annahme fremder Gelder "als Einlage" folgt, dass hiervon nicht jede Art der Aufnahme von Fremdgeldern durch typisierte Verträge erfasst wird, es sich vielmehr nach der gesetzgeberischen Vorstellung um eine im bankwirtschaftlichen Bereich entwickelte und übliche bestimmte Geldannahmeform handelt.
Die Frage, ob ein Unternehmen fremde Gelder als Einlagen annimmt und dadurch Bankgeschäfte betreibt, ist aufgrund der Wertung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung zu entscheiden (Gößmann, in: Schimansky u.a., aaO, § 69 Rdnr. 1, VG Berlin, DB 1999, 1377).
Ein Unternehmen nimmt infolgedessen jedenfalls dann fremde Gelder als Einlagen entgegen, wenn es in einer dem Einlagegeschäft der Banken wirtschaftlich adäquaten Weise Geldanlagemöglichkeiten für das breite Publikum bietet. Dabei sind für die Einordnung insbesondere die den Kunden angebotenen Bedingungen der Geldanlagemöglichkeiten, der sich hieraus ergebende tatsächliche wirtschaftliche Gehalt der Anlage sowie das werbende Auftreten des Geldaufnehmenden und die hierdurch beim Anleger bezweckte Vorstellung von der getätigten Geldanlage zu berücksichtigen (VG Berlin, DB 1999, 1377).
Während die Einlage dadurch gekennzeichnet ist, dass die Gelder gegen eine Festverzinsung zur Verfügung gestellt werden, steht bei der stillen Beteiligung die Kapitalbildung des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmenszwecks gegen Gewinn- und Verlustbeteiligung im Vordergrund.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien handelt es sich bei den Anlageformen vom Typ "&" und Typ "L" um erlaubnispflichtige Einlagengeschäfte i. S. v. § 1 KWG und nicht um stille Gesellschaftsbeteiligungen.
Die von der I AG angebotenen Beteiligungsmodelle vom Typ "&" und "L" erfüllen sämtliche Merkmale des Einlagenbegriffs des KWG:
Die I AG hat von einer Vielzahl von Geldgebern auf der Grundlage typisierter Verträge Gelder entgegengenommen, wobei bankübliche Sicherheiten fehlten.
Sie hat von ihrer Gründung im Jahre 1989 an bis zum Jahre 1996 bundesweit unter Einschaltung von selbständigen Finanzdienstleistern Beteiligungsmodelle unterschiedlicher Art angeboten. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Abwicklungsanordnung im Mai 1997 beliefen sich allein die Einlagen der typisch stillen Gesellschafter durch Einmalzahlung (Typ "&") auf ca. 118 Mio. DM und die effektiv geleisteten Einzahlungen der ratierlich sich aufbauenden Beteiligungen (Typ "L") auf ca. 44 Mio. DM, wie sich aus der Begründung der Abwicklungsanordnung und dem insoweit unstreitigen Vortrag der Kläger ergibt.
Die Beteiligung der Anleger erfolgte auf der Grundlage typisierter Verträge, auf deren Ausgestaltung der einzelne Anlageinteressent mit Ausnahme der Bestimmung der Einlagenhöhe keinen Einfluss nehmen konnte.
Die von den als typisch stille Gesellschafter bezeichneten Anlegern (Vertragstypen "&" und "L") geleisteten Beträge sind bei wertender Betrachtung als Darlehen und nicht als stille Beteiligung einzuordnen.
Der grundlegende Unterschied zwischen beiden Rechtsinstituten besteht darin, dass bei der stillen Gesellschaft der Inhaber des Handelsgewerbes und der stille Gesellschafter zu einem gemeinsamen Zweck, dem Betrieb des Handelsgewerbes durch den Geschäftsinhaber im Interesse der Gesellschaft, verbunden sind und damit ihre schuldrechtlichen Beziehungen ein gesellschaftsrechtliches Element in sich tragen, während das Darlehen kennzeichnet, dass die Vertragsparteien ohne jeden gemeinsamen Zweck lediglich eigene Interessen verfolgen und ihre Beziehung zueinander ausschließlich durch die Verschiedenheit ihrer beiderseitigen Interessen bestimmt wird.
