Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2020, Az. XI ZR 162/19

11. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 1298

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Gegenstand

Informationen über alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen bei Unterhaltung einer Website und Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen


Leitsatz

Wenn ein Unternehmer sowohl eine Webseite unterhält als auch Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, müssen die Informationen nach § 36 Abs. 1 VSBG sowohl gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 VSBG auf seiner Webseite erscheinen als auch gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VSBG in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen werden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 14. Februar 2019 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Urteilsformel lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in den zur Mitteilung der von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmten schriftlichen oder elektronischen Dokumenten nicht darüber zu informieren, ob eine Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle besteht.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist der [X.], der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 [X.] eingetragen ist.

2

Die beklagte Bank nimmt am Streitbeilegungsverfahren der [X.] genossenschaftlichen Bankengruppe teil. Sie unterhält eine Webseite, auf der sie u.a. ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen veröffentlicht. Diese enthalten keine Angaben zur Bereitschaft oder Verpflichtung der Beklagten zur Teilnahme an dem Streitbeilegungsverfahren. Diese Angaben finden sich im [X.] ihrer Webseite sowie in einem separaten Informationsblatt, das mit „Information zur außergerichtlichen Streitschlichtung“ überschrieben ist und das die Beklagte ihren Kunden mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen aushändigt.

3

Nach Ansicht des [X.] genügen die Informationen im [X.] auf ihrer Webseite und in dem Informationsblatt den Vorgaben des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) nicht. Der Kläger begehrt mit seiner Klage, dass die Beklagte es bei Meidung von [X.] unterlässt, Verbraucher in den von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht über die Bereitschaft oder Verpflichtung zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle zu informieren. Zudem verlangt er die Erstattung von Abmahnkosten.

4

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine unter anderem in [X.], 966 veröffentlichte Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe gegen die [X.] aus § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 [X.] i.V.m. § 36 Abs. 1 und 2 [X.] einen Anspruch auf Unterlassung, Verbraucher in den von ihr verwendeten [X.] nicht darüber zu informieren, inwieweit sie bereit oder verpflichtet ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und welche Verbraucherschlichtungsstelle zuständig ist. Die [X.] verstoße gegen § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.], weil diese Informationen nicht in ihren [X.] aufgeführt seien.

8

Ein Unternehmer, der sowohl eine Webseite unterhält als auch Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, müsse dem Verbraucher die Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] sowohl auf seiner Webseite (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) als auch zusammen mit seinen [X.] (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) erteilen. Dem entspreche die [X.] durch die Bereitstellung der Informationen im Impressum ihrer Webseite und durch die Übergabe eines separaten Informationsblattes nicht.

9

Der Gesetzeswortlaut des § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sei nicht eindeutig und weiche von dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11/[X.] des [X.] und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung ([X.]) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/[X.] ([X.] Nr. L 165 vom 18. Juni 2013, [X.]; im Folgenden: Richtlinie 2013/11/[X.]) ab, der eine Information "in" den [X.] vorsehe. Nach dem Willen des Gesetzgebers bestünden die Informationspflichten aus § 36 [X.] bereits im Vorfeld eines Vertragsschlusses und damit unabhängig davon, ob ein Vertrag später geschlossen werde. Damit habe der Gesetzgeber ersichtlich eine Verknüpfung von Information und [X.], nicht aber eine Auslagerung der Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] in ein gesondertes Dokument gewollt. Er habe mit der gegenüber der Richtlinie 2013/11/[X.] abweichenden Formulierung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] berücksichtigt, dass die Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] keine [X.] im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB darstellten, da nach dieser Vorschrift nur solche Vertragsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen gölten, die bei Vertragsschluss gestellt würden. Der Richtliniengeber sei demgegenüber von einem formalen Verständnis des Begriffs der [X.] ausgegangen, zu dem diejenigen Dokumente gehörten, in denen die Bedingungen enthalten seien. Dieses formale Verständnis habe der Gesetzgeber mit der veränderten Formulierung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bei der Umsetzung der Richtlinie aufgegriffen und damit in Übereinstimmung mit Art. 13 Abs. 2 Richtlinie 2013/11/[X.] zum Ausdruck gebracht, dass die Informationen Teil des schriftlichen oder elektronischen Dokuments sein müssten, in dem die [X.] enthalten seien.

Eine Verwendung von [X.] im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] liege vor, wenn die [X.] mit einem Angebot an den Verbraucher übermittelt oder - wie vorliegend - auf der Webseite des Unternehmers veröffentlicht würden.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Kläger hat gegen die [X.] gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 12, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] einen Anspruch auf Unterlassung, Verbrauchern die Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] nicht in ihren [X.] zu erteilen.

1. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 36 [X.] gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 [X.] ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] darstellt und der Kläger gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] aktivlegitimiert und klagebefugt ist.

2. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die [X.] der Vorschrift des § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] deswegen zuwiderhandelt, weil sie Verbrauchern die Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] nicht in ihren [X.] erteilt. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] muss der Unternehmer die Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] zusammen mit seinen [X.] geben, wenn er Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.

a) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die [X.] Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] bereits dadurch verwendet, dass sie diese auf ihrer Webseite bereitstellt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Webseite zum Abschluss von Verbraucherverträgen genutzt wird (vgl. [X.], [X.], 1302 Rn. 28 - [X.]; vgl. zu § 1 [X.] Ulmer/[X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 12. Aufl., § 1 [X.] Rn. 24; a.A. zu § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 18. Dezember 2017 - 3 U 184/17, n.V. Umdruck S. 7; [X.], Urteil vom 14. Februar 2018 - 12 O 131/17, n.V. Umdruck S. 4). Wie der [X.] (nachfolgend Gerichtshof) nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, beschränkt Art. 13 Richtlinie 2013/11/[X.] die darin vorgesehene Informationspflicht nicht auf die Fälle, in denen der Unternehmer die Verträge mit den Verbrauchern über seine Webseite abschließt ([X.], [X.], 1302 Rn. 28 - [X.]).

b) [X.] ist weiter die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die [X.] die Anforderungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] deswegen nicht erfüllt, weil sie die Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] nicht in ihren [X.] aufführt.

