Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2014, Az. II ZR 34/13

2. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5161

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Gegenstand

Internationale und örtliche Zuständigkeit der deutschen Gerichte: Klage des Insolvenzverwalters über das Vermögen einer GmbH gegen früheren GmbH-Geschäftsführer mit Wohnsitz in der Schweiz


Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 16. Januar 2013 gemäß § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 331.941,47 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Revision ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg hat.

2

I. Ein Zulassungsgrund besteht nicht. Weder erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts noch stellen sich Fragen von grundsätzlicher Bedeutung in entscheidungserheblicher Weise.

3

1. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob die vom Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH mit Sitz in [X.] gegen die ehemalige, in [X.] lebende Geschäftsführerin der GmbH geltend gemachten Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG und § 43 Abs. 3 GmbHG die internationale Zuständigkeit des [X.]s [X.] nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 ([X.], [X.]) begründen oder nach Art. 5 Nr. 1 a [X.], wie das [X.] in dem vom Berufungsgericht bestätigten Zwischenurteil ausgesprochen hat, oder ob die Anwendung des [X.]s auf die genannten Ansprüche nach Art. 1 Abs. 2 b [X.] ausgeschlossen ist, weil der Kläger mit seiner Klage den gleichen Zweck verfolge wie mit einer Insolvenzanfechtungsklage, wie die Revision meint. Seit der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 16. Januar 2014 ([X.], 181) ist klargestellt, dass auch in diesem Fall das [X.] [X.] für die Klage international zuständig wäre, so dass die Urteile der Vorinstanzen jedenfalls im Ergebnis richtig sind und die dargestellte Streitfrage sich nicht (mehr) als entscheidungserheblich und damit klärungsfähig erweist.

4

2. Geht man entgegen der Ansicht der Vorinstanzen mit der Revision davon aus, dass es sich vorliegend um eine Konkurs- bzw. Insolvenzsache handelt, so dass das [X.] nach Art. 1 Abs. 2 b [X.] nicht anwendbar wäre, ergibt sich dennoch eine internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte aus Art. 3 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO). Für die Anwendbarkeit der Verordnung genügt es entgegen der Ansicht der Revision, dass die Insolvenzschuldnerin ihren Sitz in einem Mitgliedstaat hat. Nicht erforderlich ist ein Binnenbezug in dem Sinn, dass sich eine Klage gegen eine [X.] richtet, die ihren Wohnort oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

5

a) Der Gerichtshof der [X.] hat auf eine Vorlage des [X.]. Zivilsenats des [X.] (Beschluss vom 21. Juni 2012 - [X.] ZR 2/12, [X.], 1467) mit Urteil vom 16. Januar 2014 ([X.], 181) für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen [X.], der seinen Wohnsitz ebenfalls in [X.] hatte, entschieden, dass das angerufene [X.] Gericht nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO zuständig ist. Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO verlange nicht, dass der zu entscheidende Sachverhalt Anknüpfungspunkte zu zwei oder mehreren Mitgliedstaaten aufweise, und auch der Sinn und Zweck der Verordnung, die Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung, und speziell das Ziel des Art. 3 EuInsVO, die Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeit und damit die Rechtssicherheit zu fördern, erfassten jeden grenzüberschreitenden Sachverhalt ([X.], [X.], 181 Rn. 25 ff.). Dass der [X.], in dem der Beklagte seinen Wohnsitz habe, eine Entscheidung des nach den oben genannten Grundsätzen zuständigen Gerichts mangels Bindungswirkung der Verordnung unter Umständen nicht anerkenne und vollstrecke, stehe nicht entgegen, da zumindest die anderen Mitgliedstaaten das Urteil anerkennen und vollstrecken könnten, insbesondere wenn sich ein Teil des Vermögens des Beklagten im Gebiet eines dieser [X.] befinde ([X.], [X.], 181 Rn. 36 ff.). Der [X.] ist dem mit Urteil vom 27. März 2014 ([X.] ZR 2/12, juris Rn. 6 f.) gefolgt.

6

Ordnet man die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 und § 43 Abs. 3 GmbHG mit der Revision als Konkurs- bzw. Insolvenzsachen ein, gibt es keinen Grund anzunehmen, dass für diese etwas anderes gelten könnte. Denn die Entscheidung des Gerichtshofs stützt sich nicht auf Besonderheiten der Insolvenzanfechtung, sondern legt Art. 3 Abs. 1 EuInsVO für alle Verfahren aus, die unter den Begriff der Insolvenz nach Art. 1 Abs. 1 EuInsVO fallen.

7

b) Die gegebene internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte läuft auch nicht deshalb leer, weil es an einer örtlichen Zuständigkeit eines [X.] Gerichts fehlen könnte (vgl. zu der deshalb bestehenden ausnahmsweisen Prüfungskompetenz in der Revisionsinstanz: [X.], Urteil vom 21. November 1996 - [X.] ZR 264/95, [X.]Z 134, 127, 129 f.). Die örtliche Zuständigkeit des [X.]s [X.] würde sich nicht aus der EuInsVO ergeben, da diese nur die internationale Zuständigkeit regelt. Es kann dahinstehen, ob sich aus der Zivilprozessordnung direkt die örtliche Zuständigkeit des [X.]s [X.] ableiten lässt. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, folgt die örtliche Zuständigkeit des [X.]s [X.] aus einer analogen Anwendung von § 19a ZPO i.V.m. § 3 [X.], Art. 102 § 1 [X.][X.].

8

Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat mit Urteil vom 19. Mai 2009 ([X.] ZR 39/06, [X.], 1287 Rn. 11 ff.) aus den genannten Vorschriften eine örtliche Zuständigkeit [X.]r Gerichte für Insolvenzanfechtungsklagen hergeleitet, wenn nach [X.] Recht für [X.] die internationale Zuständigkeit [X.]r Gerichte gegeben ist. Müssten [X.] trotz bestehender internationaler Zuständigkeit der [X.] Gerichte wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen werden, würde das in europarechtswidriger Weise gegen Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO verstoßen. Nimmt man mit der Revision an, dass die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 und § 43 Abs. 3 GmbHG ebenso wie eine Insolvenzanfechtungsklage als Konkurs- bzw. Insolvenzsache einzuordnen ist, führt dies vorliegend zur internationalen Zuständigkeit [X.]r Gerichte und in analoger Anwendung von § 19a ZPO i.V.m. § 3 [X.], Art. 102 § 1 [X.][X.] zur örtlichen Zuständigkeit des [X.]s [X.] als am Ort des für das Verfahren zuständigen Insolvenzgerichts belegenen sachlich zuständigen [X.]s (vgl. [X.], Urteil vom 27. März 2014 - [X.] ZR 2/12, juris Rn. 8).

9

II. Da auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Revision das [X.] [X.] örtlich und international zuständig ist, hat die Revision keine Aussicht auf Erfolg.

[X.]                     Caliebe                        Drescher

                     Born                       Sunder

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

II ZR 34/13

03.06.2014

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 16. Januar 2013, Az: 9 U 109/12

Art 3 Abs 1 EGV 1346/2000, § 3 InsO, § 19a ZPO, § 43 Abs 3 GmbHG, § 64 S 1 GmbHG, Art 1 Abs 2 Buchst b VollstrZustÜbk 1988

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.06.2014, Az. II ZR 34/13 (REWIS RS 2014, 5161)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5161

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