Prägend für die von der I AG angebotenen Beteiligungsmodelle Typ "&" und Typ "L" ist die einer Festverzinsung entsprechende garantierte Ausschüttung von 10 % bzw. 9 % pro Jahr (vgl. etwa § 13 Nr. 3 S. 2 des Gesellschaftsvertrages aus den Jahren 1990, 1991 und 1992: 10% auf die Dauer von 10 Jahren; § 13 Nr. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages aus dem Jahre 1993: 10% auf die Dauer von 6 Jahren; § 13 Nr. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages aus dem Jahre 1995: 9% auf die Dauer von 6 Jahren).
Eine Verlustbeteiligung ist für diese Anlageformen in den Gesellschaftsverträgen letztlich nicht vorgesehen. Nach § 13 Abs. 1 der Verträge sind zwar Gewinne und Verluste - vorbehaltlich der weiteren Regelungen - grundsätzlich auf die I AG und die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Gesellschaftseinlage zu verteilen, wobei die stillen Gesellschafter an Verlusten maximal bis zur Höhe ihrer Gesellschaftseinlage teilnehmen. In den Gesellschaftsverträgen der Jahre 1990 bis 1992 war aber in § 13 Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, dass sich für die Gesellschafter des Vertragstyps & "plangemäß keine Verlustanteile" ergeben. Diese Regelungen sind noch maßgeblich, da nicht alle Kapitalanlagen aus den Jahren 1990 bis 1993 zum Zeitpunkt der Abwicklungsanordnung bereits abgewickelt und zurückgezahlt waren.
In den Verträgen ab 1993 ist der Ausschluss der Verlustbeteiligung zwar nicht mehr ausdrücklich enthalten. § 13 Abs. 3 bestimmt aber, dass die Gesellschafter des Vertragstyps "&" und "L" für 6 Jahre unabhängig von dem Gewinn oder Verlust der I AG eine garantierte Ausschüttung bzw. Einlagenerhöhung von 9 % der Einlage pro Jahr erhalten. In den Emissionsprospekten aus dieser Zeit ist zudem von einer Verlustbeteiligung der Anlagetypen "&" und "L" - anders als bei der Anlageform "$" - nicht die Rede. Damit wurde auch bei den Anlegern ab 1993 die Erwartung hervorgerufen, an einem eventuellen Verlust der Gesellschaft nicht beteiligt zu sein.
Die Vereinbarung eines garantierten Mindestgewinns unter Ausschluss einer Verlustbeteiligung entspricht bei wirtschaftlicher Betrachtung aber gerade einer banküblichen Festzinsvereinbarung und ist damit prägendes Merkmal für den Einlagecharakter der Anlageform. Es soll damit der wirtschaftlichen Erwartung des potenziellen Anlegers entsprochen werden, eine feste Rendite für das auf Zeit hingegebene Kapital zu erhalten.
Der Annahme einer Festzinsvereinbarung steht auch nicht entgegen, dass neben den vertraglich zugesicherten garantierten Ausschüttungen eine weitere Gewinnbeteiligung der Anleger in Betracht kommen sollte. Eine Festvergütung liegt nämlich auch dann vor, wenn eine zugesicherte Mindestzins- bzw. Mindestgewinnvereinbarung die daneben vereinbarte weitere Gewinnbeteiligung praktisch gegenstandslos macht, weil mit einem höheren Unternehmensgewinn nicht zu rechnen ist (VG Berlin, DB 1999, 1377). Die I AG bot neben den Beteiligungen vom Typ "&" und "L" als solche bezeichnete atypisch stille Beteiligungen vom Typ "$" an, die den Anlegern hohe Verlustzuweisungen ermöglichen sollten. Damit war für die Anleger, die sich für eine Beteiligung vom Typ "&" bzw. Typ "L" entschlossen, klar, dass die Gesellschaft mit ihren Geschäften Verluste erwirtschaften würde und somit neben der garantierten Ausschüttung in Höhe von 10% bzw. 9% pro Jahr eine weitere Gewinnbeteiligung de facto nicht in Frage kam. Zudem sollte die nach §§ 13, 14 der Gesellschaftsverträge über die garantierte Ausschüttung hinaus bestehende Gewinnbeteiligung ausweislich der Beteiligungserklärungen (z.B. Anl. K ##) nicht ausgezahlt, sondern als Erhöhung der Kapitalanlage angerechnet werden.