Wie der Gerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, bestimmt Art. 13 Abs. 2 Richtlinie 2013/11/[X.], der durch § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] umgesetzt worden ist (vgl. [X.]. 258/15, [X.], 91; BT-Drucks. 18/5089, [X.], 74), dass die Informationen "in" den [X.] aufgeführt werden ([X.], [X.], 1302 Rn. 24 ff. - [X.]). Auch im Schrifttum wird überwiegend - teilweise ohne nähere Begründung - davon ausgegangen, dass die Informationen „in“ den [X.] enthalten sein müssen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Aufl., § 36 [X.] Rn. 15; [X.], [X.] 2016, 312, 317; [X.], [X.], 376, 377; Koschmieder/Ziegenhagen, [X.], 282, 286; ebenso [X.], Verbraucherschlichtung, [X.], Stand: November 2016, [X.], abrufbar unter https://www.bmjv.de).

c) Die Verpflichtung zur Erteilung der Informationen nach § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 [X.] entfällt schließlich nicht deswegen, weil die [X.] eine Webseite unterhält und die Informationen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf der Webseite im Impressum erscheinen.

Wenn ein Unternehmer - wie hier - sowohl eine Webseite unterhält als auch Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, müssen die Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.], wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, sowohl auf seiner Webseite erscheinen (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) als auch gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 [X.] in die [X.] aufgenommen werden (vgl. [X.]/Weiser in [X.]/[X.], [X.], § 36 Rn. 31; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Recht der alternativen Konfliktlösung, 2. Aufl., § 36 [X.] Rn. 12; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 7 Rn. 16; Koschmieder/Ziegenhagen, [X.], 282, 286; Ueberfeldt, DStR 2017, 900, 903; [X.], Verbraucherschlichtung, [X.], Stand: November 2016, [X.], abrufbar unter https://www.bmjv.de; a.[X.], Das neue [X.] in der anwaltlichen Praxis, § 2 Rn. 539; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 36 Rn. 13). Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, da die Ziffern 1 und 2 des § 36 Abs. 2 [X.] nicht durch das Wort "oder", sondern durch ein Komma getrennt sind, wodurch eine Aufzählung von Pflichten begründet wird, die nebeneinander zu erfüllen sind, wenn ihre Voraussetzungen jeweils vorliegen. Ein solches Verständnis entspricht zudem dem Willen des Gesetzgebers, nach dem die Pflichten aus § 36 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] kumulativ zu erfüllen sind ([X.]. 258/15, [X.]; BT-Drucks. 18/5089, [X.]), und ist unionsrechtskonform (vgl. [X.], [X.], 1302 Rn. 29 f. - [X.]).

3. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten findet seine Rechtsgrundlage in § 5 [X.] i.V.m. § 12 Abs. 1 UWG (Senatsurteile vom 7. Juni 2011 - [X.], [X.], 66 Rn. 41, vom 9. Mai 2017 - [X.], [X.], 23 Rn. 55 und vom 10. September 2019 - [X.], [X.], 130 Rn. 27) und wird der Höhe nach von der Revision nicht angegriffen.

III.

Die vom Kläger für den Fall der Zuwiderhandlung gegen einen Unterlassungstitel nach § 890 ZPO beantragten Ordnungsmittel sind - abweichend von der Urteilsformel des Berufungsgerichts - nicht anzudrohen, weil die titulierte Pflicht der [X.]n nicht in einer Unterlassung, sondern in einer unvertretbaren Handlung besteht, die nach § 888 ZPO durch Zwangsmittel zu vollstrecken ist. Ein Unterlassungsantrag liegt nicht schon dann vor, wenn dem Wortlaut des Antrags nach eine Unterlassung formuliert wird. Der Antrag muss vielmehr seinem Inhalt nach eine Unterlassung bezwecken ([X.], [X.] 2017, 864, 865). Das ist hier nicht der Fall. Der Antrag des [X.] ist lediglich in die Form eines Unterlassungsantrags gekleidet. Tatsächlich wird mit ihm eine negative Unterlassung und damit in der Sache die Vornahme einer Handlung begehrt, nämlich die Aufnahme der Informationen nach § 36 Abs. 1 [X.] in die von der [X.]n verwendeten [X.]. Der Kläger begehrt damit eine nicht vertretbare Handlung, bei der gemäß § 888 Abs. 2 ZPO eine Androhung der Zwangsmittel nicht stattfindet.

[X.]     

      

Joeres     

      

Matthias

      

Menges     

      

Schild von [X.]     

      

Meta

XI ZR 162/19

22.09.2020

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 14. Februar 2019, Az: 23 U 18/18, Urteil

§ 36 Abs 1 VSBG, § 36 Abs 2 Nr 1 VSBG, § 36 Abs 2 Nr 2 VSBG, § 2 Abs 1 UKlaG, § 2 Abs 2 S 1 Nr 12 UKlaG, Art 13 Abs 2 EURL 11/2013, § 305 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2020, Az. XI ZR 162/19 (REWIS RS 2020, 1298)

Papier­fundstellen: WM2020,2115 REWIS RS 2020, 1298

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