Auch konnten die Anleger in banküblicher Weise die Höhe der Anlagebeträge frei wählen. Für das Angebot einer echten Unternehmensbeteiligung wird demgegenüber in der Regel maßgeblich sein, ab welchen Mindestbeträgen und Mindestanlagezeiten eine unternehmerische Beteiligung im Interesse des Unternehmens sinnvoll erscheint (VG Berlin OB 1999, 1379).
Umgekehrt fehlt es an einer das Gesellschaftsverhältnis kennzeichnenden Zweckvereinbarung. Eine vertragliche Verpflichtung gegenüber den typisch stillen Gesellschaftern (also den Anlegern aufgrund der Vertragstypen "&" und "L" ), die Gelder entsprechende dem Geschäftsgegenstand der Gesellschaft anzulegen, ist nicht vorgesehen. In § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages (Fassungen ab 1993, Anl. K #e) bedarf die Geschäftsführung (d.h. die I AG) für die Änderung des Gegenstands des Unternehmens oder der Umwandlung in eine andere Rechtsform, der Veräußerung des gesamten Unternehmens oder der teilweisen oder vollständigen Einstellung des Gewerbebetriebs lediglich der Einwilligung der atypisch stillen Gesellschafter (also der Anleger nach dem Vertragstyp "$"), nicht aber auch der Zustimmung der typisch stillen Gesellschafter nach Vertragstyp "&" und "L" .
Die typischen Kontroll- und Mitwirkungsbefugnisse eines Gesellschafters waren auch darüber hinaus zumindest faktisch eingeschränkt, da - wie in der Abwicklungsanordnung festgestellt und insoweit auch von den Klägern nicht bestritten - den Anlegern nicht die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen vorgelegt wurden, sondern lediglich sog. Geschäftsberichte, welche zudem noch einen falschen Eindruck der wirtschaftlichen Situation hervorriefen.
1.2. Die Abwicklungsanordnung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Es war nicht ermessensfehlerhaft, der I AG nicht lediglich die Annahme neuer Einlagen zu untersagen, sondern ihr auch die Rückabwicklung der bereits abgeschlossenen Beteiligungsverträge vom Typ "&" bzw. "L" aufzugeben. Die Befugnis, gegen die Fortführung der ohne Erlaubnis betriebenen Einlagengeschäfte einzuschreiten, schließt auch die Rückgängigmachung verbotenermaßen betriebener Bankgeschäfte ein.
Das Verbot der Hereinnahme neuer Einlagen wäre auch zur Erreichung des Zwecks der Verfügung das weitere Einlagengeschäft zu verhindern - nicht geeignet, weil nicht ausreichend, gewesen. Denn das unerlaubte Einlagengeschäft besteht weiter bis zur restlosen Rückzahlung, weil Bankgeschäfte so lange als solche behandelt und beaufsichtigt werden müssen, bis sie vollständig abgewickelt sind. Die von den Klägern begehrte Anordnung hätte damit dazu geführt, dass die I AG das bestehende Einlagengeschäft zunächst, wenn auch eingeschränkt, weiter betreiben darf.
Das bloße Verbot neuer Einlagengeschäfte wäre zudem auch im Interesse des Anlegerschutzes keine geeignete oder mildere Maßnahme gewesen, da dieses nicht vor einer Verschlechterung der Vermögenslage und damit einer Gefährdung der Rückzahlungsansprüche der Anleger geschützt hätte. Das Verbot der Hereinnahme neuer Einlagen im Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten der I AG - die nicht über weitere relevante Einnahmequellen verfügte - hätte dazu geführt, dass binnen kurzer Zeit schon die garantierte Verzinsung nicht mehr hätte bedient werden können.
Auch im übrigen sind Verfahrens- oder Ermessensfehler des Bundesaufsichtsamtes nicht ersichtlich. Aus dem Bescheid ergibt sich, dass die I AG vorher angehört worden war. Aus Bl. 11 - 14 der Abwicklungsverfügung ergeben sich im übrigen die Gründe, aus denen ein schnelles Einschreiten geboten war.
Die vom Bundesaufsichtsamt gesetzte Rückabwicklungsfrist von vier Wochen war ebenfalls nicht unverhältnismäßig, da die I AG die Möglichkeit hatte, ein wirtschaftliches Unvermögen zur Rückzahlung der geleisteten Einlagen anhand von geeigneten Unterlagen nachzuweisen (vgl. S. 1 der Abwicklungsanordnung vom 12.05.1997, Anl. B 2) und ggfs. um Fristverlängerung nachzusuchen.
2. Das Bundesamt hat auch nicht dadurch die ihm obliegenden Amtspflichten verletzt, dass es nicht früher nämlich schon im Zusammenhang mit der Überprüfung der F AG 1991/92 gegen die I AG vorgegangen ist und eine Abwicklungsanordnung erlassen hat.
Eine Verpflichtung, schon damals eine Abwicklungsanordnung zu erlassen, kommt nur in Betracht, wenn dem Bundesaufsichtsamt bereits zum damaligen Zeitpunkt Tatsachen bekannt waren oder hätten sein müssen, aus denen sich das unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG durch die I AG ergab. Weiterhin müsste zu diesem Zeitpunkt das dem Bundesaufsichtsamt gemäß § 3 KWG eingeräumte Ermessen beim Gebrauch der ihm eingeräumten Eingriffsbefugnis bereits auf- Null reduziert gewesen sein, so dass sich jedes weitere Untätigbleiben als ermessensfehlerhaft erwiesen hätte.
Insoweit fehlt es an einem hinreichend substanziierten Sachvortrag der Kläger, zumal die Beklagte bestritten hat, daß die von der F AG angebotenen Beteiligungsverträge weitgehend inhaltlich mit den von der I AG angebotenen Verträgen identisch waren. Die Kläger trifft insoweit die Darlegungs- und Beweislast für die die Pflichtverletzung begründenden Umstände.
Die Kläger haben nicht dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände das Bundesaufsichtsamt schon 1991 oder 1992 hätte erkennen müssen, dass die I AG unzulässige Einlagengeschäfte betreibt, bzw. woraus sich ein konkreter Anlass, die I AG zu überprüfen, ergeben haben soll.
Allein die Überprüfung der Firma F AG bot - auch wenn es sich hierbei um ein Schwesterunternehmen der I AG gehandelt haben sollte - noch keinen Anlass, auch die I AG zu überprüfen, zumal die Kläger ihren - von der Beklagten bestrittenen Vortrag, wonach die Überprüfung der F AG ergeben habe, dass diese das Einlagengeschäft betreibe - nicht unter Beweis gestellt haben. Die Kläger haben auch nichts dazu vorgetragen, dass dem Bundesaufsichtsamt die von der I AG angebotenen Beteiligungsmodelle im einzelnen bekannt sein mussten.
III.
Darüber hinaus fehlt es auch an dem für den Anspruch aus Amtshaftung erforderlichen Verschulden der betreffenden Beamten des Bundesaufsichtsamtes.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine unrichtige Rechtsanwendung im allgemeinen dann nicht schuldhaft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung bejaht hat, auch wenn diese Entscheidung erst nach der betreffenden Amtshandlung ergangen ist (Palandt-Thomas, BGB, 61. Aufl., § 839 Rdnr. 53 m.w.Nachw.).
Danach kann von einem Verschulden nicht ausgegangen werden. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte sich insoweit bereits auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und Oberverwaltungsgerichts Berlin berufen kann, die im summarischen Verfahren (hierzu BGHZ 117, 240, 249 und NJW 1986, 2954) nach § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Abwicklungsanordnung abgelehnt haben mit der Begründung, die Maßnahme sei rechtmäßig.
Denn auch das Landgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 06.06.2001 - 23 O 442/00 - (Anl. B 1 zur Klageerwiderung) den Schadensersatzanspruch eines anderen Anlegers der I AG u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, die Abwicklungsanordnung sei rechtmäßig, da es sich bei den von der I AG angebotenen Beteiligungen nach den Vertragstypen "&" und "L" nicht um stille Beteiligungen, sondern um erlaubnispflichtige Einlagengeschäfte gehandelt habe (S. 11 ff des Urteils). Dabei hat sich das Landgericht ausführlich mit dem Sachvortrag und den Argumenten des damaligen Klägers auseinandergesetzt.
IV.
Streitwert: '215.250,00 DM/110.055,58 €
Meta
02.08.2002
Landgericht Bonn 1. Zivilkammer des Landgerichts
Urteil
Sachgebiet: O
Zitiervorschlag: Landgericht Bonn, Urteil vom 02.08.2002, Az. 1 O 443/01 (REWIS RS 2002, 2019)
Papierfundstellen: REWIS RS 2002, 2019
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.